Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 25.09.2003, Az.: 74 IK 104/00
Anforderungen an die Durchführung eines Insolvenzverfahrens; Voraussetzungen für das Vorliegen von Insolvenzgründen; Anforderungen an die Gewährung einer Restschuldbefreiung
Bibliographie
- Gericht
- AG Göttingen
- Datum
- 25.09.2003
- Aktenzeichen
- 74 IK 104/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 32723
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGGOETT:2003:0925.74IK104.00.0A
Rechtsgrundlagen
- § 290 Abs. 1 Nr. 4 u. 6 InsO
- § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO
Fundstellen
- NZI (Beilage) 2004, 40 (amtl. Leitsatz)
- ZInsO 2004, 51-52 (Volltext mit amtl. LS)
- ZVI 2003, 610-611 (Volltext mit amtl. LS)
- ZVI (Beilage) 2004, 25 (amtl. Leitsatz)
- ZVI (Beilage) 2004, 35 (amtl. Leitsatz)
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Verneint der Schuldner in einem Vermögensverzeichnis die Frage nach Forderungen und Abtretungen von Forderungen, während tatsächlich Forderungen in erheblicher Höhe (hier: 6.000,00 EUR) bestehen, ist der Versagungsgrund des § 290 Abs.1 Nr.6 InsO dargelegt.
- 2.
In diesem Fall liegt zumindest grobe Fahrlässigkeit vor, wenn der Schuldner sich auf eine Abtretung der Forderung beruft, aber keine weiteren Angaben dazu macht.
Entscheidungsgründe
Der seinerzeit anwaltlich vertretene Schuldner hat mit Antrag v. 15.6.2000 die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über sein Vermögen beantragt. In dem damals vom AG Göttingen verwandten Vermögensverzeichnis hat der Schuldner unter Ziff. 22 bei der Frage nach sonstigen Forderungen das Feld "nein" und unter Ziff. 23 bei der Frage nach Abtretungen die Antwort "keine" angekreuzt. Am 19.2.2001 ist das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Mit Beschl. v. 28.3.2003 hat der Rechtspfleger das schriftliche Verfahren anberaumt und angeordnet, dass gegen die Ankündigung der Restschuldbefreiung Versagungsgründe bis zum 30.6.2003 vorzubringen sind.
Mit Schreiben v. 27.3.2003 hat das FA die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt und diesen Antrag in der Folgezeit aufrechterhalten. Zur Begründung führt das FA auf, der Schuldner habe Forderungen gegenüber Dritten aus seiner vormaligen Selbstständigkeit nicht angegeben. Im Einzelnen handele es sich nach Auskunft der Drittschuldnerin D.-Bau GmbH v. 1.7.2002 um Sicherheitseinbehalte für Baustellen 1998 (4.000 DM- Auszahlungstermin Ende 2003), für Baustellen 1999 (Einbehalt 8.000 DM - Auszahlungstermin Ende 2004) sowie eine zweite Abschlagsrechnung Baustelle N. v. 12.2.2000 (Einbehalt 142,56 DM - Auszahlungstermin 11.2.2005).
Der Schuldner hat dazu im Schreiben v. 6.9.2003 erklärt, die Forderung gegen die Firma D.-Bau GmbH sei von ihm abgetreten worden, sodass er keine Forderung habe.
Daraufhin hat das Insolvenzgericht einen Anhörungstermin anberaumt, zu dem der Schuldner nicht erschienen ist.
Dem Schuldner ist die Restschuldbefreiung gem. § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO zu versagen. Der Schuldner hat in dem nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO vorgelegten Vermögensverzeichnis zumindestens grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht.
Gem. § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist der Schuldner verpflichtet, ein Verzeichnis u.a. des vorhandenen Vermögens vorzulegen. Das Vermögensverzeichnis muss vollständig sein und auch Forderungen des Schuldners enthalten (FK-InsO/Grote, § 305 Rn. 24), auch wenn sie erst künftig fällig werden (MünchKomm-InsO/Ott, § 305 Rn. 38). Dagegen hat der Schuldner verstoßen. Er hat die Frage nach Forderungen mit "nein" beantwortet und die Frage, ob Ansprüche abgetreten sind, verneint.
Es kann dahinstehen, ob zusätzlich - wie in § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO - weitere Voraussetzung für die Versagung eine Behinderung der Befriedigungsaussichten der Gläubiger ist (vgl. FK-InsO/ Ahrens, § 290 Rn. 7). Der Schuldner hat seine Angaben nicht näher substantiiert, geschweige denn belegt, wonach eine Abtretung erfolgte. I.Ü. ist zu bedenken, dass selbst bei erfolgter Abtretung die Wirksamkeit derselben zu überprüfen wäre. In Anbetracht der Grenordnung der Forderungen von ca. 6.000 EUR ist auch die sog. Wesentlichkeitsgrenze (vgl. FK-InsO/Ahrens, § 290 Rn. 54) überschritten.
Schließlich hat der Schuldner zumindestens grob fahrlässig gehandelt. Teilweise wird gefordert, einen großzügigen Maßstab anzulegen. Für die Bewertung seien die individuellen Kenntnisse, die Unerfahrenheit und die Unbeholfenheit des Schuldners zu berücksichtigen; unzureichende Fähigkeiten könnten gerade bei Verbraucherinsolvenzverfahren eine erhebliche Rolle spielen (FKInsO/Ahrens, § 290 Rn. 8). Erforderlich sei eine Gesamtwürdigung des Verhaltens des Schuldners, welche das Insolvenzgericht aufzuklären hat; dabei seien die Gründe für die Nichtangabe zu berücksichtigen (FK-InsO/Ahrens, § 290 Rn. 55; ähnlich Nerlich/Römermann, § 290 Rn. 105; a.A. LG Göttingen, ZInsO 2002, 733, 734[LG Göttingen 04.06.2002 - 10 T 38/02]; Kübler/Prütting/Wenzel, § 290 Rn. 22). Auch unter Zugrundelegung eines großzügigen Maßstabes liegt zumindest grobe Fahrlässigkeit vor. In dem Vermögensverzeichnis ist ausdrücklich nach Forderungen gefragt sowie eventuellen Abtretungen unter Hinweis darauf, dass Gläubiger sowie Art und Höhe der Forderung dabei angegeben werden müssen. Beide Fragen hat der Schuldner verneint. Bei dem Schuldner handelt es sich auch nicht um eine Person, die im Geschäftsleben völlig unerfahren ist (vgl. Uhlenbruck/Vallender, InsO, § 290 Rn. 81). Dies zeigt die Tatsache, dass die Forderungen aus Tätigkeiten auf Baustellen herrühren. Nähere Angaben zu den Einzelheiten der (möglichen) Abtretung hat der Schuldner nicht gemacht, sodass von einer die grobe Fahrlässigkeit ausschließenden Sachlage nicht ausgegangen werden kann (AG Göttingen, ZInsO 2002, 92, 93 = Rpfleger 2003, 40; Uhlenbruck/ Vallender, InsO, § 290 Rn. 81).