Sozialgericht Hannover
Urt. v. 19.08.2003, Az.: S 2 KR 921/00
Bibliographie
- Gericht
- SG Hannover
- Datum
- 19.08.2003
- Aktenzeichen
- S 2 KR 921/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 40045
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGHANNO:2003:0819.S2KR921.00.0A
In dem Rechtsstreit
...
Die 2. Kammer des Sozialgerichts Hannover
hat am 19. August 2003
durch die Richterin Weisbach,
und die ehrenamtlichen Richter/in
Bertram und Bohr
nach mündlicher Verhandlung für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung der während der vom 08. Mai 2000 bis 05. Juni 2000 auf N.... durchgeführten ambulanten Kur entstandenen Kosten für Anwendungen sowie den satzungsmäßigen Zuschuss.
Die 1954 geborene Klägerin, die seit dem 15. März 1999 wegen psycho-physischem Erschöpfungs- und Überforderungssyndrom und reaktiver Depression arbeitsunfähig war, beantragte am 25. April 2000 eingehend bei der Beklagten eine ambulante Kur unter Vorlage des ärztlichen Attestes von Dr. P...., Arzt für Allgemeinmedizin, vom 20. April 2000.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 26. April 2000 unter Berufung auf das Gutachten von Dr. D...., MDK, vom 11. April 2000 ab, nachdem sie zuvor eine Stellungnahme von Dr. R.... MDK, vom 26. April 2000 beigezogen hatte. Durch eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme werde die Erkrankung nicht ausreichend gebessert Vielmehr sei eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme angezeigt. Auf die Zuständigkeit der BfA wurde hingewiesen.
Mit Schreiben vom 17. Juni 2000 stellte die Klägerin einen Antrag auf Überprüfung des ablehnenden Bescheides vom 26. April 2000. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 13. Juli 2000 fest, dass der Bescheid vom 26. April 2000 nicht rechtswidrig und nicht zurück zu nehmen sei.
Den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02. November 2000 zurück.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 05. Dezember 2000 bei dem Sozialgericht Hannover erhobenen Klage. Eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in einer psychosomatischen Klinik wäre nicht erfolgversprechend gewesen. Die Klägerin beruft sich auf das bereits zur Verwaltungsakte gereichte Attest von Dr. P.... vom 11. April 2000 sowie den Kurentlassungsbericht von Dr. ... B...., Facharzt für Allgemeinmedizin/Badearzt, vom 07. Juni 2000.
Die Klägerin beantragt,
- 1.
die Bescheide der Beklagten vom 25. April 2000 und 13. Juli 2000 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 02. November 2000 aufzuheben,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten der vom 08. Mai 2000 bis 05. Juni 2000 auf N.... durchgeführten ambulanten Kur (Anwendungen und satzungsmäßiger Zuschuss) zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach den Gutachten des MDK vom 20. März 2000 und 11. April 2000 sei eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme durch den Rentenversicherungsträger notwendig gewesen. Im übrigen verweist sie auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakte und die die Klägerin betreffende beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Kostenerstattung anlässlich der vom 08. Mai 2000 bis 05. Juni 2000 durchgeführten ambulanten Kur.
Als Grundlage für den streitigen Kostenerstattungsanspruch kommt nur § 13 Abs. 3 2. Alternative SGB V in Betracht. Danach sind dem Versicherten Kosten zu erstatten, die dadurch entstehen, dass die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und sich der Versicherte deshalb die Leistung selbst beschafft. Wie sich aus § 13 Abs. 1 SGB V ergibt, tritt der Kostenerstattungsanspruch an die Stelle des Anspruch auf eine Sach- oder Dienstleistung; er besteht deshalb nur, soweit die selbstbeschaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, die von der gesetzlichen Krankenkasse als Sachleistung zu erbringen sind. Das bedeutet, ein Kostenerstattungsanspruch kann immer nur dann bestehen, wenn überhaupt ein entsprechender Sach- oder Dienstleistungsanspruch bestanden hätte. Im konkreten Fall sind die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 2. Alternative SGB V nicht erfüllt.
Ein Anspruch der Klägerin auf die von ihr durchgeführte Maßnahme hätte nach den Wortlauten der maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften nicht bestanden. Die Bewilligung einer Kur sowohl nach § 23 SGB V als auch nach § 40 SGB V steht im Ermessen der Krankenkasse.
Nach beiden Vorschriften war die Beklagte nicht verpflichtet, der Klägerin die durchgeführte ambulante Kurmaßnahme auf N.... zu gewähren.
Nach § 23 Abs. 2 SGB V kann die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Vorsorgeleistungen in anerkannten Kurorten erbringen, wenn die Leistungen nach Abs. 1 dieser Bestimmung nicht ausreichen.
Durch die Wahl des Wortes "kann" hat der Gesetzgeber der Krankenkasse einen Ermessensspielraum eingeräumt. Dieses Ermessen ist ein freies Ermessen. Ist allerdings allein die erforderliche ambulante Vorsorgeleistung in anerkannten Kurorten geeignet, um Krankheiten zu verhüten oder deren Verschlimmerung zu vermeiden (§ 23 Abs. 1 Nr. 3 SGB V), so würde die Verweigerung der Gewährung der in dieser Bestimmung genannten Behandlung allerdings einen Ermessensfehlgebrauch darstellen, so dass sich in diesen Fällen die Ermessensentscheidung faktisch zum Anspruch verdichtet. Die Voraussetzungen einer solchen "Ermessensreduzierung auf Null" lagen im hier zu entscheidenden Fall nicht vor.
Die Streitgegenständliche Kurmaßnahme entspricht einer Leistung nach § 23 Abs. 2 Satz 1 SGB V.
Die eingangs skizzierten Leistungsvoraussetzungen verneint die Kammer vor dem Hintergrund der im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten und Stellungnahmen des MDK sowie aufgrund des Antrages von Dr. P.... vom 20. April 2000. Danach war bei der Klägerin eindeutig keine ambulante Vorsorgeleistung in einem anerkannten Kurort, sondern vielmehr eine medizinische Rehabilitation bezogen auf die psychische Erkrankung der Klägerin angezeigt. So litt die Klägerin unter einem langanhaltendem depressiven Erschöpfungszustand, weswegen sie bereits seit dem 15. März 1999 arbeitsunfähig war. So empfahl Dr. H...., MDK, im Gutachten vom 23. März 2000 die Durchführung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme durch den Rentenversicherungsträger. Dr. D.... MDK, empfahl im Gutachten vom 14. April 2000 dringend die Inanspruchnahme von psychotherapeutischer Hilfe. Dr. R.... MDK, kam in ihrer Stellungnahme vom 26. April 2000 zu dem Ergebnis, dass anstelle der beantragten Maßnahme eine stationäre Rehabilitation über den Rentenversicherungsträger, möglichst psychosomatisch, zweckmäßiger und wirtschaftlicher sei. So hat auch Dr. P.... bei Kurantragsstellung vom 20. April 2000 angegeben, dass eine ambulante Kur zur Rehabilitation wegen schwerer oder chronischer Erkrankung/Behinderung angezeigt sei. Als Diagnosen wurden von ihm dabei depressive Verstimmung bei psycho-physischer Erschöpfung und Überforderung sowie Zustand nach Arthroskopie bei Gonarthrose rechts; Coxarthrose beidseits; rezidivierendes Cervicalsyndrom; Struma diff. mit linksseitigen Solitärknoten im unteren Schilddrüsenlappen angegeben. Die Kammer geht davon aus, dass die psychische Erkrankung (depressive Verstimmung bei psycho-physischer Überforderung und Erschöpfung) bei der Klägerin eindeutig im Vordergrund der Beschwerden stand, da sie deswegen bereits seit über einem Jahr arbeitsunfähig war, sich aus den Gutachten des MDK nichts Gegenteiliges ergibt, Dr. P.... im Attest vom 11. April 2000 nur auf dieses Krankheitsbild Bezug nimmt und nicht zuletzt Dr. ... B.... in seinem Entlassungsbericht vom 07. Juni 2000 auf einen psychisch sehr labilen Zustand mit depressiven Zügen bei der Klägerin hinweist. Bezogen auf dieses Krankheitsbild bestand die Notwendigkeit einer medizinischen stationären Rehabilitationsmaßnahme.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht, wie die Klägerin meint, aus dem Attest von Dr. P.... vom 11. April 2000 und dem Bericht von Dr. ... B.... vom 07. Juni 2000. Dr. P.... gibt darin lediglich wieder, dass die Klägerin sich nicht in der Lage sehe, eine stationäre Reha-Maßnahme in einer psychosomatischen Klinik durchzuführen und dass er eine ambulante Reha-Maßnahme aufgrund der zur Zeit psychischen Dekompensation mit Angstattacken und Schlafstörungen auf Nordemey für erfolgversprechend halte. Aus dem Bericht des Allgemeinmediziners und Badearztes Dr. ... B.... lässt sich entnehmen, dass keine Psychotherapie durchgeführt worden ist. Dass eine stationäre Heilbehandlung kontraproduktiv gewesen wäre, lässt sich, entgegen der Auffassung der Klägerin, den beiden vorliegenden o.g. Attesten jedoch nicht entnehmen.
Selbst wenn die Klägerin aus ihrer Sicht nicht in der Lage gewesen sein sollte, eine entsprechende stationäre Rehabilitation psychosomatischer Ausrichtung anzutreten, heißt dies nicht, dass die Beklagte die von der Klägerin durchgeführten Vorsorgekur hätte genehmigen müssen. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen. Im Hinblick auf die zu treffende Rehabilitationsprognose wäre nur eine fachgerechte psychotherapeutische Behandlung bezogen auf das bei der Klägerin im Vordergrund stehende Krankheitsbild die zweckmäßige und wirtschaftliche Leistung gewesen (vgl. § 12 Abs. 1 SGB V).
Ebenso wenig kommt eine Kostenerstattung im Hinblick auf § 40 Abs. 1 SGB V in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann die Beklagte ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111 besteht, erbringen. Weder ist die von der Klägerin durchgeführte sog. ambulante Badekur als eine Leistung gem. § 40 SGB V einzuordnen, noch bestand ein entsprechender Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V. Darüber hinaus fiele eine Erbringung der Leistungen nach § 40 Abs. 1 und 2 SGB V gem. § 40 Abs. 4 SGB V in die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers, worauf die Klägerin von der Beklagten im Bescheid vom 26. April 2000 hingewiesen worden ist. Weiterhin wurde die Klägerin von der Beklagten bereits mit Bescheid vom 27. März 2000 aufgefordert, beim Träger der gesetzlichen Rentenversicherung Rehabilitationsmaßnahmen zu beantragen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Kammer geht vorliegend davon aus, dass die Beschwer der Klägerin 500,00 € übersteigt.