Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.08.1996, Az.: XII (IV) 781/93 V

Erwerb, Aufbau und Verpachtung von landwirtschaftlichen Betrieben in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA); Währungskursgewinne als der inländischen Besteuerung unterliegende Einkünfte; Abgrenzung ausländischer von inländischen Einkünften; Grundsatz des wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhangs; Antrag auf Aussetzung der Vollziehung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
15.08.1996
Aktenzeichen
XII (IV) 781/93 V
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1996, 18641
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1996:0815.XII.IV781.93V.0A

Fundstellen

  • EFG 1996, 1229-1230 (Volltext mit amtl. LS)
  • RIW 1997, 532-533 (Volltext)

Verfahrensgegenstand

Aussetzung der Vollziehung der Gewinnfeststellungsbescheide 1986-1990

In dem Rechtsstreit
hat der XII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
am 15. August 1996
beschlossen:

Tenor:

Unter Aufhebung der Beschwerdeentscheidung der OFD Hannover vom 28.01.1993 und des Bescheides des Antragsgegners über die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung vom 21.10.1992 wird die Vollziehung der Gewinnfeststellungsbescheide 1986 bis 1990 vom 18. November 1991 (Streitjahre 1986 u. 1987) bzw. 20. Januar 1992 (Streitjahre 1988 bis 1990) bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Einsprüche der Antragstellerin vom 16.12.1991 und 10.02.1992 ausgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.

Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

1

I.

Die Antragstellerin (Ast.) ist eine deutsche Kapitalgesellschaft mit Sitz in ... Das Stammkapital der Gesellschaft in Höhe von 90.000 DM wird von drei Gesellschaftern mit je einer Stammeinlage von 30.000 DM gehalten. Daneben sind die drei Gesellschafter atypisch still mit je einer Einlage von 720.000 DM an der Ast. beteiligt.

2

Der Gesellschaftszweck der Ast. besteht im Erwerb, Aufbau und in der Verpachtung von landwirtschaftlichen Betrieben in den USA. über die Verpachtung der Farmanlagen hinaus hat die Ast. ab dem Wirtschaftsjahr 1985/86 keine weiteren Tätigkeiten im Inland und Ausland entfaltet.

3

Die Buchführung der Ast. erfolgt in US-Dollar. Die Jahresabschlüsse werden ebenfalls in US-Dollar erstellt. Sämtliche von der Ast. erzielten Einkünfte unterliegen der Besteuerung in den USA.

4

Für deutsche steuerliche Zwecke - insbesondere für die Anwendung des Progressionsvorbehaltes bei den atypisch still beteiligten Gesellschaftern - wurden die amerikanischen Jahresabschlüsse jeweils in DM umgerechnet. Die Umrechnung orientierte sich an dem sogenannten Zeitbezugsverfahren, d.h. Gegenstände des Anlagevermögens wurden mit den historischen Wechselkursen zum Zeitpunkt der Anschaffung/Herstellung umgerechnet. Die damit im Zusammenhang stehenden Abschreibungen wurden ebenfalls nach dem historischen Wechselkurs umgerechnet. Gegenstände des Umlaufvermögens sind mit dem Bilanzstichtagskurs am 30.06. eines jeden Jahres umgerechnet worden. Verbindlichkeiten in US-Dollar sind entweder zum Umrechnungskurs im Zeitpunkt der Schuldaufnahme oder mit dem höheren Umrechnungskurs vom Bilanzstichtag angesetzt worden. Einnahmen und Ausgaben sind mit den amtlichen monatlichen Umsatzsteuer-Umrechnungskursen umgerechnet worden.

5

Aus im Juli 1985 bis Mai 1986 durchgeführten Umfinanzierungen ergaben sich Kursgewinne und -verluste. Bei der Aufstellung der DM-Bilanzen auf den 30.06.1986 und auf den 30.06.1987 ergaben sich rechnerische Gewinne in Höhe von 2.950.807 DM (1986) bzw. 387.419 DM (1987). Diese wurden im Anschluß an eine bei der Ast. für diesen Zeitraum durchgeführte Betriebsprüfung der inländischen Besteuerung unterworfen. Als Begründung führte der Antragsgegner (Ag.) an, daß es sich bei dem Währungsgewinn um eine eigene Einkunftskategorie handele, die nicht unter Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Sinne des § 21 EStG zu subsumieren sei, so daß die Freistellung für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen gemäß Art. IX des DBA Deutschland/USA insoweit nicht greife.

6

Im Anschluß an die bei der Ast. durchgeführte Außenprüfung hat der Ag. auch die Gewinnfeststellungsbescheide 1988, 1989 und 1990 geändert und die sich bei der Aufstellung der DM-Bilanzen ergebenden rechnerischen Gewinne in folgender Höhe als steuerpflichtige inländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb berücksichtigt:

19881.333.158,- DM
19891.608.021,- DM
1990111.932,- DM.
7

Gegen die so geänderten Gewinnfeststellungsbescheide 1986 bis 1990 hat die Ast. am 16.12.1991 bzw. 10.02.1992 Einspruch eingelegt. Über diese Einsprüche hat der Ag. bisher nicht entschieden. Gleichzeitig hat die Ast. Aussetzung der Vollziehung der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheide 1986 bis 1990 beantragt. Diesen Antrag hat der Ag. mit Bescheid vom 21.10.1992 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat die OFD Hannover mit Beschwerdebescheid vom 28.01.1993 zurückgewiesen.

8

Hiergegen richtet sich der bei Gericht gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Die Ast. ist der Auffassung, gemäß § 69 Abs. 3 FGO bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide. Die Ast. habe in den Wirtschaftsjahren 1985/86 bis 1989/90 ausschließlich Einkünfte aus der Verpachtung von in den USA belegenen Farmanlagen erzielt. Art. IX Abs. 1 des DBA Deutschland-USA weise das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte den USA zu. Die Vorschrift enthalte jedoch keine Aussage darüber, wie die Einkünfte aus diesem unbeweglichen Vermögen zu ermitteln und zu besteuern seien. Alle von der Ast. in den Streitjahren erzielten Einkünfte seien ausländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Auch die Währungsgewinne aus Umfinanzierungen, Devisentermingeschäften und der Umrechnung des amerikanischen Jahresabschlusses in DM seien aufgrund ihres wirtschaftlichen Zusammenhanges mit der ausländischen Einkunftsquelle "Verpachtung US-Amerikanischer Farmanlagen" den ausländischen, nach dem DBA Deutschland-USA freizustellenden Einkünften zuzurechnen.

9

Die Ast. beantragt,

die Vollziehung der Feststellungsbescheide 1986 bis 1990 vom 18. November 1991 bzw. 20.01.1992 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Einsprüche der Ast. vom 16.12.1991 und 10.02.1992 auszusetzen.

10

Der Ag. beantragt,

den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzuweisen.

11

Er verweist im wesentlichen auf die Beschwerdeentscheidung der OFD und seinen Bescheid über die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung. Ergänzend trägt der Ag. vor, die Einwendungen der Ast. gegen diese Entscheidungen seien nicht haltbar. Der Begriff der wirtschaftlichen Verursachung werde unzutreffend interpretiert. Die Ast. unterhalte in den USA keine Betriebsstätte im Sinne des Art. II DBA-USA, sondern beziehe Einkünfte aus der Verpachtung unbeweglichen Vermögens, für die dem Quellenstaat das Besteuerungsrecht zustehe. Diesem Einkunftsbereich, der von der deutschen Besteuerung ausgenommen sei, könne aber nur zugeordnet werden, was aus der Einkunftsquelle fließe bzw. in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser stehe. Wirtschaftliche Ursache und Einkunftsquelle aller Währungskursergebnisse sei die Parität der maßgebenden inländischen Währung. Es sei daher auch sachgerecht, die Währungskursergebnisse nur im Inland zuzurechnen. Eine doppelte Steuerbelastung könne nur eintreten, wenn zwei Staaten aus einem bestimmten Sachverhalt gleichzeitig eigene Steueransprüche geltend machen würden. Nur soweit sich die Steuerbelastungen überschnitten, sei dem Wesen nach eine Doppelbesteuerung zu verzeichnen. Da aber hinsichtlich der Währungskursergebnisse für den ausländischen Betriebsstättenstaat eine Besteuerung nicht denkbar sei, könne sich begrifflich eine Doppelbesteuerung nicht entfalten. Es bestehe daher auch keine Veranlassung, die Währungskursergebnisse nach dem DBA aus dem inländischen Einkommen als ausländische Einkünfte auszuscheiden.

12

II.

Der Antrag ist begründet.

13

Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 i.V. mit Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz FGO erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen dann, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. BFH-Beschluß vom 10.02.1984, BStBl II, 454).

14

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.

15

Zutreffend vertritt die Ast. die Auffassung, daß die Währungskursgewinne nicht der inländischen Besteuerung unterliegen.

16

Gemäß Art. IX Abs. 1 des DBA USA können Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen, das in einem der Vertragsstaaten liegt, in diesem Staat besteuert werden. Aus diesem sogenannten Belegenheitsprinzip ergibt sich, daß im Streitfall die Besteuerung der Einkünfte aus der Verpachtung der Farmanlagen der Ast. in den USA zu erfolgen hat. Im Inland ist nach Art. XV Abs. 1 b 1. aa) DBA USA sicherzustellen, daß diese Einkünfte unter Progressionsvorbehalt von der deutschen Besteuerung freigestellt werden.

17

Der Senat ist der Auffassung, daß die Währungsgewinne der Ast. mit ihren in den USA erzielten Einkünften in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen und deshalb nicht der inländischen Besteuerung zu unterwerfen sind. Zentraler Grundsatz der Abgrenzung ausländischer von inländischen Einkünften ist der des wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhangs (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 20.07.1988, BStBl 1989 II, 140). Das bedeutet, daß der ausländischen Einkunftsquelle diejenigen Erträge, Aufwendungen bzw. Einnahmen und Ausgaben zuzurechnen sind, die durch ihre Tätigkeit bzw. durch ihre Existenz erwirtschaftet werden, also hiermit in einem unlösbaren Zusammenhang stehen und ohne diese nicht angefallen wären (vgl. dazu BFH-Urteil vom 29.01.1986, BStBl II, 479, 481 zu § 3 c EStG). Soweit danach zu berücksichtigende Währungsgewinne oder -verluste mit ausländischen Einkünften in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, d.h. durch die ausländische Einkunftsquelle veranlaßt werden, sind sie diesen zuzuordnen.

18

Dies gilt nicht nur dann, wenn in dem ausländischen Staat eine Betriebsstätte unterhalten wird und demgemäß die zugehörigen Einkünfte und Vermögensteile von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen sind (vgl. Art. XV Abs. 1 b Nr. 1 aa) DBA USA i.V. mit Art. III Abs. 1 DBA USA), sondern auch für andere Fälle, in denen Einkünfte im Ausland zu besteuern sind, z.B. Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen im Sinne des Art. IX DBA USA.

19

Entgegen der Auffassung des Ag. ist der Senat nicht der Meinung, daß eine Zuordnung der Währungsgewinne im Inland erfolgen müsse. Richtig ist zwar, daß die Währungskursgewinne in den USA nicht entstehen können und damit eine Besteuerung in den USA unmöglich ist. Würde man daraus jedoch den Schluß ziehen, die Währungskursgewinne seien im Inland steuerpflichtig, so würde dies den Grundsatz des Veranlassungszusammenhangs nicht berücksichtigen. Währungskursgewinne und -verluste sind demgemäß den ausländischen Einkünften zuzuordnen, wenn sie auf deren Existenz und Tätigkeit zurückzuführen sind (BFH v. 16.02.1996 I R 43/95, bisher u.v., sowie auch FG Münster v. 10.03.1995, EFG 1996, 239 zur Betriebsstättenbesteuerung). Darauf, ob im Ausland eine Betriebsstätte unterhalten wird, kommt es entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht an.

20

Bei dem im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Charakter der Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsaktes ist der Senat deshalb der Auffassung, daß im Streitfall die Währungskursgewinne der Ast. von der Besteuerung im Inland freizustellen sind.

21

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

22

Die Beschwerde war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gem. § 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.