Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 14.10.1997, Az.: 9 U 26/97

Anspruch aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter und eigener vertraglicher Erfüllungsanspruch eines Überweisenden bei in Absprache mit dem Kontoinhaber erteilter Zusage einer Bank betreffend die Rücküberweisung eines irrtümlich überwiesenen Betrages; Späteres Verhalten der beklagten Bank als ein selbstständiger Eingriff in die Vermögensposition der klagenden Firma; Voraussetzungen eines Eingriffs durch Unterlassen

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
14.10.1997
Aktenzeichen
9 U 26/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 24707
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1997:1014.9U26.97.0A

Fundstellen

  • NJW-RR 1998, 918 (Volltext mit amtl. LS) "Irrtümliche Überweisung"
  • OLGReport Gerichtsort 1998, 19-20
  • WM 1998, 711-712
  • WM 1999, 711-712 (Volltext mit amtl. LS)
  • WuB 1998, 395-396
  • ZBB 1998, 188-189

Amtlicher Leitsatz

Anspr. aus Vertr. m. Schutzwirk. zugunst. Dritter und eig. vertr. Erfüllungsanspr. d. Überweisenden bei in Absprache m. Kontoinhaber erteilter Zusage e. Bank, e. irrtümlich überwiesenen Betrag zurückzuüberweisen.

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt von der beklagten Bank Rückzahlung eines irrtümlich überwiesenen Betrages.

2

Die Klägerin schuldete einer Firma G. in B. einen Betrag von 53.820,- DM. Der Buchhalter der Klägerin überwies Ende April 1996 den Betrag irrtümlich an eine Firma G. in O. auf ein bei der Beklagten geführtes Konto. Dieses stand vor der Überweisung mit bis zu 114.000,- DM im Soll.

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Zu einem Zeitpunkt, der zwischen den Parteien streitig ist, erteilte die Firma G. in O. der Beklagten den Auftrag zur Rücküberweisung des Betrages.

4

Ende Mai erreichte das Konto der Firma G. in O. einen Stand, der eine Überweisung des streitigen Betrages ohne Überschreitung des früher von der Beklagten geduldeten Limits nicht mehr zuließ.

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Im Oktober 1996 wurde über das Vermögen der Firma G., O., das Konkursverfahren eröffnet.

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Die Klägerin behauptet, der Filialleiter H. der Beklagten habe Anfang/Mitte Mai 1996 sowohl ihr als auch der Geschäftsführerin der Firma G., O., zugesagt, der Betrag werde zurücküberwiesen.

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Die Beklagte bestreitet dies und behauptet, der Überweisungsauftrag sei ihr von der Firma G., O., erst Ende Mai/Anfang Juni vorgelegt, jedoch sogleich mangels ausreichender Kontodeckung zurückgegeben worden. Gegenüber der Klägerin habe ihr Mitarbeiter H. keine Zusage gemacht.

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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist begründet.

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Die Klägerin hat einen vertraglichen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 53.820,- DM.

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Der Senat ist überzeugt, daß der Mitarbeiter H. der Beklagten sowohl gegenüber der Geschäftsführerin der Firma G. GmbH, W., als auch - mit deren Einverständnis - gegenüber dem Mitarbeiter K. der Klägerin Anfang/Mitte Mai 1996 verbindlich eine Rücküberweisung des irrtümlich überwiesenen Betrages zugesagt hat.

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Die Überzeugung des Senats gründet sich auf die Aussagen der Zeugen K. und W..

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Der Zeuge K. konnte detailliert und nachvollziehbar berichten, wie es zu dieser Fehlüberweisung gekommen ist, wie er auf ihre Entdeckung reagiert hat und welche Anstrengungen er unternommen hat, um das Geld zurückzubekommen. Er hat ausgesagt, er habe mangels Skontomöglichkeit die Rechnung der Firma G., B., zunächst ca. drei Wochen liegen lassen und dann am 26.04. angewiesen. Wenige Tage später habe die Firma G., B., sich nach dem ausbleibenden Geld erkundigt. Dies habe ihn stutzig gemacht. Er habe nach dem Verbleib des Geldes geforscht und seinen Irrtum bemerkt. Die den Auftrag ausführende Bank habe ihm geraten, sich an die Empfängerin zu wenden. Dies habe er getan. Die Geschäftsführerin W. habe bereits Bescheid gewußt und ihm gesagt, er brauche sich keine Sorgen zu machen, das Geld werde zurücküberwiesen. Als das Geld drei Tage später noch nicht eingegangen gewesen sei, habe er erneut mit der Geschäftsführerin W. telefoniert. Zusätzlich habe er auch den Filialleiter H. der Beklagten angerufen. Dieser habe ihm ebenfalls gesagt, er solle sich keine Sorgen machen; die Bank werde das Geld zurücküberweisen. Da die Firma G., B., wegen der ausbleibenden Zahlung gedrängt habe, habe er - K. - am 09.05.1996 einen neuen Überweisungsträger gefertigt, aber noch nicht freigegeben. Da am 13.05.1996 der Betrag immer noch nicht eingegangen gewesen sei, habe er erneut den Filialleiter H. angerufen. Dieser habe ihm gesagt, der Überweisungsauftrag der Firma G., O., liege vor. Das Geld werde zurücküberwiesen. Aufgrund der Mitteilung, daß der Überweisungsauftrag der Firma G., O., vorliege und ausgeführt werde, sei er sicher gewesen, das Geld zurückzubekommen. Deshalb habe er den Auftrag an die Firma G., B., freigegeben. Vor der Vernehmung habe er sich den Überweisungsträger nochmals angesehen. Dieser sei auf den 13.05.1996 datiert. Daher sei er sicher, daß das Gespräch mit dem Filialleiter H. vorher gewesen sei.

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Die Geschäftsführerin W. hat den Vorgang, soweit sie beteiligt war, übereinstimmend geschildert. (wird ausgeführt)

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Demgegenüber hat der Filialleiter H. in seiner Vernehmung erklärt, er habe erstmals Ende Mai 1996 von dem Vorgang gehört. Der Überweisungsträger sei ihm vorgelegt worden, weil er nicht ins Kreditlimit gepaßt habe. Er habe dann die Geschäftsführerin W. angerufen und ihr gesagt, daß er die Überweisung nicht ausführen könne. Ein paar Tage später habe auch der Buchhalter der Klägerin, K., angerufen und gefragt, ob der Betrag zurücküberwiesen werden könne. Er - H. - habe geantwortet, daß er dazu nichts sagen könne und man sich an Frau W. wenden möge. Küwen habe dann nochmals angerufen und die gleiche Auskunft erhalten.

17

Der Senat ist überzeugt, daß die Aussagen der Zeugen K. und W. richtig sind. (wird ausgeführt)

18

Rechtlich ergibt der festgestellte Sachverhalt einerseits einen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus einem Vertrag zwischen der Beklagten und der Firma G., O., mit Schutzwirkung zu ihren Gunsten. Dieser Anspruch ist auf Ausgleich der in Höhe des Klagebetrages eingetretenen Vermögenseinbuße gerichtet. Zum anderen hat die Klägerin einen eigenen vertraglichen Erfüllungsanspruch in derselben Höhe.

19

Hinsichtlich des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter schließt sich der Senat der zutreffenden Entscheidung des OLG Düsseldorf NJW RR 1987, 1327 an, wonach bei ausdrücklicher oder konkludenter Erklärung einer Bank, einen eingehenden Betrag auftragsgemäß einem Dritten zu überweisen, ein Vertrag mit Schutzwirkung zu dessen Gunsten anzunehmen ist. Diese Wertung entspricht dem Empfängerhorizont, den wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten und benachteiligt die Bank angesichts ihrer eigenen Erklärung nicht unangemessen.

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Dabei ist auch in den Blick zu nehmen, daß zum Zeitpunkt der festgestellten Erklärung H., der Betrag werde überwiesen (13.05.1996), eine Rücküberweisung möglich gewesen wäre, ohne die von der Beklagten ohnehin geduldete Überziehung zu überschreiten. Vor Eingang des streitigen Betrages (29.04.) belief sich das Soll im Maximum auf rund 114.000,- DM (24.04.). Bis etwa zum 25.05. wäre eine Rücküberweisung möglich gewesen, ohne diese Grenzen nennenswert zu überschreiten.

21

Der von der Klägerin irrtümlich überwiesene Betrag war also wertmäßig auf dem Konto noch vorhanden und diente dazu, das Kreditrisiko der Beklagten auszugleichen.

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Überdies hat die Klägerin auch einen eigenen vertraglichen Anspruch gegen die Beklagte. Jedenfalls vor dem Hintergrund, daß sie selbst auch mit der Beklagten in Geschäftsbeziehung steht, mußte sie die Äußerung H., der Überweisungsauftrag der Firma G., O., liege vor, das Geld werde zurücküberwiesen, nicht nur als unverbindliche Ankündigung verstehen, sondern durfte sie unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts und der wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten als verbindliche Zusage auffassen.

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Angesichts dieses Ergebnisses kann die Frage dahingestellt bleiben, ob die Beklagte auch aus § 826 BGB haftet, weil sie möglicherweise wirtschaftliche Schwierigkeiten der Firma G., O., befürchtete und deshalb die Rücküberweisung hinauszögerte.

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Ferner kann offenbleiben, ob sich in dem Fall, daß eine Rückzahlungsvereinbarung zwischen den Parteien nicht geschlossen worden wäre, ein Anspruch der Klägerin aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB) ergeben hätte. Zwar ist bei einer fehlgeleiteten Überweisung auf ein im Soll stehendes Konto der Kontoinhaber Leistungsempfänger, nicht die wirtschaftlich begünstigte Bank, die nur als Zahlstelle tätig ist (BGH NJW 1985, 2700). Der sich aus dieser Leistungsbeziehung ergebende Leistungskondiktionanspruch (Herausgabeanspruch wegen ungerechtfertigter Leistung, § 812 Abs. 1, S. 1, 1. Altern. BGB) des Überweisenden (Klägerin) gegen den Kontoinhaber (Fa. G., O.) schließt einen Anspruch des Überweisenden gegen die Bank wegen Bereicherung "in sonstiger Weise" (§ 812 Abs. 1, S. 1, 2. Altern. BGB) nach herrschender Meinung zwar regelmäßig aus. Hier könnte jedoch ein späteres Verhalten der beklagten Bank als ein selbständiger Eingriff in die Vermögensposition der klagenden Firma qualifiziert werden, der nicht durch das Leistungsverhältnis zwischen der klagenden Firma und der Kontoinhaberin (Fa. G., O.) rechtlich verdrängt wäre. Das hätte einen Anspruch der Klägerin gegen die Bank wegen Bereicherung "in sonstiger Weise" (Eingriffskondiktion) zur Folge. Ein solcher Eingriff (durch Unterlassen) könnte darin liegen, daß die beklagte Bank sich geweigert hat, den Überweisungsauftrag der Kontoinhaberin Fa. G., O., auf Rückleitung des an sie fehlgeleiteten Betrages an die klagende Firma auszuführen, soweit im Zeitpunkt der Kenntnis der beklagten Bank davon, daß der Kontoinhaberin der Betrag nicht zustand, noch wirtschaftlich eine Bereicherung der Bank durch die Reduzierung des Sollstandes auf dem Konto gegeben war.