Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 31.03.2003, Az.: 74 IN 120/03

Anforderungen an die Durchführung eines Insolvenzverfahrens; Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe; Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung

Bibliographie

Gericht
AG Göttingen
Datum
31.03.2003
Aktenzeichen
74 IN 120/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 32681
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGGOETT:2003:0331.74IN120.03.0A

Fundstellen

  • Rpfleger 2003, 317 (Volltext mit red. LS)
  • ZIP 2003, 1100-1101 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZInsO 2003, 530 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZVI 2003, 166-167
  • ZVI (Beilage) 2004, 20 (amtl. Leitsatz)

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Dem antragstellenden Gläubiger kann für das Insolvenzeröffnungsverfahren PKH gem. § 4 InsO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO bewilligt werden.

  2. 2.

    Hinreichende Erfolgsaussicht i.S.d. § 114 S. 1 ZPO besteht bei Aussicht auf zumindestens teilweise Befriedigung; dem steht nicht entgegen, dass Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen fruchtlos verlaufen sind.

  3. 3.

    Die Beiordnung eines Rechtsanwaltes gem. § 4 InsO i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO ist nur ausnahmsweise erforderlich bei erhöhten Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Insolvenzgrundes oder der Insolvenzforderung.

Entscheidungsgründe

1

Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin aus Arbeitsverhältnissen titulierte Forderungen aufgrund eines Vergleiches v. 22.6.2000 i.H.v. 113,51 EUR sowie aus einem Versäumnisurteil v. 23.3.2000 i.H.v. 2.031,87 EUR. Mehrere Vollstreckungsversuche bei der Antragsgegnerin sind erfolglos verlaufen. Für das Einzelzwangsvollstreckungsverfahren ist dem Antragsteller mit Beschluss des AG Göttingen - Vollstreckungsgericht - v. 17.5.2001 PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwaltes bewilligt worden. Die Antragsgegnerin ist Inhaberin eines Fuhrbetriebes. Seit dem Jahre 1999 waren gegen sie sechs Insolvenzeröffnungsverfahren anhängig. Zwei Verfahren endeten mit Rücknahme des Antrages, in den übrigen vier Fällen wurde die Hauptsache von den Antragstellern für erledigt erklärt. Zuletzt war ein Verfahren gegen sie unter dem Az. 74 IN 232/01 anhängig.

2

Mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten hat der Antragsteller beantragt, über das Vermögen der Antragsgegnerin das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Weiter hat er beantragt, ihm PKH ohne Ratenzahlung unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten zu bewilligen.

3

Der Antrag ist nur teilweise begründet.

4

Dem Antragsteller ist PKH zu bewilligen. Während die InsO nunmehr für bedürftige Schuldner mit Einführung des Stundungsmodells in §§ 4a ff. InsO eine die Anwendbarkeit der PKH-Vorschriften ausschließende Sonderregelung getroffen hat, kann bei Anträgen von Gläubigern gem. § 4 InsO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO PKH bewilligt werden (HK-InsO/Kirchhoff, § 4 Rn. 9; FK-InsO/Schmerbach, § 13 Rn. 77; Uhlenbruck, InsO, § 4 Rn. 18; Kübler/Prütting/Pape, § 13 Rn. 15; Nerlich/Römermann/Mönning, § 13 Rn. 31; a.A. MünchKomm-InsO/Ganter, § 4 Rn. 23). Im vorliegenden Fall liegen die erforderlichen Voraussetzungen vor.

5

Der Antragsteller ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Lagen nicht in der Lage, die Kosten des Verfahrens aufbringen zu können, § 4 InsO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO. Als Umschüler erhält er wöchentlich 169,82 EUR und ist seinem minderjährigen Sohn gegenüber unterhaltsverpflichtet. Ihm ist bereits durch Beschl. des AG Göttingen v. 17.5.2001 für die Einzelzwangsvollstreckung PKH bewilligt worden.

6

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 4 InsO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO. Die Forderungen des Antragstellers sind tituliert. Der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit ist glaubhaft gemacht durch Vorlage der Unterlagen über erfolglose Vollstreckungsversuche bei der Antragsgegnerin. Zudem waren gegen die Antragsgegner in den letzten dreieinhalb Jahren sechs Insolvenzverfahren anhängig. Weiter besteht die Aussicht auf zumindestens teilweise Befriedigung (vgl. zu diesem Erfordernis BK/Blersch, § 4 Rn. 17; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch 3/118; FK-InsO/Schmerbach, § 13 Rn. 82; Uhlenbruck, InsO, § 4 Rn. 18).

7

Dem steht auch nicht entgegen, dass bislang Vollstreckungsversuche erfolglos blieben und die Antragsgegnerin die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. Erfahrungsgemäß decken nämlich die Ermittlungen eines vorläufigen Insolvenzverwalters bzw. Sachverständigen häufig weitere Vermögensgegenstände auf (vgl. FK-InsO/Schmerbach, § 13 Rn. 82). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass in den vorangehenden Insolvenzverfahren die Antragsgegnerin sich mit den Antragstellern einigte und zumindestens Teilzahlungen erbrachte.

8

Schließlich liegt das erforderliche rechtliche Interesse des Antragstellers gem. § 14 Abs. 1 InsO vor. Damit steht zugleich fest, dass der Antrag nicht mutwillig gem. § 4 InsO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO ist.

9

Vor einer Anhörung der Antragsgegnerin gem. § 4 InsO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat das Insolvenzgericht abgesehen. Die Forderungen des Antragstellers sind tituliert, ebenso liegen umfangreiche Unterlagen über Jahre hinaus durchgeführte mehrfache vergebliche Vollstreckungsversuche vor. Hinzukommt, dass das Insolvenzgericht im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Häufung der Insolvenzverfahren über das Vermögen der Antragsgegnerin und ihre in den letzten Verfahren offen zu Tage getretene mangelnde Kooperationsbereitschaft die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet hat. In dem Verfahren 74 IN 232/01 wurde am 18.10.2001 ein Sachverständiger bestellt, am 15.2.2002 erfolgte die Anordnung einer Postsperre und eines Zustimmungsvorbehaltes unter Bestellung eines vorläufigen Insolvenzerwalters, im April 2002 wurde das Verfahren für erledigt erklärt. Eine vorherige Anhörung ist von daher untunlich (vgl. Uhlenbruck, InsO, § 4 Rn. 18; Nerlich/Römermann/Mönning, § 13 Rn. 31).

10

Hingegen ist der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwaltes zurückzuweisen. Gem. § 4 InsO i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO kann die Beiordnung eines Rechtsanwaltes erfolgen, wenn der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist oder die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Die Antragsgegnerin ist anwaltlich nicht vertreten, auch die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erscheint nicht erforderlich. Bei einfach gelagerter Sach- und Rechtslage kommt eine Anwaltsbeiordnung nicht in Betracht, da die Rechtsantragstelle des AG in Anspruch genommen werden kann. Etwas anderes gilt nur, wenn sich Schwierigkeiten insbesondere bei der Glaubhaftmachung des Insolvenzgrundes ergeben (AG Göttingen, ZIP 1992, 636 = EWiR 1992, 513; LG Duisburg, NZI 2000, 237; HK-InsO/Kirchhoff, § 4 Rn. 9; FK-InsO/Schmerbach, § 13 Rn. 87; weitergehend Uhlenbruck, InsO, § 4 Rn. 18).

11

Die Zahlungsunfähigkeit der Antragsgegnerin ist durch die Vollstreckungsunterlagen glaubhaft gemacht. Weiter käme eine Anwaltsbeiordnung in Betracht, wenn der Antragsteller seine Forderung auf eine nicht titulierte Forderung stützt (zur Zulässigkeit vgl. HK-InsO/Kirchhoff, § 14 Rn. 9; Kübler/Prütting/Pape, § 14 Rn. 5; Uhlenbruck, InsO, § 14 Rn. 45; FK-InsO/Schmerbach, § 14 Rn. 57). Im vorliegenden Fall ist die Forderung des Antragstellers jedoch tituliert.