Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.03.2002, Az.: 7 KN 233/01

Abwasser; Anschlußzwang; Benutzungszwang; Entwässerungsanlage; Errichtung; Gemeinde; Kleinkläranlage; Vertrauensschutz

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
21.03.2002
Aktenzeichen
7 KN 233/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43978
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Kann häusliches Abwasser in Teilen des Gemeindegebiets umweltverträglich sowohl dezentral durch Kleinkläranlagen als auch zentral über ein öffentliches Leitungssystem beseitigt werden, hat die (Samt-)Gemeinde einen normgeberischen Handlungsspielraum, für welches System sie sich entscheidet.

2. Es ist gerichtlich nicht zu beanstanden, wenn die Gemeinde sich auch bei nur teilweise schwierigen Grundwasserverhältnissen angesichts der aufwendigeren Überwachung von Kleinkläranlagen für eine zentrale Entwässerung entscheidet.

3. Die in § 149 Abs. 6 S. 4 NWG normierte Berechtigung, Kleinkläranlagen im Einzelfall befristet weiterbetreiben zu dürfen, trägt dem individuellen Anspruch auf Vertrauensschutz abschließend Rechnung. Diesbezügliche Einwendungen können daneben oder darüber hinaus einer Satzung nicht entgegengehalten werden, welche die Berechtigung zur dezentralen Entwässerung aufhebt.

Tatbestand:

1

Die Antragsteller wenden sich gegen eine Satzung der Antragsgegnerin, die ihre Berechtigung aufhebt, das häusliche Abwasser über eine eigene Kleinkläranlage zu beseitigen.

2

Sie sind Eigentümer und Bewohner des etwa 1.900 m2 großen Hausgrundstücks Im H. Nr. 6 a in A., OT H., Samtgemeinde H. (Landkreis H.). Ihr Zweifamilienhaus wurde 1978 genehmigt. Die Besiedlung des zwischen A. und M. gelegenen Ortsteils begann 1930. Inzwischen sind rund 170 Wohngebäude vorhanden, in der Mehrzahl Einfamilienhäuser. Die Abwässer werden bisher über genehmigte Kleinkläranlagen entsorgt.

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Nachdem mit der 9. Änderung des Niedersächsischen Wassergesetzes - NWG - vom 16. 11. 1995 die Möglichkeit geschaffen worden war, für bestimmte Teile des Gemeindegebiets dauerhaft eine dezentrale Abwasserbeseitigung zuzulassen, begann bei der Antragsgegnerin die Diskussion darüber, welche Teile des Samtgemeindegebiets für welche Art der Abwasserentsorgung in Frage kämen. Nach gutachtlichen Untersuchungen kam man in Absprache mit der unteren Wasserbehörde des Landkreises H. im April 1998 zu dem Ergebnis, dass in den Orten D., S. und S. eine dezentrale Abwasserbeseitigung (weiterhin) unbedenklich sei. Dies gelte auch für einzelne Bereiche anderer Ortsteile. Für weitere Gebiete, darunter A. / H., seien noch weitergehende Untersuchungen erforderlich, deren Ergebnisse in eine nachfolgende Satzung einfließen sollten.

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Der Rat der Antragsgegnerin erließ zunächst am 29. 4. 1998 die "Erste Satzung zur Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht auf die Nutzungsberechtigten der Grundstücke gem. § 149 Abs. 4 NWG für die dauerhaft dezentral zu entwässernden Grundstücke in der Samtgemeinde H.", die am 1.1.1999 in Kraft trat. Deren § 1 führte einige Straßenzüge auch in A. auf, allerdings nicht die Heidesiedlung. Die Nutzungsberechtigten haben danach das häusliche Abwasser in Kleinkläranlagen zu beseitigen, zu verrieseln und einem unterirdischen Gewässer zuzuführen. § 4 ("Kalkulationssicherheit") nimmt diejenigen Nutzungsberechtigten für 15 Jahre grundsätzlich vom Anschluss an eine öffentliche Abwasseranlage aus, die ihre Kleinkläranlage während der Geltungsdauer der Satzung an die allgemein anerkannten Regeln der Technik angepasst oder entsprechend neu errichtet haben.

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Nachdem im Juni 1998 ergänzende Untersuchungen zum Abwasserbeseitigungskonzept vorgestellt und mit der unteren Wasserbehörde einvernehmlich erörtert worden waren, beschloss der Rat der Antragsgegnerin am 20. 7. 1998 die "1. Änderungssatzung" zur vorgenannten Satzung, in Kraft getreten ebenfalls am 1. 1 .1999. Mit dieser wurde u.a. die A. H. nunmehr in den Katalog der Flächen aufgenommen, für welche die Beseitigungspflicht übertragen wird. Der beauftragte Sachverständige war in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 27. 5. 1998 für die Heidesiedlung zu der Empfehlung gelangt, dass die Versickerbarkeit dort "überwiegend günstig" sei. Bedenken gegen die dezentrale Entsorgung bestünden allerdings wegen der Überschneidung von Abwasserverrieselung und Grundwasserentnahme durch Brunnen.

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Gleichfalls am 1. 1. 1999 trat eine 2. Änderungssatzung vom 16. 12. 1998 in Kraft, die im wesentlichen "kleine Kläranlagen" (> 8 m3 /d) betraf.

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Vor Beginn der Kanalbauarbeiten durch den Landkreis in A. kam es im Februar 2000 in den Gremien der Antragsgegnerin erneut zu Debatten, ob es bei der dezentralen Entwässerung der Heidesiedlung bleiben solle. Davon hänge u.a. der Standort der Pumpstation ab. Eine Vielzahl von Bürgern der Heidesiedlung hätte inzwischen Interesse bekundet, zentral zu entwässern. Am 9. 3. 2000 beschloss der Samtgemeindeausschuss der Antragsgegnerin, zur Vorbereitung einer Entscheidung die Firma "F + N C.", Hannover, mit einer ergänzenden Begutachtung der Hauskläranlagen im Bereich der Heidesiedlung zu beauftragen. Über das Ergebnis der Geländebegehung und Begutachtung - schriftlich festgehalten unter dem 24. 3. 2000 - berichteten die Firmenvertreter in der Ausschusssitzung am 20. 3. 2000. Sie hätten sich an der Kartierung des Sachverständigen L. aus den Jahren 1996 und 1998 orientiert. Diese weise einen kritischen Bereich im Westen der Siedlung aus, was sich bestätigt habe. Bei neun Grundstücken seien dort Probleme beim Abfluss des Wassers zu erwarten. Bei mindestens 15 Grundstücken liege der Flurabstand zum Grundwasser unterhalb des kritischen Wertes von 1,2 m. Ein weiterer kritischer Bereich sei im Osten der Siedlung vorhanden. Für eine ordnungsgemäße dezentrale Verrieselung sei hier erforderlich, dass sich mehrere Eigentümer zusammenschlössen, um eine Kleinkläranlage zu betreiben. Denkbar sei auch die oberirdische Abführung in einen Vorfluter nach biologischer Reinigung des Abwassers. Dazu teilte die Wasserbehörde des Landkreises unter dem 30. 3. 2000 mit, dass sie aus wasserbautechnischer Sicht der Einleitung von gereinigtem Abwasser in die Gräben um die Heidesiedlung nicht zustimmen könnte, weil diese nicht immer wasserführend seien. Die angrenzenden Flächen würden landwirtschaftlich genutzt. Die Tiere könnten das Abwasser trinken, so dass es zu einem Eintrag in die Nahrungskette kommen würde. Außerdem seien nicht mehr alle Gräben vorhanden.  

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Nach Diskussion beschloss der Rat der Antragsgegnerin am 30. 3. 2000 sodann die "3. Änderungssatzung" zur Übertragungssatzung. § 1 dieser Satzung bestimmt: "In § 1 Abs. 1 Satz 1 (der Übertragungssatzung) wird der Ort A.-H. gestrichen". Die Änderungssatzung, welcher der Landkreis unter dem 27. 4. 2000 zustimmte, trat am 1. 5. 2000 in Kraft.

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Die Antragsteller haben am 3. 5. 2000 Antrag auf Normenkontrolle des § 1 der 3. Änderungssatzung gestellt. Das Recht auf Abwägung ihrer berechtigten Belange sei missachtet worden. Das verleihe ihnen die Antragsbefugnis. Die angegriffene Satzungsbestimmung  verletze § 149 Abs. 2 NWG sowie allgemeines Verwaltungs- und Verfassungsrecht. Die Antragsgegnerin habe die Heidesiedlung mit der 1. Änderungssatzung zunächst zutreffend in die dezentrale Abwasserbeseitigung aufgenommen gehabt. Durch diese umweltfreundliche und kostengünstige Lösung sei das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt worden. Hieran habe sich nichts geändert. Es sei sachlich nicht nachvollziehbar, was nunmehr zu der "schroffen Kehrtwendung" geführt habe. Das Vertrauen der Bürger in die notwendige Kontinuität örtlicher Planungen werde missachtet; die vormalige Satzung habe gerade erst etwa ein Jahr lang gegolten. Die Antragsgegnerin habe mögliche individuelle Alternativen für die wenigen Problemfälle am D. nicht in ihre Überlegungen eingestellt. Diejenigen Grundeigentümer, die sich nunmehr für eine zentrale Abwasserbeseitigung ausgesprochen hätten, seien sich über die damit verbundenen Gesamtkosten nicht im klaren gewesen, insbesondere nicht über die Kosten, die für die Anschlussverbindungen auf den Grundstücken selbst entstünden. Diese würden sich etwa bei ihnen auf rund 54.000,00 DM belaufen. Ihre funktionsfähige Kleinkläranlage, die sie während der Geltungszeit der 1. Änderungssatzung mit einem Kostenaufwand von 15.000,00 DM auf neuesten Stand gebracht hätten, werde bei Anschluss an den zentralen Kanal wertlos.

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Die Antragsteller beantragen,

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die 3. Änderungssatzung zur Satzung über die Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht vom 30. 3. 2000 (ABl. Landkreis Harburg, S. 275) der Antragsgegnerin hinsichtlich des § 1 für nichtig zu erklären.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Sie hält bereits die Antragsbefugnis für zweifelhaft. Es sei nicht ersichtlich, dass die angegriffene Satzungsbestimmung Rechte der Antragsteller verletze. Diese seien damit im Gegenteil von der Verpflichtung zur eigenständigen Abwasserbeseitigung entbunden worden. Da die Antragsteller ihre Kleinkläranlage nach Inkrafttreten der 1. Änderungssatzung an die allgemein anerkannten Regeln der Technik angepasst hätten, brauchten sie nach § 4 der geltenden Satzung 15 Jahre lang keinen Anschluss an die Zentralanlage zu befürchten und bis zum tatsächlichen Anschluss auch keine Kanalbaubeiträge zu entrichten. Jedenfalls sei der Antrag unbegründet. Der angeführte § 149 Abs. 2 des Niedersächsischen Wassergesetzes - NWG - behandele Einleitungsbeschränkungen und habe mit der vorliegenden Thematik nichts zu tun. Die Berufung auf nicht näher konkretisiertes Verwaltungs- und Verfassungsrecht zeige ebenfalls keine Unwirksamkeitskriterien auf. Was den hier einschlägigen § 149 Abs. 4 NWG anbelange, so habe dieser, anders als etwa § 1 Abs. 6 des Baugesetzbuchs, kein allgemeines Abwägungsgebot zum Inhalt. Der Satzungsgeber sei an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden gewesen und habe das Verbot willkürlichen Handelns beachten müssen. Das sei geschehen. Die festgehaltene Erörterung in der Ratssitzung vom 30. 3. 2000 zeige, dass sachliche Gründe zu einer Korrektur der 1 1/2 Jahre zuvor getroffenen Entscheidung geführt hätten. Einen Rechtsgrundsatz, einmal getroffene Entscheidungen nicht abändern zu dürfen, gebe es nicht.

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Anwohner der Heidesiedlung - Straße O. - haben dem Senat unaufgefordert am 12. 3. 2002 eine Liste mit 38 Unterschriften von Hausbewohnern der Siedlung vorgelegt, die vom Landkreis H. den Anschluss an den zentralen Abwasserkanal fordern. Seit Ende letzten Jahres funktionierten viele Klärgrubenverrieselungen infolge hoher Grundwasserstände nicht mehr, so dass es für das Abwasser keine ordnungsgemäße Entsorgung gebe.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Beiakten A und B (Bauakte) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Der Normenkontrollantrag hat keinen Erfolg.

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1. Er ist nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 7 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zur VwGO statthaft und auch im übrigen zulässig.

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Insbesondere ist die Antragsbefugnis, § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO, zu bejahen. Die Antragsteller haben, wenn es für sie bei der durch die Satzung geschaffenen grundsätzlichen Nichtberechtigung zur dezentralen Entwässerung bleibt, nach Bau des Kanalnetzes in Vollzug von § 149 Abs. 10 NWG nach Ablauf der in § 149 Abs. 6 S. 4 NWG bestimmten Frist die Herstellung eines Anschlusses ihres Grundstücks an das öffentliche Kanalsystem zu dulden, die zugehörigen Leitungsverbindungen zu schaffen und ihre bisherige Kleinkläranlage stillzulegen. Dieser für die Antragsteller jedenfalls "in absehbarer Zeit" eintretende Anschluss- und Benutzungszwang wird Pflichten begründen, welche in ihre Rechtsstellung eingreifen (vgl. Nds.OVG, Urt. v. 13. 8. 1998 - 3 K 3398/97 -, Nds.VBl. 1999, S. 11; BayVGH, Urt. v. 28. 10. 1994 - 23 N 90.2272 -, NVwZ-RR 1995, S. 345; Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., Rn. 76 zu § 47) . Die Antragsteller machen, ohne dass dies von vornherein auszuschließen wäre, geltend, dadurch in ihren Eigentümerrechten verletzt zu werden.

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2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.

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Die angegriffene Satzungsvorschrift, gegen deren formell ordnungsgemäßes Zustandekommen Bedenken weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind, steht mit höherrangigem Recht in Einklang:

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2.1 Gesetzliche Ermächtigung ist § 149 Abs. 4 S. 1 NWG. Zwar spricht diese Norm vom Erlass einer Satzung, in der "für bestimmte Teile des Gemeindegebiets vorgeschrieben werden kann, dass die Nutzungsberechtigten der Grundstücke häusliches Abwasser durch Kleinkläranlagen zu beseitigen haben". Darin eingeschlossen liegt als Kehrseite aber auch die Befugnis, vom Erlass solcher Satzungen abzusehen oder sie bei Nichtvorliegen oder Entfall der Erlassvoraussetzungen (ggf. unter Beachtung weiterer Kriterien) wieder aufzuheben, worum es vorliegend geht. Für die Aufhebung sind im Ansatz die gleichen Überlegungen wie für den Erlass anzustellen, die dann allerdings ein negatives Ergebnis rechtfertigen müssen. Dass auch der Gesetzgeber von einer solchen Aufhebungsermächtigung ausgeht, zeigt § 149 Abs. 6 S. 4 NWG, der für diesen Fall unter bestimmten Bedingungen für die Nutzungsberechtigten eine "Kalkulationssicherheit" (Haupt/Reffken/Rhode, NWG, Rn. 26 zu § 149) vorsieht und damit diese Konstellation als möglich voraussetzt.

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2.2 Normative Voraussetzung für eine solche Satzung ist nach § 149 Abs. 4 S. 3, 2. Halbsatz, NWG "die Berücksichtigung der hydrogeologischen Verhältnisse". Dies bedeutet, wie konkreter den Zustimmungskriterien des § 149 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 und 2 NWG zu entnehmen ist, dass der Betrieb der Kleinkläranlagen keine nachteilige Veränderung des Grundwassers oder oberirdischer Gewässer verursachen darf. Die Gemeinde muss sich dafür Klarheit über die Höhe des anstehenden Grundwassers, die Bodenbeschaffenheit und den Untergrund verschaffen, um die Auswirkungen der Einleitung des Abwassers in den Untergrund oder in ein oberirdisches Gewässer beurteilen zu können. Dies ist erforderlich, um, wie es die §§ 1 a Abs. 1 S. 2, 18 a Abs. 1 S. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes - WHG - , 148 Abs. 1 NWG gebieten, eine Belastung des Naturhaushaltes durch Schadstoffe und damit eine Beeinträchtigung des Gemeinwohls zu vermeiden.

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2.2.1 Diese normativen Kriterien geben wenig für eine Unterscheidung der Voraussetzungen zentraler und dezentraler Abwasserbeseitigungssysteme her. Denn beide müssen gleichermaßen Natur- und Wasserhaushalt schonen; § 148 Abs. 1 NWG gilt, wie die gesetzliche Kapitelüberschrift zeigt, für jede Form der Abwasserbeseitigung. Eine dezentrale Beseitigung scheidet danach nur zwingend aus, wenn sie selbst unter Einschränkungen nicht gemeinwohlverträglich herstellbar ist. Für die übrigen Fälle, in denen beide Systeme in Frage kommen, verbleibt ein normgeberischer Handlungsspielraum, der "in erster Linie durch eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtete Würdigung der sich gegenüberstehenden Interessen des Gewässerschutzes auf der einen und der Nutzungsinteressen der Grundeigentümer auf der anderen Seite geprägt ist" (BVerwG, Beschl. v. 16. 6. 1988 - 4 B 102/88 -, NVwZ 1988, 1020 <1021> für eine Satzung über die Festsetzung eines Landschaftsschutzgebiets; OVG Lüneburg, a.a.O., 13).

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2.2.2 Der Handlungsspielraum wird vorliegend speziell noch von folgenden gesetzessystematischen Gesichtspunkten beeinflusst: Grundsätzlich und ohne dass es dafür einer Satzung bedarf, haben nach § 149 Abs. 1 S. 1 NWG die (Samt-)Gemeinden das auf ihrem Gebiet anfallende Abwasser zu beseitigen. Es ist ihnen vom Verfügungsberechtigten direkt nach § 149 Abs. 10 NWG zu überlassen. Soll eine Beseitigung durch Kleinkläranlagen und die Nutzungsberechtigten selbst erfolgen, ist dafür eine Satzung nach § 149 Abs. 4 NWG erforderlich, die nicht für das gesamte Gemeindegebiet gelten darf und weitere Bedingungen vorsehen kann. Ob hieraus der Schluss gezogen werden kann, dass auch nach dieser Neuregelung durch Art. 1 Nr. 1 des 9. Änderungsgesetzes vom 16.11.1995 (GVBl. S. 425) - davor waren Kleinkläranlagen nur als Übergangslösung zugelassen - eine zentrale Entwässerung die Regel und eine dezentrale Entwässerung die Ausnahme ist (so Nds. OVG, a.a.O., S. 11; Haupt u.a., a.a.O., Rn. 16) oder beide Systeme, wie es der Gesetzgeber gesehen hat (Gesetzesbegr. Nds. LT, 13. WP S. 4088, 4091, 4092), nunmehr "gleichwertig" nebeneinander stehen, ist eine Bezeichnungsfrage. Gleichwertigkeit muss jedenfalls insofern bestehen, als beide Systeme das Wohl der Allgemeinheit in Gestalt des Gewässerschutzes nicht beeinträchtigen dürfen. Ist dies gewährleistet, gestattet auch § 18 a Abs. 1 S. 2 WHG eine dauerhafte dezentrale Entsorgung. Andererseits sprechen die gesonderte Regelungsbedürftigkeit, die räumlich nur begrenzte Geltungsmöglichkeit, die zahlreichen Einschränkungen des § 149 Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2 NWG, der Platzbedarf und die auf der Hand liegende schwierigere Überwachung dafür, dass in Gebieten mit verdichteter Besiedlung oder auch nur teilweise schwierigen Grundwasserverhältnissen auch nach der jetzigen Gesetzeslage regelmäßig eine zentrale Entwässerung in Frage kommt. Für dezentrale Systeme dürften sich vor allem noch Splittersiedlungen oder Streubebauungen empfehlen, für die der Bau einer zentralen Schmutzwasserkanalisation zu aufwendig ist.

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2.3 Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen gilt vorliegend:

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2.3.1 Die Antragsgegnerin hat die hydrogeologischen Verhältnisse dadurch erfasst, dass sie Ende 1996 / Anfang 1997 und wiederum im Mai 1998 durch den Dipl.-Geologen Prof. Dr. L. vor allem in den noch dezentral entwässernden Samtgemeindeteilen die Grundwasserlandschaft, die geologischen Horizonte in ihrer Verbreitung und hydraulischen Wirksamkeit sowie die Grundwasser-Entnahmeeinrichtungen untersuchen ließ (BA A, Anl. 5). Danach ergab sich eine "generelle Unbedenklichkeit der Abwasserverrieselung". Während das am 18.2.1997 erstellte Gutachten auf die A. Heidesiedlung nicht speziell eingeht, erfolgte dies mit Bericht vom 11. 5. 1998 nach weiteren Bohrungen. Das Gebiet ist danach eine sehr flache, sich maximal 5 m über der Talaue der "Schmalen Aue" und der Seeve erhebende Erosions-Restfläche des Sockels der drenthezeitlichen Geest. Der Sockel baut sich aus relativ groben Schmelzwassersanden auf. Lokal kommt etwas Geschiebedecksand vor. In den Einheiten ist ein nach oben offener Grundwasserkörper ausgebildet. Das Grundwasser ist kontaminationsempfindlich. An zahlreichen Stellen wird Grundwasser durch Brunnen entnommen. Die Abwasserversickerung ist nach dem Gutachten hydraulisch weitgehend möglich, abgesehen von einem Randbereich im Nordwesten. Hier "schwappt" der Talsandkörper auf die Schmelzwassersande über und ist der Flurabstand gering. Der Gutachter zieht daraus den Schluss, dass ein Fortbestand der dezentralen Entsorgung "nicht bedenkenlos empfohlen" werden könne. Denn die Grundstücksgrößen seien für die Gewährleistung der notwendigen Länge der Sickerstränge zu gering, und das Gefälle sei nicht ausreichend. Außerdem sei nicht gewährleistet, dass die Einleitung von Abwässern in den Schmelzwassersand die Filterstrecken der Brunnen, aus denen Grundwasser entnommen werden könne, nicht doch erreichen werde. L. gelangte am 11. 5. 1998 deshalb zu der Empfehlung, das Gebiet der Heidesiedlung an die zentrale Abwasserentsorgung anzuschließen. In seiner "Zusammenfassung" vom 27. 5. 1998 relativierte er dies allerdings dahingehend, dass er die Versickerbarkeit als "überwiegend günstig" beurteilte. Er hielt aber Bedenken gegen eine dezentrale Entsorgung aufrecht, die aus Gründen der Überschneidung von Abwasserverrieselung und Grundwasserentnahme resultierten. Vor allem in Randbereichen sei es deshalb bei einer Entscheidung für die dezentrale Entwässerung empfehlenswert, besondere Auflagen zu erlassen.

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Damit wird deutlich, dass die Antragsgegnerin in Bezug auf den Grundwasserschutz ein Risiko einging, als sie im Juli 1998 zunächst die dezentrale Abwasserbeseitigung für die Heidesiedlung beschloss. Denn die dafür herangezogene "Günstigkeitsprognose" des Sachverständigen L. gab dessen Überlegungen und Anregungen nur unvollständig wieder. Die Antragsgegnerin sah sich dann 1999/2000 offenbar in Schwierigkeiten, als nicht wenige Bewohner der Siedlung die Unzuträglichkeiten der dezentralen Entsorgung beklagten und einen Anschluss an das zentrale System forderten. Zudem bestätigte die beauftragte "F & N Umwelt C." mit ihren "hydrogeologischen Untersuchungen zur dezentralen Abwasserbeseitigung in der Heidesiedlung A." vom 24. 2. 2000 (BA A, a.a.O.), dass nach weiteren Bodenanalysen "eine dezentrale Abwasserbeseitigung flächendeckend für die Heidesiedlung aufgrund der teilweisen hohen Grundwasserstände nicht empfohlen werden kann" (S. 3). Außerdem wiesen einige Grundstücke nicht den Platz für die Nachrüstung einer erforderlichen biologischen Behandlungsstufe auf, wenn hier diesbezüglich auch Gemeinschaftslösungen vorstellbar seien. Die Gutachter machten weiter darauf aufmerksam, dass ca. 15 Grundstücke am Drosselstieg und O. zeitweilig geringere Flurabstände zum Schichtenwasser als einen Meter aufwiesen, was eine Versickerung des Abwassers ausschließe. Nach der DIN 4261 dürfe nämlich ein Flurabstand von 1,20 m dauerhaft nicht unterschritten werden. Dabei hätten sie nicht einmal zu allen Grundstücken im kritischen Bereich Zutritt erhalten.

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2.3.2 Wenn die Antragsgegnerin sich unter Berücksichtigung dieser Stellungnahmen letztlich zu einer zentralen Abwasserbeseitigung in der Heidesiedlung entschlossen hat, so steht dies mit den aufgeführten gesetzlichen Vorgaben des Grundwasserschutzes in Einklang und vermeidet Risiken, die bei einer dezentralen Entwässerung zu befürchten wären und auch bereits aufgetreten sind. Die Antragsgegnerin hat ihren normgeberischen Handlungsspielraum auch nicht deshalb überschritten oder sachwidrig ausgefüllt, weil die von den Gutachtern geäußerten Bedenken gegen Kleinkläranlagen nicht für alle Grundstücke des Gebietes gelten. Denn das Berücksichtigungsgebot des § 149 Abs. 4 S. 3 NWG verlangt keine Untersuchung jeder einzelnen Parzelle. Ausreichend und maßgeblich ist vielmehr eine allgemeine, auf den Geltungsbereich der Satzung insgesamt zugeschnittene Betrachtungsweise (OVG Lüneburg, a.a.O., S. 13). So braucht auch bei Anordnung von Anschluss- und Benutzungszwang eine Grundwassergefährdung nicht für jedes einzelne erfasste Grundstück gegeben zu sein. Es reicht, wenn dies für den Geltungsbereich der Satzung im allgemeinen und nur teilweise der Fall ist. Im Interesse der Wirtschaftlichkeit der gemeindlichen Einrichtung und einer allseits tragbaren Belastung ist dann die Einbeziehung auch nicht anschlussbereiter Grundstückseigentümer zulässig, wenn die Opfer- und Zumutbarkeitsschwelle nicht überschritten wird (vgl. Bay.VGH, a.a.O., S. 345 m.w.N.).

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2.3.3 Der bei Wirksamkeit der angegriffenen Satzung gesetzlich eintretende Anschluss- und Benutzungszwang ist auch nicht unverhältnismäßig.

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Nach den Berechnungen der "F & N Umwelt C." vom 14.10.1997 (BA A, Anl. 7) wird der mittlere Anschlussbeitrag bei 7.500,00 DM (3.834,69 €) pro Grundstück und werden die Abwassergebühren bei 3,55 DM/m3 (1,82 €) liegen; hinzu kommen mittlere Hausanschlusskosten von 2.500,00 DM (1.278,23 €) (S. 28 f.). Die Kosten (Neubau) von Kleinkläranlagen hängen von mannigfaltigen Parametern ab und sind deshalb schwer vergleichbar; je nach Technik betragen sie zwischen 6.000,00 DM (3.067,75 €) (Untergrundverrieselung) und 14.600,00 DM (7.464,86 €) ("Belebung"); hinzu kommen jährliche Betriebskosten zwischen ca. 270,00 DM (138,05 €) und 1.300,00 DM (664,68 € ) (vgl. S. 27). Kleinkläranlagen haben eine Nutzungsdauer von 15 bis 25 Jahren; dann müssen sie erneuert werden. Insgesamt ist damit eine dezentrale Abwasserbeseitigung auch nach Auffassung der Gutachter für den einzelnen preiswerter. Die Kostenunterschiede sind andererseits nicht exorbitant. Die teilweise höheren Kosten bei zentralem Anschluss werden zudem insgesamt aufgewogen durch ein Mehr an Sicherheit bei der Kontrolle und den hohen Rang des Grundwasserschutzes, den es nach den tatsächlichen Gegebenheiten im Satzungsgebiet besonders zu beachten gilt.

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2.3.3.1 Eine Besonderheit des Falles besteht hier einmal darin, dass die Antragsteller vorübergehend (1 1/3 Jahre lang) berechtigt waren, dezentral zu entwässern und ihre Kleinkläranlage in dieser Zeit modernisiert haben; daraus leiten sie einen Vertrauensschutz auf den Fortbestand dieser Regelung ab. Ein solcher kann der Änderungssatzung indessen nicht mit Erfolg entgegengehalten werden.

33

Das Gesetz selbst erkennt in § 146 Abs. 6 S. 4 NWG (übernommen in § 4 der geltenden Satzung der Antragsgegnerin) und in § 6 a Abs. 1 des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes ausdrücklich ein schützenswertes privates Interesse an, indem es bei Neuerrichtung oder Anpassung der Kleinkläranlage während der Geltungsdauer einer sie gestattenden Satzung einen Bestandsschutz von 15 Jahren einräumt. Dies trifft auf die Antragsteller zu. Innerhalb dieser Zeit besteht für sie keine Verpflichtung zum Anschluss ihres Grundstücks an die öffentliche Abwasseranlage und zur Zahlung eine Kanalbaubeitrages. Nach der gesetzlichen Konzeption wird damit ihrem Anspruch auf Vertrauensschutz abschließend Rechnung getragen. Ihre Investition hindert damit nicht die Anordnung oder Beibehaltung des Anschlusszwangs durch oder infolge Satzung, sondern lediglich den (befristeten) Nichtanschluss im Einzelfall. Die Wirksamkeit der Satzung selbst wird davon also von vornherein nicht berührt, ihr Weiterbestand nach der gesetzlichen Regelung im Gegenteil vorausgesetzt. Das Interesse der Antragsteller, auch nach Ablauf der Frist die dezentrale Entwässerung beizubehalten, ist deshalb kein Belang, der gegen die Wirksamkeit der Satzung ins Feld geführt werden kann.

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2.3.3.2 Eine weitere Besonderheit stellt dar, dass der Anschluss der Antragsteller, wie sie plausibel vorgetragen haben, voraussichtlich überdurchschnittlich hohe Kosten für die Zuleitungen auf dem Grundstück selbst verursachen wird. Das liegt an dem pfeifenförmigen Zuschnitt und dem dadurch bedingten langen Weg zwischen "hinten" stehendem Haus und Straße. Damit liegt jedoch eine atypische Situation vor, die als solche nicht geeignet ist, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung die Satzung zu Fall zu bringen. Denn diese kann nur auf die "durchschnittlichen" Gegebenheiten im gesamten Geltungsgebiet abheben, in der solche Grundstücksformen nicht die Regel darstellen. Künftig eintretenden individuellen Härten kann deshalb nur durch die Beitragssatzung oder Einzelentscheidungen auf vergleichbarer Grundlage Rechnung getragen werden. Die hier angegriffene Satzungsbestimmung bleibt davon unberührt.

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Schützenswerte Interessen der Antragsteller von Gewicht, die im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung dem öffentlichen Interesse am Bestand der Satzung entgegengestellt werden könnten, sind damit insgesamt nicht ersichtlich, so dass dem Normenkontrollantrag nicht entsprochen werden kann.