Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.01.2000, Az.: 5 K 56/95
Berichtigung einer unrichtigen Rechnung; Beschränkbarkeit des Widerrufs des Verzichts auf die Umsatzsteuerbefreiung ; Beschränkter Widerruf der Optionserklärung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 27.01.2000
- Aktenzeichen
- 5 K 56/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 21911
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2000:0127.5K56.95.0A
Fundstellen
- DStRE 2000, 1048-1049 (Volltext mit amtl. LS)
- UStB 2000, 268-269
Tenor:
Unter Abänderung des Umsatzsteuerbescheides 1988 vom 1. November 1993 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 1. Februar 1995 wird die Umsatzsteuer 1988 auf ... DM herabgesetzt.
Der Beklagte trägt die Kosten.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit leistet.
Tatbestand
Der Erblasser ... betrieb ein Hotel und Restaurantunternehmen in ... . Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 29. Dezember 1988 veräußerte er den Gesamtkomplex "..." an den ... Staatsangehörigen ... (Käufer) zu einem Preis von insgesamt ... DM netto zzgl. Umsatzsteuer in Höhe von 1.739.500,00 DM. Der Nettoverkaufspreis entfiel in Höhe von 500.000,00 DM auf die im Privatbesitz des Erblassers befindliche Wohnung. Als Zeitpunkt des Besitzübergangs war der 29. Dezember 1988 vereinbart. Im Hinblick auf die vertraglichen Vereinbarungen im Einzelnen wird auf den in Ablichtung zu den Steuerakten gelangten Kaufvertrag Bezug genommen. In einer nicht datierten privatschriftlichen Vereinbarung änderten die Vertragsparteien den Kaufpreis dahingehend, dass der auf die Wohnung entfallende Anteil von 500.000,00 DM aus der Bemessungsgrundlage herausgenommen wurde. Auch hinsichtlich dieser Vereinbarung wird auf deren zu den Steuerakten gelangten Text im Einzelnen Bezug genommen.
Mit seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 1988 erklärte der Erblasser die Veräußerung der in dem Hotelkomplex befindlichen Wohnung als steuerfreien Umsatz. Zwar nahm er eine Vorsteuerkorrektur nach § 15 a Umsatzsteuergesetz (UStG) in der hierfür vorgesehenen Zeile 40 der Umsatzsteuererklärung nicht vor. Es besteht aber Einigkeit zwischen den Beteiligten, dass die erklärten Vorsteuern um eine Vorsteuerkorrektur in Höhe von 10.253,00 DM gemindert waren. Der Beklagte folgte der Steuererklärung nicht, sondern erhöhte im Umsatzsteuerbescheid vom 13. November 1989 die regelbesteuerten steuerpflichtigen Umsätze um den auf die Privatwohnung entfallenden Nettoverkaufspreis in Höhe von 500.000,00 DM. Die Vorsteuerkorrektur machte er hierbei nicht rückgängig. Im Anschluss an eine steuerliche Außenprüfung änderte der Beklagte die Umsatzsteuerfestsetzung 1988 mit Bescheid vom 1. November 1993 unter Berücksichtigung der nicht im Streit befindlichen Prüfungsfeststellungen. Im Einspruchsbescheid berichtigte der Beklagte die Vorsteuerkorrektur in Höhe von 10.253,00 DM zugunsten des Klägers, wies diesen aber hinsichtlich der Besteuerung der Wohnungsveräußerung zurück.
Im Klageverfahren änderten der Erblasser und der Käufer mit notariell beurkundeter Vereinbarung vom 22. Februar 1999§ 4 des Kaufvertrages vom 29. Dezember 1988 dergestalt, dass auf den auf die Privatwohnung entfallenden Kaufpreisanteil keine Umsatzsteuer berechnet wurde. Im Hinblick auf die Einzelheiten dieser Vereinbarung wird auf deren zu den Gerichtsakten gelangte Ausfertigung Bezug genommen.
Mit der Klage wendet sich die Klägerin gegen die Besteuerung des Grundstücksverkaufs soweit dieser auf die Privatwohnung entfällt. Sie trägt vor, die nicht datierte Vereinbarung zwischen dem Erblasser und dem Käufer sei im März 1989 getroffen worden. In dieser Vereinbarung sei eine wirksame Änderung des Grundstückskaufvertrages und eine Berichtigung der darin enthaltenen Rechnung zu sehen. Die zivilrechtliche Wirksamkeit einer nachträglichen Änderung eines Grundstückskaufvertrages erfordere nicht zwingend deren notarielle Beurkundung.
Außerdem vertritt die Klägerin die Auffassung, der Erblasser habe jedenfalls durch die notariell beurkundete Änderung des Kaufvertrages vom 22. Februar 1999 seine Option zur Steuerpflicht des auf die Privatwohnung entfallenden Teil des Grundstücksverkaufes widerrufen. Da der Widerruf der Option diese rückwirkend entfallen lasse, sei die Umsatzsteuer für den Veranlagungszeitraum der Optionserklärung und damit für das Streitjahr entsprechend herabzusetzen
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuer 1988 um ... DM herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, weder die privatschriftliche Vereinbarung vom März 1989 noch die notariell beurkundete Erklärung vom 22. Februar 1999 könnten rückwirkend eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 1988 auslösen. Grundsätzlich könne eine Optionserklärung zwar rückwirkend widerrufen werden. Das aber habe zur Folge, dass eine vom Unternehmer für den zunächst als steuerpflichtig behandelten Umsatz ausgestellte Rechnung nachträglich als im Sinne des § 14 Abs. 2 UStG unberechtigt ausgestellt angesehen werden müsse. Die Rechnung könne gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG nur mit Wirkung für den Besteuerungszeitraum berichtigt werden, in dem die geänderte Rechnung tatsächlich erteilt werde. Weder die privatschriftliche Korrektur im März 1989 noch die notariell beurkundete Berichtigung vom 22. Februar 1999 könnten deshalb Auswirkungen für das Streitjahr 1988 entfalten.
Am 24. August 1999 verstarb der Kläger. Er wurde von seinen Söhnen ... ... beerbt. Der Beklagte beantragte daraufhin die Aussetzung des Verfahrens gemäß §§ 155 Finanzgerichtsordnung (FGO), 246 Zivilprozessordnung (ZPO). Mit Testamentsvollstreckerzeugnis des Amtsgerichts ... vom 17. September 1999 wurde ... zum Testamentsvollstrecker bestellt. Er hat das vorliegende Verfahren wieder aufgenommen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin beansprucht zu Recht die Herabsetzung der Umsatzsteuer soweit sie auf den Verkauf der Privatwohnung entfällt, weil der Umsatz gemäß § 4 Nr. 9 Buchstabe a UStG von der Umsatzsteuer befreit ist. Allerdings ist in § 4 des Grundstückskaufvertrages vom 29. Dezember 1988 Umsatzsteuer auf den gesamten Nettoverkaufspreis, auch soweit dieser auf die Privatwohnung entfällt, ausgewiesen. Mit der darin enthaltenen Willenserklärung hat der Erblasser gemäß § 9 Abs. 1 UStG zunächst auf die Umsatzsteuerbefreiung für den gesamten Grundstücksverkauf verzichtet.
Ob die nicht datierte privatschriftliche Vereinbarung zivilrechtlich wirksam ist und umsatzsteuerrechtlich als Widerruf der Option und Rechnungsberichtigung anerkannt werden kann, brauchte der Senat nicht zu entscheiden. Jedenfalls mit der notariell beurkundeten Erklärung vom 22. Februar 1999 haben der Erblasser und der Käufer nachträglich die Kaufpreisvereinbarung geändert und den auf die Wohnung entfallenden Teil des Kaufpreises aus der Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer herausgenommen. Hierin ist ein auf den Wohnungsverkauf beschränkter Widerruf der Optionserklärung zu sehen. Dieser beschränkte Widerruf ist wirksam. Die Option zur Steuerpflicht kann auf einen Teil eines Grundstückes beschränkt werden. Die zivilrechtlich einheitliche Behandlung eines Grundstückes im Falle seiner Veräußerung steht dem nicht entgegen (Urteil des BFH vom 26. Juni 1996 XI R 43/90, UR 1996, 425; Urteil des EuGH vom 4. Oktober 1995 Rs C-291/92, BStBl II 1996, 392). Die Möglichkeit zur Beschränkung der Option auf einen Grundstücksteil gilt auch für den Widerruf der Optionserklärung.
Der Widerruf des Verzichts auf die Steuerbefreiung hat rückwirkend den Umfang der Optionserklärung vom 29. Dezember 1988 beschränkt (Urteil des BFH vom 25. Januar 1979 V R 53/72, BStBl II 1979, 394; vgl. Klenk in Sölch/Ringleb/List, UStG, § 9 Anm. 40). Er ist folglich für die Steuerfestsetzung des Streitjahres zu berücksichtigen. Auch der relativ große Zeitraum zwischen der Optionserklärung und deren Widerruf steht dem nicht entgegen, weil der Verzicht auf die Steuerbefreiung so lange möglich ist, wie die betreffende Steuerfestsetzung noch nicht bestandskräftig ist.
Allerdings ist die Behandlung eines Umsatzes als steuerpflichtig erst dann rückgängig gemacht, wenn nicht nur die Option widerrufen, sondern auch eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis berichtigt worden ist. Der Kaufvertrag vom 29. Dezember 1988 ist als Rechnung in diesem Sinne anzusehen, mit der Umsatzsteuer auch auf den die Wohnung betreffenden Grundstücksverkauf gesondert ausgewiesen worden ist. Diese Rechnung ist durch die notariell beurkundete Vereinbarung vom 22. Februar 1999 berichtigt worden. Als bloßer Annex des Optionswiderrufs wirkt die Rechnungsberichtigung wie dieser ex tunc.
Zwar weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass die Berichtigung einer im Sinne des § 14 Abs. 2 UStG unrichtigen Rechnung die Steuerschuld erst im Veranlagungszeitraum der Rechnungsberichtigung entfallen lässt. Es liegt aber kein Anwendungsfall des § 14 Abs. 2 UStG vor. § 14 Abs. 2 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer in einer Rechnung einen höheren Steuerbetrag, als er nach dem Gesetz schuldet, gesondert ausgewiesen hat. Der Erblasser hat in dem als Rechnung geltenden Grundstückskaufvertrag die Umsatzsteuer zu Recht auch auf den auf die Wohnung entfallenden Teil des Entgelts gesondert ausgewiesen, weil er aufgrund der von ihm gleichzeitig erklärten Option zur Steuerpflicht diesen Betrag geschuldet hat. Die ordnungsgemäße Rechnungsausstellung kann auch nicht durch den Widerruf der Option nachträglich als zu Unrecht erfolgt beurteilt werden. Das folgt schon daraus, dass andernfalls die ex tunc Wirkung des Widerrufs der Option ins Leere laufen würde, weil mit dem Verzicht auf die Steuerbefreiung regelmäßig die Ausstellung einer Rechnung mit gesondertem Steuerausweis einhergeht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.