Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 14.02.2011, Az.: 10 UF 8/11

Wahrnehmung der Personensorge durch eine Pflegeperson; Rechtsfolgen des Wegfalls der Zustimmung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
14.02.2011
Aktenzeichen
10 UF 8/11
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 10969
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2011:0214.10UF8.11.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - AZ: 622 F 4604/10

Fundstellen

  • FamRB 2011, 306
  • FamRZ 2011, 1664-1665
  • JurBüro 2011, 315
  • ZKJ 2011, 226

Amtlicher Leitsatz

1. Die auf Antrag der Pflegeperson mit Zustimmung der Eltern (bzw. des alleinsorgeberechtigten Elternteils) gem. § 1630 Abs. 3 BGB erfolgte Übertragung der Personensorge auf die Pflegeperson ist bei Wegfall der Zustimmung - ggf. auch bereits auf die Beschwerde der Eltern hin - ohne weiteres zu beenden.

2. Die - nicht auf besonderen äußeren Umständen beruhende - bloße kurzfristige Meinungsänderung der Eltern noch innerhalb der Beschwerdefrist stellt sich als verfahrenskostenhilferechtlich mutwillig dar und schließt eine Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das zur Rückübertragung der Personensorge betriebene Beschwerdeverfahren aus.

Tenor:

Der Antragsgegnerin wird die für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe (VKH) versagt.

Gründe

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I. Im vorliegenden Verfahren hat das Amtsgericht auf einen entsprechenden Hinweis des Jugendamtes hin von Amts wegen eine Entziehung der von der Kindesmutter bislang allein ausgeübten elterlichen Sorge für ihre Tochter L. geprüft. demgemäß ist für L. umgehend ein Verfahrensbeistand bestellt worden. Im Hinblick darauf, daß sich L. über geraume Zeit hinweg wie auch zuletzt im Haushalt ihrer Großmutter in Familienpflege befand, hat diese parallel dazu ihrerseits die Einrichtung einer Pflegschaft für die Personensorge gemäß § 1630 Abs. 3 BGB beantragt.

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Im umfassend durchgeführten Anhörungstermin am 10. November 2010 hat die anwaltlich vertretene - Kindesmutter ausdrücklich dem Antrag der Großmutter zugestimmt, so daß das Amtsgericht mit Beschluß vom selben Tage gemäß § 1630 Abs. 3 BGB die Personensorge für L. auf Dauer der Großmutter übertragen hat.

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Gegen diesen Beschluß hat die Kindesmutter persönlich form und fristgerecht Beschwerde eingelegt, die sie über ihre zwischenzeitlich bestellte neue Verfahrensbevollmächtigte alsbald auch begründet hat. sie hat zudem für das Beschwerdeverfahren um Verfahrenskostenhilfe (VKH) nachgesucht.

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II. Der Kindesmutter kann für das Beschwerdeverfahren die nachgesuchte VKH nicht bewilligt werden, weil ihre Rechtsverfolgung verfahrenskostenhilferechtlich als mutwillig zu beurteilen ist.

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1. Die Übertragung der Personensorge auf eine Pflegeperson, bei der sich das betroffene Kind über längere Zeit in Familienpflege befindet, kommt gemäß § 1630 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGBüberhaupt nur entweder auf Antrag der Eltern (das ist vorliegend die alleinsorgeberechtigte Kindesmutter) selbst oder aber auf Antrag der Pflegeperson mit Zustimmung der Eltern in Betracht. Dies hat nach ganz herrschender Auffassung der Literatur zugleich die Konsequenz, daß bei Wegfall des entsprechenden Antrages bzw. der Zustimmung der Eltern die Personensorge grundsätzlich auf die Eltern zurückzuübertragen ist (vgl. etwa Müko5Huber, § 1630 Rz. 30. Staudinger/PeschelGutzeit (2007), § 1630 Rz. 59. Palandt70Diederichsen, § 1630 Rz. 13 a.E.. NKBGB/RaketeDombek, § 1630 Rz. 21. Gleißt/Suttner, Zur Rechtsstellung der Pflegeeltern nach neuem Recht, FamRZ 1982, 122, 123f.. einschränkend wohl Erman12L. Michalski, § 1630 Rz. 9 a.E.).

6

2. Die Kindesmutter ist auch durch den Beschluß des Amtsgerichtes in ihren Rechten betroffen, so daß ungeachtet der Tatsache, daß mit dem Beschluß genau ihre damalige Intention verwirklicht wurde, ihre Beschwerde zulässig ist.

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3. Der Senat wird damit in der Sache aus Rechtsgründen dem Beschwerdeziel der Kindesmutter ohne weiteres entsprechen müssen. angesichts des begrenzten Anfalles beim Senat, der sich auf die amtsgerichtlich getroffene Entscheidung gemäß § 1630 Abs. 3 BGB beschränkt, kommt im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens - anders als in einem erstinstanzlichen gesonderten Verfahren auf Beendigung der Übertragung der Personensorge auf die Pflegeperson - ein unmittelbares Aufgreifen einer Prüfung von Maßnahmen nach § 1666 BGB nicht in Betracht. diese - nach dem Widerruf der Zustimmung zur Übertragung der Personensorge sowie der Intention einer zukünftigen Übersiedlung L.s in den mütterlichen Haushalt - unmittelbar wieder hochaktuell erforderliche Prüfung wird vielmehr vom Amtsgericht in einem umgehend einzuleitenden neuen Verfahren vorzunehmen sein.

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Dieser so eng eingeschränkte Verfahrensgegenstand hat im übrigen zugleich zur Folge, daß es für das Beschwerdeverfahren in Ermangelung jeglicher Schwierigkeit verfahrenskostenhilferechtlich seitens der Kindesmutter einer Anwaltsbeiordnung auch sicher nicht bedarf: bereits mit der - tatsächlich ohne Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes - selbstverfaßten Einlegung der Beschwerde einschließlich der Erklärung, der Übertragung der Personensorge nicht mehr zuzustimmen, war alles für den Erfolg der hier zu bescheidenden Beschwerde Erforderliche abschließend dargetan.

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4. Soweit die Kindesmutter mit ihrer Beschwerde die zwingende alsbaldige Beendigung des allein auf der Grundlage ihrer ausdrücklichen Zustimmung geschaffenen Zustandes der Übertragung der Personensorge für L. erreichen wird, stellt sich diese Notwendigkeit des Beschwerdeverfahrens zugleich aber als verfahrenskostenhilferechtlich mutwillig dar: Dem bloßen Gesinnungswandel der Kindesmutter noch innerhalb der Beschwerdefrist liegen - auch nach der ausführlichen (nach dem oben zu II 2. Dargelegten für das Beschwerdeverfahren allerdings nicht erforderlichen) Begründung ihrer Verfahrensbevollmächtigen - keinerlei beachtliche zwischenzeitlich eingetretene äußere Gesichtspunkte zugrunde, die einen derart kurzfristigen Wandel der Einstellung der Kindesmutter dem Verdikt der verfahrenskostenhilferechtlichen Mutwilligkeit zu entziehen vermöchten. dies gilt insbesondere auch, soweit sie zwischenzeitlich ihre langfristig betriebene Ausbildung abgebrochen hat, um sich - nach eigener Vorstellung ab etwa Mitte des Jahres - persönlich um die Tochter kümmern zu wollen - auch dies beruht allein auf ihrem eigenen kurzfristigen Gesinnungswandel.

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III. Der Senat wird zu überprüfen haben, ob vor einer abschließenden Entscheidung vor der er schon aus den dargelegten Rechtsgründen in der Sache keine Notwendigkeit zu einer erneuten Anhörung sieht - zunächst dem Amtsgericht Gelegenheit zu geben ist, ein erneutes Verfahren nach § 1666 BGB einzuleiten und ggf. zum Schutz des Kindeswohles erforderliche vorläufige Regelungen zu treffen.

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Den Beteiligten wird bis zum Ablauf des

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... 2011

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Gelegenheit gegeben, sich zu letzterem Gesichtspunkt ergänzend zu äußern. dabei wird insbesondere die Kindesmutter abschließend klarzustellen haben, ob sie bis zu den Sommerferien eine Herausnahme von L. aus dem großmütterlichen Haushalt verbindlich ausschließt.