Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 13.08.1996, Az.: I 1/96 S
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 13.08.1996
- Aktenzeichen
- I 1/96 S
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1996, 26862
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1996:0813.I1.96S.0A
Fundstelle
- EFG 1996, 1053 (Volltext mit amtl. LS)
In dem Rechtsstreit
wegen Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für die unter dem Aktenzeichen I 115/96 Ki anhängige Klage wegen Kindergeld ab 01.01.1996
hat der I. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts am 13. August 1996 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Gründe
Im Rechtsstreit I 115/96 Ki streiten die Beteiligten über die Höhe des Kindergeldes.
Die Antragstellerin ist verheiratet und Lebt mit ihrem Ehemann und drei minderjährigen Kindern in Haushaltsgemeinschaft. Sie erhält für die Kinder Kindergeld, ab 01.01.1996 in Hohe von insgesamt 700 DM. Sie selbst ist nicht berufstätig. Ihr Ehemann hat Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Eheleute werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Nach der in Kopie vorgelegten Gehaltsabrechnung für März 1996 verdiente der Ehemann in den Monaten Januar bis März 1996 brutto insgesamt 10.343,82 DM. Er erhielt nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben für die drei Monate insgesamt 8.357,78 DM ausgezahlt.
Die Antragstellerin hat gegen die Kindergeldzahlung ab 01.01.1996 nach erfolglosem Vorverfahren Klage erhoben, die bei dem Gericht unter dem Aktenzeichen I 115/96 Ki anhängig ist, über die Klage ist noch nicht entschieden. Sie hält die gesetzliche Regelung von Kindergeld und Kinderfreibetrag ab 01.01.1996 für verfassungswidrig, weil das Gesetz Familien mit Kindern -; in diesem Fall mit drei Kindern -; gegenüber kinderlosen Personen ohne sachlichen Grund benachteiligen würde. Gleiche Sachverhalte würden ungleich und ungleiche Sachverhalte nicht in richtiger weise gleich geregelt. Im übrigen seien durch das Gesetz die vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu dem Existenzminimum einer Familie mit drei Kindern nicht erfüllt. Das Kindergeld ab 01.01.1996 sei in keiner weise ausreichend. Familien ohne Kinder würden mehr gefördert, nach dem die steuerlichen Freibeträge und der Kinderzuschlag weggefallen seien, wenn 1996 der Kinderfreibetrag von 522 DM je Kind monatlich, bei drei Kindern insgesamt ein Jahresbetrag von 18. 792 DM, wegfalle, und das bisher gezahlte Kindergeld ohne Zuschlag nur Leicht erhöht werde, Liege keine Gleichbehandlung aller zu entscheidenden Fälle nach sachlichen Gründen vor. Bei dem geringen verdienst des Ehemannes würden nach Durchführung der Veranlagung sowohl für 1995 wie für 1996 keine Einkommensteuer zu zahlen sein. Daraus folge, daß eine Entlastung durch die Steuererstattung nur einem geringen Teil erfolge und die Familie weniger als das Existenzminimum zur Verfügung habe, so daß das Kindergeld 1996 die Familien nicht ausreichend fördere.
In dem Klageverfahren I 115/96 Ki begehrt die Antragstellerin, den Beklagten zu verurteilen, ab 01.01.1996 ein monatliches Kindergeld von jedenfalls 1. 000 DM zu zahlen, hilfsweise das gesetzlich neu festzulegende Kindergeld zu zahlen.
Der Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe hat keinen Erfolg. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 Zivilprozeßordnung (ZPO) ist Prozeßkostenhilfe zu gewähren, soweit ein Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht aufbringen kann, die beabsichtigte Prozeßführung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht dann, wenn bei summarischer Prüfung und Würdigung der wichtigsten Tatumstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Erfolg der Klage besteht -; BFH vom 16. September 1986 VIII B 115/86, BStBl II 1987, 217.
Diese Voraussetzungen Liegen nicht vor, und zwar aus folgenden Gründen:
Im Streit ist die Höhe des Kindergeldes, nicht der Steuer. Das Kindergeld wird ohne Rücksicht darauf gezahlt, ob der Berechtigte mit Einkommensteuer belastet ist oder nicht. Deshalb kommt es auf die Rechtsprechung des BVerfG zur Steuerfreistellung des Existenzminimums -; BVerfG vom 15. September 1992 2 BVL 5/91, 8/91 und 14/91 BGBl. I 1992/1851, BStBl II 1993, 413 nicht an. Dort ist entschieden, daß kein Steuerpflichtiger infolge einer Besteuerung seines Einkommens darauf verwiesen werden darf, seinen existenznotwendigen Bedarf durch die Inanspruchnahme von Staatsleistungen zu decken. Da Streitgegenstand der Klage I 115/96 Ki nicht die Festsetzung von Steuern ist, ist für die Entscheidung der Klage nicht zu prüfen, ob und inwieweit das materielle Steuerrecht verfassungswidrig ist und möglicherweise mit Artikel 3 Grundgesetz -; Gleichheitsgrundsatz -; oder Artikel 6 Grundgesetz -; Schutz von Ehe und Familie -; kollidiert.
Nach Artikel 6 Grundgesetz stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Dazu gehört auch der materiell-wirtschaftliche Bereich. Grundsätzlich kann aber der Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit bestimmen, auf welche weise er den ihm auf getragenen Schutz von Ehe und Familie verwirklichen will -; Schmidt-Bleibtreu/Klein, Grundgesetz (GG), 6. Auflage, Artikel 6 GG Randnummer 7. Die Existenzsicherung ist insbesondere Aufgabe der Sozialhilfe. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, daß das Existenzminimum durch Kindergeld in ausreichender Höhe gesichert werden muß.