Sozialgericht Hannover
Urt. v. 10.06.2003, Az.: S 44 KR 811/02
Bibliographie
- Gericht
- SG Hannover
- Datum
- 10.06.2003
- Aktenzeichen
- S 44 KR 811/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 40041
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGHANNO:2003:0610.S44KR811.02.0A
In dem Rechtsstreit
... Klägerin,
gegen
Deutsche Angestellten-Krankenkasse, vertr. d. d. Vorstand, Nagelsweg 27-35, 20097 Hamburg, Beklagte,
hat das Sozialgericht Hannover - 44. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juni 2003 durch die Vorsitzende, Richterin Karger, und die ehrenamtlichen Richter Rust und Thümler für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten für die Durchführung einer Positronen-Emissions-Tomographie (PET).
Die im Jahre 1948 geborene Klägerin leidet unter Morbus Hodgkin, einer Erkrankung, die sich im Auftreten bösartiger Veränderungen des lymphatischen Gewebes äußert. Seit Herbst 2001 traten bei ihr starke Schmerzzustände und 14-tägige Fieberschübe sowie ein Gewichtsverlust von etwa 10 kg auf. Die ärztlichen Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen erbrachten weder eine Linderung der Beschwerden noch eine Erklärung für die Verschlechterung ihres Gesundheitszustands bei zu diesem Zeitpunkt bereits bekanntem Morbus Hodgkin.
Mit einer Bescheinigung ihres behandelnden Facharztes für Innere Medizin Dr. M. beantragte die Klägerin im Mai 2002 die Erteilung einer Kostenübernahmeerklärung für die Durchführung einer PET. Bei der PET handelt es sich um ein nicht invasives, bildgebendes Verfahren, bei dem unter Einsatz einer radioaktiven Trägersubstanz anhand von Schnittbildern unter anderem Aussagen über die regionale Gewebsdurchblutung getroffen werden können.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 15. Mai 2002 ab, da es sich bei der PET um eine neue Untersuchungsmethode handele, die nach der Entscheidung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen in der vertragsärztlichen Versorgung mangels ausreichenden Wirksamkeitsnachweises nicht erbracht und von den Krankenkassen dementsprechend nicht gewährt werden dürfe.
Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 17. Juni 2002 Widerspruch und ließ am 04. Juli 2002 die PET durchführen, für die ihr Kosten in Höhe von 745,20 Euro entstanden. Zur Begründung ihres Widerspruchs führte sie aus, dass sich bei der PET Untersuchungsergebnisse ergeben hätten, die mit allen zuvor durchgeführten Untersuchungen nicht feststellbar gewesen seien und aufgrund derer nunmehr die weitere Behandlung geplant werden könne.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2002 als unbegründet zurück. Die Klägerin hat am 16. Oktober 2002 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin habe aufgrund von Literaturdaten aus den Jahren 1997 bis 1999 eine Indikationsliste erarbeitet, nach der ein klinischer Nutzen der PET zur Untersuchung bei Morbus Hodgkin wahrscheinlich sei. Ein Verfahren, das nach dem Stand der Wissenschaft mit großer Wahrscheinlichkeit erfolgreich sei, dürfe Versicherten aber insbesondere dann nicht vorenthalten werden, wenn mit konventionellen Untersuchungsmethoden keine Befunde erhoben werden könnten.
Die Klägerin beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom 15. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2002 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verurteilen, ihr die für die Durchführung der Positronen-Emissions-Tomographie am 04. Juli 2002 entstandenen Kosten in Höhe von 745,20 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt sie auf die angefochtenen Bescheide Bezug. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet.
Die Klägerin hat gem. §13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch (SGB) V keinen Anspruch auf Erstattung der ihr für die Durchführung der PET am 04. Juli 2002 entstandenen Kosten, denn die PET fällt als neue Untersuchungsmethode nicht in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung.
Gem. §27 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §2 Abs. 1 Satz 3 und §12 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Maßnahmen zur Krankenbehandlung, die medizinisch notwendig und wirtschaftlich sind, um eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse unter Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts entspricht.
Die Feststellung, dass eine ambulante vertragsärztliche Untersuchung oder Behandlung dem geforderten Versorgungsstandard entspricht, obliegt gem. §135 Abs. 1 Satz 1 SGB V dem Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen. Nach dieser Vorschrift dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenversicherung nur erbracht werden, wenn der Bundesausschuss in Richtlinien nach §92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen unter anderem über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben hat.
Bei den Richtlinien des Bundesausschusses handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) um untergesetzliche Rechtsnormen, die den dem Versicherten von seiner gesetzlichen Krankenkasse geschuldeten Umfang der ambulanten Leistungen verbindlich festlegen (BSG, Urteil vom 28.03.2000 - B 1 KR 11/98 R - SozR 3-2500 §135 Nr. 14 m.w.N.).
Die streitgegenständliche PET ist eine neue Untersuchungsmethode i.S.d. §135 SGB V, denn sie kann nicht nach den Positionen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für vertragsärztliche Leistungen abgerechnet werden und ist damit bislang nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung (vgl. dazu Nr. 2.1 der Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden - BUB-Richtlinien -). Mit Beschluss vom 26. Februar 2002 hat der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen entschieden, dass die PET nicht als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen erbracht werden darf (Nr. 39 der Anlage B der BUB-Richtlinien).
Die Ablehnung durch den Bundesausschuss hat nach §135 Abs. 1 SGB V zur Folge, dass die PET von den gesetzlichen Krankenkassen als Sachleistung nicht gewährt werden darf. Damit ist zugleich ein Kostenerstattungsanspruch für eine vom Versicherten auf eigene Kosten durchgeführte Untersuchung ausgeschlossen (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 19. Februar 2003 - B 1 KR 18/01 R -). Die Prüfung, ob eine neue Untersuchungsmethode dem in § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V geforderten Versorgungsstandard entspricht, ist für den Bereich der ambulanten Versorgung einheitlich dem Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen als sachkundigem Gremium übertragen, um eine gleichmäßige Praxis der Leistungsgewährung zu erreichen. Bei seinen Entscheidungen hat der Bundesausschuss nicht selbst über den medizinischen Nutzen einer neuen Methode zu urteilen, sondern sich einen Überblick über die veröffentlichte Literatur und die Meinung der einschlägigen Fachkreise zu verschaffen und danach festzustellen, ob ein durch wissenschaftliche Studien hinreichend untermauerter Konsens über die Qualität und Wirksamkeit der in Rede stehenden Methode besteht.
Die BUB-Richtlinien mit der darin enthaltenen Verfahrensordnung tragen dieser Aufgabenstellung Rechnung, indem sie im Einzelnen regeln, welche Unterlagen für die Überprüfung heranzuziehen sind, nach welchen Kriterien die Bewertung zu erfolgen hat und welche Voraussetzungen für eine Anerkennung der Methode erfüllt sein müssen (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2003, a.a.O.). Entsprechend des zusammenfassenden Berichts des Arbeitsausschusses "Ärztliche Behandlung" vom 23. Mai 2002 hat der Bundesausschuss bei der Entscheidung zur PET unter anderem auch die von der Klägerin angeführten Indikationen und Bewertungen aus den Konsensuskonferenzen und Positionspapieren der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin (Konsensus Onko-PET 1997 und 2000) berücksichtigt.
Dennoch konnte der Bundesausschuss im Ergebnis keinen additiven oder substitutiven Nutzen der PET im Vergleich zu Methoden, die Bestandteil der ambulanten Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung sind, feststellen. An diese in einem ordnungsgemäßen Verfahren getroffene Entscheidung des Bundesausschusses ist das Gericht nach der Rechtsprechung des BSG gebunden. Eine weitergehende inhaltliche Überprüfung der Wirksamkeit der PET steht ihm nicht zu (BSG, Urteil vom 19.02.2003, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf §193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz. Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.