Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 05.12.2006, Az.: L 7 AL 381/03
Anspruch auf Berücksichtigung eines Bedarfs für Fahrtkosten für eine monatliche Familienheimfahrt bei der Ermittlung der Höhe der Zahlung einer Berufsausbildungsbeihilfe (BAB); Anforderungen an die Berechnung der Höhe der BAB; Bedeutung des Bestehens des Erfordernisses einer auswärtigen Unterbringung; Voraussetzungen für die Annahme eines Bedarfs für Familienheimfahrten
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 05.12.2006
- Aktenzeichen
- L 7 AL 381/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 34629
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2006:1205.L7AL381.03.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 59 SGB III
- § 67 Abs. 1 Nr. 2 SGB III
- § 71 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB III
- § 83 Abs. 1 Nr. 2 SGB III
- § 88 Abs. 1 Nr. 2 SGB III
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Beim Bedarf des auswärtig untergebrachten Auszubildenden im Rahmen der Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) sind die Kosten für die monatliche Familienheimfahrt zu den Eltern zu berücksichtigen, wenn die Entfernung zwischen der Ausbildungsstätte und dem Familienwohnort so groß ist, dass tägliche Pendelfahrten unzumutbar sind. Unerheblich ist, ob am Wohnort der Eltern ein entsprechender Ausbildungsplatz zur Verfügung steht und ob der Auszubildende seinen Wohnsitz bereits vor Beginn der Ausbildung am Ausbildungsort begründet hat.
- 2.
Hinsichtlich der Zumutbarkeit der Pendelzeiten kann auf die in § 121 Abs. 4 SGB III festgelegten Zeiten zurückgegriffen werden.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Im Streit ist die Zahlung einer höheren Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) ab 1. November 2000.
Der am 6. Oktober 1981 geborene Kläger absolvierte ausweislich eines am 16. August 1999 geschlossenen Berufsausbildungsvertrages bei der Firma D. Elektrontechnik in E. in der Zeit vom 16. August 1999 bis zum 15. Februar 2003 eine Ausbildung zum Elektroinstallateur. Am 8. November 1999 beantragte er bei der Beklagten (Arbeitsamt F. die Bewilligung von BAB. Ausweislich des Antrags und der weiteren Unterlagen hatte er seit dem 1. Mai 1999 eine eigene Wohnung unter der Anschrift G. in E. angemietet. Seine Eltern wohnten bis Anfang 1999 in E., danach verzogen sie nach H ... In den bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen BEWA-Ausdrucken der Beklagten ist für den Vater eine Leistungsbeendigung wegen Umzugs zum 31. Januar 1999 vermerkt. Der Vater erhielt ab 1. Februar 1999 und die Mutter nach Ablauf einer Sperrzeit ab dem 23. Februar 1999 Arbeitslosengeld durch das für Friedrichshafen zuständige Arbeitsamt I. bewilligt.
Mit Bescheid vom 10. Mai 2000 bewilligte die Beklagte dem Kläger unter Anrechnung seines eigenen Ausbildungseinkommens und unter Anrechnung des Einkommens seiner Eltern für den Zeitraum vom 1. November 1999 bis zum 31. Oktober 2000 BAB in Höhe von 228,00 DM monatlich. Mit seinem dagegen erhobenen Widerspruch vom 14. Juni 2000 machte der Kläger geltend, dass die Beklagte bei der Leistungsberechnung keine monatliche Familienheimfahrt zu seinen Eltern nach H. als Bedarf berücksichtigt habe. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 22. Juni 2000 zurück. Eine monatliche Familienheimfahrt sei nur zu berücksichtigen, wenn die auswärtige Unterbringung erforderlich sei. Dies könne nur dann angenommen werden, wenn am Wohnort der Eltern ein entsprechender Ausbildungsplatz nicht zur Verfügung stehe, was vorliegend nicht der Fall sei.
Der Kläger hat am 27. Juni 2000 Klage beim Sozialgericht (SG) Hannover erhoben. Zur Begründung hat er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und darüber hinaus ausgeführt, dass er sich vergeblich bemüht habe, einen Ausbildungsplatz als Elektroinstallateur in H. zu finden. Auch seien der Leistungsberechnung höhere Kosten für die Fahrten zur Berufsschule zugrunde zu legen, weil er dafür seinen eigenen PKW benutze. Für die monatliche Familienheimfahrt hat er einen Betrag von 682,00 DM geltend gemacht.
Mit Änderungsbescheid vom 19. September 2000 hat die Beklagte dem Kläger rückwirkend von Beginn des Bewilligungszeitraums an BAB in Höhe von 286,00 DM monatlich zuerkannt und bei der zugrunde liegenden Berechnung die Kosten der PKW-Benutzung für die Fahrten zur Berufsschule angesetzt.
Mit Urteil vom 7. Juli 2003 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 10. Mai 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2000 und des Änderungsbescheids vom 19. September 2000 verurteilt, dem Kläger gemäß seinem Antrag in der mündlichen Verhandlung ab 1. November 2000 höhere BAB unter Berücksichtigung einer monatlichen Familienheimfahrt zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Berechnung ein Bedarf für eine monatliche Familienheimfahrt zugrunde zu legen sei. Von der dafür vorausgesetzten erforderlichen auswärtigen Unterbringung des Auszubildenden sei bereits dann auszugehen, wenn die Entfernung zwischen der Ausbildungsstätte und dem Wohnort des Auszubildenden so groß sei, dass dem Auszubildenden tägliche Pendelfahrten nicht zumutbar seien.
Gegen das ihr am 12. August 2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12. September 2003 Berufung eingelegt.
Sie tritt der Rechtsauffassung des SG Hannover entgegen und ist der Ansicht, dass eine Erforderlichkeit der auswärtigen Unterbringung nicht schon dann gegeben sei, wenn dem Auszubildenden tägliche Pendelfahrten aufgrund der Entfernung zwischen Wohnung und Ausbildungsstätte nicht zumutbar seien, sondern erst dann, wenn eine entsprechende Ausbildung am Wohnort der Eltern nicht durchgeführt werden könne. Dies sei hier nicht der Fall. Nach der schriftlichen Stellungnahme der Berufsberatung des für H. zuständigen Arbeitsamtes I. vom 26. Juli 2000 seien dort im August 1999 42 Ausbildungsstellen für Elektroinstallateure gemeldet gewesen, von denen zum 30. September 1999 22 noch nicht besetzt gewesen seien. ImÜbrigen könne bereits deshalb nicht von einer auswärtigen Unterbringung ausgegangen werden, weil die Eltern den Kläger nicht in ihren Haushalt in H. aufgenommen hätten. Sein Wohnsitz habe sich schon vor Beginn der Ausbildung in E. befunden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 7. Juli 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat sich zu der Berufung nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 5. Dezember 2006 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Streitgegenstand des Verfahrens ist die Bewilligung höherer BAB vom 1. November 2000 bis zum 15. Februar 2003 (Bescheide der Beklagten vom 18.01.2001 und vom 15.03.2002). Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem SG Hannover am 7. Juli 2003 die Abänderung des Bescheids der Beklagten vom 10. Mai 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2000 und desÄnderungsbescheids vom 19. September 2000 beantragt, die den Bewilligungszeitraum vom 1. November 1999 bis zum 31. Oktober 2000 betreffen. Gleichwohl sind die später von der Beklagten erlassenen Bescheide vom 14. Februar 2001 und vom 15. März 2002 (und damit der Bewilligungszeitraum ab dem 1. November 2000 bis zum 15. Februar 2003) nach § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - Gegenstand des Verfahrens geworden. Zwar sind die ursprünglich angegriffenen Bescheide durch die nach Klageerhebung ergangenen nicht abgeändert oder ersetzt worden; jedoch ist eine Einbeziehung dieser Bescheide analog § 96 SGG geboten. Maßgebend dafür ist die Überlegung, dass § 96 SGG im Sinn einer "sinnvollen Prozessökonomie" beziehungsweise eines schnellen und zweckmäßigen Verfahrens dann entsprechend anzuwenden ist, wenn die ursprünglichen Bescheide abgeändert oder ersetzt werden, der spätere Bescheid aber im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses ergeht und ein streitiges Rechtsverhältnis regelt, das "im Kern" dieselbe Rechtsfrage betrifft und sich an den durch die ursprünglichen Bescheide erfassten Zeitraum anschließt (vgl. BSG, Urteil vom 17.11.2005 - B 11a/11 AL 57/04 R - m.w.N.). Vorliegend geht es um die Bewilligung von BAB im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses, nämlich für die Dauer der vom Kläger in der Zeit vom 16. August 1999 bis zum 15. Februar 2003 absolvierten Ausbildung zum Elektroinstallateur. Entscheidend ist dabei, dass sich die streitgegenständliche Frage der Bemessung der Höhe der BAB in den unterschiedlichen Bewilligungsabschnitten nach der im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum gleichlautenden Vorschrift des § 67 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - Arbeitsförderung - SGB III - (i.d.F. des Art. 1 des Gesetzes vom 24.03.1997, BGBl. I, S. 594) richtet und im gesamten Zeitraum die maßgeblichen Tatsachengrundlagen nicht verschieden sind. Die Einbeziehung der Folgebescheide entsprechend § 96 SGG erfolgt unabhängig vom Willen der Beteiligten (vgl. BSG, a.a.O.).
Nicht Gegenstand des Verfahrens ist jedoch der mit dem ursprünglich angegriffenen Bescheid vom 10. Mai 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2000 und des Änderungsbescheids vom 19. September 2000 geregelte Bewilligungszeitraum vom 1. November 1999 bis zum 31. Oktober 2000. Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem SG Hannover am 7. Juli 2003 die Abänderung der diesen Zeitraum regelnden Bescheide beantragt; er hat jedoch sein Leistungsbegehren auf den Zeitraum "seit dem 1. November 2000" beschränkt. Damit hat er im Rahmen seiner allgemeinen Dispositionsbefugnisüber den Klagegegenstand verfügt und diesen dergestalt eingeschränkt, dass er sich nicht mehr auf den vorhergehenden Zeitraum erstreckt (vgl. BSG, a.a.O.).
Die den so zu verstehenden Streitgegenstand betreffende Berufung der Beklagten ist gemäß § 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 151 Abs. 1 SGG zulässig aber unbegründet.
Die Beklagte hat bei der Bewilligung der BAB nach § 59 SGB III zu Unrecht keinen Bedarf für Fahrtkosten für eine monatliche Familienheimfahrt im Sinne des § 67 Abs. 1 Nr. 2 SGB III zugrunde gelegt.
Bei der Berechnung der Höhe der BAB hat nach §§ 65 ff SGB III zunächst eine Bedarfsermittlung zu erfolgen. Auf den ermittelten Bedarf sind dann nach Maßgabe des § 71 SGB III das Einkommen des Auszubildenden, seines nicht dauernd von ihm getrennt lebenden Ehegatten und seiner Eltern anzurechnen. Als Bedarf sind u. a. nach § 67 Abs. 1 Nr. 2 SGB III bei einer erforderlichen auswärtigen Unterbringung die Kosten des Auszubildenden für eine monatliche Familienheimfahrt oder die Kosten eines Angehörigen für eine monatliche Fahrt zum Aufenthaltsort des Auszubildenden anzunehmen. Voraussetzung ist somit, dass das Erfordernis einer auswärtigen Unterbringung besteht. Ein solches Erfordernis besteht entgegen der Beklagten jedoch bereits dann, wenn die Entfernung zwischen der Ausbildungsstätte und dem Familienwohnort so groß ist, dass tägliche Pendelfahrten unzumutbar sind (vgl. Gagel, SGB III, 27. Erglfg., Juni 06, § 67 Rdnr. 15; Hauck/Noftz, SGB III, 7./06 Erglfg. Oktober 06, § 67 Rdnr. 6; GK-SGB III, 98. Erglfg. November 05, § 67 Rdnr. 7; Hennig in Eicher/Schlegel, SGB III, 70. Erglfg. Oktober 06, § 67 Rdnr. 8; Niesel, SGB III, 2. Auflage 2002, § 67 Rdnr. 3; vgl. auch LSG Nds.-HB, Beschluss vom 17.04.2001 - L 7 B 31/01 AL -). Dieses Ergebnis wird bei systematischer Betrachtung der Vorschriften über die Berufsausbildungsbeihilfe - hier bei einem Vergleich mit § 71 Abs. 2 Nr. 2 SGB III - bestätigt. Diese Vorschrift regelt Voraussetzungen für einen zusätzlichen Freibetrag vom anzurechnenden Einkommen der Eltern oder des Ehegatten des Auszubildenden. Ein solcher Freibetrag ist nach dem Wortlaut der Vorschrift dann zu gewähren, wenn die Vermittlung einer geeigneten beruflichen Ausbildungsstelle "nur" bei einer auswärtigen Unterbringung des Auszubildenden möglich ist. Eine derartige, durch das Wort "nur" bedingte Einschränkung enthält § 67 Abs. 1 Nr. 2 SGB III nicht. Hätte der Gesetzgeber auch bei den Familienheimfahrten eine derartige Einschränkung gewollt, so hätte eine vergleichbare Formulierung gewählt werden müssen (vgl. Gagel, a.a.O., § 82 Rdnr. 4).
Auch der Vergleich mit den Vorschriften über die Förderung der beruflichen Weiterbildung (§§ 77 ff SGB III) stützt das gefundene Ergebnis. Als Rechtsgrundlage sind für den Zeitraum bis zum 31.12.2002 einschlägig§ 88 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 83 Abs. 1 Nr. 2 SGB III (jeweils in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes vom 24.03.1997, BGBl. I, S. 594) und ab dem 1. Januar 2003 inhaltsgleich § 81 Abs. 1 Nr. 2 SGB III (i.d.F. d. Art. 1 Nr. 14 des Gesetzes vom 23.12.2001, BGBl. I, S. 4607). Auch nach diesen Vorschriften war es ausreichend, dass tägliche Pendelfahrten unzumutbar sind. Nicht gefordert wurde, dass im Rahmen der beruflichen Weiterbildung eine entsprechende Maßnahme nicht wohnortnah durchgeführt werden konnte (vgl. Gagel, a.a.O., § 81 Rdnr. 16;§ 82 Rdnr. 2 ff, 11 ff).
Bestätigt wird die hier vertretene Ansicht ferner bei der Betrachtung der Funktionen der Ausbildungsförderung. Ziel der staatlichen Ausbildungsförderung ist u. a., aus arbeits- und berufsbildungspolitischen Gründen die Mobilität von Auszubildenden bei der betrieblichen Berufsausbildung zu stärken, um dadurch ggf. regional unterschiedliche Ausbildungsplatzangebote ausschöpfen zu können. Es sollen damit u. a. Anreize geschaffen werden, sich zum Zweck der Ausbildung aus dem familiären Verbund herauszulösen (vgl. BT-Drs. 13/4911). Wenn der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang die Möglichkeit der Übernahme von Kosten für monatliche Familienheimfahrten schafft, kann er gleichwohl nur einen Schutz des Familienverbandes bezwecken wollen, indem er eine finanzielle Erleichterung zur Aufrechterhaltung der familiären Beziehungen vorsieht. Diese Zielsetzung verbietet es jedoch, Kosten für Familienheimfahrten nur unter der von der Beklagten angenommenen einschränkenden Voraussetzung, dass eine entsprechende Ausbildung wohnortnah nicht möglich ist, zu gewähren.
Dieses Ergebnis wird nicht infrage gestellt durch die Entwicklungsgeschichte der Norm. Sie führt inhaltlich das vor Inkrafttreten des SGB III am 01.01.1998 auf der Grundlage der §§ 39, 40 Arbeitsförderungsgesetz - AFG - anzuwendenden Anordnungsrecht, hier den § 13 Nr. 2 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung - A-Ausbildung - vom 31.10.1969 (ANBA 1970, S. 85 i. d. F. der 21. Änderungs-anordnung zur A-Ausbildung vom 16.03.1982, ANBA, S. 551) fort (vgl. die Gesetzesmaterialien zum SGB III, BT-Drucks. 13/4941). Danach war ein Bedarf für Familienheimfahrten anzunehmen, wenn der Auszubildende "wegen seiner Ausbildung" auswärts untergebracht war. Auch der Wortlaut dieser Bestimmung stützt nicht die Auffassung der Beklagten. Zu einer anderen Wertung in diesem Zusammenhang zwingt auch nicht das Urteil des BSG vom 28.11.1985 (- 11b/7 RAr 103/84 -). Das BSG hat zu den Vorläufervorschriften entschieden, dass es darauf ankommt, ob die Ausbildung in generell geeigneter Art und Weise überhaupt am Wohnort der Eltern möglich ist. Konnte eine geeignete Berufsausbildung nur bei einer Unterbringung des Auszubildenden außerhalb des Haushalts der Eltern aufgenommen werden, war ein Freibetrag nach § 16 Abs. 4 Nr. 1 A-Ausbildung (entsprechend § 71 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB III) zu gewähren. Das BSG hat dann ausgeführt, dass in diesem Fall auch die Kosten für eine monatliche Familienheimfahrt anzuerkennen seien (im Ergebnis für das SGB III auch LSG Sachsen, Beschluss vom 19.04.2006 - L 1 B 142/05 AL - ER). Der Wortlaut der Vorläuferrechts zwingt jedoch - wie dargelegt - nicht zu dieser Sichtweise.
Entgegen der Beklagten kommt es darüber hinaus für die Anerkennung eines Bedarfs für Familienheimfahrten nicht darauf an, dass der Kläger seinen Wohnsitz bereits vor Beginn der Ausbildung am 16. August 1999 am Ausbildungsort begründet hatte. Es ist nicht vorausgesetzt, dass durch die Aufnahme der Ausbildung ein Wohnsitzwechsel verursacht wird (vgl. LSG Berlin, Urteil vom 25.06.2004 - L 10 AL 55/03 -; a. A.: LSG Sachsen, Beschluss vom 19.04.2006 - N 1b 142/05 AL - ER -; Gagel, a.a.O., Rdnr. 15). Dies ist bereits nach dem Wortlaut des § 67 Abs. 1 Nr. 2 SGB III nicht notwendig, der lediglich von einer erforderlichen auswärtigen Unterbringung, nicht jedoch von einem durch die Aufnahme der Ausbildung erforderlichen Wohnsitzwechsel ausgeht. Darüber hinaus ist hier zu berücksichtigen, dass die Eltern des Klägers kurz vor Aufnahme seiner Lehre vom Ausbildungsort weggezogen sind. Unter Betrachtung der dargelegten Zielsetzung der Ausbildungsförderung kann es keinen Unterschied machen, ob der Auszubildende den elterlichen Haushalt verlässt oder ob sich eine Trennung dadurch ergibt, dass die Eltern den bisherigen Wohnort aufgeben und ihren Wohnsitz verlegen. Ein sachliches Kriterium für eine solche Differenzierung bei der Leistungsgewährung ist nicht erkenntlich. Auch ist der Kläger nach der Ausbildung in den Familienverband zurückgekehrt; nach den vorhandenen Stammdaten hatte er im August 2003 seinen Wohnsitz wieder bei den Eltern in H. begründet.
Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht somit das Erfordernis einer auswärtigen Unterbringung nicht erst dann, wenn der Auszubildende am Familienwohnort keine entsprechende Ausbildung erhalten kann. Es reicht insoweit aus, wenn ihm nicht zuzumuten ist, zwischen Wohn- und Ausbildungsort zu pendeln. Zur Ermittlung der Zumutbarkeit kann als Obergrenze auf die in § 121 Abs. 4 SGB III festgelegten Zeiten zurückgegriffen werden. Zumutbar sind demnach Pendelzeiten von bis zu zwei Stunden bei einer täglichen Arbeitszeit von sechs Stunden und weniger und Pendelzeiten bis zu zweieinhalb Stunden bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden. Da die Entfernung zwischen der Ausbildungsstätte des Klägers in E. und der Wohnung seiner Eltern in J. über 621 Km betrug und für eine einfache Fahrt über sieben Stunden Fahrtzeit anzusetzen sind (www.map24.com), waren dem Kläger tägliche Pendelfahrten unzumutbar. Kosten für Familienheimfahrten sind daher als Bedarf bei der Berechnung der BAB anzuerkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Die Zulassung der Revision erfolgt nach § 160 Abs. 2 SGG.