Sozialgericht Hannover
Urt. v. 10.06.2003, Az.: S 44 KR 731/02
Bibliographie
- Gericht
- SG Hannover
- Datum
- 10.06.2003
- Aktenzeichen
- S 44 KR 731/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 40040
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGHANNO:2003:0610.S44KR731.02.0A
In dem Rechtsstreit
...
Klägerin,
Prozessbevollmächtigte: ...
Deutsche Angestellten-Krankenkasse, vertr. d. d. Vorstand, Nagelsweg 27-35, 20097 Hamburg,
Beklagte,
hat das Sozialgericht Hannover - 44. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juni 2003 durch die Vorsitzende, Richterin Karger, und die ehrenamtlichen Richter Rust und Thümler für Recht erkannt:
Tenor:
Der Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. September 2002 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 920,33 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4% seit dem 28. September 2002 zu zahlen.
Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin sind von der Beklagten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Fahrkosten.
Die Klägerin ist die Tochter des am 18. Dezember 2001 verstorbenen und zuvor bei der Beklagten krankenversicherten Herrn ... N. (im Folgenden Versicherter genannt). Dieser wurde in der Zeit vom 25. Juni bis zum 26. Juli 2001 in der Klinik Dr. B. in ... K. stationär behandelt. Bis zur Aufnahme in das Krankenhaus hatte der Versicherte seinen Wohnsitz in einem Pflegeheim in ... K.. Noch während des Klinikaufenthalts wurde er einwohnermelderechtlich in ... K. abgemeldet und sein Wohnsitz zum 18. Juli 2001 in ein Pflegeheim am Wohnort der Klägerin in H. verlegt. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus am 26. Juli 2001 begab sich der Versicherte dementsprechend nicht in das Pflegeheim in ... K. zurück, sondern wurde mit einem Liegendtransport nach H. verbracht. Für den Krankentransport über etwa 620 km entstanden Kosten in Höhe von insgesamt 2.200,- DM, die die Beklagte gegenüber dem Krankentransportunternehmen in Höhe von 400,- DM abzüglich des Eigenanteils des Versicherten von 25,- DM übernahm. Den Antrag der Klägerin auf Erstattung des ihr in Rechnung gestellten Restbetrages von 1.800,- DM (920,33 €) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. Januar 2002 mit der Begründung ab, dass Versicherte, denen nach einem Krankenhausaufenthalt die Rückkehr an ihren Wohnort nicht möglich ist, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Vermeidung unverhältnismäßig hoher Fahrkosten gehalten seien, sich die für sie notwendige Unterkunft und Pflege in der näheren Umgebung ihres bisherigen Wohnortes zu suchen und dementsprechend die Kosten eines in diesem Zusammenhang anfallenden Krankentransports nur für eine Entfernung von etwa 100 km übernommen werden könnten.
Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 17. Januar 2002 Widerspruch, zu dessen Begründung sie ausführte, die Kosten des Krankentransports müssten bereits deshalb in voller Höhe übernommen werden, weil eine Rückkehr ihres Vaters in das Pflegeheim in ... K. wegen des schon längere Zeit vor dem unfallbedingten Krankenhausaufenthalt geplanten Umzugs nach H. nicht mehr möglich gewesen sei. Im Übrigen sei ihr die Kostenübernahme von einer Mitarbeiterin der Beklagten in H. zugesagt worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 05. September 2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Bei einer Verlegung des Wohnsitzes handele es sich um einen privaten Umstand, der nicht zu einer Kostenbeteiligung der Krankenkasse über den bislang übernommenen Betrag führen könne.
Die Klägerin hat am 28. September 2002 Klage erhoben. Zur Begründung hebt sie nochmals hervor, dass ihr Vater seinen Wohnsitz bei der Entlassung aus dem Krankenhaus bereits in H. gehabt habe. Da die Beklagte verpflichtet sei, die Kosten des Rücktransports eines Versicherten von der Klinik zu seinem Wohnort zu übernehmen, müssten auch die Kosten des Transports ihres Vaters nach H. in vollem Umfang übernommen werden. Im Übrigen wiederholt sie ihr Vorbringen, eine Mitarbeiterin der Beklagten in H. habe ihr mündlich zugesagt, dass die Fahrkosten wegen des zwischenzeitlichen Wohnortwechsels in vollem Umfang übernommen würden.
Die Klägerin beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. September 2002 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 920,33 € nebst Zinsen in Höhe von 4 % seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet die Erteilung einer mündlichen Kostenzusage und hält an ihrer bisherigen Rechtsauffassung fest.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat gem. § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) V Anspruch auf die Übernahme der für den Krankentransport ihres Vaters entstandenen Kosten durch die Beklagte.
Nach dem Tode des Versicherten ist die Klägerin als Tochter alleinige Erbin und Rechtsinhaberin des verfolgten Anspruchs geworden. Eine vorrangige Sonderrechtsnachfolge nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB I kommt nicht in Betracht, da die Klageforderung keine laufende Geldleistung betrifft. Mit dem Tode des Versicherten ist der Anspruch auf die Übernahme der Fahrkosten auch nicht erloschen. Ansprüche auf Geldleistungen erlöschen nach § 59 Satz 2 SGB I nur, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist. Wie sich aus der Verwaltungsakte der Beklagten mit dem ersten Schreiben der Klägerin vom August 2001, den ihr zur Kenntnis übersandten Schreiben der Beklagten an das Transportunternehmen vom November 2001 sowie zwei Telefonvermerken vom September 2001 ergibt, war im Zeitpunkt des Todes des Versicherten am 18. Dezember 2001 bereits ein Verwaltungsverfahren wegen der Übernahme der Transportkosten anhängig.
Nach § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 SGB V in der bei Durchführung des Krankentransports am 26. Juli 2001 geltenden Fassung übernimmt die Krankenkasse Transportkosten in Höhe des 25,00 DM je Fahrt übersteigenden Betrages, wenn der Transport im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse, die stationär erbracht wird, notwendig ist. In diesem Sinne notwendig sind alle Fahrten, die zur Inanspruchnahme der Leistung oder zum Erreichen des Behandlungsziels unvermeidbar sind. Neben dem Transport vom jeweiligen Aufenthaltsort zur nächsterreichbaren Behandlungsstätte zählt dazu auch der Rücktransport zur Wohnung des Versicherten (vgl. Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, Stand: Januar 2003, § 60 Rdnr. 7; BSG, Urteil vom 09.02.1983 - 5 a RKn 24/81 - BSGE 54, 279, 280).
Wohnort des Versicherten, der bei der Entlassung aus dem Krankenhaus von der Beklagten unangegriffen eines Krankentransports bedurfte, war bei Beendigung der stationären Behandlung H. Dementsprechend ist die Beklagte verpflichtet, die Kosten für den Liegendtransport nach H. in vollem Umfang zu übernehmen. Auf den Wohnort des Versicherten bei der Aufnahme in das Krankenhaus kann entgegen der Auffassung der Beklagten nicht abgestellt werden, da dieser im Entlassungszeitpunkt nicht mehr bestand und dem Versicherten eine Rückkehr dorthin mithin nicht mehr möglich war.
Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) aus dem Jahre 1975 (Urteil vom 25.06.1975 - 5 RKn 50/74 - BSGE 40, 88) in ihrem Bescheid vom 14. Januar 2002 ausführt, dass Versicherte, denen nach einem Krankenhausaufenthalt die Rückkehr an ihren Wohnort nicht möglich ist, zur Vermeidung unverhältnismäßig hoher Fahrkosten gehalten seien, sich die für sie notwendige Unterkunft und Pflege in der näheren Umgebung ihres bisherigen Wohnortes zu suchen und dementsprechend die Kosten für den Krankentransport des Vaters der Klägerin nur für eine Entfernung von etwa 100 Kilometer übernommen werden könnten, kann dem nicht gefolgt werden. Die Entscheidung des BSG ist vorliegend nicht anwendbar. Der vom BSG entschiedene Sachverhalt betrifft einen Transport bei Entlassung aus dem Krankenhaus an einen anderen Ort als den Wohnort des Versicherten, weil diesem die Rückkehr in die eigene Wohnung vorübergehend nicht möglich war (vgl. auch Krauskopf, § 60 Rdnr. 7). Demgegenüber wurde der Vater der Klägerin an seinen bei Entlassung aus dem Krankenhaus in einem Pflegeheim in H. bestehenden Wohnsitz und nicht an einen anderen Ort als den Wohnort gebracht. Eine Beschränkung des Anspruchs des Versicherten auf Übernahme der Fahrkosten auf eine bestimmte Entfernung vom Behandlungsort besteht insofern nicht. Im Verhältnis zur Hauptleistung der stationären Behandlung, die für den mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt des Vaters der Klägerin Kosten in Höhe von 13.793,48 DM verursacht hat, bleibt bei Fahrkosten von insgesamt 1.800,00 DM auch der Charakter der Transportleistung als Nebenleistung gewahrt.
Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin und ihr Vater bei der Wohnsitzverlegung gezielt zum Nachteil der Beklagten gehandelt hätten, sind für die Kammer nicht erkennbar.
Der Zinsanspruch folgt aus § 44 SGB I.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.