Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.01.2000, Az.: 6 K 98/96

Herstellung der Ausschüttungsbelastung bei überhöhter Vorabausschüttung nur hinsichtlich des tatsächlich erzielten Bilanzgewinns (Abweichung vomBFH/NV 2000, 273)

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
18.01.2000
Aktenzeichen
6 K 98/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 35724
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2000:0118.6K98.96.0A

Fundstellen

  • DStRE 2000, 750-752 (Volltext mit amtl. LS)
  • GmbH-StB 2000, 234-235
  • GmbHR 2000, 830-832 (Volltext mit red. LS)

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Unter einer Gewinnausschüttung ist stets die auf einem handelsrechtlich ordnungsgemäß gefassten Beschluss erfolgte Gewinnverteilung zu verstehen und zwar auch, soweit es sich um eine Vorabausschüttung handelt.

  2. 2.

    Auch die unter Verstoß gegen handelsrechtliche Vorschriften beschlossene Ausschüttung oder verdeckte Gewinnausschüttungen führen zu einer Gewinnausschüttung.

  3. 3.

    Wird durch eine Vorabausschüttung unter Verstoß gegen das Kapitalerhaltungsgebot des § 30 GmbHG das das Stammkapital deckende Vermögen angegriffen, dann ist die Ausschüttungsbelastung nur auf den Teil der Vorabausschüttung herzustellen, der nicht gegen die Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 GmbHG verstößt, d.h. nur hinsichtlich des tatsächlich erzielten Bilanzgewinns.

Tenor:

  1. Die Berechnung der Körperschaftsteuer wird dem Beklagten übertragen.

    Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

    Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

    Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob für eine in 1994 ausgezahlte und im Folgejahr teilweise zurückgewährte Vorabausschüttung die Ausschüttungsbelastung für den gesamten Betrag herzustellen ist.

2

Die Klägerin ist eine durch notariellen Gesellschaftsvertrag vom 13. Februar 1984gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Unternehmensgegenstand die Herstellung von Lithografien, Korrekturen und Umstellungen, Farbkorrekturen, Ganzseitenmontagen, Text- und Bildmontage sowie die vollständige Abwicklung von Druckaufträgen und verwandten Tätigkeiten ist.

3

Auf der Gesellschafterversammlung vom 8. Dezember 1994 beschlossen die Gesellschafter der Klägerin für das Wirtschaftsjahr 1994 eine Vorabdividende in Höhe von 35.000,00 DM zum 15. Dezember 1994 auszuzahlen. Die Vorabdividende wurde unter der Bedingung gewährt, dass der endgültige Jahresüberschuss die Vorabdividende auch deckt. Anderenfalls sollte der nichtgedeckte Teil der Vorabdividende zurückgezahlt werden. Der Beschluss wurde durch entsprechende Auszahlung in 1994 vollzogen.

4

Bei Fertigung des Jahresabschlusses 1994 ergab sich für die Klägerin lediglich ein Jahresüberschuss von 6.766,00 DM. Durch die Verrechnung des Verlustvortrages vom 31.12.1993 in Höhe von 4.393,00 DM wies die Bilanz einen Gewinn von 2.373,00 DM aus. In der Gesellschafterversammlung vom 22. März 1995 genehmigten die Gesellschafter den Jahresabschluss und beschlossen zugleich die gezahlte Vorabdividende in Höhe des überzahlten Betrages von 24.470,00 DM (Ausschüttung bisher 35.000,00 DM ./. Ausschüttung neu 2.373,00 DM = 32.627,00 DM abzüglich darauf entfallende Kapitalertragsteuer in Höhe von 8.175,00 DM = 24.470,00 DM) zurückzuzahlen. Die Forderung gegen die Gesellschafter aktivierte die Klägerin in der Bilanz zum 31.12.1994.

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Der Beklagte stellte im Rahmen der Veranlagung zur Körperschaftsteuer 1994 die Ausschüttungsbelastung auf die gesamte Vorabausschüttung in Höhe von 35.000,00 DM her. Durch Bescheid vom 28.08.1995 wurde die Körperschaftsteuer auf 15.823,00 DM festgesetzt. Dabei wurde die Tarifbelastung von 2.632,00 DM durch eine Minderung der Körperschaftsteuer in Höhe von 603,00 DM und einer Erhöhung in Höhe von 13.794,00 DM errechnet. Wegen der Höhe der berücksichtigten Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals wird auf den Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 47 KStG zum 31.12.1994 vom 28.08.1995 (VEK-Akte) verwiesen. Den Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsbescheid vom 13. Februar 1996 als unbegründet zurück.

6

Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage begehrt die Klägerin eine Steuerfestsetzung unter Berücksichtigung einer anderen Ausschüttung in Höhe von 2.373,00 DM. Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor, dass nur der tatsächlich erzielte Gewinn ausschüttungsfähig sei. Nur insoweit könne eine Körperschaftsteuerbelastung stattfinden. Da der Vorabausschüttungsbeschluss unter dem Vorbehalt des endgültig festgestellten Jahresüberschusses stehe, zeige er nur endgültige Wirkung in Höhe des tatsächlich festgestellten Gewinns. Der übersteigende Betrag habe zur Auskehrung von Stammkapital geführt und damit zu einer Verletzung des durch § 30 GmbH-Gesetz geschützten Eigenkapitals. In Höhe dieses Betrages sei ein Rückforderungsanspruch der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern gem. § 31 GmbH-Gesetz entstanden. Da das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen nicht an die Gesellschafter ausgezahlt werden dürfe, sei eine Ausschüttungsbelastung nicht herzustellen. Gewinn im Sinne des § 27 KStG umfasse alle ausschüttbaren Vorteile, über die die Kapitalgesellschaft verfüge. Die Rückzahlung von Stammkapital sei kein solcher ausschüttbarer Vorteil. Eine Ausschüttung müsse aus dem Vermögen der Kapitalgesellschaft unmittelbar und ernsthaft ausgeschieden sein. Daran fehle es, da mit der Auszahlung des Stammkapitals zugleich der Rückforderungsanspruch der Gesellschaft nach §§ 30, 31 GmbH-Gesetz entstanden sei.

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Die Klägerin beantragt,

  1. die Körperschaftsteuer 1994 auf 2.123,00 DM festzusetzen und das verwendbare Eigenkapital zum 31.12.1994 mit 1.864,00 DM festzustellen.

8

Der Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

9

Der Beklagte ist der Auffassung, dass der zivilrechtliche Rückgewähranspruch der Klägerin den ursprünglichen Abfluss der Kapitalerträge im Sinne des § 27 KStG nicht ungeschehen machen könne. Für die Besteuerung sei es unerheblich, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes erfülle, nämlich die Ausschüttung, gegen ein gesetzliches Verbot verstoße und den Anteilseigner zur Rückgabe verpflichte. Bei dem Vorabausschüttungsbeschluss handele es sich um einen ordnungsgemäßen Gewinnausschüttungsbeschluss. Da die beschlossene Gewinnausschüttung auch tatsächlich durchgeführt worden sei, sei der Tatbestand des § 27 KStG erfüllt und die Ausschüttungsbelastung herzustellen.

Gründe

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I. Die Klage ist begründet.

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1. Der Beklagte ist bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer 1994 und der gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zum 31.12.1994 zu Unrecht von einer anderen Ausschüttung in Höhe von 35. 000 DM ausgegangen. Eine andere Ausschüttung ( § 27 Abs. 3 S. 2 des Körperschaftsteuergesetzes -KStG-) konnte lediglich in Höhe des tatsächlich erzielten Bilanzgewinns von 2. 373 DM erfolgen.

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a) Nach § 27 Abs. 1 KStG mindert oder erhöht sich die Körperschaftsteuer einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft um den Unterschiedsbetrag zwischen der Tarifbelastung und der Ausschüttungsbelastung, wenn die Kapitalgesellschaft Gewinn ausschüttet. Beruht diese Ausschüttung auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr, tritt die Änderung für den Veranlagungszeitraum ein, in dem das Wirtschaftsjahr endet, für das die Ausschüttung erfolgt ( § 27 Abs. 3 S. 1 KStG ). Bei allen anderen Ausschüttungen ändert sich die Körperschaftsteuer für den Veranlagungszeitraum, in dem das Wirtschaftsjahr endet, in dem die Ausschüttung erfolgt ( § 27 Abs. 3 S. 2 KStG ).

13

b) Die Änderung der Körperschaftsteuer setzt - abgesehen von der analogen Anwendbarkeit auf sonstige Leistungen nach § 41 KStG - demgemäß eine Ausschüttung von Gewinn voraus. Der Begriff der Gewinnausschüttung wird von § 27 Abs. 1 KStG nicht definiert. Er erfaßt zweifelsohne - wie § 27 Abs. 3 S. 1 KStG zeigt - die auf einem handelsrechtlich ordnungsgemäß gefassten Beschluß erfolgte Gewinnverteilung, auch soweit es sich um eine Vorabausschüttung handelt. Zu einer Gewinnausschüttung führt jedoch auch die unter Verstoß gegen handelsrechtliche Vorschriften beschlossene Ausschüttung oder eine verdeckte Gewinnausschüttung (vgl.BFH- Urteil vom 12.06.1997 I R 14/96,BFHE 183, 456 [BFH 11.06.1997 - XI R 77/96]). Unter Gewinn im Sinne des § 27 Abs. 1 KStG sind daher grds. alle ausschüttbaren Vorteile der Kapitalgesellschaft zu verstehen, die nicht sonstige Leistungen sind (vgl. Streck,KStG, 5. Aufl., § 27 Rz. 5; Mössner/Seeger/Koenig,KStG, § 27 Rz. 27; Arthur Andersen/Rekow,KStG, § 27 Rz. 16; Kohlhaas, GmbHR 1998, 665). Die vermögensmindernde Auskehrung von Nennkapital führt indes weder zu einer Gewinnausschüttung noch zu einer Herstellung der Ausschüttungsbelastung, da das für nach 1976 gegründete Gesellschaften begründete Stammkapital als übriges Eigenkapital nicht in der Gliederungsrechnung nach § 29 KStG enthalten ist (vgl. Arthur Andersen/Rekow,KStG, § 27 Rz. 73; Mössner/Seeger/Koenig,KStG, § 29 Rz. 121).

14

2. Erfolgt eine Vorabausschüttung unter Verstoß gegen das Kapitalerhaltungsgebot des § 30 GmbHG, wird durch sie also das das Stammkapital deckende Vermögen angegriffen, ist in Rechtsprechung und Literatur streitig, ob für die Vorabausschüttung insgesamt oder lediglich für den nicht den Erstattungsbetrag nach § 31 GmbHG auslösenden Teil die Ausschüttungsbelastung herzustellen ist.

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a) Die Finanzverwaltung behandelt den gesamten aufgrund des Vorabausschüttungsbeschlusses ausgezahlten Betrag als Gewinnausschüttung, für den - unabhängig von der späteren Deckung durch tatsächlich erwirtschaftete Gewinne - einheitlich die Ausschüttungsbelastung herzustellen ist. Eine Unterscheidung zwischen Ausschüttung von Gewinn und Nennkapital wird nicht vorgenommen. Die spätere Rückgewähr zum Zwecke der Kapitalerhaltung behandelt die Finanzverwaltung als Einlage (Abschn. 77 Abs. 10 Körperschaftsteuerrichtlinien - KStR - 1995).

16

b) Diese Auffassung wird vom BFH in mehreren Entscheidungen bestätigt. Für die Entstehung der Kapitalertragsteuer bei überhöhten Vorabausschüttungen hat der I. Senat in seinem Urteil vom 17.02.1993 (I R 21/93,BFH/NV 1994, 83) ausgeführt, dass es sich bei Vorabgewinnausschüttungen - dem Wortlaut des § 44 Abs. 2 Satz 1 EStG entsprechend - um Gewinnanteile handele, deren Ausschüttung von einer Körperschaft beschlossen worden sei. Für die Verteilung des Vorabgewinns sei gemäß §§ 29 Abs. 1, 46 Nr. 1 GmbHG ein Gesellschafterbeschluss erforderlich. Die vorab ausgeschütteten Beträge könnten zwar auf Grund einer der Beschlussfassung zur Ausschüttung des Vorabgewinns innewohnenden Rückzahlungsabsprache und wegen nachträglichen Wegfalls des rechtlichen Grundes gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zurückgefordert werden, soweit sie der Höhe nach vom nach Ablauf des Wirtschaftsjahres festgestellten Jahresgewinn nicht gerechtfertigt werden (Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 5. Februar 1992 8 U 159/91, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1992, 827). Die Vorabausschüttung sei auf Grund des ihr innewohnenden Vorschusscharakters dadurch auflösend bedingt i. S. des § 158 BGB, dass nach Ablauf des Wirtschaftsjahres tatsächlich ein entsprechend hoher ausschüttungsfähiger Gewinn vorhanden sei. Das Entstehen eines solchen Rückgewährungsanspruchs, sofern er tatsächlich eingelöst werde, könne indessen den ursprünglichen Zufluss der Kapitalerträge aus der Vorabausschüttung nicht ungeschehen machen (BFH-Urteil vom 13. November 1985 I R 275/82,BFHE 145, 202, BStBl II 1986, 193 [BFH 13.11.1985 - I R 275/82]). Dies gelte selbst dann, wenn im Zeitpunkt des Zuflusses bereits feststehe, dass die Vorabausschüttungen teilweise zurückzuzahlen sei. Das Behaltendürfen sei nicht Merkmal des Zuflusses i.S. des § 11 Abs. 1 EStG und damit auch nicht des § 44 Abs. 1 Satz 2 KStG (vgl.BFH-Urteil vom 13. Oktober 1989III R 30-31/85,BFHE 159, 123, BStBl II 1990, 287).

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Durch Urteil vom 30.07.1997 (I R 11/96,BFH/NV 1998, 308 [BFH 30.07.1997 - I R 11/96]) hat der BFH seine Auffassung auch für den Fall bestätigt, dass ein Rückforderungsanspruch gemäß § 31 i. V. m. § 30 GmbHG entstanden ist, soweit die Vorabausschüttung über das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft hinausging.

18

Soweit es um die Frage geht, ob die Ausschüttungsbelastung gemäß §§ 27 ff.KStG bezogen auf die ausgekehrte Vorabdividende oder aber den endgültig erzielten Gewinn herzustellen ist, hat der BFH (Urteil vom 21,07.1999 I R 57/98,BFH/NV 2000, 273 [BFH 21.07.1999 - I R 57/98]) seine zur Kapitalertragsteuer geäußerte Rechtsauffassung erneut bestätigt und entschieden, dass die Ausschüttungsbelastung für den gesamten Betrag der Vorabausschüttung herzustellen ist. Nach § 27 Abs. 1 und 3 KStG sei die Ausschüttung, für die die Ausschüttungsbelastung herzustellen ist, mit dem Abfluss der Gewinnanteile vollzogen. Der in diesem Sinne verwirklichte Sachverhalt sei der Besteuerung der ausschüttenden Kapitalgesellschaft zugrunde zu legen. Werde der Sachverhalt zu einem späteren Zeitpunkt dadurch rückgängig gemacht, daß der Gewinnverteilungsbeschluss aufgehoben werde und die Gewinnanteile zurückgefordert würden, so sei die Rückzahlung steuerrechtlich als Einlage zu behandeln (z.B.BFH-Urteil vom 29. Mai 1996 I R 118/93,BFHE 180, 405, BStBl II 1997, 92 [BFH 29.05.1996 - I R 118/93]). Diese Rechtsfolge sei grundsätzlich unabhängig davon, aus welchen Gründen die Ausschüttung zurückgefordert werde, insbesondere auch davon, ob entsprechende (schuld- oder gesellschaftsrechtliche) Rückforderungsansprüche bestünden und die Ausschüttung insoweit eine zunächst nur vorläufige gewesen sei (Urteil inBFHE 180, 405, [BFH 29.05.1996 - I R 118/93] BStBl II 1997, 92 [BFH 29.05.1996 - I R 118/93]).

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c) Demgegenüber wird mit unterschiedlichen Begründungen in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur zum Teil die Ansicht vertreten, dass die Ausschüttungsbelastung nur auf den Teil der Vorabausschüttung herzustellen sei, der nicht gegen die Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 GmbHG verstoße (vgl. FG Berlin,Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1994, 409; FG Nürnberg, I 445/94 n.v.; FG Köln,EFG 1996, 656; FG Berlin,EFG 1998, 1540; Schäfer, Die Information über Steuer und Wirtschaft 1995, 545; Kohlhaas, DStR 1996, 525; ders., GmbHR 1998, 661; Arthur Andersen /Jung,KStG, § 20 EStG Rz. 161; vgl. auch Streck,KStG, 5. Aufl., ABC Stichwort Vorabausschüttung Anm. 7; aA etwa FG Hamburg,EFG 2000, 39[FG Hamburg 21.09.1999 - VI 120/98]).

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3. Der Senat hält die in der Literatur gegen die Rechtsprechung des BFH vorgebrachten Bedenken für berechtigt. Zwar sind Vorabausschüttungen während des Geschäftsjahres, auch ohne besondere Zulassung im Gesellschaftsvertrag zulässig (Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., § 37 VI 3 c). Sie stehen unter dem Vorbehalt, dass auf die Empfänger nach der Jahresbilanz auch ein entsprechender Gewinn entfällt. Dieser Vorbehalt, der nicht ausdrücklich in den Beschluss aufgenommen werden muß, enthält eine auflösende Bedingung der hinreichenden Gewinnentstehung (BFH-Urteil vom 17.02.1993 I R 21/93,BFH/NV 1994, 83; Kohlhaas, GmbHR 1998, 661, 663). Er beinhaltet eine Prognoseentscheidung der Gesellschafter über den zu erwartenden Gewinn, die den Beschränkungen der ... 30, 31 GmbHG unterliegt (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 16.06.1997, II ZR 154/96, GmbHR 1997, 790). Würde durch den Vollzug des Beschlusses das das Stammkapital deckende Vermögen angegriffen oder eine bestehende Unterbilanz oder Überschuldung vertieft, dürfte eine Auszahlung nicht erfolgen und eine erfolgte Auszahlung müßte aufgrund der Kapitalerhaltungsvorschriften der ... 30, 31 GmbHG rückgängig gemacht werden. Eine Auskehrung von Stammkapital, mithin ein Verstoß gegen § 30 GmbHG, führt dabei nicht zur Nichtigkeit des Vorabausschüttungsbeschlusses, sondern zum Entstehen eines gesonderten Erstattungsanspruchs (BGH-Urteil vom 16.06.1997, II ZR 154/96, GmbHR 1997, 790; aA Kohlhaas, GmbHR 1998, 661, 664; Eder, GmbH-Handbuch I, Rz. 424.2).

21

a) Aus dieser zivilrechtlichen Ausgangslage läßt sich indes nicht folgern, dass die Auszahlung aufgrund eines Vorabausschüttungsbeschlusses stets in voller Höhe eine Gewinnausschüttung ist. Denn weder die Bezeichnung der ausgekehrten Mittel im Beschluss über die Vorabausschüttung noch die gesellschaftsrechtliche Willensbildung des beschließenden Organs können auf den tatsächlichen Charakter, mithin auf die Herkunft der Ausschüttung einwirken. Wenngleich die Gesellschafter im Zeitpunkt der Beschlussfassung gewillt sind, Gewinn auszuschütten, führt die Auszahlung einer überhöhten Vorabausschüttung tatsächlich - soweit keine Gewinnvorträge oder Rücklagen vorhanden sind - zu einer unzulässigen Auskehrung von Stammkapital. Es besteht lediglich der Anschein einer Gewinnausschüttung (ebenso Streck,KStG, 5. Aufl., § 27 Rz. 12; Kohlhaas, GmbHR 1998, 661, 666). Die spätere Erkenntnis bei Aufstellung des Jahresabschlusses, dass die erwirtschafteten Gewinne nicht vollständig zur Finanzierung der Ausschüttung ausreichen, verändert nicht rückwirkend den Charakter der gezahlten Beträge, sondern hellt deren Herkunft nachträglich auf. Die Verletzung der Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 GmbHG geschieht im Zeitpunkt des Mittelabflusses, weil allein hierdurch das das Stammkapital deckende Vermögen angegriffen wird. Zivilrechtliche Folge dieser Verletzung ist die Entstehung eines speziellen Erstattungsanspruchs, der darauf abzielt, den eingetretenen Gesetzesverstoß wieder zu beseitigen, also das haftende Vermögen aufzufüllen (vgl.BGH-Urteil vom 16.06.1997, II ZR 154/96, GmbHR 1997, 790). Zivilrechtlich bewirkt bereits die Auszahlung die Entstehung eines Erstattungsanspruchs, der sich allerdings erst später durch Bilanzaufstellung näher konkretisiert.

22

b) Steuerrechtlich läßt sich aus dem tatsächlichen Geschehen, an das das Steuergesetz zur Entstehung des Steueranspruchs jeweils anknüpft (vgl. ... 38, 41 AO), keine gegenteilige Schlußfolgerung ziehen. Im Zeitpunkt des Mittelabflusses zahlt die Gesellschaft neben den tatsächlich erwirtschafteten Gewinnen Vermögen aus, das sie unmittelbar aus dem ihr nunmehr ausschließlich zur Finanzierung verbliebenen Nennkapital entnehmen muss. Die Auskehrung der Mittel bewirkt im Zeitpunkt des Abflusses lediglich in Höhe des tatsächlich vorhandenen verwendbaren Eigenkapitals eine Ausschüttung i. S. des § 27 Abs. 1 KStG. Im übrigen erfolgt eine Nennkapitalrückzahlung, die eine Herstellung der Ausschüttungsbelastung nicht auslöst (vgl.BFH-Urteil vom 13.11.1996 I R 126/95,BFHE 182, 358 [BFH 13.11.1996 - I R 126/95]). Weder der gegenteilige Wille der beschließenden Gesellschafterversammlung noch die Unkenntnis über die tatsächlichen Vermögensverhältnisse im Zeitpunkt der Auszahlung rechtfertigen die Annahme einer Gewinnausschüttung. §§ 27 Abs. 1, 29 KStG knüpfen die Rechtsfolge der Herstellung der Ausschüttungsbelastung nicht an die Willensbekundung der Gesellschafter oder die Kenntnis von der Vermögenslage an, sondern an den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt. Demgemäß handelt es sich bei der Rückforderung nicht um die Rückzahlung von Gewinnanteilen, sondern um die Auffüllung des unzulässig geminderten Nennkapitals.

23

c) Die Annahme des BFH, dass es sich bei der Auszahlung überhöhter Vorabausschüttungen stets ohne Rücksicht auf die Herkunft der Mittel um eine Gewinnausschüttung handelt, führt auf Seiten des Anteilseigners zu einem entsprechenden Einkünftezufluss (vgl.BFH-Urteil vom 06.03.1979 VIII R 26/78,BStBl. II 1979, 510). Hierdurch wird jedoch die Konzeption desKStG, die davon ausgeht, dass eine Stammkapitalauskehrung weder auf Seiten der Gesellschaft noch auf Seiten des Gesellschafters zu einer Steuerbelastung führt, durchbrochen. Dies verdeutlicht auch die vom Gesetzgeber geplante Reform der Unternehmensbesteuerung und die hiermit verbundene Abschaffung des Vollanrechnungsverfahrens (vgl. Gesetzentwurf vom 15.02.2000, Bundestagsdrucksache 14/2683), die an diesem Grundgedanken festhält. Die Auffassung des BFH führt demgegenüber zu einem Auseinanderfallen der steuerlichen Wirkungen auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene. Während die Gesellschaft lediglich den tatsächlich erwirtschafteten Jahresüberschuss ihrer Besteuerung zugrundelegen müsste, verbliebe es beim Gesellschafter bei einem vollen Zufluss von Kapitaleinnahmen, die zur Hälfte steuerpflichtig wären. Dies verdeutlicht hinreichend, dass nicht allein der Zufluss von Geld, sondern der Charakter der erhaltenen Beträge für die steuerliche Einordnung entscheidend ist.

24

II. Im Streitfall führt die Anwendung dieser Grundsätze zur Herstellung der Ausschüttungsbelastung, soweit für das Streitjahr ein Bilanzgewinn erwirtschaftet wurde. Der für 1994 erzielte Jahresüberschuss in Höhe von 6. 766 DM ist zunächst mit dem vorhandenen Verlustvortrag in Höhe von 4. 393 DM zu verrechnen, so dass sich ein Bilanzgewinn von 2. 373 DM ergibt. In dieser Höhe erfolgte aufgrund des Vorabausschüttungsbeschlusses eine Gewinnausschüttung, die auch im Streitjahr abfloss. Für die unzulässige Auszahlung von Stammkapital in Höhe von 32. 627 DM ist mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 KStG die Ausschüttungsbelastung nicht herzustellen. Die Körperschaftsteuerfestsetzung 1994 und die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG zum 31.12.1994 ist entsprechend zu ändern.

25

Die Berechnung der festzusetzenden Steuer und der festzustellenden Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals wird gemäß § 100 Abs. 2 S. 2 FGO dem Beklagten übertragen.

26

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

27

Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen, da das Urteil von der Entscheidung desBFH vom 21.07.1999 I R 57/98,BFH/NV 2000, 273 abweicht und auf dieser Abweichung beruht.