Sozialgericht Hannover
Urt. v. 07.07.2003, Az.: S 26 AL 501/00

Anspruch auf Berücksichtigung einer monatlichen Familienheimfahrt

Bibliographie

Gericht
SG Hannover
Datum
07.07.2003
Aktenzeichen
S 26 AL 501/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 35755
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGHANNO:2003:0707.S26AL501.00.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
LSG Niedersachsen-Bremen - 05.12.2006 - AZ: L 7 AL 381/03

Die 26. Kammer des Sozialgerichts Hannover hat
auf die mündliche Verhandlung vom 07. Juli 2003
durch
die Richterin am Sozialgericht C., Vorsitzende, und
die ehrenamtlichen Richter D. und E.
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Der Bescheid vom 10.05.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2000 und des Änderungsbescheids vom 19.09.2000 wird abgeändert.

  2. 2.

    Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger seit 01.11.2000 höhere Berufsausbildungsbeihilfe unter Berücksichtigung einer monatlichen Familienheimfahrt zu gewähren.

  3. 3.

    Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, im Rahmen der Berufsausbildungsbeihilfe für den Kläger Kosten von Familienheimfahrten zu berücksichtigen.

2

Der Kläger beantragte am 08.11.1999 Berufsausbildungsbeihilfe für eine Ausbildung zum Elektroinstallateur bei der Firma F. in Bad Pyrmont. Die Ausbildung begann am 15.08.1999 und war am 15.02.2003 abgeschlossen. Die Eltern des Klägers wohnten bis Anfang 1999 ebenfalls in Bad Pyrmont, sie zogen dann nach Friedrichshafen um. Die Beklagte gewährte dem Kläger unter Anrechnung seines eigenen Ausbildungseinkommens und unter Anrechnung des Einkommens der Eltern Berufsausbildungsbeihilfe in Höhe von 228,00 DM monatlich mit Bescheid vom 10.05.2000 für den Zeitraum vom 01.11.1999 bis 31.10.2000. Hiergegen erhob der Kläger am 14.06.2000 Widerspruch, weil die Beklagte die Familienheimfahrt nicht berücksichtigt habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.06.2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine monatliche Familienheimfahrt werde nur berücksichtigt, wenn die auswärtige Unterbringung erforderlich sei. Dies sei nur der Fall, wenn der Auszubildende am Wohnort der Eltern keinen entsprechende Ausbildung erhalten könne. Der Kläger könne jedoch in Friedrichshafen einen Ausbildungsplatz zum Elektroinstallateur erhalten.

3

Hiergegen richtet sich die am 27.06.2000 erhobene Klage. Der Kläger macht geltend, dass er einerseits höhere Kosten für die Fahrten zur Berufsschule habe, weil er mit dem eigenen Pkw dort hinfahre, und dass er versucht habe, in Friedrichshafen einen Ausbildungsplatz als Elektroinstallateur zu finden. Dies sei jedoch vergeblich gewesen, weil es damals keine Lehrstellen gegeben habe.

4

Die Beklagte hat mit Änderungsbescheid vom 19.09.2000 die höheren Fahrtkosten des Klägers für die Fahrten zur Berufsschule anerkannt und ihm monatlich 286,00 DM Berufsausbildungsbeihilfe seit 01.11.1999 bewilligt.

5

Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    den Bescheid vom 10.05.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2000 und des Änderungsbescheides vom 19.09.2000 abzuändern,

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, ihm seit 01.11.2000 höhere Berufsausbildungsbeihilfe unter Berücksichtigung einer monatlichen Familienheimfahrt zu gewähren.

6

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die auswärtige Unterbringung im Sinne von §67 Abs. 1 Nr. 2 SGB III nur dann erforderlich ist, wenn im Wohnortbezirk der Eltern kein entsprechender Ausbildungsplatz zur Verfügung steht. Sie beruft sich auf ihre entsprechende Dienstanweisung.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte verwiesen. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand von mündlicher Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Klage ist auch begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Berücksichtigung einer monatlichen Familienheimfahrt gemäß §67 Abs. 1 Nr. 2 SGB III. Die Beklagte ist deswegen verpflichtet, den Bedarf für die Fahrtkosten unter Berücksichtigung einer monatlichen Familienheimfahrt von Bad Pyrmont nach Friedrichshafen neu zu berechnen und dem Kläger entsprechend höhere Berufsausbildungsbeihilfe zu bewilligen.

10

Gemäß §67 Abs. 1 Nr. 2 SGB III werden als Bedarf für die Fahrtkosten die Kosten des Auszubildenden

  1. 1.

    für Fahrten zwischen Unterkunft, Ausbildungsstätte und Berufsschule (Pendelfahrten),

  2. 2.

    bei einer erforderlichen auswärtigen Unterbringung für die An- und Abreise und für eine monatliche Familienheimfahrt oder anstelle der Familienheimfahrt für eine monatliche Fahrt eines Angehörigen zum Aufenthaltsort des Auszubildenden zugrunde gelegt.

11

Die Beklagte schränkt mit ihrer Auffassung, eine auswärtige Unterbringung sei nur dann "erforderlich", wenn am Wohnort der Eltern kein Ausbildungsplatz zur Verfügung stehe, den Anwendungsbereich des §67 Abs. 1 Nr. 2 SGB III in unzulässiger Weise ein. Wenn der Gesetzgeber diese Auslegung des Begriffes "erforderlich" gewollt hätte, hätte er dies unmittelbar im Gesetz formulieren können, wie dies in §71 Abs. 2 Nr. 2 SGB III geschehen ist. Dort ist ein Freibetrag vom Einkommen der Eltern vorgesehen, "wenn die Vermittlung einer geeigneten beruflichen Ausbildungsstelle nur bei Unterbringung des Auszubildenden außerhalb des Haushalts der Eltern oder eines Elternteils möglich ist". Der Gesetzgeber hat jedoch diesen Weg nicht gewählt, sondern für die Berücksichtigung der Familienheimfahrt beim Bedarf im Rahmen der Berufsausbildungsbeihilfe lediglich die Voraussetzung der "erforderlichen auswärtigen Unterbringung" gefordert. Eine auswärtige Unterbringung ist entgegen der Ansicht der Beklagten dann erforderlich, wenn die Entfernung zwischen Ausbildungsstätte und Wohnort so weit ist, dass tägliche Pendelfahrten unzumutbar sind (so auch Fuchsloch in Gagel, SGB III, §67 Rdnr. 14). Diese Voraussetzung ist im Fall des Klägers erfüllt.

12

Der Klage war deshalb stattzugeben.

13

Die Kostenentscheidung folgt aus §193 SGG.

14

Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.

15

...