Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 14.08.2003, Az.: 74 AR 16/03
Anforderungen an die Durchführung eines Insolvenzverfahrens; Voraussetzungen für das Vorliegen von Insolvenzgründen; Anforderungen an die Bestellung eines Insolvenzverwalters
Bibliographie
- Gericht
- AG Göttingen
- Datum
- 14.08.2003
- Aktenzeichen
- 74 AR 16/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 32693
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGGOETT:2003:0814.74AR16.03.0A
Rechtsgrundlagen
- § 21 Abs. 2 Nr. 2 2. HS InsO
- § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO
- § 22 Abs. 1 S. 1 InsO
Fundstellen
- InVo 2003, 438-440 (Volltext mit amtl. LS)
- NZI 2003, 612-613 (Volltext mit amtl. LS)
- ZInsO 2003, 770-772 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Über Verstöße gegen das Vollstreckungsverbot gem. § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO entscheidet nicht das Vollstreckungsgericht, sondern das Insolvenzgericht.
- 2.
Die Zustellung einer einstweiligen Verfügung mit einem Unterlassungsgebot stellt eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme dar.
- 3.
Die Vorschrift des § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO ist weit zu verstehen. Darunter fallen auch Vollstreckungsmaßnahmen gem. §§ 887 ff. ZPO (hier: § 890 ZPO).
- 4.
Bei einem Verstoß ist die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären.
Gründe
I.
Der Erinnerungsführer wendet sich in seiner Eigenschaft als nunmehriger Insolvenzverwalter gegen die Zustellung einer einstweiligen Unterlassungsverfügung.
Aufgrund eines Eigenantrages der Gemeinschuldnerin wurde am 25.4.2003 ein Zustimmungsvorbehalt gem. § 21 Abs. 2 Nr. 2 2. HS InsO angeordnet und der Erinnerungsführer zum vorläufigen ("schwachen") Insolvenzverwalter bestellt. Weiter ist in dem Beschuss Folgendes angeordnet: "Maßnahmen der Zwangsvollstreckung werden gem. § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO untersagt, bereits eingeleitete Maßnahmen werden eingestellt, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind."
Die Schuldnerin und die Erinnerungsgegnerin zu 1. sind Hersteller von Papier sowie dem Rohstoff zur Herstellung von Wellpappe. Im Rahmen einer Alleinvertriebsvereinbarung ist der Erinnerungsgegnerin zu 2. die komplette Vermarktung seit 10/1998 übertragen. Sie ist verpflichtet, sämtliche Produkte im eigenen Namen zu kaufen und weiter zu veräußern. Kam es in der Vergangenheit zu einem Überangebot auf dem Markt, trafen die Schuldnerin und die Erinnerungsgegnerin zu 1. jeweils Einzelfallregelungen. Nach Beantragung des Insolvenzverfahrens schlugen die Erinnerungsgegnerinnen eine Produktionsdrosselung auf ca. 50 % bei einem Verkaufspreis von 120 EUR pro Tonne statt zuvor 198 EUR pro Tonne vor. Die Schuldnerin hingegen musste Produktionskosten i.H.v. 152,75 EUR ohne Personalkosten sicherstellen, ansonsten hätte eine sofortige Betriebsstilllegung gedroht. Nach Scheitern der Verhandlungen sprach die Schuldnerin am 27.5.2003 die fristlose Kündigung der Alleinvertriebsvereinbarung aus.
Mit Schriftsatz v. 6.6.2003 stellten die Erinnerungsgegnerinnen daraufhin beim LG Göttingen den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, in dem auch die Tatsache der Beantragung des Insolvenzverfahrens erwähnt und eine Ablichtung des Beschl. des AG Göttingen v. 25.4.2003 (74 IN 164/03) beigefügt war. Die einstweilige Verfügung wurde ohne mündliche Verhandlung mit Beschl. v. 10.6.2003 erlassen (LG Göttingen - 1 O 29/03). Unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR wurde die Schuldnerin verurteilt, es bis zum 31.12.2003 zu unterlassen, Wellpappenrohstoffe an andere Abnehmer als die Erinnerungsgegnerin zu 2. zu veräußern. Die Zustellung der einstweiligen Verfügung erfolgte am 11.6.2003 durch den Gerichtsvollzieher in den Geschäftsräumen der Schuldnerin. Er übergab sie an Frau F., die allerdings bei der Schuldnerin nicht angestellt ist, vielmehr als selbstständige Steuerberaterin die Schuldnerin betreut. Im Hinblick auf einen abzuschließenden Sozialplan wurde am 12.6.2003 der Schuldnerin ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt (§ 22 Abs. 1 Satz 1 InsO), der bisherige "schwache" vorläufige Insolvenzverwalter wurde "starker" vorläufiger Insolvenzverwalter. Dieser reichte unter dem 17.6.2003 beim LG Göttingen eine Schutzschrift für den Fall eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen ihn in seiner Funktion als vorläufiger "starker" Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin ein. Die Erinnerungsgegnerinnen ließen den Titel jedoch auf den vorläufigen "starken" Insolvenzverwalter umschreiben. Zugleich ließ der vorläufige Insolvenzverwalter mit Schriftsatz v. 17.6.2003 bei dem für den Geschäftssitz der Schuldnerin zuständigen Vollstreckungsgericht Erinnerung einlegen.
Mit Beschl. v. 1.7.2003 ist das Insolvenzverfahren eröffnet und der vorläufige Insolvenzverwalter zum endgültigen Insolvenzverwalter bestellt worden. Mit Schriftsatz v. 2.7.2003 hat er angezeigt, dass er das unterbrochene Verfahren aufnimmt. Das beim LG Göttingen aufgrund des von der Schuldnerin eingelegten Widerspruches noch anhängige einstweilige Verfügungsverfahren haben die Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt und widerstreitende Kostenanträge gestellt haben. Eine Entscheidung des LG liegt noch nicht vor.
Der Erinnerungsführer beruft sich darauf, dass bereits im Beschluss v. 25.4.2003 gem. § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin untersagt wurden.
Dagegen sei durch die eine Vollziehung darstellende Zustellung, die einen Vollstreckungsakt bilde, verstoßen worden. Die Vorschrift des § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO führe zu einer Vorverlagerung der Vollstreckungssperre gem. § 89 InsO. Dadurch solle eine Gleichbehandlung aller Gläubiger gewährleistet werden. Dieses wäre beim Festhalten an dem Rahmenvertrag nicht möglich gewesen, da nicht kostendeckend produziert worden wäre, bereits auf Lager stehende Produkte nicht veräußerbar gewesen wären, eine Fortführung nicht in Betracht gekommen und von vornherein die Möglichkeit, einen Investor zu finden, ausgeschieden wäre. Es frage sich sogar, ob in Anbetracht des Verbotes der Zustellung der einstweiligen Verfügung schon der Erlass unzulässig gewesen sei.
Der Erinnerungsführer beantragt,
die Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Verfügung für unzulässig zu erklären.
Die Erinnerungsgegnerinnen beantragen,
die Erinnerung zurückzuweisen.
Sie haben zunächst unter Hinweis auf die Vorschrift des § 89 Abs. 3 InsO die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichtes gerügt. In der Sache weisen sie darauf hin, dass Unterlassungsansprüche persönliche Ansprüche beträfen, die keine Insolvenzforderungen und deshalb nicht vom Vollstreckungsverbot des § 89 InsO betroffen seien. Daher unterfielen sie auch nicht der Vorschrift des § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO.
Der Gerichtsvollzieher sieht in der Zustellung einer einstweiligen Verfügung mit dem Inhalt der Unterlassung noch keinen Vollstreckungsakt und vertritt die Auffassung, eine Zwangsvollstreckung (§ 890 ZPO) beginne erst nach Erlass eines Zwangsgeldbeschlusses. Für den Fall, dass bereits die Zustellung die Vollziehung eines Vollstreckungsaktes sei, wirft er die Frage auf, ob das LG die einstweilige Verfügung überhaupt habe erlassen dürfen.
Auf übereinstimmenden Antrag der Parteien hat das Vollstreckungsgericht die Sache an das AG - Insolvenzgericht - Göttingen verwiesen.
II.
Die zulässige Erinnerung ist begründet.
Das Insolvenzgericht ist zur Entscheidung zuständig. Das Rechtsschutzinteresse für den Erinnerungsführer besteht fort. Es kann dahinstehen, ob im Hinblick auf die gem. § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO getroffene Anordnung der Erlass einer einstweiligen Untersagungsverfügung möglich war und die Zustellung ordnungsgemäß erfolgte. Bereits die Zustellung durfte nicht erfolgen.
1.
Das Insolvenzgericht ist zur Entscheidung zuständig. Die Frage, wer gegen Erinnerungen über Vollstreckungsmaßnahmen im Eröffnungsverfahren entscheidet, ist streitig. Zutreffend wird überwiegend das Insolvenzgericht und nicht das Vollstreckungsgericht für zuständig gehalten (BK-Blersch, InsO, § 21 Rn. 39; Braun/Kießner, InsO, § 6 Rn. 55; Braun/Kind, InsO, § 21 Rn. 48; FK-InsO/Schmerbach, § 6 Rn. 56 und 63 sowie § 21 Rn. 83b; Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 21 Rn. 21; MünchKomm-InsO/Ganter, § 6 Rn. 64; MünchKomm-InsO/Haarmeyer, § 21 Rn. 75; Uhlenbruck, InsO, § 21 Rn. 27; Vallender, ZIP 1997, 1993, 1996; a.A. AG Köln, ZInsO 1999, 419[AG Köln 23.06.1999 - 73 IK 1/99]; AG Rostock, NZI 2000, 142; HK-InsO/Kirchhof, § 21 Rn. 23; Nerlich/Römermann/Mönning, InsO, § 21 Rn. 97; Steder, ZIP 2002, 65, 70). I.Ü. ist die vom Vollstreckungsgericht nach Gewährung rechtlichen Gehörs auf Antrag beider Parteien ausgesprochene Verweisung bindend. Dahinstehen kann die in diesem Zusammenhang weiter streitige Frage, in welchem Umfang das Insolvenzgericht zur Überprüfung der Vollstreckungsvoraussetzungen befugt ist (s. dazu unten 4.).
Funktionell zuständig zur Entscheidung über die Erinnerung ist gem. § 20 Nr. 17a RPflG der Richter (MünchKomm-InsO/Ganter, § 6 Rn. 64; Vallender, ZIP 1997, 1993, 1998).
2.
Auch nach übereinstimmender Erledigungserklärung der einstweiligen Verfügung in der Hauptsache besteht das Rechtsschutzbedürfnis des Erinnerungsführers, auf den der Titel umgeschrieben worden ist, fort. Die Wirksamkeit einer Vollstreckung zu überprüfen ist nämlich nicht Aufgabe des Prozessgerichtes, sondern des Vollstreckungs- bzw. im vorliegenden Fall des Insolvenzgerichtes.
3.
Dahinstehen kann, ob das LG eine einstweilige Verfügung überhaupt erlassen durfte im Hinblick auf die gem. § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO angeordnete einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung. Dies überprüfen ist Aufgabe des LG als Prozessgericht.
4.
Ebenso kann dahinstehen, ob die einstweilige Verfügung wirksam zugestellt wurde. Im vorliegenden Fall war eine Zustellung an die Schuldnerin zwar möglich, da ein allgemeines Verfügungsverbot mit Bestellung eines "starken" vorläufigen Insolvenzverwalters erst nach der Zustellung v. 11.6.2003 erfolgte. Zweifel ergeben sich jedoch daraus, dass die einstweilige Verfügung nicht den gesetzlichen Vertretern oder Angestellten der Schuldnerin übergeben wurde, sondern einer nicht bei dieser angestellten, sondern selbstständig tätigen Steuerberaterin. Es spricht zwar einiges dafür, dass das Insolvenzgericht auch die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen prüfen darf (vgl. AG Göttingen, ZVI 2002, 25, 26 = Rpfleger 2002, 170; FK-InsO/Schmerbach, § 6 Rn. 57; a.A. MünchKomm-InsO/Ganter, § 6 Rn. 64). Fraglich ist jedoch, ob im vorliegenden Fall eine Heilung eingetreten sein könnte. Dies kann jedoch letztlich dahinstehen, da die Zustellung aus anderen Gründen unwirksam ist.
5.
Jedenfalls die Zustellung der einstweiligen Verfügung verstößt gegen die Anordnung des Insolvenzgerichtes, dass Maßnahmen der Zwangsvollstreckung untersagt werden.
a)
Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung. Die in § 928 ZPO erwähnte Vollziehung ist die gesetzestechnische Bezeichnung für die Zwangsvollstreckung von Arresten und einstweiligen Verfügungen (Zöller/Vollkommer, ZPO, § 928 Rn. 8, 1). Die Vollziehung einer einstweiligen Verfügung erfolgt durch Zustellung im Parteibetrieb (Zöller/Vollkommer, ZPO, § 929 Rn. 12). Auch in der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 120, 73, 77) [BGH 22.10.1992 - IX ZR 36/92] ist anerkannt, dass Unterlassungsgebote einer Vollziehung fähig sind.
b)
§ 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO gibt dem Insolvenzgericht die Möglichkeit, Maßnahmen der Zwangsvollstreckung zu untersagen, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind. Nach der ursprünglichen Gesetzesfassung stand dem Insolvenzgericht die befugnis zur Anordnung eines uneingeschränkten Vollstreckungsverbotes zu. Zur Entlastung der Insolvenzgerichte wurden Gesetzgebungsverfahren unbewegliche Gegenstände ausgenommen (Uhlenbruck, a.a.O., § 21 Rn. 26). Die ursprüngliche weite Fassung spricht dafür, dass eine Anordnung des Insolvenzgerichtes alle Maßnahmen der Zwangsvollstreckung umfassen sollten. § 25 Abs. 2 Nr. 3 des RegE der InsO lautete: "Das Insolvenzgericht kann ... Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagen oder einstweilen einstellen" (BT-Drucks. 12/2443, S. 13). Eine Beschränkung auf bewegliche Gegenstände ist im Gesetzestext nicht ausdrücklich erwähnt. Sie wird als "Gegenbegriff" benutzt zu der im Gesetzestext enthaltenen Einschränkung, dass das Insolvenzgericht zur Einstellung der Zwangsvollstreckung in unbewegliche Gegenstände nicht zuständig ist. Im Beschl. des Insolvenzgerichtes v. 25.4.2003 (AG Göttingen - 74 IN 164/03) werden auch nicht Maßnahmen der Zwangsvollstreckung in bewegliche Gegenstände eingestellt, vielmehr werden Maßnahmen der Zwangsvollstreckung untersagt, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind.
c)
Die Vorschrift des § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO zieht das Vollstreckungsverbot des § 89 InsO bereits in das Eröffnungsverfahren vor (Uhlenbruck, a.a.O., § 21 Rn. 26). Grds. erfasst § 89 InsO auch Arreste und einstweilige Verfügungen (Braun/Kroth, InsO, § 89 Rn. 2). Ausnahmen vom Vollstreckungsverbot ergeben sich aus § 89 Abs. 2 InsO.
In Rechtsprechung (KG, NZI 2000, 228) und Literatur (HK-InsO/Eickmann § 89 Rn. 4; Nerlich/Römermann/Wittkowski, InsO, § 89 Rn. 16) wird teilweise die Auffassung vertreten, Unterlassungsansprüche seien durchsetzbar, weil sie keine Insolvenzforderungen darstellen. Ob diese Auffassung im Rahmen des § 89 InsO zutreffend ist (a.A. FK-InsO/App, § 89 Rn. 9, 12) kann dahinstehen. Zutreffend wird eine Zwangsvollstreckung gem. § 888 ZPO für unzulässig gehalten, wenn die Hauptforderung, deren Durchsetzung der Auskunftsanspruch dient, eine Insolvenzforderung ist (Hess, InsO, § 89 Rn. 20; Uhlenbruck, InsO, § 89 Rn. 6). Jedenfalls im Rahmen des § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO ist eine andere Betrachtungsweise geboten.
d)
Im Rahmen des § 21 Abs. 2 Nr. 3 wird teilweise die Auffassung vertreten, dass ein Vollstreckungsverbot lediglich das bewegliche Vermögen des Schuldners betrifft, die Vollstreckung einer vertretbaren Handlung nach § 887 ZPO nicht darunter falle (BK-InsO/Blersch, § 21 Rn. 34 unter Hinweis auf LG Mainz, NZI 2002, 444). Ob diese für den Anmeldungsbereich des § 887 ZPO vertretene Auffassung zutrifft, kann dahinstehen. In dem vom LG Mainz (NZI 2002, 444 = ZInsO 2002, 639 = ZVI 2002, 203 m. krit. Anm. App, EWiR 2003, 377) entschiedenen Fall ging es um die Gestattung des Zutrittes zu einer Abnahmestelle und Sperrung eines Stromzählers. Argumentiert wird damit, dass die Gläubigerin anderenfalls gezwungen wäre, eine Leistung zu erbringen, für die sie offensichtlich eine Gegenleistung nicht erhalte. Die Zielsetzung des § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO, ein vorzeitiges Auseinanderreißen einzelner Vermögensgegenstände des Schuldners zu verhindern, sei nicht betroffen. Anders verhält es sich jedenfalls im vorliegenden Fall. Ein Unterlassen der freihändigen Veräußerung oder Veräußerung zu den von den Erinnerungsgegnerinnen gewünschten Konditionen hätte im Ergebnis eine sofortige Schließung des Geschäftsbetriebes zur Folge gehabt. Auch unter Berücksichtigung der Vorfinanzierung der Lohnkosten durch Insolvenzgeld war keine Kostendeckung vorhanden. Derart weitgehende Eingriffe sollen jedoch gerade vermieden werden. I.Ü. kann es für die Anwendung des § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO nicht von Zufälligkeiten abhängen, ob z.B. ein zur Sicherheit übereigneter oder unter Eigentumsvorbehalt gelieferter Gegenstand herausverlangt wird oder es um Handlungen gem. §§ 887 ff. ZPO geht.
Demgemäß fällt auch der Vollzug von Arrest und einstweiliger Verfügung unter die Vorschrift des § 21 Abs. 2 Nr. 3 (Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, Rn. 385; HK-InsO/Kirchhof, § 21 Rn. 23). Dies ist gedeckt vom Ziel der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung, dem § 21 Abs. 2 Nr. 3 dient (vgl. MünchKomm-InsO/Haarmeyer, § 21 Rn. 71). Dafür spricht auch, dass die Untersagung umfassend ist und sich auch auf solche Gegenstände bezieht, an denen ab- oder aussonderungsberechtigte Gläubiger ihre Rechte geltend machen (ders., a.a.O.). I.Ü. bezieht sich das Vollstreckungsverbot in § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO nicht nur auf Insolvenzgläubiger, sondern auf alle Gläubiger (Hintzen, Anm. zu AG Mainz, ZInsO 2001, 575).
6.
Folglich durfte eine Zustellung nicht erfolgen. Dies hatte der Gerichtsvollzieher von Amts wegen zu beachten (vgl. LG Oldenburg, ZIP 1981, 1111, 1112). Geht man davon aus, dass trotz Einstellung der Zwangsvollstreckung eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt werden kann, würde es sich anbieten, dass der Einstellungsbeschluss auf der Ausfertigung erwähnt wird, da das Vollstreckungsorgan von der Entscheidung des Insolvenzgerichtes nicht unbedingt Kenntnis haben muss (vgl. Vallender, ZIP 1997, 1993, 1997); für das LG ergab sich dies aus der Antragsschrift. Im vorliegenden Fall war dem zuständigen Gerichtsvollzieher allerdings eine Ausfertigung des Beschlusses des Insolvenzgerichtes v. 25.4.2003 übersandt worden, in dem u.a. die Zwangsvollstreckung gem. § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO untersagt bzw. einstweilen eingestellt wurde.
7.
Für zukünftige Verfahren wird das Insolvenzgericht überlegen, ob in dem Beschluss eine klarstellende Klausel hinsichtlich des Umfanges und der Wirkungen des § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO aufgenommen wird.
8.
Die Zustellung erfolgt an die Erinnerungsgegnerinnen förmlich, auch wenn einiges dafür spricht, dass der vorliegende Beschluss im Hinblick auf die Vorschrift des § 6 Abs. 1 InsO nicht anfechtbar ist (AG Hamburg, NZI 2000, 96; AG Göttingen, NZI 2000, 493, 494; FK-InsO/Schmerbach, § 6 Rn. 59 und 63; HK-InsO/Kirchhof, § 6 Rn. 4; Uhlenbruck, InsO, § 6 Rn. 6; a.A. LG Traunstein, NZI 2000, 438; BK-Blersch/v. Olshausen, InsO, § 89 Rn. 13; FK-InsO/App, § 89 Rn. 18; Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 89 Rn. 35; Münch-Komm-InsO/Ganter, § 6 Rn. 64).