Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 02.04.2002, Az.: 7 MS 3203/01

Benehmen; eisenbahnrechtliche Plangenehmigung; Funksendeanlage; Funksendemast; Ortsbild

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
02.04.2002
Aktenzeichen
7 MS 3203/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 42318
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Zur (erstinstanzlichen) Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts

2. Kein Anspruch einer Gemeinde auf Durchführung eines eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsverfahrens

Gründe

1

1. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend die erstinstanzliche Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts für den auf § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 80a Abs. 3 VwGO gestützten Antrag angenommen. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VwGO entscheidet das Oberverwaltungsgericht im ersten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten, die Planfeststellungsverfahren für den Bau oder die Änderung neuer Strecken von .... öffentlichen Eisenbahnen betreffen. Satz 1 gilt auch für Streitigkeiten über Genehmigungen, die anstelle einer Planfeststellung erteilt werden, sowie für Streitigkeiten über sämtliche für das Vorhaben erforderlichen Genehmigungen und Erlaubnisse, auch soweit sie Nebeneinrichtungen betreffen, die mit ihm in einem räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen (§ 48 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Nach zutreffender Auslegung bedeutet die auf dem Planungsvereinfachungsgesetz beruhende missverständliche gesetzliche Formulierung "Änderung neuer Strecken" nicht, dass damit nicht alle Änderungsplanungen erfasst werden. Die Vorschrift ist vielmehr zu lesen: "Verfahren für den Bau neuer oder die Änderung vorhandener Strecken" (vgl. Senat, Urt. v. 30.4.1997 - 7 K 3887/96 -, NVwZ-RR 1998, 718; zustimmend Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl., Rdnr. 10 zu § 48; ebenso Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Rdnr. 30 zu § 48). Hierbei ist der Begriff "Strecke" weit auszulegen. Er umfasst über die Gleisanlagen hinaus sämtliche dem Bahnbetrieb dienenden Anlagen (Urt. d. Senats v. 30.4.1997, aaO).

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2. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf die - nach Anordnung der sofortigen Vollziehung der Plangenehmigung durch Bescheid der Antragsgegnerin vom 07. September 2001 nunmehr beantragte - Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage. Das nach Maßgabe des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hinreichend begründete öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Plangenehmigung überwiegt das Interesse der Antragstellerin an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes. Den Maßstab für die Beurteilung des Antragsbegehrens bilden in erster Linie die Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage. Diese müssen als so gering eingestuft werden, dass sie die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht rechtfertigen.

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2.1 Die Plangenehmigung ist verfahrensfehlerfrei ergangen, der Antragstellerin steht ein Anspruch auf Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens nicht zu.

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Die Antragstellerin hat allein Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin bei der Betätigung ihres Planungsermessens das Interesse der Antragstellerin an der Gestaltung ihres Ortsbildes nicht unberücksichtigt lässt. Eine bestimmte Verfahrensweise ist damit nicht vorgegeben, denn dem Abwägungsgebot des § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG unterliegt die Plangenehmigung nach § 18 Abs. 2 AEG ebenso wie eine Planfeststellung nach § 18 Abs. 1 Satz 1 AEG.

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Auch § 18 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AEG zwang die Antragsgegnerin nicht, ein Planfeststellungsverfahren durchzuführen und auf eine Plangenehmigung zu verzichten. "Benehmen" i.S. dieser Vorschrift ist nicht gleichbedeutend mit "Einvernehmen", das Willensübereinstimmung voraussetzt (vgl. hierzu auch BVerwG, Beschl. v. 31.10.2000 - 11 VR 12.00 -, BA S. 4 ff. m.w.N. = NVwZ 2001, 90 ff.). Auch konnte die Antragstellerin nicht mehr davon ausgehen, dass die Antragsgegnerin ein Planfeststellungsverfahren durchführt, nachdem diese mit Schreiben vom 21. November 2000 den Erlass einer Plangenehmigung angekündigt hatte. Die Antragstellerin hatte bis zur Plangenehmigung vom 11. Januar 2001 Gelegenheit, ihre Belange gegenüber der Antragsgegnerin geltend zu machen.

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2.2 Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht wird die Klage der Antragstellerin voraussichtlich ohne Erfolg bleiben, weil offensichtliche und das Abwägungsergebnis beeinflussende (vgl. § 20 Abs. 7 Satz 1 AEG) Mängel nicht erkennbar sind.

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2.2.1 Soweit die Antragstellerin geltend macht, dass die Errichtung eines etwa 30 m hohen Funksendemastes ihre Planungsinteressen beeinträchtige, hat sie dies weder im Plangenehmigungs- noch im gerichtlichen Verfahren konkretisiert. Solche Interessen sind auch nicht offensichtlich. Der Sendemast soll auf Bahnbetriebsgelände errichtet werden, das der Planungshoheit der Antragstellerin entzogen ist. In direkter Nachbarschaft zum geplanten Sendemast zwischen der Bahnlinie und der an dieser Stelle nördlich der Bahn parallel verlaufenden B ... hat die Antragstellerin durch Bebauungsplan Nr. ..  ein Gewerbegebiet geplant. Es ist nicht erkennbar, inwieweit ein etwa 30 m hoher Sendemast die Verwirklichung dieser Planung beeinträchtigen könnte. Der Einwand der Antragstellerin, dass die Errichtung der geplanten Funksendeanlage Gewerbetreibende und Privatpersonen von einer Ansiedlung abhalten könnte, ist eine durch nichts belegte und angesichts der nahezu vollständigen Funknetzabdeckung in Siedlungsgebieten Deutschlands wenig naheliegende Vermutung. Gerade für potentielle Nutzer eines Gewerbegebietes haben Fragen des Ortsbildes eher weniger Gewicht. Soweit die Antragstellerin darauf verweist, dass der Standort des geplanten Mastes teilweise an den Außenbereich i.S.d. § 35 BauGB angrenzt, handelt es sich dabei um Bereiche des Gemeindegebietes, die gerade nicht beplant sind und für die eine Planungsabsicht auch nicht konkretisiert ist. Vielmehr spricht städtebaulich mehr dafür, dass die Bahnlinie an dieser Stelle die Siedlungsgrenze auch in nächster Zukunft markiert.

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2.2.2 Auch sonst ist nicht ersichtlich, dass die Planung der Beigeladenen unmittelbare Rückwirkung auf andere Positionen der Antragstellerin hat, die ihrem Selbstverwaltungsrecht oder sonstigen eigenen Rechten unterliegen. Dies gilt auch für die behauptete Beeinträchtigung des Ortsbildes durch den Sendemast.

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Der Sendemast soll auf dem Bahnbetriebsgelände errichtet werden, das nicht zuletzt durch die vorhandenen Masten für die Stromversorgung der Bahn ohnehin technisch geprägt ist. Eine weitere technische Anlage, die weder von der Höhe noch vom Volumen her - es handelt sich um einen eher schmalen Schleuderbetonmast - dominant wirkt, ist schon aus tatsächlichen Gründen kaum geeignet, das Ortsbild zu stören. Soweit die Antragstellerin meint, der Mast passe von seiner Höhe her nicht in die flache ostfriesische Landschaft, ist dem entgegenzuhalten, dass dieses Argument für jeden Standort in Ostfriesland gelten müsste, ein Verzicht auf die Planung (Nullvariante) jedoch zur Folge hätte, dass es an Bahnstrecken in Ostfriesland kein analoges Funkbetriebsnetz geben könnte und dann u. a. die Betriebssicherheit beeinträchtigt wäre. Zum anderen gibt es gerade in Ostfriesland (und wie das von den Fachgutachtern der Antragstellerin angesprochene "Standortkonzept Windenergie" zeigt, auch in der Samtgemeinde J. und damit in unmittelbarer Nähe der Antragstellerin) zumindest Planungen, Windenergieanlagen zu errichten, die sowohl von der Höhe als auch vom Volumen der Baumasse her größer und damit auffälliger sind als der geplante Sendemast.

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Wesentlich ist, dass die Beigeladene von der Antragstellerin benannte Alternativstandorte geprüft, aber aus technischen Gründen oder, weil der Eingriff in den Naturhaushalt größer wäre, für ungeeignet gehalten hat. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die von der Beigeladenen gegen die Alternativstandorte vorgebrachten Argumente nicht sachgerecht wären, hat auch die Antragstellerin nicht vorgebracht. Damit fehlt es an der Substantiierung eines Abwägungsmangels, der nicht damit begründet werden kann, die Antragsgegnerin habe sich bei der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und die Zurückstellung des anderen entschieden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.10.2000 - 11 VR 12.00 -, a.a.O. S. 8). Erst recht ist nicht erkennbar, worin ein offensichtlicher Mangel i.S. d. § 20 Abs. 7 Satz 1 AEG liegen soll.