Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 07.07.2003, Az.: 74 IK 144/00
Anforderungen an die Durchführung eines Insolvenzverfahrens; Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe; Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung
Bibliographie
- Gericht
- AG Göttingen
- Datum
- 07.07.2003
- Aktenzeichen
- 74 IK 144/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 32689
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGGOETT:2003:0707.74IK144.00.0A
Rechtsgrundlagen
- § 18 Abs. 2 RPflG
- § 121 Abs. 2 ZPO
- § 850f Abs. 1 ZPO
Fundstellen
- InVo 2003, 418-419 (Volltext mit amtl. LS)
- NZI 2003, VI Heft 8 (Kurzinformation)
- ZInsO 2003, 667 (Volltext mit amtl. LS)
- ZVI 2003, 364-365
- ZVI (Beilage) 2004, 30 (amtl. Leitsatz)
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Für Pfändungsschutzanträge gemäß §§ 850 ff. ZPO kommt die Beiordnung eines Rechtsanwaltes (gemäß § 121 Abs. 2 ZPO bzw. § 4a Abs. 2 InsO) grundsätzlich nicht in Betracht.
- 2.
Etwas anderes kann gelten, wenn es um die Klärung bislang nicht entschiedener bzw. grundsätzlicher Rechtsfragen geht.
Entscheidungsgründe
Über das Vermögen des Schuldners ist mit Beschl. v. 6.10.2000 das Insolvenzverfahren eröffnet und ihm PKH einschließlich der Vergütung des Treuhänders bewilligt worden. Mit rechtskräftigem Beschl. v. 4.7.2002 ist die Restschuldbefreiung angekündigt worden. Der pfändbare Anteil am Einkommen des Schuldners, der verheiratet und mehreren Kindern gegenüber unterhaltspflichtig ist, beläuft sich ausweislich des Berichtes des Treuhänders v. 13.9.2001 auf mtl. 25,90-98 DM.
Mit v. 30.4.2003 datierten, bei Gericht am 19.6.2003 eingegangenen Anwaltsschriftsatz hat der Schuldner beantragt, den Pfändungsfreibetrag auf 2.333 EUR anzuheben und dem Schuldner für dieses Verfahren PKH zu gewähren.
Die Rechtspflegerin hat den Antrag dem Insolvenzrichter vorgelegt, der sich mit dem Eröffnungsbeschluss gem. § 18 Abs. 2 RPflG Entscheidungen über die PKH vorbehalten hat.
Der Antrag ist zurückzuweisen.
Auszugehen ist davon, dass es sich um einen Antrag auf Heraufsetzung des pfändbaren Teiles des Arbeitseinkommens des Schuldners gem. § 850f Abs. 1 ZPO handelt. Diese Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtes auch anwendbar in den vor dem 1.12.2001 eröffneten Verfahren; für die nach diesem Zeitpunkt eröffneten Verfahren ergibt sich die Möglichkeit aus §§ 292 Abs. 1 Satz 3, 36 Abs. 1 Satz 2 InsO.
Auszulegen ist der Antrag dahin, dass der Schuldner im Wege der PKH die Beiordnung eines Rechtsanwaltes beantragt zur Entscheidung über den Antrag gem. § 850 f. ZPO.
Der Antrag ist zurückzuweisen, da die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht erforderlich erscheint gem. § 121 Abs. 2 ZPO (ähnlich § 4a Abs. 2 Satz 1 InsO für Neuverfahren).
Für die vergleichbare Vorschrift des § 4a Abs. 2 Satz 1 InsO ist anerkannt, dass eine Anwaltsbeiordnung in Betracht kommt, wenn ein quasi kontraktorisches Verfahren vorliegt gem. §§ 290, 296 InsO, ein Schuldenbereinigungsplan ergänzt bzw. nachgebessert werden soll oder die Rechtslage schwierig durchschaubar ist und dem Schuldner die Möglichkeit entsprechender Stellungnahmen eröffnet werden soll (FK-InsO/Kothe, § 4a Rn. 36-39; Kübler/Prütting, InsO, § 4 Rn. 47; Uhlenbruck, InsO, § 4a Rn. 11). Eine derartige Fallgestaltung liegt nicht vor. Vielmehr gilt es dem Schuldner um die Erhöhung des pfändungsfreien Anteiles des Arbeitskommens gem. § 850f Abs. 1 ZPO.
Für die Einzelzwangsvollstreckung existieren bei der Serviceeinheit der M-Abteilung Antragsmuster, mit deren Hilfe entsprechende Anträge gestellt werden können. Entsprechende Antragsformulare sind inzwischen auch bei der Serviceeinheit der Insolvenzabteilung vorhanden und finden Verwendung.
Auch ist nicht ersichtlich, dass eine unklare Rechtslage vorliegt mit der Folge, dass für die Durchführung des Rechtsbehelfsverfahrens im Wege der PKH eine Verfahrensbevollmächtigte beigeordnet werden kann (so der Sachverhalt in dem Verfahren AG Göttingen - 74 IK 81/99, Beschl. v. 2.4.2003, ZVI 2003, 176, 178 = ZInsO 2003, 435 = NZI 2003, 333 für die Frage, ob eine rückwirkende Heraufsetzung des Pfändungsfreibetrages im Insolvenzverfahren für bereits ausgezahlte Einkommensbeiträge möglich ist).
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass in den ab dem 1.12.2001 eröffneten Verfahren eine Anwaltsbeiordnung zu Lasten des Schuldners ginge, da gem. § 292 Abs. 1 Satz 2 InsO Kosten eines beigeordneten Rechtsanwaltes nicht vorrangig aus pfändbarem Einkommen des Schuldners befriedigt werden und der sog. Nachhaftung gem. § 4b InsO unterfallen (FK-InsO/Grote, § 292 Rn. 9a).
Die Zustellung des Beschlusses erfolgt förmlich im Hinblick auf das in § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO (für Neuverfahren § 4b Abs. 1 InsO) eingeräumte Beschwerderecht, obgleich Entscheidungen des Richters im Rahmen des § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht anfechtbar sind (vgl. Uhlenbruck, InsO, § 6 Rn. 6; FK-InsO/Schmerbach, § 6 Rn. 44 ff.).