Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.01.2000, Az.: 1 K 721/98

Erlass von Stundungszinsen zur Vermögensteuer wegen sachlicher Unbilligkeit

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
25.01.2000
Aktenzeichen
1 K 721/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 21906
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2000:0125.1K721.98.0A

Fundstelle

  • DStRE 2000, 1117-1118 (Volltext mit amtl. LS)

Tenor:

Unter Änderung der Zinsbescheide vom 18. und 19.10.1994 und des Einspruchsbescheides vom 07.04.1998 werden die Stundungszinsen wegen VSt-Vorauszahlungen I/92 - III/94 auf 1.226,00 DM herabgesetzt.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten tragen die Kläger zu 25 v.H. und der Beklagte zu 75 v.H.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Geldbetrages in Höhe der an die Kläger zu erstattenden Kosten abwenden, sofern diese nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

1

Die Klage richtet sich gegen die Höhe von Stundungszinsen.

2

Durch Vermögensteuer- (VSt) -Bescheid vom 28.12.1990 hatte das damals zuständige Finanzamt B... die VSt der Kläger (Kl.) auf den 01.01.1989 auf 16.350,00 DM festgesetzt und zugleich ab 1992 zum 10. Februar, Mai, August und November Vorauszahlungen in Höhe von jeweils 4.087.50,00 DM angeordnet. Die Kl. zahlten jedoch weder diese Vorauszahlungen noch beantragten sie eine Herabsetzung.

3

Am 20.11.1992 reichten die Kl. bei dem inzwischen zuständig gewordenen Beklagten (Finanzamt, FA) ihre VSt-Erklärung auf den 01.01.1991 ein. Durch Bescheid vom 31.10.1994 setzte das FA die VSt auf den 01.01.1991 - weitgehend entsprechend der Erklärung - auf 5.835,00 DM fest. Außerdem stundete das FA nach mehrfachem Schriftwechsel die VSt-Vorauszahlungen I/92 bis III/94 bis zur Durchführung der Einkommensteuer- (ESt) -Veranlagung 1990. Die ESt 1990 setzte das FA durch Bescheid vom 04.10.1994 auf 0,00 DM fest. Den Erstattungsbetrag von knapp 23.000,00 DM (+ ca. 3.300,00 DM Zinsen) verrechnete es mit verschiedenen Forderungen von Steuern und steuerlichen Nebenleistungen; die Nachforderungen waren jedoch wesentlich höher als der Erstattungsbetrag. Die Kl. hatten ihre ESt-Erklärung 1990 am 26.05.1992 eingereicht.

4

Am 18. und 19.10.1994 erließ das FA die beiden in diesem Verfahren streitigen Zinsbescheide, in denen es Stundungszinsen wegen der vom FA B... festgesetzten und vom FA gestundeten VSt-Vorauszahlungen I/92 bis III/94 festsetzte. Der Zinsbescheid vom 18.10.1994 lautet (im Ergebnis, vgl. Einspruchsbescheid vom 07.04.1998) über 2.190,00 DM und betrifft diejenigen VSt-Vorauszahlungen, die nicht durch Verrechnung mit ESt 1990 getilgt wurden. Der Zinsbescheid vom 19.10.1994 lautet über 1.041,00 DM und betrifft die mit ESt 1990 verrechneten VSt-Vorauszahlungen.

5

Die Kl. begehren, die Stundungszinsen auf 585,00 DM herabzusetzen. Dieser Betrag ergibt sich, wenn man nicht von den VSt-Vorauszahlungen I/92 bis III/94 ausgeht, sondern von den späteren VSt-Festsetzungen 1992 - 1994.

6

Die Kl. beantragen schriftsätzlich sinngemäß,

unter Änderung der Zinsbescheide vom 18. und 19.10.1994 und des Einspruchsbescheides vom 07.04.1998 die Stundungszinsen wegen VSt-Vorauszahlungen I/1992 bis III/1994 auf 585,00 DM herabzusetzen.

7

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

9

Im übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und die vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.

Gründe

10

Die Klage ist teilweise begründet.

11

Die vom FA festgesetzten Stundungszinsen sind zwar entstanden, jedoch zu ca. drei Vierteln aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen. Das ergibt sich aus Folgendem:

12

Gemäß § 234 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) werden bei Stundung von Ansprüchen aus dem Steuerverhältnis Zinsen erhoben. Wird ein Steuerbescheid nach Ablauf der Stundung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt (Satz 2).

13

Nach dem Wortlaut des § 234 Abs. 1 Satz 1 AO sind die vom FA festgesetzten Stundungszinsen kraft Gesetzes entstanden. § 234 AO, insbesondere Absatz 1 Satz 2, ist auch auf den Streitfall anzuwenden. Zwar ist Satz 2 erst mit Wirkung ab 01.01.1994 eingeführt worden. Bis dahin mußte, wenn eine Steuerfestsetzung geändert wurde, auch der ergangene Zinsbescheid entsprechend geändert werden. Jedoch gilt gemäß § 15 Abs. 6 EGAO die Neufassung in allen Fällen, in denen die Steuerfestsetzung nach dem 31.12.1993 aufgehoben oder geändert wird; das war hier der Fall. Die Anwendbarkeit des § 234 AO entfällt auch nicht deshalb, weil die Vorschrift nur von "Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis" spricht und Vorauszahlungen nicht ausdrücklich erwähnt. Denn auch die Festsetzung einer Vorauszahlung gilt als Steuerfestsetzung, nämlich als Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 Satz 2 AO).

14

Gemäß § 234 Abs. 2 AO kann jedoch auf Stundungszinsen ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn ihre Erhebung nach Lage des einzelnen Fallen unbillig wäre. Im Streitfall geht es um einen Erlaß aus sachlichen Billigkeitsgründen. Sachliche Unbilligkeit liegt vor, wenn die Erhebung einer Abgabe - hier der Zinsen - zwar unter einen gesetzlichen Tatbestand fällt, aber mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht vereinbar ist.

15

Im Streitfall sind sachliche Billigkeitsgründe deshalb gegeben, weil es - jedenfalls grundsätzlich - Sache des FA gewesen wäre, nach Abgabe der VSt-Erklärung 1991 durch die Kl. am 20.11.1992 die vom FA Bremen-West festgesetzten VSt-Vorauszahlungen herabzusetzen. Es kann den Kl. nicht angelastet werden, dass das FA ihre VSt-Veranlagung auf den 01.01.1991 erst fast zwei Jahre später am 31.10.1994 durchgeführt hat. Selbst wenn das FA für seine späte Veranlagung akzeptable Gründe gehabt haben sollte, kann dies nicht zu Lasten der Kl. gehen. Ihnen kann auch nicht angelastet werden, dass sie nicht in den Jahren 1992/1993 ausdrücklich eine Herabsetzung der Vorauszahlungen auf einen bestimmten Betrag beantragt haben. Das folgt schon daraus, dass sie nach damaliger Rechtslage nicht mit einer Verzinsung der überhöhten Vorauszahlungen zu rechnen brauchten.

16

Im Ergebnis müssen die Kl. so gestellt werden, als hätte das FA nach Erhalt ihrer VSt-Erklärung am 20.11.1992 die VSt-Vorauszahlungen mit Wirkung von diesem Zeitpunkt ab auf ein Viertel der später - entsprechend den Angaben der Erklärung - festgesetzten VSt (5.835,00 DM) herabgesetzt, d.h. auf 1.458,00 DM. Damit errechnen sich die Stundungszinsen wie folgt (Beginn der Verzinsung vom 11.09.1992 bis 11.08.94, Ende am 04.10.94):

zu verzinsender SteuerbetragZinszeitraum in MonatenZinsbetragzusammen
I/924.000,00 DM240,00 DM
I/921.400,00 DM22154,00 DM
II/921.400,00 DM24194,00 DM
III/921.400,00 DM24194,00 DM
IV/921.400,00 DM22 154,00 DM736,00 DM
I/931.400,00 DM19133,00 DM
II/931.400,00 DM16112,00 DM
III/931.400,00 DM1391,00 DM
IV/931.400,00 DM10 70,00 DM406,00 DM
I/941.400,00 DM749,00 DM
II/941.400,00 DM428,00 DM
III/941.400,00 DM17,00 DM84,00 DM
zusammen: 1.226,00 DM
17

Ein weitergehender Zinserlaß aus sachlichen Billigkeitsgründen kommt nicht in Betracht. Insbesondere kann nicht auf die später tatsächlich festgesetzte VSt 1992 - 1994 abgestellt werden, denn die Kl. waren verpflichtet, die - korrekt festgesetzten - Vorauszahlungen zu bezahlen. Auch im Hinblick auf die teilweise Verrechnung mit dem ESt-Erstattungsbetrag 1990 ergibt sich nichts anderes. Denn die Kl. haben ihre ESt-Erklärung 1990 erst im Ende Mai 1994 abgegeben und es war weitgehend ungewiß, in welcher Höhe ein Erstattungsbetrag anfallen und mit welchen der (höheren) Abgabenrückstände er verrechnet werden würde.

18

Das Gericht konnte die Stundungszinsen auch selbst herabsetzen, obwohl ein Erlaß grundsätzlich eine Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehörde ist. Denn aus den dargelegten Gründen kommt nur eine einzige Entscheidung in Betracht; somit es das Ermessen der Verwaltung auf Null reduziert.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 151 Abs. 3 und 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.