Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 24.02.2011, Az.: 6 U 126/10
Wirksamkeit einer Abtretung aller entstandenen und künftig entstehenden Forderungen aus einer Geschäftstätigkeit im Hinblick auf eine ausreichend wirtschaftliche Bewegungsfreiheit
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 24.02.2011
- Aktenzeichen
- 6 U 126/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 12975
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2011:0224.6U126.10.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 138 Abs. 1 BGB
- § 242 BGB
- § 51 Nr. 1 InsO
- § 97 Abs. 1 S. 1 InsO
- § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO
- § 143 Abs. 1 S. 1 InsO
- § 170 Abs. 1 S. 2 InsO
Fundstelle
- ZInsO 2011, 686-688
In dem Rechtsstreit
...
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 8. Februar 2011
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Piekenbrock,
den Richter am Oberlandesgericht Volkmer und
die Richterin am Oberlandesgericht Laß
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 31. August 2010 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 73.397,85 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt aufgrund einer Globalabtretung zwischen ihr und der Infrastrukturbau GmbH (im Folgenden Schuldnerin) vom 23. Februar 2007 von dem Beklagten, der durch Beschluss des Amtsgerichts Hildesheim vom 1. Juni 2009 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin bestellt wurde, die Befriedigung als im Insolvenzverfahren absonderungsberechtigte Gläubigerin.
Im Februar 2007 stand die Schuldnerin unter vorläufiger Insolvenzverwaltung. Durch Vertrag vom 26. Februar 2007 trat die Schuldnerin alle entstandenen und künftig entstehenden Forderungen aus ihrer Geschäftstätigkeit mit Zustimmung des Beklagten als vorläufigen Insolvenzverwalters an die Klägerin ab zur Sicherung der Ansprüche aus beider bankmäßiger Verbindung. In Nr. 5.2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin zu diesem Vertrag heißt es:
"Forderungen, die dem verlängerten Eigentumsvorbehalt eines Lieferanten des Zedenten unterliegen, sind mit dem Zeitpunkt an die Sparkasse abgetreten, in dem sie nicht mehr durch den verlängerten Eigentumsvorbehalt erfasst werden. (...) Der Zedent tritt hiermit seine gegen den Lieferanten gerichteten Ansprüche auf Rückübertragung (Freigabe) der Forderungen an die Sparkasse ab."
Am 1. Juni 2009 eröffnete das Amtsgericht Hildesheim das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den Beklagten zu deren Insolvenzverwalter. Dieser zog an die Klägerin abgetretene Forderungen der Schuldnerin gegen deren Schuldner ein.
Die Klägerin hat wegen eines Teils der eingezogenen Beträge Zahlung in Höhe von 73.397,08 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. November 2009 verlangt Der Beklagte hat Abweisung der Klage erstrebt.
Er hat gemeint, die Abtretungsvereinbarung verstoße gegen die guten Sitten. Nr. 5 der AGB der Klägerin sei zu deren Lasten unklar, weiß man sie so verstehen könne, dass die Klägerin an Lieferanten der Schuldnerin abgetretene Förderungen bereits erwerbe, Wenn zwischen Lieferanten und Schuldnerin der Sicherungszweck entfallen sei, und nicht erst, wenn die Lieferanten sie an die Schuldnerin rückübertragen hätten. Außerdem sei die Abtretung insolvenzrechtlich anfechtbar, weil die eingezogenen Forderungen erst drei Monate vordem Antrag auf Insolvenzeröffnung werthaltig geworden seien; denn die Werthaltigkeit habe von der Erteilung von Rechnungen an die Schuldner der Schuldnerin abgehangen.
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Gegen dieses Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe der Senat zur näheren Sachdarstellung verweist, wendet der Beklagte sich mit seiner Berufung, mit welcher er sein Ziel weiter verfolgt. Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen des weiteren Parteivorbringens verweist der Senat auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen.
II.
Die Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten Anspruch auf Zahlung von 73.397,85 EUR, § 170 Abs. 1 Satz 2 InsO.
1.
Dieser Anspruch ist entstanden.
a)
Der Beklagte hat als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Infrastrukturbau GmbH Forderungen der Schuldnerin gegen Dritte verwertet, an denen die Klägerin absonderungsberechtigt war (§ 51 Nr. 1 InsO), indem er sie eingezogen hat Die Schuldnerin hat diese Forderungen am 26. Februar 2007, als der Beklagte ihr vorläufiger Insolvenzverwalter war, mit dessen Zustimmung an die Klägerin abgetreten.
b)
Diese Abtretung ist nicht wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig (§ 138 Abs. 1 BGB).
Indem die Klägerin und die Schuldnerin zu Nr. 5.2 Satz 1 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarten, dass Forderungen der Schuldnerin, die diese an ihre Warenlieferanten abgetreten hatte oder künftig abtrat, "mit dem Zeitpunkt an die (Klägerin) abgetreten (seien), in dem sie nicht mehr durch den verlängerten Eigentumsvorbehalt erfasst werden", haben sie der Schuldnerin ausreichend wirtschaftliche Bewegungsfreiheit gelassen.
Auch falls Warenlieferanten vorübergehend zur Rückabtretung ihnen seitens der Schuldnerin abgetretener Forderungen verpflichtet waren, weil sie gerade keine zu sichernden Forderungen gegen die Schuldnerin hatten, drohte nicht die Gefahr, dass die Schuldnerin ihnen für die Zukunft keine Forderungen mehr zur Sicherheit abtreten konnte, aus dem Grunde, dass sie infolge vorübergehenden Fortfalls des Sicherungszwecks als bereits an die Klägerin abgetreten galten. Ebenso bestand, falls die Schuldnerin gegenüber ihren Lieferanten zum Rücktritt berechtigt wäre, aber vom Rücktrittsrecht noch keinen Gebrauch gemacht hätte, nicht die Gefahr des Erlöschens des Eigentumsvorbehalts der Lieferanten (vgl. S. 5 der Berufungsbegründung, Bl. 224 d.A.). Solange die Forderungen der Schuldnerin an die Warenlieferanten abgetreten waren, waren sie von dem "verlängerten Eigentumsvorbehalt erfasst" ungeachtet dessen, dass die Schuldnerin ihre Rückabtretung verlangen konnte (ebenso: BGH Urt. v. 8. Okt 1986, VIII ZR 342/85, zit. nach [...]: Rn, 11, 47). Dieses verdeutlicht überdies Satz 3 der Klausel Nr. 5, ausweislich dessen die Schuldnerin ihre Ansprüche auf Rückübertragung gegen die Lieferanten an die Klägerin abtritt. Hätte die Klägerin diese bei vorübergehendem Fortfall des Sicherungszwecks im Verhältnis der Lieferanten zur Schuldnerin aufgrund früherer Abtretung durch die Schuldnerin an sie von selbst erworben, hätte es der Abtretung der Ansprüche auf Rückübertragung nicht bedurft (vgl. auch OLG Naumburg, Urteil vom 26. Januar 2011, 5 U 99/10, S. 6).
Soweit das Oberlandesgericht Celle (13 U 3/05), das Landgericht Hannover (19 S 13/07) und das Landgericht Braunschweig (1 O 1011/08) in den vom Beklagten zu den Akten gereichten Entscheidungen gleichlautende Entscheidungen des Bundesgerichtshofs als nicht ausreichend beurteilt haben, schließt sich der Senat dem nicht an. Die Entscheidungen stellen darauf ab, dass es sich bei der Klausel nicht um eine solche handele, die den Vorrang des verlängerten Eigentumsvorbehalts des Lieferanten vor der Sicherungsglobalzession nicht wie vom Bundesgerichtshof gefordert (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 1991, IX ZR 149/09, Rn 46 zitiert nach [...]) mit dinglicher Wirkung sicherstelle, was sich indes - wie dargestellt- aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung ergibt.
2.
Der Anspruch der Klägerin ist nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgeschlossen. Diese müsste, was der Beklagte ihr zahlte, nicht sogleich aus dem rechtlichen Grunde der Insolvenzanfechtung an ihn zurückgewähren (§ 143 Abs. 1 Satz 1 InsO). Die Abtretung an die Klägerin ist nicht nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO anfechtbar. Der Beklagte, der sich als Insolvenzverwalter gegenüber der Schuldnerin aufgrund seines Anspruches auf Auskunft über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse (§ 97 Abs. 1 Satz 1 InsO) die erforderlichen Kenntnisse bzgl. der Forderungen verschaffen kann, hat nicht dargetan, dass die abgetretenen Forderungen innerhalb der letzten drei Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens für die Klägerin erst werthaltig geworden sind. Zum Vorliegen von Werkmängeln in dieser Zeit hat der Beklagte nichts vorgetragen, und die Erteilung oder Nichterteilung von Rechnungen beeinflusst nicht den wirtschaftlichen Wert der Forderungen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1, 2 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG.
Anmerkung zum Urteil des OLG Celle vom 24. Februar 2011, Az.: 6 U 126/10
(I. Instanz - LG Hildesheim, Az.: 6 O 65/10)
Mit den Urteilen des OLG Celle - Az.: 6 U 126/10 - und OLG Naumburg - Az.: 5 U 99/10 - ist Klarheit über die vor allem von den Sparkassen im Rahmen von Globalzessionen verwendeten Teilverzichtsklausel geschaffen. Die Teilverzichtsklausel der Sparkassen lautet wie folgt:
"Forderungen, die dem verlängerten Eigentumsvorbehalt eines Lieferanten des Zedenten unterliegen, sind mit dem Zeitpunkt an die Sparkasse abgetreten, in dem sie nicht mehr durch den verlängerten Eigentumsvorbehalt erfasst werden."
Dem haben die Oberlandesgerichte Naumburg und Celle nunmehr einen Riegel vorgeschoben. Beide Gerichte haben in den genannten Urteilen die zitierte Teilverzichtsklausel unter Berücksichtigung der im Urteil zitierten Rechtsprechung des BGH für wirksam erachtet.
Damit werden sich in Zukunft insbesondere Insolvenzverwalter, die in der Vergangenheit immer wieder die Unwirksamkeit der zitierten Teilverzichtsklausel ins Feld geführt hatten, nicht mehr auf die Urteile der Landgerichte Bückeburg, Hannover und Braunschweig berufen können. Die Insolvenzverwalter werden vielmehr die Wirksamkeit der zitierten Sparkassenklausel akzeptieren müssen
Volkmer
Laß