Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 11.02.2011, Az.: Not 18/10

Wiederbestellung einer Notarin nach einer länger als 1 Jahr andauernden Amtsniederlegung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
11.02.2011
Aktenzeichen
Not 18/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 10968
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2011:0211.NOT18.10.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BGH - 21.11.2011 - AZ: NotZ(Brfg) 3/11
BVerfG - 20.11.2013 - AZ: 1 BvR 63/12

Amtlicher Leitsatz

Legt eine Notarin (oder ein Notar) ihr Amt gem. § 48 b BNotO für länger als 1 Jahr und weniger als 12 Jahre vorübergehend nieder, hat sie - nach Ablauf des ersten Jahres - keinen Anspruch auf die sofortige Wiederbestellung als Notarin. Die erneute Bestellung bleibt einem ordnungsgemäßen Bewerbungsverfahren vorbehalten.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

Die Berufung wird zugelassen.

Der Streitwert für das Verfahren wird auf 50.000,00 € festgesetzt.

Gründe

1

Die mit den Hauptanträgen zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf sofortige Wiederbestellung als Notarin, nachdem sie gem. § 48 b BNotO ihr Amt als Notarin länger als ein Jahr und weniger als 12 Jahre vorübergehend niedergelegt hat. Die Klägerin hat ferner keinen - hilfsweise geltend gemachten - Anspruch auf Ausschreibung einer Notarstelle für den Amtsgerichtsbezirk U.. insoweit ist die Klage unzulässig.

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I. Die am ... geborene Klägerin ist seit November 1982 als Rechtsanwältin zugelassen. Durch Urkunde vom 14. November 1994, ausgehändigt am 13. Dezember 1994, wurde sie zur Notarin mit Amtssitz in U. bestellt. Mit ihrem Antrag vom 29. Dezember 2003 begehrte sie, gem. § 48 b BNotO ihr Amt ab dem 1. Februar 2004 vorübergehend niederzulegen. Dabei stellte sie fernmündlich klar, dass sie das Amt bis zur gesetzlich vorgesehenen Höchstdauer niederlegen wolle. Mit dem Bescheid vom 2. Februar 2004 gestattete der Beklagte zu 1 die vorübergehende Amtsniederlegung für länger als ein Jahr, höchstens jedoch bis zum Eintritt der Volljährigkeit ihres Sohnes, dem 11. Februar 2014. Ferner erhielt sie die Erlaubnis, die Bezeichnung ´Notarin a. D.´ zu führen. Mit der Verfügung vom 16. Februar 2004 wurde Rechtsanwalt und Notar Sch. aus U. gem. § 51 Abs. 1 Satz 2 BNotO zum Verwahrer bestellt.

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Mit Schreiben vom 28. Januar 2010 stellte sie einen Antrag auf Wiedererteilung des Notaramtes mit Wirkung ab dem 1. April 2011. Der Beklagte zu 1 erteilte ihr hierauf eine abschlägige Information. Mit Schriftsatz vom 22. Juni 2010 beantragte die Klägerin die Wiedererteilung des Notaramtes mit sofortiger Wirkung. Diesen Antrag beschied der Beklagte zu 1 abschlägig unter dem 24. Juni 2010. Hiergegen hat die Klägerin mit ihrem Schriftsatz vom 30. Juli 2010 Klage erhoben. Nach einem Hinweis des Senates, es sei fraglich, ob das Oberlandesgericht oder das Justizministerium der richtige Beklagte sei, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 12. November 2010 die Klage gegen das Niedersächsische Justizministerium erweitert.

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Die Klägerin ist der Auffassung, die formalen Voraussetzungen des § 48 b BNotO für eine erneute Bestellung seien erfüllt. Der Zeitraum von 12 Jahren sei nicht überschritten. es habe sich nur um eine vorübergehende Amtsniederlegung gehandelt. Sie meint, nach Ablauf des festgelegten Zeitraums müsse das Amt wieder ausgeübt werden können, weil sonst die Festlegung auf einen bestimmten Zeitraum der Niederlegung keinen Sinn mache. Die Regelung des § 48 b BNotO habe ihren Grund in einer besseren Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie. Dies ergebe nur dann Sinn, wenn die Wiederbestellung nicht von einer Bedürfnisprüfung abhängig sei. Diese sei auch nicht erforderlich, da eine solche Prüfung bereits bei ihrer ersten Bestellung zur Notarin erfolgt sei. Eine Ausschreibung einer neuen Notarstelle im Amtsgerichtsbezirk U. sei nach der vorübergehenden Niederlegung nicht erfolgt. § 48 c BNotO setze voraus, dass dieselbe Stelle erhalten bleibe, sodass eine Rückkehr auf diese alte Stelle möglich sei. Die vom Beklagten zu 1 vorgenommene Auslegung lasse § 48 b BNotO im Hinblick auf § 48 BNotO überflüssig erscheinen. Mit einer höheren Bedarfszahl könne nicht argumentiert werden, da diese erst nach ihrem Antrag auf vorübergehende Niederlegung des Amtes als Notarin eingeführt worden sei. Der von ihr gestellte Hilfsantrag zur Ausschreibung einer Notarstelle sei erforderlich, da die Wiedererteilung des Amtes binnen 12 Jahren nach Niederlegung beantragt werden müsse. Sie halte den zuerst angegangenen Beklagten zu 1 aufgrund eines Sachzusammenhangs für die Wiedererteilung des Notaramtes zuständig, weil dieser bereits für die Wiederbestellung nach § 48 c Abs. 1 BNotO zuständig sei, § 30 Abs. 1 Nr. 3 ZustVOJustiz. Eine Zuständigkeit des Beklagten zu 2 komme nur in Betracht, wenn der Beklagte zu 1 unzuständig wäre.

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Die Klägerin stellt die Anträge,

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unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides des Beklagten zu 1 vom 24. Juni 2010, zugegangen am 2. Juli 2010, den Beklagten zu 1 zu verpflichten, der Klägerin das Amt als Notarin nach vorüber gehender Amtsniederlegung gem. § 48 b BNotO wiederzuerteilen.

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unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides des Beklagten zu 1 vom 24. Juni 2010, zugegangen am 2. Juli 2010, den Beklagten zu 2 zu verpflichten, der Klägerin das Amt als Notarin nach vorüber gehender Amtsniederlegung gem. § 48 b BNotO wiederzuerteilen.

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hilfsweise den Beklagten zu 2 zu verpflichten, eine Notarstelle im Amtsgerichtsbezirk U. auszuschreiben und den Beklagten zu 1 zu verpflichten, diese Stelle mit der Klägerin zu besetzen.

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Die Beklagten zu 1 und 2 beantragen,

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die Klage abzuweisen.

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Der Beklagte zu 1 hält sich unter Verweis auf § 30 Abs. 1 ZustVOJustiz für unzuständig, weil seine Zuständigkeit dort nicht explizit aufgeführt sei. Im Übrigen hält er den Antrag der Klägerin auf Wiederbestellung als Notarin unter Hinweis auf die Gesetzeslage für unbegründet. diese gestatte es nicht, das Amt ohne eine Bedürfnisprüfung, ohne Ausschreibung und ohne Bewerbung wiederzuerteilen. Auch aus den Gesetzesmaterialien sei keine andere Auffassung herzuleiten. Die Bundesnotarordnung sehe kein vereinfachtes Verfahren zur Wiederbesetzung einer Notarstelle vor. Eine neue Ausschreibung habe zwischenzeitlich nicht stattgefunden, da wegen der erhöhten Bedarfszahl von 450 (statt ursprünglich 400) ein Überhang an Notaren im Amtsgerichtsbezirk U. entstanden sei, der habe abgebaut werden müssen.

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Der Beklagte zu 2 verweist ebenfalls auf die bestehende Gesetzeslage, nach der kein Anspruch auf eine Wiederbestellung bestehe. Der Zweck des Gesetzes erfordere entgegen der Auffassung der Klägerin keine sofortige Wiederbestellung. Die Ausfallzeiten für die Betreuung würden bei einer Neubewerbung zu ihren Gunsten angerechnet werden. Eine Vergleichbarkeit des Notaramtes mit einer Planstelle für Beamte sei nicht gegeben, da es sich bei dem Notaramt um ein höchstpersönliches, d. h. an die Person des Amtsinhabers gebundenes Amt handele. Der Hilfsantrag sei unzulässig, da es keinen Anspruch auf die Ausschreibung einer Notarstelle gebe. Abgesehen davon bestünde auch kein Bedürfnis für eine Ausschreibung.

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II. Die von der Klägerin erhobene Klage ist mit beiden Hauptanträgen unbegründet, hinsichtlich des gestellten Hilfsantrages unzulässig.

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1. Die Klage ist hinsichtlich der Hauptanträge und gegen beide Beklagte zulässig, insbesondere innerhalb der erforderlichen Frist erhoben. Dies gilt hinsichtlich der gegen den Beklagten zu 1 erhobenen Klage schon deshalb, weil diese innerhalb der Monatsfrist seit der Zustellung des Ablehnungsbescheides vom 24. Juni 2010 beim Senat eingegangen ist. Zwar ist die Klagerweiterung gegen den Beklagten zu 2 nicht innerhalb dieser Frist erfolgt. Dies ist aber unschädlich, da der Beklagte zu 2 der Klägerin keinen ablehnenden Bescheid übersandt hat und die Klägerin insoweit nicht an eine Frist gebunden war, binnen derer sie hätte Klage erheben müssen. Eine Reflexwirkung der von dem Beklagten zu 1 gesetzten Frist auf die Klagerhebung gegen den Beklagten zu 2 besteht angesichts dessen höherer Zuständigkeit nicht.

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2. Die Klage ist hinsichtlich der beiden Hauptanträge jedoch unbegründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Wiederbestellung als Notarin mit sofortiger Wirkung zu.

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a) Es bedarf keiner näheren Erörterung, ob der Beklagte zu 1 oder der Beklagte zu 2 für die Wiederbestellung der Notarin mit sofortiger Wirkung zuständig wäre. Zwar deutet einiges darauf hin, dass mangels einer ausdrücklichen Zuständigkeitsbestimmung des Beklagten zu 1 für die Wiederbestellung der Beklagte zu 2 zuständig wäre. § 30 Abs. 1 ZustVOJustiz enthält keine dahin ergehende Ermächtigung des Beklagten zu 1. Zwar ist zu überlegen, ob nicht derjenige, der über die vorübergehende Amtsniederlegung zu entscheiden hat, auch für die Wiedererteilung des niedergelegten Amtes zuständig ist. Allerdings ist auch für diesen Fall des § 48 c Abs. 1 BNotO in § 30 Abs. 1 Nr. 3 ZustVOJustiz der Beklagte zu 1 (durch den Beklagten zu 2) ausdrücklich ermächtigt worden, die Wiederbestellung vorzunehmen. Letztlich ist eine Entscheidung jedoch entbehrlich, da die beiden Hauptanträge aus den nachfolgend dargestellten Gründen erfolglos bleiben.

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b) Einem Anspruch der Klägerin steht bereits die Regelung des § 48 c Abs. 1 Satz 1 BNotO entgegen. Hiernach ist der Notar erneut zu bestellen, der mit seinem Antrag auf Genehmigung der vorübergehenden Amtsniederlegung nach § 48 b BNotO erklärt hat, sein Amt innerhalb von höchstens einem Jahr am bisherigen Amtssitz wieder antreten zu wollen. Eine solche Erklärung hat die Klägerin nicht abgegeben. Eine entsprechende gesetzliche Festschreibung für den Fall, dass ein Notar sein Amt länger als ein Jahr vorübergehend niederlegen möchte, fehlt. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass ein solcher Anspruch nicht besteht.

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c) Für die vom Senat vertretene Auffassung spricht der Wille des Gesetzgebers. Hiernach soll die gem. § 48 c Abs. 1 BNotO abgegebene Erklärung des Notars, das Amt spätestens nach Ablauf eines Jahres wieder antreten zu wollen, die Landesjustizverwaltung in die Lage versetzen zu entscheiden, ob die Notarstelle neu ausgeschrieben oder ein Verwalter bestellt werden soll (Bundestagsdrucksache 13/4184, S. 29). Dies bedeutet folgendes: Entscheidet sich der Notar, das Amt für längstens ein Jahr vorübergehend niederzulegen, wird ein Verwalter bestellt und es besteht ein Anspruch auf Wiederbestellung. legt der Notar sein Amt für länger als ein Jahr vorübergehend nieder, erfolgt eine Neuausschreibung der Stelle und der - ehemalige - Notar muss sich in einem neuen Ausschreibungsverfahren erneut bewerben, da der Anspruch auf Wiederbestellung erloschen ist (vgl. Eylmann/VaasenCustodis, BNotO, 2. Aufl., § 48 b, § 48 c Rn 11). Damit korrespondiert § 6 b Abs. 1 Halbsatz 2 BNotO. Denn dort ist geregelt, dass das Erfordernis einer Ausschreibung nicht gilt bei einer vorübergehenden Amtsniederlegung nach § 48 c BNotO, also bei einer Dauer von längstens einem Jahr. § 48 b BNotO ist gerade nicht erwähnt.

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d) Die Wortwahl ´vorübergehende Niederlegung´ steht dem gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Zwar könnte dies so verstanden werden, dass das Amt unproblematisch wieder aufgenommen werden könnte. Dagegen streitet jedoch die Regelung in § 47 Ziff. 7 BNotO. danach bedeutet die vorübergehende Amtsniederlegung nach den §§ 48 b und 48 c BNotO, dass das Amt des Notars erlischt. Dementsprechend ist der Klägerin auch gestattet worden, die Bezeichnung "Notarin a. D." zu führen.

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e) Sinn und Zweck der Regelung des § 48 b BNotO stehen der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen.

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Es mag sein, dass die vom Gesetzgeber getroffene Regelung, eine erneute Bestellung ohne Ausschreibungsverfahren nur innerhalb eines Jahres nach Amtsniederlegung zu ermöglichen, die Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie nicht so herstellt, wie es sich die Klägerin wünscht oder es allgemein wünschenswert wäre. Dennoch kann eine an dem Zweck des Gesetzes und unter Berücksichtigung von Artikel 6 Abs. 1 GG sich orientierende Auslegung nicht zu dem Ergebnis führen, dass ein Anspruch auf Wiederbestellung auch nach Ablauf eines Jahres mit sofortiger Wirkung besteht. Denn die ihr Amt niederlegende Notarin (oder der sein Amt niederlegende Notar) erhalten zunächst die Möglichkeit, sich bei Antragstellung zu entscheiden, ob sie das Amt für ein Jahr oder länger niederlegen wollen. Sollten sie das Amt nur für längstens ein Jahr niederlegen, haben sie einen Anspruch auf Wiederbestellung. Dies bedeutet einen Vorteil gegenüber Nichtamtsinhabern, die ein vollständiges Bewerbungsverfahren durchführen müssen, was aber durch den Schutz von Ehe und Familie und dem Umstand gerechtfertigt ist, dass die das Amt Niederlegende bereits das Amt einer Notarin innehatte. Ferner wird die das Amt niederlegende Notarin auch dadurch geschützt, dass ihr die Ausfallzeiten bei einem erneuten Bewerbungsverfahren angerechnet werden (können). Dies sieht in Niedersachsen § 2 der Verordnung über die Anrechnung von Ersatz und Ausfallzeiten nach der Bundesnotarordnung (für die § 6 Abs. 3 Satz 4 BNotO die Ermächtigungsgrundlage darstellt), ausdrücklich vor. Es ist zwar richtig, dass sich aus der Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 13/4184, S. 28) ergibt, dass den Notarinnen und den Notaren durch die vorübergehende Amtsniederlegung die Möglichkeit verschafft werden sollte, sich für eine Dauer von bis zu 12 Jahren familiären Aufgaben zu widmen. Soweit darüber hinaus allerdings in der Gesetzesbegründung ausgeführt wird, dass bei einer Beschränkung auf eine Dauer von einem Jahr die Wiederbestellung am bisherigen Amtssitz erfolgen könne, ist daraus entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zu schließen, dass bei einer Überschreitung des Jahreszeitraums ein Anspruch auf Wiederbestellung an einem beliebigen Amtssitz möglich wäre (so aber Schippel/BrackerPüls, § 48 b BNotO, § 48 b Rn 5. Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 6. Aufl., § 48 b Rn 11). Hierfür geben die Gesetzesmaterialien nichts her. Der Umstand, dass das Gesetz möglicherweise missglückt ist und angesichts der Unsicherheit einer Wiederbestellung nach vorübergehender Amtsniederlegung von mehr als einem Jahr nicht damit zu rechnen ist, dass viele Notarinnen und Notare von dieser Möglichkeit Gebrach machen, ist kein Grund dafür, im Wege einer vermeintlichen gesetzlichen Regelungslücke einen Anspruch auf Wiederbestellung - an einem anderen Amtssitz - zu bejahen.

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f) Die Auffassung der Klägerin würde auch zu einem Ungleichgewicht führen. Denn angesichts der sicherzustellenden Versorgung der Bevölkerung mit ausreichenden Notarstellen muss die Landesjustizverwaltung genügend Planungssicherheit haben, ob sie ein Ausschreibungsverfahren durchführt oder nicht. Würde sie dieses tun und die das Amt niedergelegte Notarin nach einer Dauer von mehr als einem Jahr plötzlich erklären, sie wolle wiederbestellt werden und hätte hierauf einen Anspruch, könnte es zu einer Art "Überhangnotar" kommen, für den an dem jeweiligen Amtssitz kein Bedarf bestünde. Damit würde eine Überversorgung der Bevölkerung geschaffen werden, die zugleich die wirtschaftliche Existenz der Notariate beeinträchtigen könnte. Der Wunsch der Notarin nach Wiederbestellung mit sofortiger Wirkung stünde also die gem. § 4 BNotO von der Landesjustizverwaltung zu beachtende angemessene Versorgung der Bevölkerung mit Notariaten und Verhinderung von ´Zwergnotariaten´ entgegen (vgl. hierzu u. a. BGH DNotZ 2008, 865 [BGH 14.04.2008 - NotZ 118/07]).

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g) Der Umstand, dass nach der Amtsniederlegung durch die Klägerin keine neue Notarstelle im Amtsgerichtsbezirk U. ausgeschrieben wurde, ist kein Grund, die sofortige Wiederbestellung der Klägerin als Notarin vorzunehmen.

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Der Beklagte zu 2 hat zutreffend darauf hingewiesen, dass das Amt eines Notars anders als im Beamtenrecht - ein höchstpersönliches Amt ist. Dieses erlischt mit seinem Ausscheiden (s.a. Arndt/Lerch/Sandkühler, aaO., § 1 Rn 9). Das bedeutet, dass es die Notarstelle als solche nicht gibt. sie ist abhängig von den Bedürfnissen der Rechtsuchenden und den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege, § 4 BNotO. Sie kann also auch nicht - abgesehen von dem gesetzlich geregelten Fall des § 48 c Abs. 1 BNotO - für den aus dem Amt ausscheidenden Stelleninhaber freigehalten werden, sondern fällt mit der Amtsniederlegung weg. Erst dann hat die Landesjustizverwaltung unter Beachtung der sich aus § 4 BNotO ergebenden Voraussetzungen darüber zu entscheiden, ob in dem entsprechenden Amtsgerichtsbezirk eine neue Stelle ausgeschrieben wird, und zwar - naturgemäß unter Beachtung der dann herrschenden Bedingungen. Es kommt also nicht darauf, dass die Klägerin bereits ein Stellenbewerbungsverfahren durchlaufen hat, dem eine Bedürfnisprüfung vorangegangen ist. Die Bedürfnissituation kann sich wie eingetreten - ändern. Aus demselben Grund kann die erneute Ausschreibung einer Stelle davon abhängig gemacht werden, dass eine Bedarfszahl von 450 Urkunden erreicht ist, selbst wenn diese erst nach der erstmaligen Ernennung der Klägerin zur Notarin eingeführt wurde. Denn bei der Ermittlung des Bedarfs ist halt - wie oben ausgeführt - auf die jeweils aktuelle Situation abzustellen. Alles andere würde den Erfordernissen des § 4 BNotO nicht gerecht.

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h) Es bedarf aus den oben dargestellten Gründen auch keiner näheren Prüfung, ob der Klägerin eine Stelle als Notarin in einem anderen Amtsgerichtsbezirk zuzuweisen ist und sie dieses Ziel mit ihren Anträgen verfolgt. Denn für eine andere Notarstelle gilt dasselbe wie für eine Stelle am bisherigen Amtssitz: Die gem. § 6 b Abs. 1 BNotO erforderliche Ausschreibung ist abhängig von einer Bedürfnisprüfung i.S.v. § 4 BNotO.

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3. Der Hilfsantrag der Klägerin ist unzulässig. Der Senat hat wiederholt entschieden, dass ein Anspruch auf Ausschreibung einer Notarstelle nicht besteht. Der Senat hat zuletzt in dem Verfahren Not 12/10 (Urteil im schriftlichen Verfahren) folgendes ausgeführt:

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"Die Klage auf Ausschreibung weiterer Notarstellen ist weder als Verpflichtungsklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO noch als allgemeine Leistungsklage zulässig.

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a) Der Senat hat bereits in seinem im Verfahren Not 5/10 ergangenen Urteil die Auffassung vertreten, dass die auf Erlass eines begünstigenden Verwaltungsakts gerichtete Verpflichtungsklage nicht statthaft ist, da bei der Einrichtung und Ausschreibung von Notarstellen es sich nicht um Verwaltungsakte gem. § 35 VwVfG handelt. Dies gilt für das vorliegende Verfahren mit der dort gegebenen Begründung entsprechend. Auch im Geltungsbereich der BNotO ist als Verwaltungsakt jede hoheitliche Maßnahme zu verstehen, die ein Träger öffentlicher Gewalt zur Einzelfallentscheidung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (Senatsbeschluss vom 14. Dezember 2001 - Not 29/01, NdsRpfl. 2002, 111, 112 m. w. N.). Die Einrichtung einer Notarstelle gem. § 4 BNotO sowie deren Ausschreibung gem. § 6b BNotO erfüllen diese Voraussetzungen nicht, denn es handelt sich um rein verwaltungsinterne Vorbereitungsmaßnahmen ohne Regelungscharakter, die nicht auf unmittelbare Rechtswirkung für bestimmte oder unbestimmte Personen gerichtet sind (BGH, Beschluss vom 18. September 1995 - NotZ 46/94, DNotZ 1996, 902, 903 [BGH 18.09.1995 - NotZ 46/94]. Beschluss vom 24. November 1997 - NotZ 10/97, DNotZ 1999, 239. Beschluss vom 28. November 2005 - NotZ 30/05, DNotZ 2006, 384 ff., zitiert nach juris Rn. 10).

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b) Auch als Leistungsantrag, d. h. als Antrag auf Vornahme einer Amtshandlung, die keinen Verwaltungsakt darstellt, ist das Begehren - ungeachtet der höchstrichterlich noch nicht geklärten Frage, inwieweit auf Ausschreibungsmaßnahmen bezogene Leistungsanträge überhaupt möglich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 28. November 2005, aaO., juris Rn. 12) - nicht zulässig. Insoweit fehlt es an der notwendigen Klagebefugnis gem. § 111b Abs 1 Satz 1 BNotO i. V. m. § 42 Abs. 2 VwGO analog. Ein Leistungsbegehren ist nur zulässig, wenn die vom Kläger behaupteten Tatsachen eine Verletzung seiner subjektiven Rechte möglich erscheinen lassen (vgl. BGH, aaO.). Die Einrichtung und Ausschreibung von Notarstellen berühren die rechtlich geschützten Interessen potenzieller Bewerber jedoch nicht (Senatsbeschluss vom 14. Dezember 2001, aaO.). Einen Anspruch auf Einrichtung und Ausschreibung von Notarstellen sieht die Rechtsordnung nicht vor (Senatsbeschluss, aaO., m. w. N.). Die Ausschreibung von neu zu besetzenden Notarstellen (§ 6b BNotO) richtet sich gemäß § 4 BNotO an den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege aus, wobei das Bedürfnis nach einer angemessenen Versorgung der Rechtsuchenden mit notariellen Leistungen und die Wahrung einer geordneten Altersstruktur des Notarberufs zu berücksichtigen sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht der Verpflichtung der Justizverwaltung, ihr dadurch eröffnetes Ermessen fehlerfrei auszuüben, kein subjektives Recht von potenziellen Bewerbern um eine Notarstelle gegenüber. Die Ermessensbindung der Verwaltung dient nicht dazu, die Berufsaussichten der Interessenten am Notaramt rechtlich abzusichern, sondern ausschließlich dem Interesse der Allgemeinheit am Funktionieren der vorsorgenden Rechtspflege (BGH, Beschluss vom 14. April 2008 - NotZ 118/07, DNotZ 2008, 865 [BGH 14.04.2008 - NotZ 118/07] m. w. N.). Bei der Bestimmung von Zahl und Zuschnitt der auszuschreibenden Notarstellen handelt die Landesjustizverwaltung mithin in Ausübung dieser allein objektiven Interessen dienenden Organisationsgewalt (BGH, aaO., m. w. N.). Soweit durch die Erfordernisse der geordneten Rechtspflege Grenzen für Ermessensentscheidungen der Landesjustizverwaltung aufgezeigt werden, liegen diese, selbst wenn sie sich im Ergebnis reflexartig auf den Kreis potenzieller Bewerber auswirken können, ebenfalls ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit (BGH, Beschluss vom 18. September 1995 - NotZ 46/94, DNotZ 902, 903. Senatsbeschluss vom 14. Dezember 2001, aaO.). Insbesondere bleibt die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der Interessenten unberührt, denn sie besteht nur nach Maßgabe der vom Staat zur Verfügung gestellten Ämter (BVerfGE 73, 280, 292 [BVerfG 18.06.1986 - 1 BvR 787/80]. BGH, Beschluss vom 31. März 2003 - NotZ 24/02, BGHR, 2. Folge, § 6 b BNotO, Ausschreibung 3). Die Nähe des Notarberufs zum öffentlichen Dienst drängt zudem die Wirkung des Grundrechts durch Sonderregelungen wie§ 4 BNotO zurück. Maßnahmen der staatlichen Ämterorganisation gehen daher der Regelung des Art. 12 GG vor (Senatsbeschluss vom 14. Dezember 2001, aaO.).

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c) Eine Leistungsklage auf Stellenausschreibung ist deshalb grundsätzlich unzulässig (vgl. BGH, aaO. Beschluss vom 12. Juli 2004 - NotZ 8/04, ZNotP 2004, 410 f., zitiert nach juris Rn. 4). Etwas anderes kommt nur dann in Frage, wenn die Justizverwaltung die Bedarfsermittlung zur sachwidrigen Steuerung des Bewerberkreises missbraucht (BGH, Beschluss vom 12. Juli 2004 - NotZ 8/04, aaO.). Dies ist der Fall, wenn sich die Verwaltung vom öffentlichen Interesse löst und die Zahl der auszuschreibenden Stellen nicht bedarfs, sondern bewerberbezogen ermittelt, insbesondere das Organisationsermessen zur sachwidrigen Begünstigung oder Benachteiligung einzelner Bewerber oder Bewerbergruppen gebraucht (BGH, Beschluss vom 12. Juli 2004, aaO., Rn. 4). Dafür gibt es keinen konkreten Anhalt. Es ist gerade nicht das Ziel des Beklagten, den Kläger oder andere mögliche Bewerber von einer Bewerbung auszuschließen, sondern vielmehr, das Entstehen nicht überlebensfähiger Zwergnotariate zu verhindern. Aus diesem Grund ist die Erhöhung der Bedürfniszahlen erfolgt".

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Der Senat hat keine Veranlassung, von dieser Auffassung abzurücken. Die Klägerin zeigt auch keine Gründe auf, die eine Änderung dieser Rechtsprechung rechtfertigen würden. Ein Anspruch auf Ausschreibung einer neuen Stelle an ihrem bisherigen Amtssitz besteht abgesehen von den obigen Ausführungen schon deshalb nicht, weil die Klägerin gem. § 48 c Abs. 1 BNotO nur dann einen Anspruch auf Wiederbestellung an ihrem bisherigen Amtssitz hat, wenn sie das Amt für höchstens ein Jahr vorübergehend niedergelegt hat. Sofern die Klägerin - als minus - die Ausschreibung in einem anderen Amtsgerichtsbezirk verfolgen sollte, gelten die obigen Erwägungen.

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III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. den §§ 709, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung auf 50.000,00 € beruht auf § 111 g Abs. 2 BNotO.

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Der Senat hat die Berufung zugelassen, da der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung i.S.d. §§ 111 b Abs. 1 Satz 1, 111 d BNotO i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zukommt. Die klärungsbedürftige Frage, ob ein sein Amt länger als ein Jahr vorübergehend niederlegender Notar einen Anspruch auf sofortige Wiederbestellung hat liegt zur Fortbildung des Rechts im allgemeinen Interesse. sie kann über den Einzelfall hinaus in verallgemeinerungsfähiger Form beantwortet werden (zu den Voraussetzungen der Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 124 Rn 10).