Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.01.2000, Az.: 7 K (III) 430/96
Grundstücksübertragung zwischen Partnern einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft; Voraussetzungen für die Befreiung von der Grunderwerbsteuer
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 25.01.2000
- Aktenzeichen
- 7 K (III) 430/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 21907
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2000:0125.7K.III430.96.0A
Fundstellen
- NWB 2000, 3557
- UVR 2001, 153
Tatbestand
Streitig ist die Grunderwerbsteuerbelastung einer Grundstücksübertragung zwischen Partnern einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft, die durch gemeinsame Kinder familienrechtlich verbunden sind.
Der Kläger und seine damalige Lebensgefährtin (heutige Ehefrau) erwarben am 1. September 1994 zu je ae ein Grundstück von der Stadt S.. Für die Zahlung des Kaufpreisanteils, der auf die Lebensgefährtin entfiel, gewährte der Kläger seiner Partnerin ein Darlehn in Höhe von 35.000,00 DM. Der Kläger erwarb später, mit Vertrag vom 29. Dezember 1995, den Grundstücksanteil seiner Gefährtin unter Verzicht auf die Rückzahlung des gewährten Darlehns. Der Kläger und seine Lebenspartnerin lebten seit Jahren in einer eheähnlichen Gemeinschaft; aus dieser Gemeinschaft sind zwei Kinder hervorgegangen, J. (geboren am 3. August 1992) und L. (geboren am 25. Juli 1994). Der Kläger heiratete seine langjährige Lebensgefährtin am 9. September 1999.
Das beklagte Finanzamt setzte wegen des Grundstücksübertragungsvorgangs vom 29. Dezember 1995 gegenüber dem Kläger eine Grunderwerbsteuer in Höhe von 700,00 DM (= 2 % von 35.000,00 DM) mit Bescheid vom 23. Januar 1996 fest. Die begehrte Grunderwerbsteuer-Befreiung wurde mit Hinweis darauf, dass der Kläger und seine Partnerin nicht verheiratet seien, versagt.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhebt der Kläger Klage und trägt im Wesentlichen folgendes vor:
Die Stadt S. habe dem Kläger verweigert, ihm allein ein Baugrundstück zu verkaufen. Deshalb sei die langjährige Lebenspartnerin des Klägers in 1994 als Miterwerberin aufgetreten. Wegen des fehlenden Eigenkapitals der Partnerin habe der Kläger ihr das zinslose Darlehn in Höhe von 35.000,00 DM gewährt. Er habe Ende 1995 den Grundstücksanteil seiner Partnerin übernommen im Hinblick auf die volle Eigenheimförderung nach § 10e EStG als Alleineigentümer. Wegen der begehrten Grunderwerbsteuer-Befreiung sei beachtlich, dass der Kläger, seine Partnerin und die zwei gemeinsamen Kinder eine auf Dauer ausgerichtete familienähnliche Beziehung mit rechtlicher Relevanz pflegen. Denn die öffentliche Verwaltung setze Familien und familienähnliche Beziehungen der vorliegenden Art in vielenöffentlichen Bereichen gleich, etwa im Sozialhilfe-, im Arbeitslosenhilfe-, Wohngeldrecht und in weiteren Rechtsgebieten, in denen der Staat grundsätzlich leistungspflichtig sei. So sei z.B. der Lebenspartnerin des Klägers mit Bescheid vom 8. Februar 1996 Erziehungsgeld für ein gemeinsames Kind mit Hinweis auf das Einkommen des Klägers nicht gewährt worden. Es ziehe sich wie ein roter Faden durch die deutsche Gesetzes- und Verordnungslandschaft, dass dann, wenn es um Ausgaben des Staates gehe, eheähnliche Lebensgemeinschaften den Familien gleichgesetzt werden. Gehe es dagegen um die Einnahmen des Staates, würden Teilnehmer familienähnlicher Beziehungen wie fremde Dritter behandelt; steuerliche Vorteile würden den eheähnlichen Gemeinschaften mit Kindern zu Unrecht nicht gewährt. Diese Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte sei inkonsequent und verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes. Die gesellschaftlichen Entwicklung, die auch vom Gesetzgeber gesehen werde und im Sozialleistungsrecht mit Recht zu der erwähnten Rechtspraxis geführt habe, sei auch im Grunderwerbsteuerrecht zu berücksichtigen. Dem Kläger sei Grunderwerbsteuer-Befreiung - wie bei einem Grundstückserwerb von einem Ehegatten - zu gewähren. Dafür spreche auch der besondere staatliche Schutz nach Art. 6 GG, unter den auch die nichteheliche Familie, also Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit gemeinsamen Kindern, falle. Im übrigen sei zwar der Übertragungsvertrag, der dem angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid zugrunde liege, beurkundet, aber noch nicht dem Grundbuchamt zur Umschreibung eingereicht worden. Dies erfolge ggf. jetzt nach Eheschließung, so dass der grunderwerbsteuerauslösende Grundstückserwerb in der nunmehr laufenden Ehe erfolge und damit auch hiernach steuerbefreit sei.
Die Kläger beantragen,
den Grunderwerbsteuerbescheid vom 23. Januar 1996 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 22. Juli 1996 aufzuheben.
Das beklagte Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es verweist insbesondere auf Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, wonach eine Verpflichtung des Gesetzgebers, nichteheliche Lebensgemeinschaften der Ehe gleichzustellen, verneint werde. Der Gesetzgeber dürfe auch unter Berücksichtigung des Verfassungsgebots, nichteheliche Kinder nicht zu benachteiligen, aus der Entscheidung der Lebenspartner, miteinander keine Ehe zu schließen, andere Folgerungen ziehen als bei einer Ehe. Die Vorschrift des § 3 Nr. 4 GrEStG, wonach allein Erwerbe unter Ehegatten grunderwerbsteuerbefreit seien, sei mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG) und dem besonderen Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 GG) vereinbar.
Dem Gericht hat die Grunderwerbsteuerakte, die beim beklagten Finanzamt geführt wird, vorgelegen.
Gründe
Die Klage hat keinen Erfolg. Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid ist rechtmäßig.
a)
Der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerbare Grundstücksübertragungsvorgang vom 29. Dezember 1995 zwischen dem Kläger und seiner späteren Ehefrau, den Partnern einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft mit Kindern, ist nach § 3 Nrn. 4 bis 7 GrEStG nicht steuerbefreit. Der erkennende Senat teilt im Hinblick auf den Begünstigungsausschluss für die nichteheliche Familie die vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht und hält eine verfassungskonforme Interpretation, insbesondere die des § 3 Nr. 4 GrEStG, oder einen Aussetzungs- und Vorlagebeschluss nach Art. 100 Abs. 1 GG für nicht angezeigt.
aa)
Die Voraussetzungen der Grunderwerbsteuerbarkeit des Grunderwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG waren bereits mit Abschluss des Notarvertrags vom 29. Dezember 1995 erfüllt. Danach ist es grunderbsteuerrechtlich unerheblich, dass der Kläger seine Vertragspartnerin vor der grundbuchrechtlichen Eigentumsumschreibung, aber nach Abschluss des Notarvertrags geheiratet hat.
bb)
Die Voraussetzungen für die Befreiung von der Grunderwerbsteuer nach § 3 Nrn. 4 bis 7 GrEStG sind nicht erfüllt. Denn der Wortlaut des § 3 Nrn. 4 bis 7 GrEStG erfasst nicht den Grundstückserwerb durch den Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft mit gemeinschaftlichen Kindern. Auch im Hinblick auf den Gesetzeszweck hält es der Senat nicht für geboten, die personengebundenen Ausnahmen von der Grunderwerbsbesteuerung im Wege einer verfassungskonformen Analogie über den Wortlaut der zitierten Regelung hinaus auch auf Angehörige eheähnlicher Gemeinschaften mit Kindern zu beziehen. Denn § 3 Nrn. 4 bis 7 GrEStG enthält keine zu schließende Gesetzeslücke, da dieser Vorschrift ein genereller gesetzgeberischer Plan, Grundstückserwerbe dann nicht zu besteuern, wenn die Grundstücksübertragungen innerhalb der Familie stattfinden, nicht zu entnehmen ist. Vielmehr sind allein die dort ausdrücklich genannten Grundstücksumsätze zwischen bestimmten Personen grunderwerbsteuerbefreit (vgl. auch BFH BFH/NV 1999, 76, 77, wonach der Verkehrssteuercharakter der Grunderwerbsteuer betont und dabei ausgeführt wird, dass für die Grunderwerbsteuer ein allgemeines Familienprinzip nicht gilt; in diesem Sinne auch Pahlke/Franz, Kommentar zum GrEStG, 2. Auflage 1999, § 3 Anm. 161; OFD Hannover, DB 1997, 1541).
Dagegen macht es, entgegen der Auffassung der Klägerseite, Sinn, wenn in den sozialen Transfergesetzen die eheähnlichen Lebensgemeinschaften mit Kindern den Ehen mit Kindern gleichgestellt werden. Denn es würde dem Zweck des Art. 6 GG widersprechen, nichtverheiratete Eltern finanziell besser zu stellen als verheiratete Eltern. Daraus folgt aber nicht, dass die eheähnlichen Lebensgemeinschaften mit Kindern den Ehen mit Kindern auch im Grunderwerbsteuerrecht gleichzustellen sind. Vielmehr steht es dem Gesetzgeber - wie oben ausgeführt - frei, eheähnliche Lebensgemeinschaften mit Kindern von der Grunderwerbsteuer-Begünstigung auszuschließen. Zwar bilden eheähnliche Lebensgemeinschaften mit Kindern Familien, die aufgrund des Art. 6 GG in besonderer Weise staatlichem Schutz und staatlicher Förderung unterliegen (so etwa Schmitt-Kammler in Sachs, Kommentar zum GG, 2. Auflage 1999, Art. 6 Anm. 15 f.). Auch ist dieser Rechtsgedanke entsprechend der fortschreitenden gesellschaftlichen Entwicklung in die höchstrichterliche Finanzrechtsprechung, damit in Teile des Steuerrechts, vorgedrungen; so hat der Bundesfinanzhof (BStBl. II 1999, 764) die eheähnliche Lebensgemeinschaft mit Kindern den Ehen mit Kindern bei einer einkommensteuerlichen Rechtsfrage gleichgestellt (ähnlich auch BFH BStBl. II 1990, 312, 315). Gleichwohl betont der für Grunderwerbsteuersachen zuständige Senat des Bundesfinanzhofs, dem der Senat folgt, dass bei der Grunderwerbsteuer als Verkehrssteuer ein allgemeines Familienprinzip nicht gilt (vgl. BFH/NV 1999, 76, 77).
cc)
Der Senat kann auch nicht feststellen, dass der Gesetzgeber durch seine Wortwahl, die nicht sämtliche Familienangehörigen erfasst, Grundrechte des Steuerbürgers verletzt hat. Ob der Senat es für wünschenswert hält, auch die eheähnliche Lebensgemeinschaft mit Kindern aufgrund der gesellschaftlichen Neuorientierung in die grunderwerbsteuerliche Begünstigung aufzunehmen, muss dahinstehen. Denn der Senat ist allein dann nach Art. 100 Abs. 1 GG aussetzungs- und vorlagebefugt, wenn er, was hier nicht der Fall ist, von der Verfassungswidrigkeit der anzuwendenden Grunderwerbsteuerbefreiungs-Normüberzeugt ist.
Im übrigen hat das Bundesverfassungsgericht in verschiedenen Beschlüssen zu erkennen gegeben, dass es nicht gegen das Grundgesetz verstößt, die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft den Ehegatten steuerlich nicht gleichzustellen, da es innerhalb der Grenzen der dem Gesetzgeber obliegenden Gestaltungsbefugnis liegt, wenn er an die eigenverantwortliche Entscheidung der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, keine Ehe miteinander eingehen zu wollen, andere Folgerungen knüpft als an eine formwirksam geschlossene Ehe mit ihren vielfältigen bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft fehlenden Rechten und Pflichten der Ehepartner (vgl. BVerfG BStBl. II 1984, 172 und BVerfG NJW 1990, 1593, jeweils zur Erbschaftsteuer).
b)
Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.