Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 10.02.2011, Az.: 8 U 118/10

Transportversicherungsbedingungen; Verfügung von hoher Hand

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
10.02.2011
Aktenzeichen
8 U 118/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 45189
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG - 28.04.2010 - AZ: 23 O 160/09
nachfolgend
BGH - 25.04.2012 - AZ: IV ZR 45/11

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Auslegung von Versicherungsbedingungen, die einen Ausschluss von Ansprüchen "aus Schäden und Verlusten, verursacht durch Krieg, kriegsähnliche Ereignisse, Bürgerkrieg, innere Unruhen, Aufruhr, Streik, Aussperrung, Verfügung von hoher Hand und Wegnahme oder Beschlagnahme seitens einer staatlich anerkannten Macht" vorsehen (konkret: Anhalten eines Transports durch den britischen Zoll wegen geschmuggelter Zigaretten).

[rkr., s. Beschluss des BGH v. 25.04.2012, IV ZR 45/11]

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 28. April 2010 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 34.248,43 € festgesetzt.

I.

Zwischen der Beklagten und Herrn S. Sch. in W. als Versicherungsnehmer bestand ein Versicherungsvertrag, dessen Gegenstand die Haftung des Versicherungsnehmers aus entgeltlichen Frachtverträgen war (Anlage K 1, gesondert geheftet). In Ziffer 4.4 sehen die Versicherungsbedingungen einen Ausschluss von Ansprüchen „aus Schäden und Verlusten, verursacht durch Krieg, kriegsähnliche Ereignisse, Bürgerkrieg, innere Unruhen, Aufruhr, Streik, Aussperrung, Verfügung von hoher Hand und Wegnahme oder Beschlagnahme seitens einer staatlich anerkannten Macht“ vor, in Ziffer 7.2.5 ein Abtretungsverbot.

Die Klägerin beauftrage den Transportunternehmer Sch. mit dem Transport von Fahrzeugteilen von L. nach L. in Großbritannien. Die übernommenen Transportgüter wurden nicht bestimmungsgemäß abgeliefert; der Transport war vom britischen Zoll angehalten worden, weil auf dem Transportfahrzeug auch andere Transportgüter gelagert waren, zwischen die unverzollte Zigaretten gepackt worden waren (Faxschreiben der Klägerin vom 28. April 2008, Anlage K 5, Schriftsatz der Klägerin vom 26. November 2009, Bl. 31).

Wegen des Verlustes von Transportgütern und Transportmitteln nahm die Klägerin Herrn Sch. im Rechtsstreit 3 O 216/08 Landgericht Hannover in Anspruch. Es erging unter dem 20. August 2008 stattgebendes Versäumnisurteil, das nach Rücknahme des Einspruchs rechtskräftig wurde.

Über das Vermögen des Herrn Sch. wurde das Insolvenzverfahren eröffnet (905 In 97/09 Amtsgericht Hannover). Die Insolvenzverwalterin trat sämtliche Ansprüche gegenüber der Beklagten wegen des in Rede stehenden Schadens an die Klägerin ab (Anlage K 3) und erklärte überdies, dass wegen einer direkten Inanspruchnahme der Beklagten keine Einwände bestünden (Anlage K 4).

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe durch Gewährung von Rechtsschutzdeckung im Vorprozess 3 O 216/08 Landgericht Hannover den Anspruch anerkannt, dies auch im Außenverhältnis, insbesondere durch Begleichung der Kosten, die ihrem Versicherungsnehmer mit Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hannover auferlegt worden seien.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin in € 34.248,43 zuzüglich 5 % Zinsen seit dem 10.08.2007 aus € 33.149,43 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von € 1.099,00 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Aktivlegitimation der Klägerin in Abrede genommen; sie hat dazu auf das vertragliche Abtretungsverbot in Ziffer 7.2.5 der Versicherungsbedingungen verwiesen. Das Transportgut sei nicht mit einem versicherten Fahrzeug befördert worden. Eine Deckung für den eingetretenen Schadensfall sei ausgeschlossen. Es liege ein rechtswidriger Gütertransport im Sinne von Ziffer 4.1 der Versicherungsbedingungen vor, Herr Sch. habe den Schadensfall vorsätzlich herbeigeführt, weil Schmuggelgut transportiert worden sei (Ziffer 4.2); es sei der Verlustschaden durch Zollbeschlagnahme eingetreten und deshalb Leistungsfreiheit nach Ziffer 4.4 der Versicherungsbedingungen eingetreten. Schließlich habe Herr Sch. seine Obliegenheiten verletzt, insbesondere ihr den Versicherungsfall nicht rechtzeitig gemäß Ziffer 7.2.1 der Versicherungsbedingungen angezeigt. Jedenfalls bestünden Selbstbeteiligungen. Sie hat weiter die Einrede der Verjährung erhoben (Bl. 69).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Die Klägerin sei aktivlegitimiert. Ihr sei der Anspruch von der Insolvenzverwalterin rechtzeitig abgetreten worden. Die Abtretung sei auch nicht unwirksam, § 354 a Abs. 1 HGB.

Entgegen der Ansicht der Beklagten sei ausweislich der von der Beklagten selbst vorgelegten Fahrzeugliste der Transport durch ein Fahrzeug durchgeführt worden, das von der Versicherung umfasst gewesen sei.

Die Unbegründetheit der Klage ergebe sich aus dem eigenen Sachvortrag der Klägerin, die selbst vorgetragen habe, dass das von ihr Herrn Sch. anvertraute Transportgut vom britischen Zoll herangezogen und verwertet worden sei, um Schmuggel zu sanktionieren. Damit gelte Ziffer 4.4 der Versicherungsbedingungen, für dessen Anwendung es unerheblich sei, ob die Wegnahme gerade deshalb erfolgt sei, weil das Schmuggelgut in dem Transportgut versteckt gewesen sei, das sich lediglich auf dem Anhänger befunden habe. Unerheblich sei auch, ob Herr Sch. oder einer seiner Mitarbeiter den Schmuggel zu verantworten habe.

Dem Verhalten der Beklagten im Vorprozess 3 O 216/08 Landgericht Hannover komme keinerlei Anerkenntniswirkung zu. Es habe im Bereich des Erwartbaren gelegen, dass die Beklagte schon aus Vorsichtsgründen zunächst fristwahrend Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt habe, zumal sie unwidersprochen vorgetragen habe, von dem Schadensereignis durch den Versicherungsnehmer zunächst keine Kenntnis erhalten zu haben. Die Klägerin habe zwar annehmen dürfen, dass auch die Beklagte den Transporthaftungsanspruch der Klägerin nicht in Zweifel gezogen habe, was die Beklagte auch im vorliegenden Prozess nicht tue. Diese verteidige sich nur damit, ihrem Versicherungsnehmer gegenüber nicht eintritts-/deckungspflichtig zu sein.

Gegen das Urteil wendet sich die Klägerin unter Aufrechterhaltung ihrer erstinstanzlich gestellten Anträge. Sie wendet sich dagegen, dass das Landgericht eine Anerkenntniswirkung verneint und den Ausschlusstatbestand nach Ziffer 4.4 der Versicherungsbedingungen bejaht hat.

Das Landgericht habe verkannt, dass die Beklagte nicht nur durch die Aufnahme des Prozesses und dessen Führung eine Anerkenntnishandlung ausgebracht habe, sondern dass sie insbesondere im Außenverhältnis den Deckungsschutz auch damit bestätigt habe, dass sie die festgesetzten Kosten der Klägerin beglichen habe, und zwar ohne Einschränkung.

Hinsichtlich des Ausschlusstatbestandes sei das Landgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin selbst ausgeführt habe, das Transportgut sei vom britischen Zoll herangezogen und verwertet worden. Beschlagnahme oder Wegnahme und Verwertung seien tatsächlich immer bestritten worden. Die hinsichtlich des Ausschlusstatbestandes darlegungs- und beweispflichtige Beklagte habe zu Beschlagnahme oder Wegnahme und Verwertung bislang nicht substantiiert vorgetragen. Es komme hinzu, dass der - eng auszulegende - Ausschlusstatbestand nicht einschlägig sei. Ein verständiger Versicherungsnehmer verstehe die Aufzählung dahingehend, dass es nicht um Schäden gehe, die durch staatliche Handlungen entstünden, die auf einem bekannten Regelwerk eines Staates beruhten, also vorhersehbar seien. Der wortgleiche § 7 a Abs. 3 Ziff. 2 GüKG betreffe nur Umstände, die aufgrund höherer Gewalt entstünden und gerade nicht kalkulierbar seien. Vorliegend sei der Schaden jedoch ausschließlich aus der Risikosphäre des Versicherungsnehmers der Beklagten entstanden.

Die Klägerin beantragt,

mit den zuletzt in erster Instanz gestellten Anträgen streitig zu verhandeln.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt ihre Auffassung zur fehlenden Anspruchsberechtigung der Klägerin. Ihr Versicherungsnehmer sei kein Kaufmann gewesen; § 354 a HGB finde keine Anwendung, auch deswegen nicht, weil sich entgegen der Ansicht des Landgerichts die Ansprüche des Versicherungsnehmers nicht in einen Zahlungsanspruch umgewandelt hätten, nachdem das Versäumnisurteil rechtskräftig geworden sei.

Zur Frage des Anerkenntnisses verteidigt die Beklagte das angefochtene Urteil. Gegenstand des Vorverfahrens seien gerade keine Deckungsansprüche gegenüber der Beklagten gewesen. Für einen fristgerechten Einspruch habe die Beklagte auch lediglich gesorgt, um in Ruhe die Haftung des Versicherungsnehmers und ihre Eintrittspflicht überprüfen zu können. Richtig sei allein, dass eine Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung der Prozesskosten der Klägerin nicht bestanden habe.

Dass sich Schmuggelware auf dem Pkw befunden habe, habe die Klägerin selbst vorgetragen. Das GüKG finde vorliegend schon keine Anwendung. Die Ziffer 4.4 der Versicherungsbedingungen stelle eine in der Transport- und Verkehrshaftungsversicherung seit Jahrzehnten übliche Klausel dar.

Durch die Beschlagnahme durch die britischen Zollbehörden sei der Tatbestand der Klausel zweifelsfrei erfüllt. Außerdem sei die Beklagte auch aus weiteren Gründen, Ziffern 4.1, 4.2, 7.2.5 in Verbindung mit Ziffer 8 von jeder Leistungsverpflichtung frei.

Schließlich wiederholt sie ihren Vortrag zur Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers in Gestalt verspäteter Schadenanzeige und zur Selbstbeteiligung.

Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien samt Anlagen, die beigezogenen Akten 3 O 216/08 Landgericht Hannover, das angefochtene Urteil und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht jedenfalls im Ergebnis weder auf einem Rechtsfehler (§§ 513 Abs. 1, 1. Alt., 546 ZPO), noch rechtfertigen die zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (Bl. 513 Abs. 1, 2. Alt. ZPO). Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch gegen die Beklagte aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

1. Der Klägerin dürfte allerdings entgegen der Annahme der Beklagten nicht die Aktivlegitimation fehlen. Einer abschließenden Klärung bedarf es dazu aber nicht.

Zur fehlenden Anspruchsberechtigung der Klägerin kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, ihr Versicherungsnehmer sei kein Kaufmann gewesen und deswegen finde § 354 a HGB keine Anwendung. Zutreffend hat hingegen das Landgericht bereits auf §§ 343 und 344 HGB verwiesen. Warum Herr Sch. nicht Kaufmann gewesen sein soll, trägt die Beklagte mit Substanz auch nicht vor, obgleich anzunehmen ist, dass ihr wegen des früheren Versicherungsvertragsverhältnisses Angaben dazu möglich sein müssten. Überdies gilt § 407 Abs. 3 Satz 2 HGB, sodass es auf die Kaufmannseigenschaft nicht ankommt.

Richtig ist zwar, dass § 354 a HGB nur für Geldforderungen gilt. Gemeint sind Geldforderungen in Abgrenzung zu Sachforderungen (Baumbach-Hopt, HGB, 34. Aufl., § 354 a Rdnr. 1). Dass keine Geldforderung vorliege, behauptet die Beklagte vor dem Hintergrund der Annahme, es sei eine Haftpflichtversicherung vereinbart mit der Folge der Geltung von § 154 Abs. 1 Satz 1 VVG a. F. Der Schwerpunkt des Vertrages liegt in der Transportversicherung. Dazu gibt es keine Regelung, die § 154 VVG a. F. entspricht. Der geschlossene Versicherungsvertrag sieht auch keine solche Regelung vor. Allerdings sieht § 7 a GüKG in der geltenden Fassung vor, dass der Unternehmer verpflichtet ist, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen und aufrechtzuerhalten, die die gesetzliche Haftung wegen Güter- und Verspätungsschäden nach dem Vierten Abschnitt des Vierten Buches des Handelsgesetzbuches während Beförderungen, bei denen - anders als vorliegend - der Be- und Entladeort im Inland liegt, umfasst. Das Wesen der Haftpflichtversicherung besteht darin, dass der Haftpflichtversicherer das Risiko des Versicherungsnehmers, von einem Dritten in Anspruch genommen zu werden, übernimmt (s. a. Ziffer 3.1 der Versicherungsbedingungen).

Wendet man § 154 VVG a. F. an, ergibt sich vorliegend wegen des rechtskräftigen Urteils im Beiaktenverfahren ein Zahlungsanspruch. Dieser Zahlungsanspruch ist aber nur der des Versicherungsnehmers. Allein aus dem rechtskräftigen Urteil im Beiaktenverfahren ergibt sich kein eigener Zahlungsanspruch der Klägerin. Die Wirksamkeit der Abtretung hängt nicht nur an der Frage der Wirksamkeit des Abtretungsverbots. Selbst wenn dieses nicht wirksam sein sollte, stünde ein wirksamer Abtretungsvertrag nicht fest, weil weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, durch welche Willenserklärungen nach §§ 145 ff. BGB ein Vertrag zustande gekommen sein soll. Das Angebot der Insolvenzverwalterin ist zwar zu den Akten gereicht worden. Von wann es datiert, ist nicht ersichtlich oder vorgetragen worden. Wann bzw. wodurch überhaupt dieses Angebot von der Klägerin angenommen worden sein soll, ist unklar. § 151 BGB entbindet nur von der Notwendigkeit des Zugangs einer Annahmerklärung, aber nicht von der Annahme selbst.

Zu beachten ist aber § 157 VVG a.F., der den Geschädigten in der Insolvenz des Versicherungsnehmers privilegiert. Zwar muss sich der Geschädigte an sich zuerst mit dem Insolvenzverwalter über den Anspruch auseinandersetzen. Hier aber steht die Forderung nach rechtskräftigem Abschluss des Beiaktenverfahrens fest. Nunmehr bedarf es nicht mehr der Pfändung und Überweisung der Entschädigungsforderung aus dem Versicherungsverhältnis. Vielmehr kann jetzt der Versicherer unmittelbar verklagt werden (vgl. Johannsen, in Bruck/Möller, VVG, 8. Aufl., 4. Bd., B 103, m. w. N., u. a. auf RGZ 93, 209, 211 f.; BGH, VersR 1954, 578, 579).

Eine Vereinfachung ist überdies durch das Urteil des BGH vom 2. April 2009 (IX ZR 23/08, VersR 2009, 821) eingetreten. Das Schreiben der Insolvenzverwalterin an die Bevollmächtigten der Klägerin vom 19. Mai 2009 (Anlage K 4) dürfte als Freigabe der Forderung anzusehen sein. Für die Freigabe gilt das Abtretungsverbot aus dem Versicherungsvertrag nicht. Nach Ansicht des BGH ist die Freigabe keine Abtretung und mit einer solchen auch nicht gleichzusetzen.

Die Frage der Aktivlegitimation kann aus den nachfolgenden Gründen, insbesondere 4. cc), aber dahingestellt bleiben.

2. Der Versicherungsfall ist eingetreten.

Gegenstand des Versicherungsvertrages ist die Haftung des Versicherungsnehmers aus entgeltlichen Frachtverträgen (Anlage K 1, gesondert geheftet), und zwar - u. a. - mit den Kraftfahrzeugen des eigenen Betriebes, die in der Fahrzeugliste genannt sind oder nachweisbar zu deren Ersatz verwendet worden sind.

Zwar hat die Beklagte in erster Instanz bestritten (Bl. 21 f.), dass das für den hier in Rede stehenden Transport nach L. eingesetzte Kraftfahrzeug von ihrer Versicherung umfasst gewesen sei, doch dies hat bereits das Landgericht für nicht zutreffend erachtet. Die als Anlage B 6 (gesondert geheftet) von der Beklagten vorgelegte Fahrzeugliste vom 12. Februar 2007 umfasst auch das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … . Zur Untermauerung ihres Vortrags hat sich die Klägerin auf die Anlage K 5 gestützt. Dort heißt es unzweideutig, dass der in Rede stehende Transport mit dem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … durchgeführt wurde. Dagegen findet sich kein Angriff der Beklagten. Auch wendet sich die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung nicht mehr gegen die Ansicht der Kammer insoweit.

3. Leistungsfreiheit der Beklagten ergibt sich nicht aus einer Obliegenheitsverletzung des Sch.

Regelungen für Obliegenheitsverletzungen nach Eintritt des Versicherungsfalls bestehen in Ziffer 7.2 der Versicherungsbedingungen. Danach hat der Versicherungsnehmer insbesondere, und zwar unverzüglich, spätestens innerhalb von vier Wochen nach Kenntnis, den Versicherungsfall dem Versicherer schriftlich zu melden.

Das ist vorliegend nicht geschehen. Die Beklagte hat vorgetragen, erst mehr als ein Jahr nach der Maßnahme des britischen Zolls, nämlich mit Schreiben vom 13. August 2008 (Anlage B 2) Kenntnis erhalten zu haben. Das hat die Klägerin zwar bestritten und hat auch Beweis angeboten (Bl. 33, 62). Es reicht aber nicht aus vorzutragen, die Beklagte habe nicht erst nach mehr als einem Jahr Kenntnis erhalten, weil damit die Fristwahrung gerade nicht behauptet wird.

Leistungsfreiheit für den Fall vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung besteht nach Ziffer 8 Satz 1 der Versicherungsbedingungen aber dann nicht, wenn die Verletzung weder Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalles noch auf die Feststellung oder den Umfang der Versicherungsleistung gehabt hat. Ein solcher dem Versicherungsnehmer eröffneter Kausalitätsgegenbeweis (entsprechend § 6 Abs. 3 Satz 2 VVG a. F.) ist im Hinblick auf den Rechtsstreit zwischen der Klägerin und Sch. erbracht. Die Beklagte hat nicht in Abrede genommen, die für Sch. im Beiaktenverfahren aufgetretenen Anwälte beauftragt zu haben. Dies geschah vor Abschluss des dortigen Rechtsstreits. Der Einspruch wurde auch kurz begründet (BA Bl. 31), wobei dieser Schriftsatz erkennen lässt, dass der Beklagten der wesentliche Sachverhalt bereits bekannt war, dann aber am Tag vor der mündlichen Verhandlung wieder zurückgenommen (BA Bl. 43).

Letztlich ungenügend ist der weitere Vortrag der Beklagten, wegen der verspäteten Anzeige, von der nach obigen Ausführungen ausgegangen werden muss, hätten Rechtsmittel gegen die entsprechenden Verfügungen der britischen Behörden nicht mehr zur Verfügung gestanden (Bl. 74). Welche Möglichkeiten hier überhaupt bestanden und bis zu welchem Zeitpunkt ist unklar. Diese Unklarheit geht an sich zu Lasten der Klägerin, die den Kausalitätsgegenbeweis zu führen hat. Eine erheblich verspätete Schadenanzeige ist in der Regel ursächlich, weil jeder längere Zeitablauf eine Verringerung der Möglichkeit bedeutet, einen Vorgang aufzuklären (vgl. z. B. OLG Koblenz, VersR 1997, 868). Andererseits muss aber der Versicherer im Rahmen der ihn treffenden Substantiierungslast näher dartun, welche Maßnahmen er bei rechtzeitiger Erfüllung der Obliegenheit ergriffen und welchen Erfolg er sich davon versprochen hätte (BGH, VersR 2001, 756). Der Verlust eigener Erkenntnismöglichkeiten reicht für sich genommen nicht aus (ebenda). Dem genügt der Vortrag der Beklagten nicht. Er ist allgemein gehalten und lässt ausreichende Substanz vermissen. Von einem Versicherer, der nicht nur selten mit vergleichbaren Sachverhalten befasst sein wird, darf mehr erwartet werden. Ersichtlich wurden auch keine Versuche der Aufklärung unternommen. Beweisangebote ersetzen hier wie auch sonst den Sachvortrag nicht.

Von einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung kann demgegenüber nicht ausgegangen werden. Dafür fehlt es an ausreichenden Anhaltspunkten. Die Überschreitung der Anzeigefrist reicht dafür nicht aus. Immerhin hat Sch., so ist der Vortrag der Beklagten zu verstehen (Bl. 73 unter Verweis auf die Anlage B 2), wenn auch sehr spät, den Vorgang gegenüber dem Makler/Agenten zur Anzeige gebracht. Es gibt auch eine allgemeine Erfahrung dahin, dass sich kein vernünftiger Versicherungsnehmer durch bewusste Nichterfüllung von Pflichten Rechtsnachteile im Deckungsverhältnis zum Versicherer zuziehen will (BGH, VersR 1979, 1117, 1119). Erst bei Annahme von Vorsatz käme es auf die Relevanzrechtsprechung an (vgl. nur BGH, VersR 2004, 1117), aus der sich für die Klägerin aber auch nichts ergäbe; weder ist das Fehlen von genereller Eignung noch eines erheblichen Verschuldens ersichtlich. Allerdings differenziert Ziffer 8 Satz 1 der Versicherungsbedingungen ohnehin gar nicht zwischen Vorsatz und grober Fahrlässigkeit.

4. Es greift zugunsten der Beklagten aber der Ausschlusstatbestand nach Ziffer 4.4 der Versicherungsbedingungen (c).

a) Der Hinweis der Beklagten, wegen des Schmuggelgutes sei der Transport rechtswidrig gewesen, geht nach Ansicht des Senats ins Leere. Die Frage der Rechtswidrigkeit des Transports, was Ziffer 4.1 der Versicherungsbedingungen als Ausschlusstatbestand ansieht, lässt sich kaum beantworten, weil unklar ist, worauf sich die Rechtswidrigkeit bezieht, insbesondere kann sie sich allein auf das transportierte Gut beziehen oder nur einen Teil davon, was bereits unklar ist, oder auf das Transportmittel (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Naheliegend ist es wohl darauf abzustellen, ob der Transportvertrag wegen des Gegenstands des Transports (Kriegswaffen o. a.) gegen geltendes Recht verstößt und in diesem Sinne "rechtswidrig" ist. Der vertraglich zwischen der Klägerin und Sch. vereinbarte Transport als solcher war aber nicht rechtswidrig. Aufgrund der vom Senat in der mündlichen Verhandlung erörterten Bedenken gegen die Wirksamkeit dieses Ausschlusstatbestandes lässt er dahingestellt, ob der Ausschlusstatbestand Platz greift.

b) Aus Ziffer 4.2 der Versicherungsbedingungen ergibt sich für die Beklagte nichts. Ausgeschlossen sind danach Ansprüche aus Schadenfällen, die der Versicherungsnehmer, seine gesetzlichen Vertreter, Prokuristen oder Leiter von Niederlassungen sowie sonstige Repräsentanten vorsätzlich herbeigeführt haben. Vorsatz, den die Beklagte beweisen müsste, steht aber schon nicht fest. Sch. hat sich in dem gegen ihn gerichteten Beiaktenverfahren in der Einspruchsbegründung damit verteidigt, keine Kenntnis von den versteckten Zigaretten gehabt zu haben (BA Bl. 31 f.). Kenntnis mag allein für den Lkw-Fahrer nicht ganz fern liegen, ohne dass er festgestellt wäre, aber der Fahrer ist auch nicht Repräsentant, so dass es auf seinen Vorsatz sowieso nicht ankommt. Repräsentant wäre er nur, wenn ihm der Lkw zur eigenverantwortlichen Nutzung, wie dies bei Handelsvertretern der Fall sein kann, überlassen worden wäre (BGH, NJW 1970, 43 [BGH 01.10.1969 - IV ZR 632/68]), was bei einem Lkw fernliegend und hier auch nicht konkret behauptet ist.

c) In Ziffer 4.4 sehen die Versicherungsbedingungen einen Ausschluss von Ansprüchen „aus Schäden und Verlusten, verursacht durch Krieg, kriegsähnliche Ereignisse, Bürgerkrieg, innere Unruhen, Aufruhr, Streik, Aussperrung, Verfügung von hoher Hand und Wegnahme oder Beschlagnahme seitens einer staatlich anerkannten Macht“ vor.

Das Landgericht hat gemeint, die Unbegründetheit der Klage ergebe sich aus dem eigenen Sachvortrag der Klägerin, die selbst vorgetragen habe, dass das von ihr Sch. anvertraute Transportgut vom britischen Zoll herangezogen und verwertet worden sei, um Schmuggel zu sanktionieren. Für Ziffer 4.4 der Versicherungsbedingungen sei unerheblich, ob die Wegnahme gerade deshalb erfolgt sei, weil das Schmuggelgut in dem Transportgut versteckt gewesen sei, das sich lediglich auf dem Anhänger befunden habe. Unerheblich sei auch, ob Sch. oder einer seiner Mitarbeiter den Schmuggel zu verantworten habe.

Der Vortrag der Klägerin, und insoweit trifft ihr Vortrag aus der Berufungsbegründung zu, geht allerdings weniger weit, als das Landgericht angenommen hat. Eine Bindung des Senats an die Feststellungen des Landgerichts besteht nicht, weil konkrete Anhaltspunkte vernünftige Zweifel an der Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen zu wecken geeignet sind (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO); einer offensichtlichen Unrichtigkeit der Feststellungen bedarf es entgegen der Ansicht der Beklagten nicht. Die Klägerin hat bereits in erster Instanz bestritten, dass die Ware vom britischen Zoll beschlagnahmt und - zur Deckung der Zollstrafe - veräußert wurde (Bl. 31, 32, 60, 61). Eingeräumt hat die Klägerin, dass sich unter den regulär transportierten Gütern auch Schmuggelware befand (Bl. 31), und dass die in Rede stehende Ware nicht beim Empfänger abgeliefert wurde (Bl. 4). Vorgerichtlich, nämlich im Schreiben vom 8. August 2007 (Anlage B 1), hat die Klägerin zwar von einer Beschlagnahme gesprochen, aber nur als Information von dritter Seite, wobei zudem dieses Schreiben ohnehin nicht an der Wirkung des § 288 Abs. 1 ZPO teilhat. Sch. hat in dem gegen ihn gerichteten Beiaktenverfahren in der Einspruchsbegründung vorgetragen, Lkw und Anhänger seien bei der Einreise vom Zollamt in D. durchsucht und beschlagnahmt worden (BA Bl. 31). Nicht bestritten hat die Klägerin, dass das Fahrzeug, und zwar wegen der geschmuggelten Zigaretten, vom Zoll angehalten wurde und deswegen die Güter nicht abgeliefert wurden. Mit dem Anhalten durch den Zoll aber ist der Ausschlusstatbestand bereits bewiesen. Nun war es Sache der Klägerin vorzutragen, dass die Nichtablieferung der Ware beim Empfänger nicht auf dem Anhalten durch den Zoll beruht, sondern auf anderen Gründen. Das zu ermitteln dürfte ihr wegen ihres Vertrags mit Sch. auch ohne Weiteres möglich gewesen sein. Dass sie es nicht getan hat oder - lebensnäher - die Ergebnisse dieser ganz nahe liegenden Nachfrage nicht vorträgt, fällt ihr zur Last. Ob es sich bei den Maßnahmen des britischen Zolls um eine - förmliche - Beschlagnahme handelte, ist nicht entscheidend. Die Fassung von Ziffer 4.4 der Versicherungsbedingungen ist denkbar weit gehalten. Ausreichend zur Begründung des Ausschlusses sind hoheitliche Verfügungen ("Verfügung von Hoher Hand"). Die Beschlagnahme wird nur als weitere Alternative in Ziffer 4.4 der Versicherungsbedingungen genannt. Demgegenüber ist der Einwand der Klägerin, Ziffer 4.4 der Versicherungsbedingungen enthalte eine Kriegsklausel oder betreffe nur Fälle höherer Gewalt, zu undifferenziert und schon deswegen nicht überzeugend. Beträfe die Alternative der "Verfügung von Hoher Hand" nur Fälle des Zusammentreffens mit Krieg oder höherer Gewalt, wäre die Alternative überflüssig. Für auslegungsbedürftig kann man es halten, dass es heißt, dass Ansprüche "aus" … ausgeschlossen sind. Gemeint ist ersichtlich aber "wegen", wie auch in dem im Übrigen wortgleichen § 7 a Abs. 3 GüKG (auf den der Kläger seine Argumentation aber schon deswegen nicht stützen kann, weil die Vorschrift nur für den innerdeutschen Transport gilt, § 7 a Abs. 1 GüKG). Gemeint ist, dass sich eine der in Ziffer 4.4 der Versicherungsbedingungen genannten Gefahren realisiert hat. Auf die Rechtmäßigkeit der Maßnahme kommt es nicht an (vgl. Prölss/Martin-Koller, VVG, 28. Aufl., Rdnr. 4 zu Nr. 2 DTV-Güter 2000/2008). Dass die Nichtablieferung nicht auf Maßnahmen des britischen Zolls, sondern auf einer anderen Ursache beruht, ist weder ersichtlich noch konkret vorgetragen. Es hätte aber des näheren Vortrags bedurft, zumal Unterlagen zu den Akten gereicht worden sind, die für eine Beschlagnahme und Verwertung durch den britischen Zoll sprechen; lediglich den leeren Lkw soll Sch. zurück bekommen haben (Anlage B 2).

5. Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus einem Anerkenntnis der Beklagten.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Beklagte habe durch Gewährung von Rechtsschutzdeckung den Deckungsschutz aus dem Versicherungsvertrag gegenüber ihrem Versicherungsnehmer bestätigt und somit anerkannt (Bl. 5). Dies sei auch im Außenverhältnis geschehen durch Übernahme der Kosten des Beiaktenverfahrens, die ihrem Versicherungsnehmer auferlegt worden waren (ebenda).

Damit verkennt die Klägerin sowohl die Voraussetzungen eines Anerkenntnisses als auch den Inhalt des Versicherungsvertrages. Inhalt des Versicherungsvertrages war die Befriedigung begründeter und die Abwehr unbegründeter Schadensersatzansprüche, die gegen den Versicherungsnehmer erhoben werden. Ziffer 3 der Versicherungsbedingungen enthält weiter Regelungen zur Kostenerstattung. Unstreitig hat vorliegend die Beklagte im Rechtsstreit der Klägerin gegen Sch. Anwälte für Sch. beauftragt, womit sie ihre Pflicht aus dem Versicherungsvertrag wahrgenommen und geprüft hat, welche Pflichten aus dem Versicherungsvertrag sie im konkreten Fall zu erfüllen hat. Ein ausdrückliches Anerkenntnis hat die Beklagte zu keinem Zeitpunkt abgegeben, nicht einmal gegenüber ihrem Versicherungsnehmer Sch. Zwar kann auch ein Anerkenntnis durch schlüssiges Verhalten in Frage kommen, wofür jedes Verhalten des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer genügt, aus dem sich klar und unzweideutig das Bewusstsein ergibt, aufgrund des Vertrages zur Leistung verpflichtet zu sein und die Verpflichtung erfüllen zu wollen (OLG Schleswig, VersR 1968, 487, 488). Ein derartiges Anerkenntnis durch schlüssiges Verhalten liegt hier jedoch gleichfalls nicht vor. Die Tätigkeiten der Beklagten erschöpften sich im Wesentlichen in der Prüfung der Voraussetzungen ihrer Einstandspflicht. Mit der Beauftragung von Anwälten im Beiaktenverfahren hat die Beklagte nicht klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht, in jedem Fall haften zu wollen. Gegenüber der Klägerin lag darin gar keine Willenserklärung. Eine solche gegenüber der Klägerin abzugeben hatte die Beklagte auch keinen Anlass. Es gibt auch keine Vermutung für den Abschluss eines Anerkenntnisvertrages, vielmehr ist bei der Annahme eines entsprechenden Willens auf Seiten der Beteiligten Zurückhaltung geboten (BGH, NJW 1984, 799 [BGH 10.01.1984 - VI ZR 64/82]). Hinzu kommt, dass es für die Auslegung des Verhaltens der Beklagten auch auf den verständigen Empfängerhorizont der Klägerin ankommt, die zu der Zeit, als die Beklagte Anwälte für Sch. beauftragte, längst anwaltlich vertreten war. Diese Ausführungen gelten auch insoweit, als die Kosten, die Sch. aus dem Beiaktenverfahren zu tragen hatte, von der Beklagten getragen wurden. Ob die Beklagte dazu verpflichtet war, bedarf keiner Entscheidung. Unter Zugrundelegung eines objektiven Empfängerhorizonts genügt auch die Kostentragung nicht für die Annahme einer (Willens-)Erklärung, über die relativ geringen Kosten hinaus den gesamten Schaden der Klägerin tragen zu wollen, wobei hinzukommt, dass die Klägerin ein solches Angebot der Beklagten, dessen Existenz unterstellt, auch nach §§ 145 ff. BGB hätte annehmen müssen, denn beim Anerkenntnis handelt es sich um einen Vertrag.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen.