Sozialgericht Oldenburg
Urt. v. 05.09.2003, Az.: S 63 KR 77/02
Bibliographie
- Gericht
- SG Oldenburg
- Datum
- 05.09.2003
- Aktenzeichen
- S 63 KR 77/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 40208
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGOLDBG:2003:0905.S63KR77.02.0A
In dem Rechtsstreit
...
hat das Sozialgericht Oldenburg - 63. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom
5. September 2003 durch
die Richterin am Sozialgericht Lücking
sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Sabine Dinstbier-Juist und Jutta Bergmann
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Bescheid vom 24. Oktober 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07. März 2002 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten für eine Ernährungspumpe antragsgemäß zu übernehmen.
Die Beklagte hat dem Kläger die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist die Übernahme der Kosten für eine Ernährungspumpe.
Der im Jahre 1943 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Bei ihm besteht ein apallisches Syndrom aufgrund eines hypoxischen Hirnschadens nach Reanimation. Er ist u.a. mit einem Tracheostoma versorgt. Der Kläger bezieht Leistungen der Sozialen Pflegeversicherung nach Pflegestufe III (Härtefall). Er lebt seit September 2001 vollstationär in einem Pflegeheim. Seine Ehefrau ist zur Betreuerin bestellt worden.
Am 17. Oktober 2001 verordnete der behandelnde Arzt dem Kläger eine Ernährungspumpe zur Verabreichung von Sondennahrung. Den entsprechenden Antrag auf Kostenübernahme lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24. Oktober 2001 ab mit der Begründung, die Gesetzliche Krankenversicherung habe nur solche Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die nicht der Sphäre des Pflegeheims zuzurechnen seien. Die hier in Rede stehende Ernährungspumpe sei jedoch kein Hilfsmittel, das individuell für den Kläger angepaßt werden müsse oder grundsätzlich nur von ihm verwendbar sei. Daher bestehe kein Anspruch auf Kostenübernahme. Die notwendige Ernährungspumpe einschließlich des Zubehörs sei vom Pflegeheim bereitzustellen. Die Kosten hierfür würden mit dem Pflegesatz bzw. den Investitionsaufwendungen abgegolten. Gegen den Bescheid vom 24. Oktober 2001 erhob der Kläger am 20. November 2001 Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, er besitze keinen Schluckreflex mehr und könne aus diesem Grunde oral zu geführte Nahrung bzw. Erbrochenes nicht mehr schlucken. Demzufolge bestehe die Gefahr der Aspiration. Diese wiederum könne zu einer Pneumonie führen, die bei ihm einen lebensbedrohlichen Zustand auslösen würde. Im übrigen leide er unter einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus. Um die Blutzuckerwerte stabil zu halten, sei eine wohldosierte und kontinuierliche Kalorienzufuhr unbedingt erforderlich. Dies sei über ein Schwerkraftsystem jedoch nicht möglich. Daher sei er, der Kläger, auf die Ernährungspumpe dringend angewiesen. Letztendlich gehe die Beklagte zu Unrecht davon aus, daß die Ernährungspumpe vom Pflegeheim vorzuhalten sei. Die Kosten für derartige Hilfsmittel seien mit dem Pflegesatz gerade nicht abgedeckt.
Der Kläger beantragt.
den Bescheid vom 24. Oktober 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07. März 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die Ernährungspumpe antragsgemäß zu übernehmen,
hilfsweise,
ihn von den entsprechenden Kosten freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält an dem Inhalt des angefochtenen Bescheides fest.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozeßakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und in vollem Umfang begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 24. Oktober 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07. März 2002 ist rechtswidrig. Durch ihn ist der Kläger beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerechtsgesetz (SGG), denn er hat Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Ernährungspumpe.
Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt u.a. die Versorgung mit Hilfsmitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V). Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die hier in Rede stehende Ernährungspumpe ist ein notwendiges Hilfsmittel im Sinne des Gesetzes. Die Kammer folgt insoweit den Ausführungen des behandelnden Arztes des Klägers in der Ärztlichen Verordnung vom 17. Oktober 2001 (Blatt 1 Verwaltungsakte). Überdies ist auf die Stellungnahme der Facheinrichtung für Intensivpflege vom 15. November 2001 (Blatt 4 Verwaltungsakte) hinzuweisen, in deren Pflegeheim der Kläger lebt. Die Facheinrichtung für Intensivpflege hat überzeugend dargelegt, aus welchen Gründen der Kläger eine Ernährungspumpe benötigt und welche Gefahren entstehen, falls dieses Hilfsmittel nicht verwendet wird. An der Erforderlichkeit des Hilfsmittels bestehen daher keine Zweifel.
Die Beklagte kann letztendlich nicht damit gehört werden, die Ernährungspumpe sei vom Heimträger zur Verfügung zu stellen. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in diesem Zusammenhang im Urteil vom 06. Juni 2002 (SozR 3 - 2500 § 33 Nr. 43) entschieden, der Einsatz einer Ernährungspumpe stelle keine routinemäßige Pflegemaßnahme dar, deren Erforderlichkeit aufgrund von Erfahrungswerten vom Heimträger vorausgeschätzt werden und Grundlage für die wirtschaftliche Vorhaltung einer oder mehrerer Ernährungspumpen sein könnte. Vielmehr handle es sich jeweils um ärztlich angeordnete und überwachte Maßnahmen, die regelmäßig mit einem körperlichen Eingriff verbunden und deren Ziel die Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen seien. Auch wenn sie Maßnahmen der Grundpflege ersetzten (Hilfe bei der Nahrungsaufnahme) und möglicherweise die Pflege erleichterten, weil der Personalaufwand in zeitlicher Hinsicht verringert werde, handle es sich nicht um Maßnahmen der Grundpflege, sondern einer fachlich qualifizierten Behandlungspflege. Die Ernährungspumpe sei damit Hilfsmittel im Sinne von § 33 SGB V, weil sie vorrangig der Sicherstellung der ärztlichen Behandlung diene und die Erleichterung der Pflege demgegenüber zurücktrete (BSG a.a.O.). So liegt der Fall auch hier. Die Kosten für Hilfsmittel wie z.B. Ernährungspumpen oder Beatmungsgeräte sind in den Pflegesatz der Facheinrichtung für Intensivpflege nicht einkalkuliert. Aus § 4 Abs. 1 Satz 2 des Versorgungsvertrages ergibt sich entgegen der Ansicht der Beklagten nichts anderes. Die vom BSG in diesem Zusammenhang aufgestellten Grundsätze sind daher auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar.
Nach alledem hat der Kläger Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Ernährungspumpe (so im Ergebnis auch BSG Urteil vom 06.06.2002, a.a.O.). Der angefochtene Bescheid ist daher aufzuheben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.