Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.08.1996, Az.: I 119/90

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
27.08.1996
Aktenzeichen
I 119/90
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 26875
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1996:0827.I119.90.0A

Fundstelle

  • EFG 1997, 8-9 (Volltext mit red. LS)

In dem Rechtsstreit

wegen Einheitsbewertung auf den 1. Jan. 1988 für das Grundstück .straße 6 in B.

hat der I. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 27. August 1996, an der mitgewirkt haben:

Vorsitzender Richter am Finanzgericht .

Richter am Finanzgericht .

Richter am Finanzgericht .

ehrenamtliche Richterin . Orthopädiemechanikermeisterin

ehrenamtlicher Richter . Anästhesist

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Unter Änderung des Einheitswertbescheides Wertfortschreibung vom 22. Februar 1989 und Aufhebung des Einspruchsbescheides vom 14. Februar 1990 wird der Einheitswert auf den 1. Januar 1988 für das Grundstück . str. 6 in B. auf 252. 000 DM festgesetzt.

    Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3.

    Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Geldbetrages in Höhe der an den Kläger zu erstattenden Kosten abwenden, sofern der Kläger nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

    Die Revision wird zugelassen.

    Der Streitwert wird auf 413 DM festgesetzt.

Tatbestand:

1

Die Parteien streiten über die Frage, ob die im Mietspiegel des Beklagten (Bekl.) ausgewiesene Miete für freifinanzierten nicht preisgebundenen Wohnraum den Marktverhältnissen des Hauptfeststellungszeitpunkts gerecht wird.

2

Der Kläger (Kl.) ist seit 1987 Eigentümer des Grundstücks A. Straße 6 in B. Das Grundstück ist mit einem im Jahre 1963 errichteten Mietshaus mit acht Wohnungen bebaut, für das seinerzeit öffentliche Mittel in Anspruch genommen wurden. Auf den 1. Jan. 1964 ist das Grundstück als Mietwohngrundstück mit einem im Ertragswertverfahren ermittelten Einheitswert von 183. 900 DM bewertet worden. Berechnet wurde dieser Wert aus der damals zulässigen und tatsächlich auch gezahlten Miete von 1,96 DM/m- zuzüglich einer Erhöhung um 12 v.H. wegen Grundsteuerbegünstigung gem. § 79 Abs. 3 Bewertungsgesetz (BewG). Mit bestandskräftigem Bescheid vom 24. Nov. 1987 teilte das Amt für Wohnungswesen der Stadt B. mit, daß für vier der in dem Haus befindlichen Wohnungen die öffentliche Förderung auslaufe und die Eigenschaft "öffentlich gefördert" mit dem 31. Dez. 1987 ende. Wegen des damit verbundenen Wegfalls der Mietpreisbindung führte das Finanzamt (FA) mit Bescheid vom 22. Febr. 1989 eine Wertfortschreibung auf den 1. Jan. 1988 durch und setzte darin den Einheitswert auf 276. 600 DM fest. In diesem Wert sind die vier Wohnungen, für die die öffentliche Förderung ausgelaufen ist, mit einem Mietzins von 4,45 DM/m-eingeflossen. Errechnet hat das FA diesen Mietzins aus seinem für B. aufgestellten Mietspiegel der Ausstattungsklasse IV (gute Ausstattung) und der Spalte g (steuerbegünstigte selbstverantwortlich gebildete und freifinanzierte Marktmiete), in der für ein Gebäude dieses Alters auf den 1. Jan. 1964 eine Marktmiete von 4,30 DM/m- ausgewiesen ist, und einem Zuschlag von 0,15 DM, weil das Gebäude mit einer Warmwasserheizung über ein Element der Ausstattungsklasse V (sehr gute Ausstattung) verfügt. Gegen den Ansatz dieses Mietwerts richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage, die der Kl. wie folgt begründet:

3

Es sei zwar richtig, daß nach dem Auslaufen der öffentlichen Förderung eine Wertfortschreibung durchzuführen sei und daß darin die Mietwerte zu berücksichtigen seien, die auf dem freien Wohnungsmarkt zu erzielen seien. Diese Wertansätze seien im Mietspiegel des FA jedoch nicht zutreffend wiedergegeben. Der dort ausgewiesene Markmietzins von 4,30 DM/m- für freifinanzierten Wohnraum sei in B. im Jahre 1964 nie erzielt worden. Dies ergebe sich aus einer Sammlung von Mietpreisen der Firma W. (Bl. 57 der Steuerakten). Selbst im Jahre 1988 habe die Obergrenze für Objekte in guter Wohnlage nur bei 7,70 DM/m- gelegen. Für das streitige Grundstück ergebe sich -; gemessen an den Werten des Jahres 1988 -; eine Miete von 7 DM/m-. Rechne man den Betrag mit Hilfe des Indexes, den das Statistische Bundesamt für Mieten im freifinanzierten Wohnungsbau veröffentlicht habe, auf die Werte von 1964 zurück, so gelange man auf einen Betrag von 2,52 DM/m-. Falsch seien nicht nur die Ansätze für Marktmieten. So werde für das Streitobjekt in der angenommenen Ausstattungsklasse IV eine Kostenmiete von 2,90 DM/m- ausgewiesen. Tatsächlich hätten die Kosten für sein Objekt jedoch den im Bescheid auf den 1. Jan. 1964 ausgewiesenen Betrag von 1,96 DM/m- nicht überschritten. Neben dem reinen Zahlenwerk enthalte der Mietspiegel undifferenzierte Abgrenzungskriterien. Die Lage der zu bewertenden Grundstücke finde darin keine Berücksichtigung. So seien in der Ausstattungsklasse I (einfachste Ausstattung) Wohnungen mit "Brunnenversorgung, Grubenentwässerung, Trockenklosett oder Toilette außer Haus" enthalten. Für einen derart ausgestatteten freifinanzierten Wohnraum des Baujahres 1963 werde im Mietspiegel ein Wert von 2,60 DM/m- angesetzt. Das gehe jedoch schon deshalb völlig an der Realität vorbei, weil die Neuanlage von Brunnen zur Wasserversorgung in B. im Jahre 1963 verboten worden sei und es in der Innenstadt von B. -; und für diese beanspruche der Mietspiegel Geltung -; kein Haus dieses Baujahres mit Trockenklosett und Grubenentwässerung gebe und auch 1964 nicht gegeben habe. Daraus werde deutlich, daß der Mietspiegel insgesamt jeglicher Grundlage entbehre und völlig aus der Luft gegriffen sei. Außerdem sei ihm, dem Kl., eine Erhöhung der Miete von 1,96 DM/m- auf 4,45 DM/m- zivilrechtlich gar nicht möglich. Nach der derzeit geltenden Rechtslage dürfe der Mietzins höchstens um 30 v.H. erhöht werden. Schließlich sei die Einordnung in die Ausstattungsklasse IV (gut) nicht zutreffend. Das Haus habe nur eine mittlere Ausstattung. Im Streitfall sei ein Mietzins von 2,52 DM/m- zutreffend. Unter Berücksichtigung etwaiger Unsicherheiten nehme er auch eine Erhöhung bis auf 2,80 DM/m- hin. Daraus errechne sich ein Einheitswert von nur 207. 800 DM.

4

Der Kl. beantragt,

unter Änderung des Wertfortschreibungsbescheides auf den 1. Januar 1989 vom 22. Februar 1989 und Aufhebung des Einspruchsbescheides vom 14. Februar 1990 den Einheitswert auf 207. 800 DM herabzusetzen.

5

Der Bekl. beantragt,

den Einheitswert auf 270. 300 DM herabzusetzen und die Klage im übrigen abzuweisen.

6

Der Bekl. hält an seinem Mietspiegel fest. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe in ständiger Rechtsprechung erkannt, daß die Mietspiegel der Finanzämter geeignete Hilfsmittel zur Schätzung der üblichen Miete i. S. v. § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG seien (Urteil des BFH vom 10. Aug. 1984 III R 18/76, BFHE 142, 297, [BFH 10.08.1984 - III R 18/76] BStBl II 1985, 200 [BFH 10.08.1984 - III R 18/76]). Diesen Ansprüchen werde auch der Mietspiegel für B. gerecht. Er sei nach den Anweisungen der Oberfinanzdirektion (OFD) Hannover in der Rundverfügung vom 20. März 1967 S 3202 -; 1 StH 341/S 3202 -; 1 StO 312 -; erstellt worden. Er sei so gegliedert, daß darin alle wesentlichen Merkmale, die für die Höhe der erzielbaren Miete bestimmend seien, berücksichtigt werden konnten. Er enthalte Unterscheidungen nach der Art. Lage und Ausstattung der Räume sowie nach mietpreisrechtlichen Bindungen. Die darin ausgewiesenen Durchschnittsmieten seien das Ergebnis umfangreicher Untersuchungen, in denen die von den Eigentümern vermieteter Grundstücke in den Steuererklärungen angegebenen Mieterträge ausgewertet worden seien. Soweit für einzelne Preisstufen oder Baujahre Vergleichsmieten nicht vorgelegen hätten, habe man entsprechend der OFD-Verfügung überschlägig ermittelte Anhaltswerte für die preisrechtlich zulässige Miete herangezogen und sie dem sich aus den übrigen Erkenntnissen gewonnenen Wertniveau angepaßt. Dabei seien auch die in den Jahresberichten der Landestreuhandstelle für den Wohnungsbau veröffentlichten Angaben über durchschnittliche Herstellungskosten und Durchschnittsmieten ausgewertet worden. Die so gewonnenen Anhaltswerte seien schließlich den örtlichen Verhältnissen so weit wie möglich angepaßt worden. Soweit dennoch der Mietspiegel in einzelnen Fällen Ungenauigkeiten enthalte, so sei dies auf die Schwierigkeiten einer jeden Massenbewertung zurückzuführen. Sie seien zur Wahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und zur Bewältigung eines Massenbewertungsverfahrens hinzunehmen. Die vom Kl. vorgebrachten Einwände rechtfertigten keine Abkehr vom Mietspiegel. Insbesondere erlaube das Mietniveau des Jahres 1988 keine Rückrechnung auf die Werte von 1964. Soweit der Kl. darauf verweise, daß er heute zivilrechtlich den Mietzins nur um 30 v.H. erhöhen könne, führe das deshalb zu keiner Änderung, weil es für die Bewertung auf die Wertverhältnisse am 1. Jan. 1964 ankomme. Gleichwohl sei das FA bereit, den festgestellten Einheitswert zu reduzieren. Trotz der Warmwasserheizung sei es vertretbar, den Mietzins ausschließlich der Ausstattungsklasse IV (gut) zu entnehmen und von einem Zuschlag von 0,15 DM abzusehen. Unter Zugrundelegung der im Mietspiegel für diese Ausstattungsklasse ausgewiesenen Marktmiete von 4,30 DM/m- für die nicht der Preisbindung unterliegenden Wohnungen errechne sich der Einheitswert auf 270. 300 DM.

7

Wegen des Vorbringens der Parteien im übrigen wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze im Klageverfahren sowie im Vorverfahren verwiesen.

8

Der Vorsitzende des Senats hat das streitige Grundstück in Augenschein genommen. Auf das Protokoll über den Augenscheinstermin vom 15. Okt. 1995 (Bl. 66 u. 67 der Gerichtsakten -; GA) wird Bezug genommen.

9

Das Gericht hat beide Parteien mit Verfügung vom 10. Okt. 1995 aufgefordert, preisungebundene Vergleichsmieten auf den 1. Jan. 1964 für das streitige Grundstück zu benennen. Der Bekl. ist ferner zur Vorlage von freifinanzierten Marktmieten aufgefordert worden, die zur Aufstellung der Mietspiegelgruppe "g" des Mietspiegels geführt haben. Die Aufforderungen hatten keinen Erfolg. Vermietete, preisungebundene Häuser, die denen des streitigen Grundstücks vergleichbar sind, sind nicht gefunden worden. Der Bekl. konnte auch keine Vergleichsobjekte benennen, die Aufnahme in den Mietspiegel gefunden haben. Bei der zu diesem Zweck durchgeführten Sichtung von ca. 6.000 Einheitswertakten wurden nur fünf Grundstücke gefunden, die am 1. Jan. 1964 keiner Mietpreisbindung unterlagen. Auf das Schreiben des Bekl. v. 24. Jan. 1996 (Bl. 74 der GA) wird Bezug genommen.

Gründe

10

I.

Die Klage hat teilweise Erfolg.

11

1. Nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 BewG wird der Einheitswert neu festgestellt (Wertfortschreibung), wenn beim Grundbesitz der Wert, der sich für den Beginn eines Kalenderjahres ergibt, vom Einheitswerts des letzten Feststellungszeitpunktes nach oben um mehr als den zehnten Teil, mindestens aber um 5. 000 DM oder um mehr als 100. 000 DM abweicht. Unter diesen Voraussetzungen findet eine Fortschreibung sowohl zur Beseitigung eines Fehlers der letzten Feststellung (§ 22 Abs. 3 BewG) als auch dann statt, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse seit der letzten Feststellung geändert haben. Während bei einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse die Fortschreibung auf den Beginn des Kalenderjahres durchzuführen ist, das auf die Änderung folgt (§ 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BewG), ist die Fortschreibung zur Beseitigung eines Fehlers der letzten Feststellung -; wenn damit eine Erhöhung des Einheitswerts verbunden ist -; frühestens auf den Beginn des Kalenderjahres möglich, in dem der Feststellungsbescheid erteilt wird (§ 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 BewG).

12

Im Streitfall ist die Wertfortschreibung erforderlich geworden, weil für vier der in dem Haus befindlichen Wohnungen nach dem Bescheid des Amtes für Wohnungswesen der Stadt B. vom 24. Nov. 1987 die öffentliche Förderung zum 31. Dez. 1987 ausgelaufen ist. Der Wegfall der öffentlichen Förderung ist eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse i.S.d. § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BewG, weil damit die Wohnungen aus der Mietpreisbindung entlassen werden (BFH-Urteile vom 18. Dez. 1985 II R 229/83, BFHE 146, 95, [BFH 18.12.1985 - II R 229/83] BStBl II 1986, 445, [BFH 18.12.1985 - II R 229/83] und vom 17. Jan. 1990 II R 65/87, BFHE 159, 549, [BFH 17.01.1990 - II R 65/87] BStBl II 1990, 530 [BFH 17.01.1990 - II R 65/87]). Demnach ist, was auch der Kl. nicht in Abrede nimmt, dem Grunde nach eine Wertfortschreibung auf den 1. Jan. 1988 durchzuführen.

13

2. Mietwohngrundstücke sind gem. § 76 Abs. 1 BewG grundsätzlich im Ertragswertverfahren zu bewerten. Bei der Bewertung eines Grundstücks im Ertragswertverfahren wird der Grundstückswert durch Anwendung eines Vervielfältigers auf die Jahresrohmiete ermittelt und anschließend -; bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 81 oder 82 BewG -; ermäßigt oder erhöht. Damit vollzieht sich die Bewertung nach diesem Verfahren auf der Grundlage eines aus dem Grundstück erzielbaren Reinertrages, wobei der Reinertrag im Interesse der Durchführung einer Massenbewertung schematisierend und damit nur pauschal festgestellt wird (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 31. Okt. 1974 III R 160/72, BFHE 114, 108, [BFH 31.10.1974 - III R 160/72] BStBl II 1975, 106 [BFH 31.10.1974 - III R 160/72]). Entscheidend sind dabei die Wertverhältnisse am 1. Jan. 1964 (§ 79 Abs. 5 BewG).

14

a) Im Streitfall ist eine unterschiedliche Ermittlung der Jahresrohmiete erforderlich. Für die vier Wohnungen, die weiterhin der Mietpreisbindung unterliegen, weil für sie die öffentliche Förderung noch nicht ausgelaufen ist, bemißt sich die Miete auf 2,18 DM/m-. Dies ist ausweislich der Einheitswerterklärung auf den 1. Jan. 1964 (Bl. 1 Einheitswertakten Bd. I) die von den Mietern seinerzeit tatsächlich gezahlte Miete, die allerdings um einen Zuschlag wegen der inzwischen ausgelaufenen Grundsteuervergünstigung und einer inzwischen verbesserten Ausstattung erhöht wurde. Dieser Mietwertansatz ist zwischen den Parteien nicht im Streit, ihm folgt auch der Senat.

15

b) Anders verhält es sich mit dem Mietwert für die restlichen vier Wohnungen, für die die öffentliche Förderung und damit die Mietpreisbindung am 1. Jan. 1988 ausgelaufen ist. Wie der BFH mit Urteil vom 18. Dez. 1985 (BFHE 146, 95, [BFH 18.12.1985 - II R 229/83] BStBl II 1986, 445 [BFH 18.12.1985 - II R 229/83]) erkannt hat, werden Wohnungen mit Auslauf der öffentlichen Förderung mietpreisrechtlich zu freifinanzierten Wohnungen. Für sie ist deshalb die übliche Marktmiete für nicht grundsteuerbegünstigte Wohnräume am 1. Jan. 1964 anzusetzen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 15. Okt. 1986 II R 230/81, BFHE 148, 174, [BFH 15.10.1986 - II R 230/81] BStBl II 1987, 201, für Wohnungen nach Auslauf der Grundsteuervergünstigung, Gürsching/Stenger, Bewertungsgesetz, § 79 Rdnr. 44, 88).

16

aa) Diese Miete steht indes, anders als die preisgebundene Miete der noch der öffentlichen Förderung unterliegenden Wohnungen, nicht fest. Eine tatsächliche Vereinbarung, auf die zurückgegriffen werden könnte, hat es wegen der damaligen Mietpreisbindung nicht gegeben.

17

bb) Existierte eine tatsächlich vereinbarte Miete nicht, so ist nach § 79 Abs. 2 BewG die übliche Miete anzusetzen, die in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen ist, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art. Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird. Eine derartige Schätzung setzt voraus, daß freifinanzierte nicht preisgebundene vermietete Vergleichsobjekte in ausreichender Zahl vorhanden sind. Daran fehlt es im Streitfall. Der Senatsvorsitzende hat beiden Parteien mit Verfügung vom 10. Okt. 1995 aufgegeben, entsprechende Vergleichsobjekte zu benennen (vgl. Bl. 69 der GA). Dieser Verpflichtung vermochten weder der Kl. (vgl. Bl. 73 der GA) noch der Bekl. nachzukommen. Die fünf Objekte, die das FA auf Bl. 81 der GA genannt hat, haben andere Baujahre und scheiden als taugliche Vergleichsobjekte aus.

18

cc) Läßt sich die übliche Miete nicht aus tatsächlich gezahlten Mieten für Vergleichsobjekte ableiten, so ist nach dem BFH-Urteil vom 10. Aug. 1984 III R 41/75, BFHE 142, 289, [BFH 10.08.1984 - III R 41/75] BStBl II 1985, 36, [BFH 10.08.1984 - III R 41/75] grundsätzlich auf die Mietspiegel der Finanzbehörden als Schätzungshilfsmittel zurückzugreifen. Dabei geht der BFH davon aus, daß die Mietspiegel aus einer Zusammenstellung von Rahmenmieten entstanden sind, die aus den regelmäßig gezahlten Mieten einer repräsentativen Zahl von vermieteten Wohngrundstücken unter Berücksichtigung der örtlichen Marktlage abgeleitet und mit Mieter-, Vermieter- und anderen Verbänden sowie Organen des Wohnungsbaus abgestimmt sind. Sie sollen nach Grundstücksarten, Baujahrgruppen, Ausstattungsgruppen, Lage der Grundstücke sowie nach solchen Wohnraumgruppen gegliedert sein, für die am Hauptfeststellungszeitpunkt unterschiedliche Mietpreisregelungen bestanden. Derart erstellte Mietspiegel entsprechen den Kriterien, die nach § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG für die Schätzung der üblichen Miete durch Vergleich mit vermieteten Grundstücken maßgebend sind.

19

Der Mietspiegel des Bekl. weist die gefordert Unterscheidung nach Baujahrgruppen und Ausstattungsgruppen aus und nimmt auch unterschiedliche Mietpreisregelungen in sich auf. Daß er lediglich die Mieten für Mehrfamilienhäuser wiedergibt, ist nach der Entscheidung BFH, BFHE 142, 289, [BFH 10.08.1984 - III R 41/75] BStBl II 1985, 36, [BFH 10.08.1984 - III R 41/75] grundsätzlich unschädlich. Ob die Ausstattungsklasse I (einfachste Ausstattung) den B. Gegebenheiten gerecht wird, mag dahinstehen. Im Streitfall hat diese Ausstattungsklasse keine Anwendung gefunden. Der Senat ist jedoch der Überzeugung, daß die im Mietspiegel ausgewiesene Miete für freifinanzierten nicht preisgebundenen Wohnraum (Mietspiegelspalte g) nicht aus regelmäßig gezahlten Mieten einer repräsentativen Zahl von vermieteten Wohngrundstücken abgeleitet worden ist. Der Mietspiegel ist auch nicht mit Mieter-, Vermieter- und anderen Organen des Wohnungsbaus abgestimmt worden. Er erfüllt weder formell noch in seiner Spalte g inhaltlich die Anforderungen, die der BFH an Mietspiegel stellt. Er scheidet deshalb als Schätzungshilfsmittel für die nicht preisgebundene Marktmiete aus.

20

Zu dieser Überzeugung gelangt das Gericht zunächst aufgrund der Untersuchungen, die der Bekl. über die Herkunft seiner Spiegelwerte durchgeführt hat. Mit der Verfügung vom 10. Okt. 1995 hat der Senatsvorsitzende den Bekl. zur Benennung von Vergleichsobjekten aufgefordert, die für die Aufstellung der Spiegelwerte für freifinanzierten nicht preisgebundenen Wohnraum verwandt worden waren. In Erfüllung dieser Auflage hatte der Bekl. ca. 6.000 Einheitswertakten ausgewertet, darunter aber nur fünf vermietete Grundstücke gefunden, die am 1. Jan. 1964 keiner Mietpreisbindung unterlagen. Von diesen fünf Grundstücken wies keines das für diesen Streitfall maßgebliche Baujahr 1963 aus.

21

Die Erkenntnis stützt sich weiter auf die Erlasse, mit denen der Niedersächsische Minister der Finanzen (NMdF) und die OFD seinerzeit die nachgeordneten Behörden zur Aufstellung von Mietspiegeln angewiesen haben. Der Erlaß des NMdF vom 20. Jan. 1967 -; S 3202 -; 1 -; 31 5 -; enthält die Anweisung, mit der Erstellung der Mietspiegel nicht bis zur vollständigen Abgabe der Grundbesitzererklärungen zu warten, weil davon ausgegangen werden könne, daß allein nach diesen Angaben sich ein brauchbarer Mietspiegel nicht werde aufstellen lassen. In Ausführung dieses Erlasses hat die OFD Hannover mit Verfügung vom 20. März 1967 -; S 3202 -; 1 -; StH 341 -; den Finanzämtern überschlägig ermittelte Richtsätze für Wohnraummieten zugeleitet, die mit den jeweiligen örtlichen Verhältnissen abgeglichen werden sollten. Die Richtsätze sind errechnet aus durchschnittlichen Bau- und Grundstückskosten, die die Landestreuhandstelle für den Wohnungsbau (LTS) seinerzeit für Wohnungen mit unterschiedlichen Ausstattungsklassen ermittelt hatte. Aus diesen Kosten sind sodann durch Anwendung verschiedener Hundertsätze Richtsätze für Mieten errechnet worden. Für öffentlich geförderten Wohnraum ist ein Hundertsatz von 5, für die der bedingten Preisbindung unterliegenden steuerbegünstigten Wohnungen ein Hundertsatz von 6 und für die nicht preisgebundenen freifinanzierten Wohnungen ein solcher von 7,5 angesetzt worden. Wegen der Einzelheiten dieser Richtsatzberechnung wird Bezug genommen auf die OFD-Verfügung Bl. 83 bis 90 der GA. Die Abgleichung dieser Richtsätze mit den örtlichen Gegebenheiten hat der Bekl. seinerzeit nur beim öffentlich geförderten (Spalten c + d des Mietspiegels) und beim steuerbegünstigten (Spalte e des Mietspiegels) Wohnraum vorgenommen. Zu einem Abgleich der Richtsätze mit nicht preisgebundenem freifinanzierten Wohnraum ist es nicht gekommen, weil es im Amtsbezirk des Bekl. seinerzeit keine oder so gut wie keine freifinanzierten und vermieteten Wohnungen ohne Preisbindung gab. Der Senat teilt in diesem Zusammenhang die Einschätzung des Bekl., daß derartiger Wohnraum seinerzeit regelmäßig für eine Eigennutzung und nicht für eine Vermietung vorgesehen war.

22

Die fehlende Abgleichung der Richtsätze mit freifinanzierten nicht preisgebundenen Wohnungen findet seine Bestätigung im Zahlenwerk des Mietspiegels selber. So liegen eben diese Werte für die freifinanzierten Markmieten ohne Preisbindung (Spalte g des Mietspiegels) in allen Ausstattungsklassen und Baujahren um 25 v.H. über der Kostenmiete, die für steuerbegünstigten Wohnraum (Spalte e des Mietspiegels) ausgewiesen ist. Dies ist genau die Differenz, die nach den Richtsätzen zwischen der steuerbegünstigten Miete (6 v.H. der Gesamtkosten) und der nicht preisgebundenen Miete (7,5 v.H. der Gesamtkosten) besteht.

23

Folglich gibt der Mietspiegel des Bekl. nicht die am Hauptfeststellungsstichtag regelmäßig gezahlten preisungebundenen Mieten einer repräsentativen Anzahl von vermieteten Wohngrundstücken wieder.

24

dd) In Ermangelung eines für die freifinanzierte Marktmiete aussagekräftigen Mietspiegels hatte der Senat die übliche Miete anderweitig zu schätzen. Er hat sich dabei an die Grundsätze angelehnt, die der BFH in seinem Urteil BFHE 148, 174, [BFH 15.10.1986 - II R 230/81] BStBl II 1987, 201, für die Ermittlung der Marktmiete nach Auslauf der Grundsteuervergünstigung entwickelt hat. Dort ist die Schätzung der üblichen Marktmiete durch Ansatz der üblichen Miete für grundsteuerbegünstigten Wohnraum zuzüglich eines Zuschlags als zulässig erkannt worden. Der Zuschlag hat dabei der Tatsache Rechnung zu tragen, daß nach Beendigung der Grundsteuervergünstigung die nunmehr einsetzende Grundsteuerbelastung des Grundstücks regelmäßig zu einer Erhöhung der Rohmiete führt. Entsprechend der Systematik des § 79 Abs. 3 BewG ist dabei nicht auf die tatsächliche Grundsteuerbelastung im Einzelfall abzustellen, vielmehr ist sie pauschal für das ganze Bewertungsgebiet einheitlich anzusetzen. Der Senat ist der Auffassung, daß diese Grundsätze auch dann gelten müssen, wenn die übliche Marktmiete wegen Auslaufs der öffentlichen Förderung anzuwenden ist. Unterschiede zwischen der Marktmiete, die nach Auslauf der Grundsteuerbegünstigung entsteht und der, die nach Auslauf einer öffentlichen Förderung anzusetzen ist, sind nicht gerechtfertigt.

25

Gemessen an diesem Erfordernis hat der Senat auf die im Mietspiegel ausgewiesene Miete für grundsteuerbegünstigten Wohnraum (Mietspiegelspalte e) zurückgegriffen. Bedenken an den darin ausgewiesenen Werten sind nicht zutage getreten. Sie sind entsprechend der o.a. Verfügung der OFD Hannover vom 20. März 1967 aus den von der LTS ermittelten durchschnittlichen Bau- und Grundstückskosten durch Anwendung eines Hundertsatzes von 6 -; den der BFH in seinem Urteil BFHE 142, 289, [BFH 10.08.1984 - III R 41/75] BStBl II 1985, 36 [BFH 10.08.1984 - III R 41/75] zur pauschalen Ermittlung der individuellen Kostenmiete zugelassen hat -; entstanden und anschließend den örtlichen Gegebenheiten angeglichen worden. Im Streitfall hat dabei die steuerbegünstigte Miete des Baujahres 1963 und der Ausstattungsklasse IV (gute Ausstattung) Anwendung gefunden (3,45 DM/m-), nachdem die Augenscheinseinnahme durch den Senatsvorsitzenden ergeben hatte, daß diese Ausstattungsklasse den baulichen Gegebenheiten gerecht wird. Den darauf anzubringenden Zuschlag hat das Gericht mit 12 v.H. bemessen. Das Ausmaß dieser Erhöhung entspricht dem Anteil, den der Gesetzgeber in § 79 Abs. 3 BewG bundesweit der Grundsteuerbelastung innerhalb der Ermittlung der Jahresrohmiete zuerkannt hat. Nach Einschätzung des erkennenden Senats ist damit einer in der Praxis heute und auch in der Vergangenheit vorherrschenden Übung Rechnung getragen, die dahin geht, die Miete nach Auslauf der Grundsteuerbelastung um eben diese Grundsteuer zu erhöhen. Daß diese Erhöhung abweichend von der Praxis nur pauschal nach dem vorangestellten Zuschlag bemessen wird, ist im Interesse einer praktikablen Durchführung des Bewertungsverfahrens in Kauf zu nehmen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 12. Juni 1974 III R 49/73, BFHE 112, 520, BStBl II 1974, 602 [BFH 12.06.1974 - III R 49/73]). Auf diese Weise hat das Gericht die Miete für die vier Wohnungen, für die die öffentliche Förderung ausgelaufen ist, mit 3,86 DM/m- angesetzt. Damit errechnet sich der Einheitswert wie folgt:

Wohnräume mit öffentlicher Förderung

368 qm × 2,18 DM × 12 =

9.626,88 DM

Wohnräume nach Auslauf

Mietspiegel Spalte IV e:

der öffentlichen

3,45 DM

Förderung

Zuschlag: 12 lt.

Urteil =

0,41 DM

3,86 DM

368 qm × 3,86 DM × 12 =

17.045,76 DM

Jahresrohmiete

26.672,64 DM

Schönheitsreparaturen

5

1.333,63 DM

Jahresrohmiete insgesamt

28.006,27 DM

Vervielfältiger

9

252.056,43 DM

abgerundet

252.000,00 DM

26

Der weitergehende Antrag des Kl. konnte nach alledem keinen Erfolg haben.

27

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 151 Abs. 3 und 155 FGO i.V.m. § 708 Nrn. 10, 11 Zivilprozeßordnung.

28

Die Entscheidung über die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren ergeht gem. § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

29

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.