Landgericht Braunschweig
Beschl. v. 27.12.2008, Az.: 6 T 618/08 (089)
Obliegenheitsverletzung des Insolvenzschuldners im Falle des Verschweigens eines den monatlichen Freibetrag überschreitenden Rentenbezuges
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 27.12.2008
- Aktenzeichen
- 6 T 618/08 (089)
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 38552
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGBRAUN:2008:1227.6T618.08.089.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Braunschweig - 13.06.2008 - AZ: 271 IN 33/01 c
- nachfolgend
- BGH - 22.10.2009 - AZ: IX ZB 9/09
Rechtsgrundlagen
- § 296 Abs. 3 S. 1 InsO
- § 278 S. 1 BGB
- § 85 Abs. 2 ZPO
In der Insolvenzsache
...
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig
am 27. Dezember 2008
durch
den Richter am Landgericht ... als Einzelrichter
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Insolvenzschuldners gegen den Beschluss des Amtsgericht Braunschweig vom 13. Juni 2008 wird auf seine Kosten als unbegründet zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert wird auf die Gebührenstufe bis 50.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Über das Vermögen des (Insolvenz)Schuldners war durch Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 01.03.2001 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Am 18.05.2001 erklärte der Schuldner gegenüber dem Amtsgericht schriftlich, dass er seine " ... pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge an den vom Gericht bestimmten Treuhänder" abtrete; auf das Schreiben an das Amtsgericht wird ergänzend Bezug genommen.
Zum Insolvenzverwalter wurde der jetzige Treuhänder bestellt. Nach der Zustimmung zur Schlussverteilung wurde dem Insolvenzschuldner durch Beschluss des Amtsgerichts vom 08.10.2003 Restschuldbefreiung in Aussicht gestellt. Die Abtretungsperiode wurde auf fünf Jahre festgesetzt und der Insolvenzverwalter zum Treuhänder bestellt. Die "pfändbaren Forderungen ... auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge ..." sollten " ... nach Maßgabe der Abtretungserklärung ..." auf den Treuhänder übergehen; auf den Beschluss wird ebenfalls ergänzend Bezug genommen.
Das Insolvenzverfahren wurde am 07.04.2005 aufgehoben.
Seit dem 01.11.2006 bezog der Schuldner neben seinen Einnahmen aus der von ihm weiterhin betriebenen gynäkologischen Praxis eine monatliche Rente in Höhe von 2.365,84 €. Diesen Rentenbezug teilte er dem Treuhänder nicht mit. Er gab ihn aber gegenüber dem eingangs genannten zuständigen Finanzamt in seiner Steuererklärung für das Jahr 2006 an. Dieses hat deshalb in seiner Rolle als Insolvenzgläubiger mit Schreiben vom 03.04.2008 die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt, weil eine Benachteiligung der Gläubiger durch das Verschweigen des Rentenbezugs nicht auszuschließen sei.
Der Treuhänder hat in einer Stellungnahme vom 23.04.2008 der Auffassung des Finanzamts zugestimmt, dass der Schuldner gegen seine Obliegenheiten verstoßen habe.
Der Schuldner hat sich über seinen damaligen Verfahrensbevollmächtigten in einem Schreiben vom 22.04.2008 gegen den Antrag gewandt, weil er das über dem fiktiven Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit liegende höhere tatsächliche Einkommen nicht an den Treuhänder abzuführen habe. In einem weiteren Schreiben vom 03.06.2008 hat er diese Ansicht weiter vertieft und dabei auch die Gläubigerbenachteiligung in Anrede gestellt.
Wegen der Einzelheiten wird auf die genannten Schreiben der Beteiligten Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat dem Antrag des Finanzamts in der angefochtenen Entscheidung entsprochen. Danach habe der Schuldner den Treuhänder auf die bezogene Rente hinweisen müssen. Ein Teil der Rente sei pfändbar gewesen, so dass auch eine Gläubigerbenachteiligung vorliege.
Im einzelnen wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Der angefochtene Beschluss ist dem damaligen Verfahrenbevollmächtigten des Insolvenzschuldners am 09.07.2008 zugestellt worden.
Mit seiner noch durch seinen Bevollmächtigten eingelegten, am 21.07.2008 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde beantragt er, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Restschuldbefreiung zu gegebener Zeit zu erteilen.
Seiner Ansicht nach müsste er an sich überhaupt keine Einnahmen an den Treuhänder abführen, weil er in seinem Alter keine Anstellung mehr bekommen könne und sein fiktives Einkommen somit "0,00 €" betrage. Die Gläubigerbenachteiligung sei auch nicht glaubhaft gemacht.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift vom 16.07.2008 Bezug genommen. Das Amtsgericht hat in einem Vermerk vom 23.07.2008, auf den ebenfalls Bezug genommen wird, eine Abhilfe abgelehnt.
Nach Eingang der Akte beim Landgericht hat der Schuldner seine jetzigen Bevollmächtigten beauftragt, die aber keine Stellungnahme abgegeben haben. Statt dessen hat er in einem persönlichen Schreiben vom 25.08.2008, auf das ebenfalls Bezug genommen wird, ergänzend ausgeführt, das Verschweigen des Rentenbezugs beruhe auf einer fehlerhaften bzw. unterbliebenen Beratung durch seinen früheren Bevollmächtigten.
II.
Die Beschwerde ist nach §296 Abs. 3 Satz 1 InsO zulässig, aber unbegründet.
Zur Begründung kann auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen werden, denen sich das Beschwerdegericht nach eigener Prüfung anschließt; die nur vermerkten Ausführungen zur Nichtabhilfe haben auf die Entscheidung keinen Einfluss.
Die Ausführungen des Antragstellers und seines früheren Verfahrensbevollmächtigten im Beschwerdeverfahren rechtfertigen keine zu seinen Gunsten abweichende Beurteilung und Entscheidung.
Die grundsätzlich erforderliche Glaubhaftmachung der Gläubigerbenachteiligung durch das Verschweigen des Rentenbezugs ist insoweit entbehrlich, als die Rente den monatlichen Pfändungsfreibetrag unstreitig überschreitet. Die genaue rechtliche Einordnung des Obliegenheitsverstoßes durch das antragstellende Finanzamt ist vom Amtsgericht zu Recht für unerheblich gehalten worden.
Soweit der frühere Verfahrensbevollmächtigte des Schuldners eingewandt hat, der Schuldner habe seine Obliegenheiten als selbständig Tätiger nicht verletzt, mögen die daran geknüpften rechtlichen Ausführungen grundsätzlich zutreffen. Sie gehen aber nicht auf die Tatsache ein, dass die Obliegenheitsverletzung im Verschweigen eines Rentenbezugs neben den Einnahmen aus der beruflichen Tätigkeit besteht. Diese Einnahmen werden von der fiktiven Berechnung eines Angestelltengehalts nicht umfasst, wohl aber von der seinerzeitigen Abtretung.
Soweit der Schuldner in seiner persönlichen Stellungnahme einwendet, das Verschweigen des Rentenbezugs beruhe auf einem Verschulden seines früheren Bevollmächtigten, ist ihm dieses Verschulden nach §85 Abs. 2 ZPO oder §278 Satz 1 BGB zuzurechnen. Denn er hat sich wissentlich und willentlich des Verfahrensbevollmächtigten bei der Erfüllung seiner Obliegenheiten bedient. Zumindest ist §278 Satz 1 BGB in diesem Fall analog anwendbar. Ob sich die Haftung für das anwaltliche Verschulden statt dessen nach §85 Abs. 2 ZPO richtet, kann dahinstehen, weil sich daraus die gleichen rechtlichen Folgen ergeben; dass die unterbliebene Mitteilung des Rentenbezugs auf einem Verschulden von Hilfskräften des Bevollmächtigten beruhen könnte, ist nicht vorgetragen worden und erscheint fernliegend.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§4 InsO, 97 Abs. 1 ZPO.
Der Beschwerdewert ist auf der Basis der gesamten Schulden des Schuldners zu berechnen. Es kann aber bei realitätsnaher Betrachtung nicht davon ausgegangen werden, dass er diese Schulden nach Versagung der Restschuldbefreiung insgesamt wird zurückzahlen können. Deshalb ist sein Interesse an der Beschwerdeentscheidung auf den - naturgemäß grob geschätzen - Teil der Schulden zu festzusetzen, mit dessen Rückzahlung ernsthaft zu rechnen ist.