Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.01.2000, Az.: 5 K 53/98
Zurechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung; Bestellung eines den minderjährigen Kindern schenkungsweise eingeräumten und jederzeit widerrufbaren Nießbrauchs
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 27.01.2000
- Aktenzeichen
- 5 K 53/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 21910
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2000:0127.5K53.98.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 19.11.2003 - AZ: IX R 54/00
Fundstellen
- DB 2000, 2095
- DStRE 2000, 1078-1079 (Volltext mit amtl. LS)
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten.
Tatbestand
Die Kläger sind Eheleute und werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt.
Der Kläger ist Eigentümer u.a. einer Eigentumswohnung in U... , S ... 9 und des Hausgrundstücks U... , R... S... 25. Mit notariellen Verträgen des Notars Dr. G... in U... vom 15. Juli 1993 räumte der Kläger, jeweils unter Mitwirkung eines gerichtlich bestellten Ergänzungspflegers, seinem am 30. Juni 1990 geborenen Sohn Stephan das lebenslängliche Nießbrauchsrecht an der zu der Zeit vermieteten Eigentumswohnung U... , S... 9 (Urkundenrollen-Nr. 256/93) und seinem am 11. Juni 1987 geborenen Sohn Christian das lebenslängliche Nießbrauchsrecht an dem zu der Zeit vermieteten Grundstück in U... , R... Straße 25 (Urkundenrollen-Nr. 255/93), ein. Die Nießbrauchsgewährungen erfolgten zum 1. Januar 1993 jeweils "mit dem Recht des Eigentümers, den Nießbrauch jederzeit zu widerrufen, so dass das Recht als auflösend bedingt durch den Widerruf bestellt wird und mit der Maßgabe, dass der Nießbrauch spätestens mit dem Tode des Eigentümers erlischt". Die laufenden Mietverträge wurden aufgrund der Nießbrauchsbestellungen entsprechend ergänzt. Die Mietzahlungen erfolgten mit Wirkung vom 1. Januar 1993 auf Sparbücher der nießbrauchsberechtigten Söhne des Klägers. Wegen der Einzelheiten der vertraglichen Regelungen wird auf die notariellen Verträge und die Mietverträge verwiesen.
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1995 rechnete der Beklagte die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der mit dem Nießbrauch belasteten Grundstücke dem Kläger zu und setzte die Einkommensteuer entsprechend fest. Der dagegen eingelegte Einspruch war erfolglos. Hiergegen richtet sich die Klage.
Die Kläger meinen, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung seien den Nießbrauchsberechtigten zuzurechnen und beantragen unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 25. April 1995 (Az.: IX R 41/92, BFH/NV 1996, 122) sinngemäß,
ihnen nicht die Einnahmen aus der Vermietung und Verpachtung für die Objekte in U... , M... , R... Straße 25, i.H.v. 10.200,00 DM und U... , V ... , S... 9, i.H.v. 7.380,00 DM als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zuzurechnen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte macht geltend, die Nießbrauchsbestellungen seien steuerrechtlich nicht anzuerkennen, da es durch den Widerrufsvorbehalt im Belieben des Klägers stehe, die Einkünfte aus der Vermietung der Grundstücke bei sich oder bei den Nießbrauchsberechtigten versteuern zu lassen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Finanzgerichtsakte verwiesen. Dem Gericht haben die Steuerakten zu Steuernummer 47/004/31503 vorgelegen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der mit dem Nießbrauch belasteten Grundstücke zutreffend dem Kläger zugerechnet.
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind demjenigen zuzurechnen, der den Tatbestand dieser Einkunftsart erfüllt. Den Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung erfüllt, wer die rechtliche oder tatsächliche Macht hat, eines der in § 21 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) genannten Wirtschaftsgüter anderen entgeltlich auf Zeit zur Nutzung zu überlassen. Er muss regelmäßig Vermieter oder Verpächter und damit Träger der Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag oder Pachtvertrag sein (vgl. Urteil vom 31. Oktober 1989 IX R 216/84, BFHE 159, 319, BStBl II 1992, 506, m.w.N.; Schmidt/Seeger, 18. Aufl. 1999, EStG § 2 Rz 48f m.w.N.). Denn die steuerbaren Einkünfte werden nicht nach der Empfangszuständigkeit für die Einkünfte, sondern nach der Herrschaft über die Erwerbsgrundlagen zugeordnet (h.M., Kirchhof § 2, in Kirchhof/Söhn, EStG, § 2 Rdn. A 106, A 624)
Bestellen Eltern ihren minderjährigen Kindern den Nießbrauch an einem Grundstück, so können die Kinder den Tatbestand der Einkunftserzielung nur verwirklichen, wenn das Nutzungsverhältnis bürgerlich-rechtlich wirksam begründet worden ist und steuerrechtlich anerkannt wird. Die zivilrechtliche Wirksamkeit des Vertrages ist erforderlich, um eine klare Trennung der Verwaltung des eigenen Vermögens und des Kindesvermögens zu gewährleisten. Erlangen die minderjährigen Kinder durch das Bestellen des Nießbrauchs nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil oder haben sie das siebente Lebensjahr noch nicht vollendet, so müssen sie bei der Begründung des Nutzungsrechts durch einen Ergänzungspfleger vertreten werden (vgl. BFH-Urteil vom 31. Oktober 1989 IX R 216/84, BFHE 159, 319, BStBl II 1992, 506 m.w.N.).
Die Nießbrauchsbestellung an den Grundstücken durch den Kläger zugunsten seiner Kinder erfolgte formgerecht unter Mitwirkung eines zu bestellenden Ergänzungspflegers. Hinsichtlich der weiteren zivilrechtlichen Wirksamkeit der Nießbrauchsbestellung kann dahingestellt bleiben, ob die freie Widerrufbarkeit des Nießbrauchs bürgerlich-rechtlich die Entstehung des Nießbrauchsrecht nicht hindert (vgl. Jansen, in: Herrmann/Heuer, EStG, § 2 Anm. 215 f). Denn die freie Widerrufbarkeit einer schenkweisen Zuwendung eines Wirtschaftsgut, d. h. eine an keine Voraussetzungen geknüpfte, nur von der Willensentschließung des Zuwendenden abhängende Widerrufbarkeit macht die Zuwendung steuerrechtlich unbeachtlich (herrschende Meinung; Nachweise bei Jansen, a.a.O., § 2 Anm. 216;).
In seiner Entscheidung vom 25.04.1995 (Az.: IX R 41/92, BFH/NV 1996, 122) hat der Bundesfinanzhof zwar entschieden, dass auch der nur befristet Nutzungsberechtigte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielen kann und eine nicht unbefristete Bestellung des Nutzungsrechts insoweit bedeutungslos ist (vgl. auch Urteil des BFH vom 18.10.1990 IV R 36/90, BFHE 162, 321, BStBl II 1991, 205, unter d, m.w.N.). Der BFH hat in der Entscheidung jedoch offen gelassen, ob und gegebenenfalls welche Anforderungen an die Dauer des Nutzungsrechtes zu stellen sind und die im zu entscheidenden Streitfall vereinbarte Dauer von nahezu drei Jahren noch als ausreichend angesehen.
Demgegenüber ist eine - wie hier - nur von der Willensentschließung des Zuwendenden abhängige Widerrufbarkeit steuerrechtlich unbeachtlich, weil weitere Voraussetzung für die Zurechnung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung ist, dass eine gesicherte Rechtsposition an dem Vermietungsobjekt besteht. Eine gesicherte Rechtsposition ist gegeben, wenn der Eigentümer dem Nutzungsberechtigten den Gebrauch der Wohnung für eine festgelegte Zeit aufgrund einer sachen- oder schuldrechtlichen Rechtsposition nicht entziehen kann. Ist eine solche gesicherte Rechtsposition nicht gegeben, sondern kann der Eigentümer die einem anderen eingeräumte Rechtsposition jederzeit einschränken oder beenden, so sind die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung dem Eigentümer zuzurechnen, weil ihm in diesem Fall die Herrschaftsgewalt an der Wohnung nach wie vor zusteht. Diese vom Bundesfinanzhof entwickelten Rechtsgrundsätze gelten unabhängig davon, ob die Rechtsposition zur Nutzung einer Wohnung einem Fremden oder einem Angehörigen eingeräumt worden ist (BFH, Urteil vom 29. November 1983 (VIII R 215/79, BFHE 140, 199, 203, BStBl II 1984, 366 und Urteil vom 13. Dezember 1983 VIII R 17/82, BStBl II 1984, 368, 371; a.A. Drenseck/Schmidt a.a.O. § 21 Rd. 5, 35).
Da den Kindern des Klägers eine solche gesicherte Rechtsposition nicht eingeräumt war, sind die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung dem Kläger gemäß § 21 Abs. 1 EStG als Eigentümer der Vermietungsobjekte zuzurechnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -.
Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.