Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 19.06.2003, Az.: 74 IN 247/01

Anforderungen an die Durchführung eines Insolvenzverfahrens; Voraussetzungen für das Vorliegen von Insolvenzgründen; Anforderungen an einen Schuldenbereinigungsplan

Bibliographie

Gericht
AG Göttingen
Datum
19.06.2003
Aktenzeichen
74 IN 247/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 32687
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGGOETT:2003:0619.74IN247.01.0A

Fundstellen

  • VuR 2003, 389-390 (amtl. Leitsatz)
  • ZInsO 2003, 625-626 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZVI 2003, 365-366
  • ZVI (Beilage) 2004, 30 (amtl. Leitsatz)

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Eine Anhebung des pfändungsfreien Betrages gem. § 850f Abs. 1 ZPO kommt im Insolvenzverfahren auch in Betracht, wenn der Schuldner sein Einkommen an einen Gläubiger abgetreten hat. Über einen solchen Antrag entscheidet das Insolvenzgericht.

  2. 2.

    Der Pfändungsfreibetrag kann gem. § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO i.V.m. § 850f Abs. 1 ZPO erhöht werden, wenn der Schuldner ansonsten ohne Krankenversicherungsschutz wäre.

Entscheidungsgründe

1

Auf Antrag der Schuldnerin ist über ihr Vermögen am 16.1.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet und ihr Stundung bewilligt worden. Aufgrund einer Abtretungsvereinbarung erhält eine Gläubigerin den pfändbaren Teil der Rente der Schuldnerin. Mit Schreiben v. 12.4.2002 hat die Schuldnerin Antrag auf Erhöhung der Pfändungsgrenze gestellt mit der Begründung, der von ihr zu zahlende Krankenversicherungsbetrag belaufe sich auf ca. 900 DM. Der mit dem Eröffnungsantrag vorgelegte Rentenbescheid zum 1.7.2000 weist einen Zuschuss zur Krankenversicherung von 176,50 DM aus. Inzwischen ist die Schuldnerin aufgrund einer Kündigung ihrer bisherigen privaten Krankenversicherung ohne Versicherungsschutz. Ein mit Schreiben v. 16.5.2003 vorgelegtes aktuelles Versicherungsangebot beläuft sich auf 568,07 EUR.

2

Die Rechtspflegerin hat mit Beschl. v. 7.3.2003 den Antrag der Schuldnerin zurückgewiesen. Zur Begründung wird angeführt, im Hinblick auf die vor Verfahrenseröffnung getroffene Abtretungsvereinbarung mit einer Gläubigerin würden keine pfändbaren Beträge aus den Einkünften der Schuldnerin zur Masse gezogen, eine Entscheidung durch das Insolvenzgericht über die Erhöhung der Pfändungsfreigrenzen im Rahmen des § 850f ZPO sei daher nicht möglich.

3

Gegen diesen Beschluss hat die Schuldnerin rechtzeitig sofortige Erinnerung eingelegt, der die Rechtspflegerin nicht abgeholfen hat.

4

Zur Begründung verweist die Schuldnerin darauf, dass der ihr zustehende Krankenversicherungsbeitrag von z.Zt. 300 EUR um etwa 150 EUR monatlich erhöht werden müsse, damit sie unter Hinzuzahlung von 100 EUR aus ihrem nicht pfändbaren Einkommen eine private Krankenversicherung mit einem Monatsbeitrag von ca. 550 EUR abschließen könne.

5

Die gem. § 11 Abs. 2 RPflG zulässige Erinnerung ist begründet.

6

Aus §§ 292 Abs. 1 Satz 3, 36 Abs. 1 Satz 2 InsO ergibt sich, dass die Vorschrift des § 850f Abs. 1 ZPO im Insolvenzverfahren anwendbar ist. Dies gilt nicht nur im Falle der Pfändung, sondern auch im Falle der Abtretung wie im vorliegenden Fall. Dies folgt aus § 400 BGB, wonach eine Forderung nicht abgetreten werden kann, soweit sie der Pfändung nicht unterworfen ist. Darunter fällt nicht nur der unpfändbare Teil eines Arbeitseinkommens gem. § 850c ZPO bzw. die im vorliegenden Fall die gem. § 850 ZPO gleichgestellte Rentenzahlung, sondern auch der sich aus § 850f Abs. 1 ZPO ergebende erhöhte unpfändbare Betrag. Zur Entscheidung darüber ist gem. § 36 Abs. 4 Satz 1 InsO das Insolvenzgericht zuständig.

7

Im vorliegenden Fall sind weder vom Treuhänder noch dem gesondert angeschriebenen Abtretungsgläubiger überwiegende Belange aufgezeigt worden, die einer Anhebung der Pfändungsfreigrenze gem. § 850f Abs. 1 ZPO entgegenstehen, damit die Schuldnerin sich krankenversichern kann. Die Auszahlung des Betrages steht unter dem Vorbehalt, dass eine entsprechende Krankenversicherung abgeschlossen und auch bedient wird.