Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.02.2000, Az.: 12 K 161/98
Aufwendungen für eine Haartransplantation als außergewöhnliche Belastung; Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; Anforderungen an den Nachweis der medizinischen Notwendigkeit
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 02.02.2000
- Aktenzeichen
- 12 K 161/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 21849
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2000:0202.12K161.98.0A
Fundstellen
- DStRE 2000, 528-529 (Volltext mit amtl. LS)
- NWB DokSt 2000, 774
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung von Aufwendungen für eine Haartransplantation als außergewöhnliche Belastung.
Der Kläger ist von Beruf Reiseverkehrskaufmann.
Im Streitjahr ließ er bei der Firma "..." in Hamburg eine sog. Eigenhaartransplantation durchführen. Die Aufwendungen hierfür beliefen sich auf insgesamt 15.000,00 DM.
In seiner Einkommensteuererklärung machte der Kläger diese Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung geltend. Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte diese Aufwendungen jedoch nicht steuermindernd an. Den Einspruch des Klägers wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 12.01.1998 als unbegründet zurück.
Mit Schreiben vom 09.02.1998 - bei Gericht eingegangen am 10.02.1998 - bat der Kläger um Korrektur seiner Klagschrift vom 03.02.1998. Diese Klagschrift lag dem Gericht jedoch nicht vor. Am 24.02.1998 wurde der Prozessbevollmächtigte des Klägers auf diesen Umstand hingewiesen. Er hat daraufhin am 25.02.1998 eine Kopie der Klagschrift eingereicht. Gleichzeitig beantragte der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung, die Klage sei ordnungsgemäß ausgefertigt und mit den erforderlichen Zweitschriften am 03.02.1998 durch die Angestellte ... zur Post gegeben worden sei. Auf die eidesstattliche Versicherung von Frau ... vom 24.02.1998 - Bl. 6 der Gerichtsakte - wird Bezug genommen.
In der Sache trägt der Kläger vor, die Haarverpflanzung sei medizinisch notwendig gewesen. Er sei aufgrund eines erbbedingten Haarausfalls stark psychisch belastet gewesen. Aufgrund dieser psychischen Belastung habe die Gefahr bestanden, dass er sich das Leben nehme. 1986 und 1995 habe er zwei Selbstmordversuche unternommen, die ursächlich auf den starken Haarausfall zurückzuführen gewesen seien. Aufgrund des Haarausfalls sei es bei ihm zu einer depressiven Verstimmung gekommen. Dieser Umstand habe dazu geführt, dass er den Kontakt zu seiner Umwelt völlig abgebrochen habe. Aus dem gleichen Grund habe sich auch sein Bruder das Leben genommen. Sein Hausarzt ... habe ihm deshalb geraten, eine Haarverpflanzung vornehmen zu lassen. Nach Durchführung dieser Operation habe sich sein Leben völlig gewandelt. Er habe wieder ohne jegliche depressive Verstimmungen Beziehungen zu Freunden und Freundinnen aufbauen können. Die Gefahr eines Selbstmordes sei vollständig beseitigt.
Der Kläger beantragt,
die streitigen Behandlungskosten in Höhe von 15.000,00 DM als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG anzuerkennen und die Einkommensteuer für 1996 dementsprechend herabzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es weist darauf hin, dass die Klage nicht innerhalb der Klagefrist beim Finanzgericht eingegangen sei. Die anwaltliche Versicherung, das Schriftstück sei bereits am 03.02.1998 zur Post gegeben worden, rechtfertige keine Wiedereinsetzung.
In der Sache bleibt das FA bei der Auffassung, dass die Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig seien. Da der Kläger sich vor der Haartransplantation keiner psychiatrischen Behandlung unterzogen habe, könnten die Aufwendungen nicht berücksichtigt werden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen im Einspruchs- und Klageverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Bezug genommen wird insbesondere auf die Bescheinigung der Internisten ... und ... vom 18.01.1996, sowie auf den "nervenfachärztlichen Fundbericht mit gutachterlicher Äußerung zur Vorlage beim FA" des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie ... vom 12.02.1998 (Bl. 10/11 der Gerichtsakte).
Gründe
Die Klage ist zulässig.
Dem Kläger ist gemäß § 56 Abs. 1 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagfrist zu gewähren. Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO beträgt die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf. Im vorliegenden Fall galt der angefochtene Einspruchsbescheid vom 12.01.1998 gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO am 15.01.1998 als bekannt gegeben. Die Monatsfrist für die Erhebung der Klage endete danach am 15.02.1998. Da der 15.02.1998 ein Sonntag war, verlängerte sich die Frist bis zum nächstfolgenden Wochentage, d.h. bis zum 16.02.1998. Die Klageschrift ist jedoch erst am 25.02. und damit nach Ablauf der Klagfrist bei Gericht eingegangen.
Dem Kläger ist jedoch wegen Versäumung der Klagfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 Abs. 1 FGO zu gewähren, denn er war ohne Verschulden gehindet, die Klagfrist einzuhalten. Der Senat ist der Auffassung, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Klage tatsächlich am 03.02.1998 zur Post gegeben hat. Dies ergibt sich zum einen aus dem sog. "Notfristenkalender" des Prozessbevollmächtigten, in dem dieser den Abgang der Klage durch seine Paraffe bestätigt hat. Darüber hinaus ergibt sich dies auch aus der eidesstattlichen Versicherung der Angestellten ..., die bestätigt hat, sie könne sich erinnern, dass sie an diesem Tage einen größeren Brief an das Finanzgericht zur Post mitgenommen habe. Sie habe die Briefe der Praxis etwa um 17:00 Uhr bei der Postannahme ... in ... abgegeben. Der Brief sei ordnungsgemäß frankiert gewesen. Dieser Vortrag ist auch deshalb glaubhaft, weil der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 09.02.1998 - also noch innerhalb der Klagefrist - seine angeblich eingegangene Klage korrigieren wollte. Er selbst ist also davon ausgegangen, dass die Klage eingereicht worden war. Erst aufgrund des Telefongesprächs mit dem Geschäftsstellenverwalter des 12. Senats des Finanzgerichts erfuhr der Prozessbevollmächtigte, dass die Klage nicht angekommen war. Damit ist die Klage zulässig.
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
Die Aufwendungen für die Haartransplantation des Klägers sind nicht als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 Abs. 1 zu berücksichtigen.§ 33 Abs. 1 EStG setzt zur Berücksichtigung von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung voraus, dass diese Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen sind. Dies ist dann der Fall, wenn er sich diesen Aufwendungen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Bei Krankheitskosten, zu denen regelmäßig auch die Kosten für eine Operation gehören, wird grundsätzlich angenommen, dass sie aus tatsächlichen Gründen unumgänglich und notwendig sind.
Bei den im Streitfall vorliegenden Kosten der Haartransplantation kann dies indessen nach Auffassung des Senats nicht angenommen werden. Eine derartige Operation gehört regelmäßig in den kosmetischen Bereich. Sie wird in aller Regel nicht aus medizinischen, sondern aus rein ästhetischen Gründen und aus Gründen des seelischen Wohlbefindens des Betroffenen durchgeführt, so dass eine Zwangsläufigkeit im Sinne des § 33 Abs. 2 EStG in der Regel zu verneinen ist.
Die Grenze zwischen den steuerrechtlich unbeachtlichen persönlichen Gründen und der medizinischen Erforderlichkeit einer solchen Operation ist allerdings fließend. Der Senat ist deshalb der Auffassung, dass in solchen Fällen grundsätzlich strenge Anforderungen an den Nachweis der medizinischen Notwendigkeit einer solchen Operation zu stellen sind. Grundsätzlich ist für die Berücksichtigung derartiger Aufwendungen deshalb die Vorlage eines vor Beginn der Behandlung ausgestellten amtsärztlichen Zeugnisses erforderlich. Ein solches amtsärztliches oder auch vertrauensärztliches Zeugnis hat der Kläger jedoch nicht vorgelegt. Er hat lediglich eine Bescheinigung seines Hausarztes ... eingereicht, aus der sich ergibt, dass dieser eine Haartransplantaion befürwortet. Demgegenüber ist das vom Kläger eingereichte Gutachten des Neurologen ... erst nach der Operation erstellt worden. Aus diesem Gutachten ist im Übrigen nicht ersichtlich, aufgrund welcher Untersuchungen ... Rückschlüsse daraus zieht, dass der Kläger zwei Jahre zuvor an einer depressiven Verstimmung litt. So bleibt beispielsweise offen, ob der Kläger bereits vor der Haartransplantation bei ... in Behandlung war. Für die steuerliche Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes ist das Gutachten jedenfalls nicht geeignet.
Die Klage war demgemäß abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.