Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.01.2000, Az.: 6 K 508/97

Unter-Wert-Veräußerung von Kapitalgesellschafts-Anteilen an eigene Gesellschafter als verdeckte Gewinnausschüttung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
18.01.2000
Aktenzeichen
6 K 508/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 35723
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2000:0118.6K508.97.0A

Fundstellen

  • GmbH-StB 2000, 204
  • GmbHR 2000, 784-786 (Volltext mit amtl. LS)

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Veräußert eine Kapitalgesellschaft eigene Anteile an ihre Gesellschafter zu einem unter dem wirklichen Wert liegenden Preis, liegt darin in der der Regel eine vGA.

  2. 2.

    Von einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung ist in derartigen Fällen auszugehen, weil die Veräußerung wie die Einziehung oder der Erwerb von Anteilen in die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung fällt.

  3. 3.

    Lassen sich Gesellschafter beim Anteilserwerb maßgeblich von betrieblichen Erwägungen leiten, kann allein aus der gesellschaftsrechtlichen Zuständigkeitsverteilung nicht auf eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung geschlossen werden. Vielmehr muss dann eine umfassende Einzelbetrachtung erfolgen.

  4. 4.

    Hätten auch neu eintretende Gesellschafter keinen höheren Preis bezahlt, ist eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung nicht gegeben.

Tenor:

  1. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Verkauf eigener Anteile der Klägerin (Kl.) sowie die gleichzeitige Ausgabe neuer Geschäftsanteile jeweils zum Nennwert zum angemessenen Wert erfolgten oder hierdurch eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) bewirkt wurde.

2

Die durch notariellen Gesellschaftsvertrag vom 17. Juli 1989 in der Rechtsform einer GmbH gegründete Klägerin hat zum Gegenstand des Unternehmens das Betreiben eines gewerblichen zahntechnischen Labors zur Herstellung und zum Vertrieb von Zahnersatz und kieferorthopädischen Apparaten und Produkten sowie den Vertrieb von medizinischen und technischen Dentalprodukten und alle damit zusammenhängenden Geschäfte. Gründungsgesellschafter waren die Zahnärztin Dr. I... mit einer Stammeinlage von 7.000,00 DM sowie die Zahnärzte Dr. G...mit einer Stammeinlage von 7.000,00 DM, Dr. P... mit einer Stammeinlage von 9.500,00 DM, Dr. J... mit einer Stammeinlage von 10.500,00 DM, D... (D.) mit einer Stammeinlage von 13.000,00 DM und Dr. H... mit einer Stammeinlage von 3.500,00 DM. Die Einlagen waren sämtlichst voll eingezahlt.

3

Am 31.7.1991 beschloss die Gesellschafterversammlung der Klägerin eigene Geschäftsanteile im Nominalwert von 13.000,00 DM zu übernehmen. Die Klägerin erwarb durch Abtretungsvertrag vom 20.09.1991 die Geschäftsanteile des ausgeschiedenen Gesellschafters D... im Nominalwert von 13.000,00 DM zum Kaufpreis von 6.500,00 DM aus über dem Nennkapital zur Verfügung stehenden liquiden Mitteln. In der Bilanz zum 31.12.1991 bildete die Klägerin eine Rücklage gemäß § 272 Abs. 4 HGB in Höhe von 6.500,00 DM. Der Geschäftsanteil wurde in drei Teile in Höhe von 9.500,00 DM, 3.000,00 DM und 500,00 DM aufgeteilt.

4

Mit notariellen Verträgen vom 12.06.1992 veräußerte die Klägerin ihre Anteile zum Nennwert an die Gesellschafter Dr. J... in Höhe von 9.500,00 DM, Dr. I... in Höhe von 3.000,00 DM und Dr. P... in Höhe von 500,00 DM. Zugleich wurde eine Kapitalerhöhung um 19.500,00 DM auf 70.000,00 DM durchgeführt. Hiervon übernahm der Gesellschafter Dr. H§ 6.500,00 DM, der Gesellschafter Dr. G§ 3.000,00 DM sowie durch Neueintritt der Gesellschafter Dr. W§ 10.000,00 DM Stammkapital jeweils zum Nennwert. Nach Übernahme der Geschäftsanteile durch die Gesellschafter waren Dr. P... , Dr. H ... , Dr. I ..., Dr. G... und Dr. W... mit jeweils 10.000,00 DM sowie Dr. J... mit 20.000,00 DM am Stammkapital der Klägerin beteiligt.

5

Nach einer für das Streitjahr durchgeführten Außenprüfung nahm der Beklagte (Bekl.) an, dass in der Ausgabe der aus dem Anteil von 13.000,00 DM entstandenen GmbH-Anteile zum Nennwert eine vGA an die übernehmenden Gesellschafter zu sehen sei. Den gemeinen Wert der GmbH-Anteile ermittelte der Beklagte anhand des Stuttgarter Verfahrens in Höhe von 991,00 DM je 100,00 DM Anteil. Demzufolge setzte er eine vGA in Höhe von 115.830,00 DM an (13.000,00 DM x 991/100 abzüglich Nennwert).

6

Der Beklagte änderte den Körperschaftsteuer- und den Gewerbesteuermessbescheid 1992 sowie den Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 47 KStG zum 31.12.1992 entsprechend.

7

Im Einspruchsverfahren wies der Beklagte darauf hin, dass auch die Ausgabe der neuen GmbH-Anteile zum Nennwert als vGA zu behandeln sei und erhöhte die vGA um weitere 24.245,00 DM. Zugleich berechnete er den gemeinen Wert der Anteile neu. Wegen der Einzelheiten wird auf den Einspruchsbescheid vom 23. Juli 1997 (Blatt 69 ff. der RBA) Bezug genommen. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.

8

Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage begehrt die Kl. vom Ansatz vGA abzusehen. Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor, die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig, da eine vGA nicht vorliege. Die Gesellschafter der Klägerin hätten sich bei der Gründung im Juli 1989 sowie im Juni 1992 in der Neufassung des Gesellschaftsvertrages darauf geeinigt, dass sich die Höhe des zu vergütenden Entgelts für die Geschäftsanteile eines ausscheidenden Gesellschafters nach dem Wert der Anteile, im übrigen nach dem Stuttgarter Verfahren bzw. nach der vermögenssteuerlichen Anteilsbewertung zu richten habe. Entgegen der Auffassung des Beklagten gelte diese Abfindungsregelung sowohl für die Übernahme von eigenen Anteilen durch die Kl. als auch für Übernahme von Anteilen durch einen neuen Gesellschafter. Entsprechend dieser vertraglichen Regelung habe man gehandelt.

9

Zudem fehle es an einer Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis. Dabei sei zu berücksichtigen, dass bei keinem der Gesellschafter bzw. bei keinem Erwerber der Anteile eine beherrschende Stellung vorliege. Die Vielzahl der Beteiligten bürge dafür, dass ein normaler, persönlich orientierter Interessenkonflikt unter den sechs Gesellschaftern vorliege. Die Wertermittlung des Beklagten treffe zudem nicht zu. Wegen des Vorbringens im einzelnen wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 29.7.1997 (Blatt 6 ff. FGA) sowie vom 12.01.2000 (Blatt 48 ff. FGA) Bezug genommen.

10

Die Klägerin beantragt,

  1. die ursprünglichen Festsetzungen erneut herzustellen und zwar die Körperschaftsteuer 1992 auf 183.604,00 DM sowie den Solidaritätszuschlag 1992 auf 6.885,15 DM herabzusetzen und den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag 1992 auf 77.268,00 DM festzusetzen.

11

Der Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

12

Zwar sei der Kl. zuzugeben, dass hinsichtlich der Kapitalerhöhung keine vGA anzunehmen sei, so dass diese lediglich 56.030,00 DM betrage. Im übrigen hält der Bekl. jedoch an seiner Auffassung im Einspruchsbescheid fest. Für die Annahme einer vGA genüge eine Minderheitsbeteiligung. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass der Ankauf der GmbH-Anteile nicht die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Bewertungsgesetz erfüllte. Demzufolge müsse die Wertermittlung nach dem Stuttgarter Verfahren stattfinden.

13

Der Beklagte erließ im Klageverfahren Änderungsbescheide zur Körperschaftsteuer 1992, über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 47 KStG zum 31.12.1992 jeweils vom 10.9.1997 und zum einheitlichen Gewerbesteuermessbescheid 1992 vom 15.9.1997. Wegen der Einzelheiten wird auf die Bescheide (Blatt 20 ff. FGA) Bezug genommen.

14

Mit Schriftsatz vom 26.9.1997, Eingang bei Gericht 29.9.1997, nahm der Prozessbevollmächtigte zur Klageerwiderung des Beklagten Stellung und führte unter anderem aus, dass er an der Klage vollumfänglich festhalte. Zu der Änderung der Bescheide äußerte sich der Prozessbevollmächtigte nicht. Eine ausdrückliche Antragstellung gemäß § 68 FGO enthält der Schriftsatz ebenfalls nicht. Hierzu trägt die Klägerin jedoch vor, dass sie durch die Äußerung, an der Klage festhalten zu wollen, ausdrücklich und eindeutig eine Einbeziehung der Steuerbescheide in das Klageverfahren beantragt habe. Dies ergebe sich bereits daraus, dass Willenserklärungen auszulegen seien. Der Beklagte hält die Klage für unzulässig.

15

Auf Befragung des Gerichts erläuterte die Kl. in der mündlichen Verhandlung den wirtschaftlichen Hintergrund des Gesellschafterwechsels. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.01.2000 Bezug genommen.

Gründe

16

I. Klageziel.

17

1. Der Beklagte hat im Klageverfahren dem Begehren der Kl. teilweise entsprochen und den Ansatz der verdeckten Gewinnausschüttung auf 56.030,00 DM reduziert. Die geänderten Steuerbescheide vom 10. bzw. 15. September 1997 führten zu einer entsprechend verringerten Steuerfestsetzung. Insoweit hat der Rechtsstreit sich objektiv erledigt, so dass der Senat hierüber nicht mehr zu befinden hat.

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2. Der Senat versteht den Klagantrag der Kl. dahingehend, dass diese eine Steuerfestsetzung begehrt, bei der vom Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung in Höhe von 56.030,00 DM abgesehen wird. Die betragsmäßige Angabe des Gewerbesteuermessbetrages läßt sich einerseits nicht nachvollziehen, diejenige bei der Körperschaftsteuer berücksichtigt die späteren Änderungen durch die Betriebsprüfung nicht. Da jedoch zwischen den Beteiligten sowohl im Einspruchs- als auch im Klageverfahren jeweils nur die verdeckte Gewinnausschüttung hinsichtlich der Anteilsübertragung streitig war, ist davon auszugehen, dass sich auch allein hierauf das Klagebegehren der Klägerin bezieht.

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II. Die Klage ist zulässig.

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1. Die Kl. hat die geänderten Bescheide zum Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens gemacht.

21

Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Klageerhebung durch einen anderen Verwaltungsakt geändert oder ersetzt, wird dieser nach § 68 FGO auf Antrag des Kl. Gegenstand des Verfahrens. Diese Regelung entspricht der Parteirolle des Klägers. Es unterliegt seinem freien Verfügungsrecht, auf und in welchem Umfang er sich gegen ihn belastende Verwaltungsakte durch Erhebung des Klageverfahrens wendet (vgl. etwa § 96 Abs. 1 S. 2 FGO ; Gräber/von Groll, FGO , 4. Auflage, § 40 Rdz. 7). Andererseits ist die Finanzbehörde durch die Anhängigkeit eines Klagverfahrens nicht gehindert, den angefochtenen Verwaltungsakt gemäß der Änderungsnorm der Abgabenordnung zu ändern. Erfolgt eine Änderung des angefochtenen Bescheides hat der Kl. aufgrund seiner Dispositionsbefugnis zweifelsfrei zu erklären, ob er eine Fortführung des Klageverfahrens wünscht (BFH-Urteil vom 31.10.1990 II R 45/88 , BFHE 162, 215 ; BStBl II 1991, 102 [BFH 31.10.1990 - II R 45/88]). Der in § 68 FGO hierfür vorgesehene Antrag ist als prozessuale Willenserklärung der Auslegung zugänglich (BFH-Beschluss vom 16.07.1992 VIII B 118/91 , BFH/NV 1993, 40). Er muss weder als Antrag nach § 68 FGO bezeichnet sein noch ausdrücklich gestellt werden.

22

2. Nach Auffassung des Senats hat die Klägerin fristgemäß beantragt, die Änderungsbescheide zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Der Schriftsatz vom 26. September 1997 enthält keinen ausdrücklichen Antrag, die geänderten Bescheide in das Klageverfahrens einzubeziehen. Aus dem Aufbau (Bezugnahme auf dem Schreiben des Beklagten vom 28.08.1997 verwendete Nummerierung) und dem Wortlaut des Schreibens läßt sich klar erkennen, dass es sich um eine Stellungnahme zum Schriftsatz des Beklagten handelt. So wird etwa festgestellt, dass der Beklagte der Klagebegründung zu Position 9 zustimmt. Der Erhalt von Änderungsbescheiden wird in diesem Zusammenhang nicht erwähnt, was einer Inbezugnahme für das Klageverfahren nahegelegen hätte.

23

Dies spricht zwar eher dafür, dass eine Fortführung des Klageverfahrens nicht das unbedingte Ziel der Klägerin war. Zumal ihr auch die Möglichkeit des Einspruchsverfahren gegen die geänderten Bescheide offen stand.

24

Andererseits bringt die Kl. klar zum Ausdruck, dass sie an ihrem Klagebegehren vollumfänglich festhält. Eine derartige Äußerung ergibt letztlich nur einen Sinn, wenn das Klageverfahren fortgeführt wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Prozessbevollmächtigten vor Abfassung seines Schriftsatzes die Änderungsbescheide für Körperschaftsteuer und die gesonderte Feststellung bereits zugegangen waren. Dabei musste er erkannt haben, dass seinem Klagebegehren nur zum Teil entsprochen worden war. Ein erneutes Einspruchsverfahren hatte zudem wegen der unstreitigen Tatsachengrundlage und der bereits umfänglich ausgetauschten Rechtsstandpunkte keinen Sinn. Demzufolge entspricht die Annahme eines Antrages im Sinne des § 68 FGO dem im Schriftsatz vom 26.09.1997 zum Ausdruck gekommenen Willen der Klägerin.

25

III. Die Klage ist auch begründet.

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1. Veräußert eine Kapitalgesellschaft eigene Anteile an ihre Gesellschafter zu einem unter dem wirklichen Wert liegenden Preis, wird hierin in der Regel eine vGA liegen (vgl. BFH-Urteil vom 14.11.1984 I R 50/80 , BFHE 142, 453BStBl II 1985, 227 [BFH 14.11.1984 - I R 50/80]). Eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung liegt in einem derartigem Fall nahe, weil die Veräußerung ebenso wie die Einziehung oder der Erwerb von Anteilen in die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung fällt, zumindest ihrer Zustimmung bedarf.

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Wesentliche Geschäfte, die die Grundordnung der Gesellschaft oder das Verhältnis der Gesellschafter untereinander berühren, obliegen nach der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Gesellschaftsorganen nach dem GmbH-Gesetz nicht dem Geschäftsführer, sondern der Gesellschafterversammlung. So berührt die Einziehung und Weiterveräußerung eigener Anteile durch die Gesellschaft das Verhältnis der Gesellschafter untereinander, indem es die Stimmanteile und die Zusammensetzung der Gesellschaftergemeinschaft verändert (vgl. Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 16. Auflage, § 33 Rdz. 23). Dem entspricht es auch, dass der Gesellschaftsvertrag der Klägerin im § 6 Nr. 3 b den Erwerb eigener Gesellschaftsanteile ausdrücklich dem Aufgabenkreis der Gesellschafterversammlung zuordnet. Demgemäß ist die Veräußerung der eigenen Anteile primäre Aufgabe der Gesellschafter und deshalb in der Regel durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt.

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2. Lassen sich die Gesellschafter bei ihrer Entscheidung indes maßgeblich von betrieblichen Erwägungen leiten, kann allein aus der gesellschaftsrechtlichen Zuständigkeitsverteilung nicht von einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung ausgegangen werden. Es bedarf vielmehr eine Abwägung der gesamten Indizien des Streitfalles.

29

Danach kann nach Auffassung des Senats nicht von einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung der Anteilsübertragung ausgegangen werden.

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Die im Juli 1989 gegründete Klägerin befand sich im Streitjahr 1992 noch in ihrer Aufbau- und Entwicklungsphase. Diese war zunächst von erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten gekennzeichnet. Im Gründungsjahr 1989 erwirtschaftete die Klägerin einen Anlaufverlust von ca. 110.000,00 DM, der sich im Folgejahr auf insgesamt etwa 133.000,00 DM aufsummierte. Neben den üblichen Anlaufschwierigkeiten neugegründeter Unternehmen trat bei der Kl. eine unglückliche Auswahl bei der Anstellung ihrer zahntechnischen Betriebsleiter hinzu. Die zahntechnische Fertigung, Qualitätssicherung und Leitung hat zunächst erhebliche Schwierigkeiten bereitet, so dass der Betrieb mit zahlreichen Anlaufproblemen zu kämpfen hatte. Die ungünstige betriebliche Ausgangslage verschlechterte sich sodann noch für die Klägerin, weil der nach unfallbedingtem Ausscheiden des ersten Betriebsleiters eingestellte zweite Leiter eigene erhebliche psychische Probleme hatte. Diese ließen es nicht zu, dass die bisher aufgetretenen fehlerhaften Betriebsabläufe hinreichend korrigiert werden konnten.

31

Vor diesem Hintergrund ist es erklärlich, dass der Gesellschafter D. seine Anteile im September 1991 zum halben Nennwert an die Kl. veräußerte. Der Gesellschafter D. wollte das Risiko persönlicher Inanspruchnahme aus der von jedem Gesellschafter übernommenen persönlichen Bürgschaftsverpflichtung von 80.000,00 DM verhindern. Aufgrund der erheblichen Reibungsverluste im betrieblichen Ablauf, die sich in den Anlaufverlusten der Veranlagungszeiträume 1989 und 1990 konkretisiert hatten, war die Wahrscheinlichkeit der persönlichen Eintrittspflicht nicht fernliegend, so dass der Austritt aus der Gesellschaft und die Entlassung aus der Bürgschaftsverpflichtung das primäre Ziel des Gesellschafters D. war. Die Preisgestaltung trat dabei im wesentlichen in den Hintergrund.

32

Diese Ausgangslage hatte sich zwar 9 Monate später im Juni 1992 entscheidend geändert. Denn der dritte Betriebsleiter hatte nach einer längeren Einarbeitungszeit die betrieblichen Abläufe geordnet und die technischen Produktergebnisse verbessert. Die Folge war die Erwirtschaftung eines Jahresüberschuss in 1991, der nicht nur die Anlaufverluste ausgleichen konnte. Diese Situation war den Gesellschaftern aufgrund des Jahresabschlusses im Zeitpunkt des Abschlusses der notariellen Verträge auch bekannt.

33

Aufgrund der glaubhaften Bekundung der Geschäftsführerin der Klägerin - gegen die der Beklagte keine Einwendungen erhoben hat - geht der Senat jedoch davon aus, dass die schwierige Startphase der Klägerin und die Eintrittspflicht des neuen Gesellschafters in die persönliche Bürgschaftsverpflichtung des ausgeschiedenen Gesellschafters D., die im VZ 1991 eingetretene positive Entwicklung bei der Preisfindung maßgeblich überlagerte. Hieraus erklärt sich, dass der neu eingetretene Gesellschafter trotz des Bilanzgewinns für 1991 die Anteile lediglich zum Nennwert erwarb. Dies umsomehr als die weiteren Entwicklungen aufgrund bereits erfolgter Beschränkungen der Erstattungsfähigkeit zahntechnischer Leistungen durch weitere gesetzgeberische Reformvorhaben ungewiss waren. Es ist in diesem Zusammenhang auch kein Grund ersichtlich, wieso die Klägerin oder die verbliebenden Gesellschafter einem neu eintretenden Gesellschafter einen nicht gerechtfertigten Vorteil zuwenden sollten.

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3. War ein neu eintretender Gesellschafter nicht bereit, einen höheren Preis als den Nennwert zu bezahlen, konnten die Gesellschafter diese Wertbemessung auch zur Grundlage ihrer Anteilsaufstockung machen. Dabei ist nicht entscheidend, wie hoch der tatsächliche Wert der Anteile war, sondern dass aufgrund der betrieblichen Gesamtsituation ein außenstehender Dritter einen höheren Preis nicht zu zahlen bereit war. Gegen eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung der Anteilsübertragung auf die Altgesellschafter spricht auch die unterschiedliche Höhe der Übertragung, die erkennbar den Zweck hatte, eine Angleichung der Höhe der Anteile der einzelnen Gesellschafter herbeizuführen. Angesichts der Vielzahl der Gesellschafter ist nicht erkennbar, wieso einzelnen Gesellschaftern Vorteile in unterschiedlicher Höhe hätten zugewendet werden sollen. Die mit der hohen Anzahl der Gesellschafter einhergehenden natürlichen Interessengegensätze untereinander belegen vielmehr, dass die Wertfindung der Anteilsübertragung aus betrieblichen Gründen erfolgte. Eine vGA scheidet im Streitfall daher aus.

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IV. Die Übertragung der Berechnung der festzusetzenden und festzustellenden Beträge beruht auf § 100 Abs. 2 S. 2 FGO .

36

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO . Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO .