Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 29.10.1997, Az.: 2 U 191/97

Anforderungen an die Beweisführung des Versicherungsnehmers; Beweis des äußeren Bildes eines Diebstahls nach Angaben des Versicherungsnehmers ; Ausschluss bei Unglaubwürdigkeit oder unglaubhaften Angaben

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
29.10.1997
Aktenzeichen
2 U 191/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 21712
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1997:1029.2U191.97.0A

Amtlicher Leitsatz

Beweis des äußeren Bildes eines Diebstahls nur auf Grund der Angaben des VN ausgeschlossen bei dessen Unglaubwürdigkeit; Einzelheiten.

Gründe

1

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Versicherungsleistungen gemäß § 12 Nr. 1 I b AKB. Er hat die behauptete Entwendung seines Fahrzeugs nicht bewiesen.

2

Zwar sind an die Beweisführung des Versicherungsnehmers im Diebstahlsfall keine allzu strengen Anforderungen zu stellen, da sonst der Wert der Diebstahlsversicherung in den häufigen Fällen fehlender Tataufklärung von vornherein in Frage gestellt wäre. Deshalb erbringt der Versicherungsnehmer den ihm obliegenden Beweis in aller Regel schon dann, wenn er Tatsachen vorträgt und im Bestreitensfall beweist, aus denen sich das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung ergibt (ständige Rechtsprechung, z.B. BGH NJW 1995, 2169; Senat VersR 1996, 840). Das äußere Bild eines Diebstahls ist im allgemeinen schon dann gegeben, wenn der Versicherungsnehmer das Fahrzeug zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort abgestellt hat, an dem er es später gegen seinen Willen nicht mehr vorfindet (BGH a.a.O.; Römer, NJW 1996, 2329 ff).

3

Der Beweis des äußeren Bilds eines Kfz-Diebstahls kann regelmäßig dadurch geführt werden, dass das Gericht allein den Angaben des Versicherungsnehmers, gegebenenfalls nach seiner Anhörung gemäß § 141 ZPO, Glauben schenkt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht der unredliche, sondern der redliche Versicherungsnehmer der Regelfall ist. Von einem Regelfall kann aber nicht mehr ausgegangen werden, wenn konkrete Tatsachen vorliegen, die den Versicherungsnehmer als unglaubwürdig erscheinen lassen oder doch zumindest schwerwiegende Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit begründen (BGH r+s 1995, 345; BGH r+s 1997, 100; BGH r+s 1997, 184).

4

Vorliegend ist der Kläger unglaubwürdig, denn er hat sowohl vorprozessual als auch im Rechtsstreit in erheblichem Umfang widersprüchliche und auch falsche Angaben gemacht.

5

Seine Auskünfte gegenüber der Polizei bei Erstellung der Anzeige hinsichtlich der Frage, ob ein Kaufvertrag vorhanden sei, sind falsch gewesen, wenn man davon ausgeht, dass sein jetziger Prozessvortrag richtig ist. Er hat die entsprechende Frage mit "ja" beantwortet. Er behauptet nunmehr jedoch, bereits seinerzeit nicht im Besitz einer Kaufvertragsurkunde gewesen zu sein. Zwar hat der Kläger - was jedenfalls zu seinen Gunsten zu unterstellen ist - die mit "ja" beantwortete Frage durch den aufnehmenden Polizeibeamten mit einem Fragezeichen versehen lassen. Einige Fragen zuvor hat er jedoch angegeben, die Unterlagen betreffend den Ankauf des Fahrzeugs befänden sich bei ihm zu Hause, ohne in irgendeiner Weise zum Ausdruck zu bringen, dass er sich dessen nicht sicher sei. Im Übrigen ist die Behauptung des Klägers, er habe seinerzeit nicht gewusst, ob er noch im Besitz des schriftlichen Kaufvertrags gewesen sei, nicht glaubhaft. Er selbst hat bei seiner Anhörung vor dem Landgericht bekundet, er habe den Kaufvertrag nach seiner Rückkehr aus seinem Urlaub Anfang Januar 1996 weggeworfen. Sollte dies richtig sein, hätte der Kläger gegenüber der Polizei bewusst falsche Angaben gemacht, denn wenn er sich bei seiner Anhörung vor dem Landgericht fast eineinhalb Jahre nach dem Vorfall noch daran erinnern kann, dass er Anfang Januar 1996 den Kaufvertrag weggeworfen hat, hätte er zur Überzeugung des Senats wenige Tage nach dem Wegwerfen der Vertragsurkunde anlässlich der Anzeige bei der Polizei dies mit Sicherheit nicht vergessen. Denkbar ist allerdings auch, dass der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Landgericht insoweit falsche Angaben gemacht hat; dafür spricht insbesondere, dass der Kläger keinen einleuchtenden Grund dafür genannt hat, warum er den Kaufvertrag angeblich weggeworfen hat. Ob der Kläger insoweit bewusst falsche Angaben gegenüber der Polizei oder gegenüber dem Gericht gemacht hat, kann offen bleiben, da beide Sachverhaltsalternativen den Schluss rechtfertigen, dass der Kläger unwahre Angaben gemacht hat.

6

Nicht anders kann die Tatsache bewertet werden, dass der Kläger nachträglich im Oktober 1996 einen Kaufvertrag datiert auf den 18.10.1995 mit Hilfe des Verkäufers W gefertigt hat. Der Erklärungsversuch des Klägers, sein Prozessbevollmächtigter habe ihm geraten, eine schriftliche Bestätigung über alle Elemente des geschlossenen Vertrags zu beschaffen, überzeugt nicht. Ein nachträglich gefertigter Kaufvertrag ist - selbstverständlich - keine Bescheinigung über einen in der Vergangenheit geschlossenen Vertrag. Die spätere Anfertigung der Kaufvertragsurkunde kann unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände im vorliegenden Fall nur dem Zweck gedient haben, der Beklagten durch Vorlage des Vertrags vorzutäuschen, dies sei die bei Abschluss des Kaufvertrags erstellte Urkunde. dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers es nicht für sinnvoll gehalten hat, den nachträglich erstellten Kaufvertrag vorzulegen, und dies versehentlich doch geschehen ist, kann unterstellt werden. Es ändert nichts an der unredlichen Absicht des Klägers.

7

Auch im Rechtsstreit hat der Kläger derart widersprüchlich vorgetragen, dass der Schluss gerechtfertigt ist, dass er es mit der Wahrheit nicht genau nimmt. So hat er zum Verbleib der angeblich ursprünglich gefertigten Kaufvertragsurkunde zunächst schriftsätzlich vortragen lassen, angesichts der Häufigkeit der von ihm vorgenommenen Kauf- und Verkaufsvorgänge sei es nicht weiter verwunderlich, wenn ihm der Vertrag abhanden gekommen sei. Damit hat er zum Ausdruck gebracht, dass er den Besitz an der Urkunde ohne seinen Willen verloren hat. Bei seiner Anhörung vor dem Landgericht hat er dagegen bekundet, er habe den Kaufvertrag weggeworfen. Eine Erklärung für den widersprüchlichen Vortrag hat der Kläger nicht gegeben.

8

Weiter hat er schriftsätzlich zunächst vortragen lassen, er habe den Kaufvertrag mit Datum vom 28.10.1995 dem Verkäufer W mit der Bitte um Unterzeichnung übersandt. Persönlich aufgesucht habe er W erst anlässlich der Unterzeichnung des Schreibens vom 15.10.1996. Dagegen hat der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Landgericht bekundet, er habe mit dem Kaufvertragsformular W persönlich aufgesucht und das Schreiben vom 15.10.1996 diesem zugesandt. Der Hinweis der Berufung, der Kläger habe insoweit Schwierigkeiten, den Sachverhalt zu rekonstruieren, mag richtig sein. Die Tatsache, dass er trotz dieser angeblichen Schwierigkeiten detailliert zunächst einen Sachverhalt schriftlich vortragen lässt und diesen später ebenso bestimmt und detailliert bei seiner Anhörung gegenteilig darstellt, zeigt jedoch, dass seine Angaben unzuverlässig sind.

9

In dieses Bild passen auch die Darstellungen des Klägers zu den Umständen der Anfertigung der Klageschrift. Schriftsätzlich hat der Kläger vorgetragen, die Klageschrift sei von einer freien Mitarbeiterin seines Prozessbevollmächtigten gefertigt worden. Bei seiner Anhörung vor dem Landgericht hat der Kläger dagegen bekundet, Rechtsanwalt M - sein jetziger Prozessbevollmächtigter - habe in seiner Anwesenheit die Klageschrift diktiert. Der Erklärungsversuch der Berufung, der Kläger - der Geschäftsführer einer Bauträgerfirma ist - könne als juristischer Laie zwischen einem Anspruchsschreiben und einer Klageschrift nicht unterscheiden, ist ersichtlich untauglich. Selbst wenn der Kläger jedoch nicht in der Lage sein sollte, den Unterschied zwischen einem Anspruchsschreiben und einer Klageschrift zu erkennen, sind seine Bekundungen zu diesem Punkt ein Beleg für die Unzuverlässigkeit seiner Angaben. Denn nachdem er zunächst ohne Einschränkung im Einzelnen bei seiner Anhörung dargelegt hat, er sei während des Diktats der Klageschrift dabei gewesen, hat er auf entsprechenden Vorhalt seines Prozessbevollmächtigten umgehend behauptet, er wisse gar nicht, ob er bei Anfertigung der Klageschrift anwesend gewesen sei.