Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.01.2000, Az.: 8 K 540/98
Rückforderung von Kindergeld bei Wechsel der Haushaltszugehörigkeit
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 18.01.2000
- Aktenzeichen
- 8 K 540/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 21898
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2000:0118.8K540.98.0A
Tatbestand
Streitig ist, ob die Familienkasse zu Recht Kindergeld für die Kinder A und B zurückgefordert hat.
Der Kläger und seine getrennt lebende Ehefrau, die Beigeladene, sind Eltern der ... und ... geborenen Kinder A und B. Seit ... leben die Eheleute getrennt. Die Kinder leben seitdem im Haushalt der Mutter. Der Kläger bezog das Kindergeld.
Nachdem die Familienkasse erfahren hatte, dass der Kläger und die Beigeladene getrennt lebten, hob sie mit Bescheid an den Kläger vom ... zunächst die Kindergeldfestsetzung für die beiden Kinder ab ... auf. Mit Bescheid vom ... hob sie die Festsetzung des Kindergeldes von ... bis ... in Höhe von ... DM (x Monate x ... DM), für ... in Höhe von ... DM, für ... in Höhe von ... DM und von ... bis ... in Höhe von ... DM (... Monate x ... DM) auf und forderte den zuviel gezahlten Betrag von insgesamt ... DM vom Kläger zurück; dieser Betrag sei von ihm nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) zu erstatten. Ab ... sei wegen des Getrenntlebens die Beigeladene gem. § 64 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) vorrangig Kindergeldberechtigte. Nach den vorliegenden Unterlagen habe der Kläger das Kindergeld nur zur Hälfte mit dem Unterhalt an die Beigeladene weitergeleitet.
Mit Bescheiden an die Beigeladene vom ... setzte die Familienkasse das Kindergeld für A und B ab ... mit monatlich ... DM und ab ... mit monatlich ... DM fest.
Mit seinem Einspruch vom ... wandte sich der Kläger gegen die Rückforderung und machte geltend, entsprechend der Rechtsprechung zur Düsseldorfer Tabelle habe er im Ergebnis einen Betrag in voller Höhe des Kindergeldes an die Beigeladene weitergeleitet. Nach der Düsseldorfer Tabelle müsse er den Unterhaltsbetrag um das halbe Kindergeld erhöhen, wenn er das Kindergeld erhalte. Würde das Kindergeld von der Familienkasse an die Mutter gezahlt, bedeute dies, dass er nach der Düsseldorfer Tabelle nur den Tabellenbetrag abzüglich der Hälfte des Kindergeldes an Unterhalt zu zahlen gehabt hätte.
Die Familienkasse wies den Einspruch unter Hinweis auf § 64 Abs. 1 und 2 EStG zurück. Bedingt durch dieÄnderung der Verhältnisse (Getrenntleben ab Mitte... ) sei die Festsetzung des Kindergeldes gegenüber dem Kläger ab ... gem.§ 70 Abs. 2 EStG aufzuheben gewesen. Dieüberzahlten Beträge habe der Kläger gem. § 37 Abs. 2 AO zu erstatten. Da er (mit Ausnahme des Monats ...) jeweils die Hälfte des Kindergeldes an die Beigeladene weitergeleitet habe, sei der nicht weitergeleitete Teil des Kindergeldes in Höhe von insgesamt ... DM überzahlt und folglich von ihm zu erstatten.
Dagegen richtet sich die Klage.
Der Kläger verweist darauf, dass die Beigeladene durch ihre Bevollmächtigte anerkannt habe, dass sie Kindergeld in Höhe von ... DM zurückzuzahlen habe, da sie dieses sowohl vom Kläger (im Wege des Unterhalts nach der Düsseldorfer Tabelle) als auch von der Familienkasse erhalten habe (Schreiben der Rechtsanwälte ... an das Finanzgericht und an die Prozessbevollmächtigten, jeweils vom ...).
Der Kläger beantragt,
den Rückforderungsbescheid aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest und verweist auf den Einspruchsbescheid.
Wegen des weiteren Sachverhalts und Vorbringens wird auf den Inhalt der bei der Beklagten für den Kläger und für die Beigeladene geführten Kindergeldakten und der im Klageverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Gem. §§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 63 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 EStG haben die im Inland lebenden Eltern für ihre mit ihnen im ersten Grad verwandten minderjährigen Kinder Anspruch auf Kindergeld. Diese Voraussetzungen liegen vor; über das Bestehen der Anspruchsvoraussetzungen für die Kinder A und B besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.
Wem von mehreren Berechtigten - im Streitfall: von beiden Elternteilen -, d.h. bei Zusammentreffen mehrerer Ansprüche das Kindergeld gezahlt wird, ist in § 64 EStG geregelt. Gem.§ 64 Abs. 1 EStG wird für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt. Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld gem. § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat.
Im Streitfall war das Kindergeld ab ... der Beigeladenen zu zahlen, weil diese die Kinder ab ... in ihren Haushalt aufgenommen hatte. Dementsprechend hat die Familienkasse ab diesem Zeitpunkt das Kindergeld zugunsten der Beigeladenen festgesetzt. Ob diese Festsetzung bereits ab ... oder erst ab ... hätte erfolgen dürfen, ist für die Frage der Rechtmäßigkeit der Zahlung an den Kläger unerheblich.
An den Kläger war das Kindergeld ab ... nicht mehr zu zahlen, weil er seitdem die Kinder nicht mehr in seinem Haushalt aufgenommen hatte. Die Familienkasse war deshalb verpflichtet, die Festsetzung des Kindergeldes ab ... aufzuheben. Diese Verpflichtung folgt aus § 70 Abs. 2 EStG, wonach die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben oder zuändern ist, soweit in den Verhältnissen, die für die Zahlung des Kindergeldes erheblich sind, Änderungen eintreten. Die Änderungen im Streitfall liegen darin, dass die Kinder zuvor im gemeinsamen Haushalt, ab ... jedoch nur noch im Haushalt der Mutter leben.
Aufgrund der Aufhebung der Festsetzung des Kindergeldes ab ... war der Kläger gem. § 37 Abs. 2 AO verpflichtet, das an ihn für die Zeit ab ... gezahlte Kindergeld an die Familienkasse zu erstatten. Ist eine Steuervergütung - zu der das Kindergeld gem. § 31 Satz 3 EStG rechnet - ohne rechtlichen Grund gezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen die Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist - im Streitfall: die Familienkasse -, an den Leistungsempfänger - den Kläger - einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrages. Dies gilt gem. § 37 Abs. 2 Satz 2 AO auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung später wegfällt. Im Streitfall ist der rechtliche Grund für die Zahlung des Kindergeldes durch die Aufhebung der Festsetzung mit Bescheid vom ... weggefallen, so dass der Kläger verpflichtet ist, der Familienkasse den zurückgeforderten Betrag zu erstatten.
Auf die familienrechtlichen Rückforderungsansprüche kommt es nicht an. § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG knüpft für die Frage, wem das Kindergeld zu zahlen ist, ausschließlich an die Haushaltszugehörigkeit an. Diese Regelung nicht verfassungswidrig. Sie dient der Verfahrensvereinfachung, weil sich die Haushaltszugehörigkeit im Regelfall ohne Schwierigkeiten feststellen lässt. Auch konnte der Gesetzgeber davon ausgehen, dass bei mehreren Unterhaltsverpflichteten, insbesondere bei Ehegatten, ein etwa erforderlicher Ausgleich der Kindergeldzahlungen auf zivilrechtlicher Grundlage erfolgt (vgl. BFH, Beschluss vom 10. November 1998 VI B 125/98, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1999 Seite 137 f.). Für die Entscheidung ist daher unerheblich, ob der Kläger im Ergebnis entsprechend den Regelungen der Düsseldorfer Tabelle (unterhaltsrechtlich betrachtet) einen Betrag in Höhe des vollen Kindergeldes an die Beigeladene gezahlt hat und diese ihre (zivilrechtliche) Verpflichtung zur Rückzahlung an den Kläger anerkannt hat.
Die Klage konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.