Landgericht Braunschweig
Urt. v. 14.05.2008, Az.: 9 O 679/08 (105)
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 14.05.2008
- Aktenzeichen
- 9 O 679/08 (105)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 43327
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGBRAUN:2008:0514.9O679.08.105.0A
In dem Rechtsstreit
...
wegen Kontrollbesuchsrecht nach UrhG
hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig auf die mündliche Verhandlung vom 16.04.2008 durch
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
- 3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
- 4.
Der Streitwert wird auf 6 000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Verfügungsklägerin (nachfolgend Klägerin genannt) begehrt im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens Gestattung des Zutritts zu den Geschäftsräumen der Verfügungsbeklagten (nachfolgend Beklagte genannt).
Bei der Klägerin handelt es sich um die Verwertungsgesellschaft, die Rechte von Urhebern und Leistungsberechtigten im Wortbereich in der Bundesrepublik Deutschland wahrnimmt (vgl. §§ 1,2 der Satzung der Klägerin - AS 1). Gemäß § 2 des Gesetzes über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (WahrnG) ist der Klägerin die Erlaubnis zur Wahrnehmung von Nutzungsrechten und von Vergütungsansprüchen nach dem Urheberrechtsgesetz erteilt.
Die Beklagte betreibt ein Druckereiunternehmen in den Geschäftsräumen in Braunschweig. Aus der Unternehmensgeschichte auf der Internetseite der Beklagten ergibt sich, dass der Geschäftsführer der Beklagten im Jahr 1984 seinen ersten Copy-Shop in Braunschweig eröffnet hat. Im Laufe der Jahre kamen dann weitere Filialen dazu. Im Jahr 1994 wurde das Digitalzentrum "Am Hafen" in Braunschweig eröffnet und im Jahr 2002 erfolge die Änderung des Firmennamens von ... GmbH". Unstreitig ist es so, dass in den Geschäftsräumen Am Hafen in Braunschweig vornehmlich digitale Druckaufträge für Industrieunternehmen abgewickelt werden. Darüber hinaus befinden sich in den Geschäftsräumen Am Hafen abgabepflichtige Kopiergeräte. Streitig zwischen den Parteien ist jedoch, wie viele abgabepflichtige Kopiergeräte in den letzten Jahren bis heute in den Geschäftsräumen vorhanden sind.
Auf Nachfrage der Klägerin teilte die Beklagte im Jahr 2001 mit, dass in der Produktionsstätte Am Hafen keine abgabepflichtigen Geräte stehen würden.
Bei einem Kontrollbesuch im Oktober 2001 stellte die Klägerin fest, dass dort abgabepflichtige Geräte vorhanden waren. Sodann erfolgte für das Jahr und die Folgejahre eine Nachmeldung.
2005 teilte die Beklagte mit, dass keine abgabepflichtigen Geräte mehr dort stünden, sondern nur noch Drucker. Bei einem weiteren Kontrollbesuch stellte die Klägerin jedoch fest, dass sich dort mindestens zwei abgabepflichtige Geräte befanden. Diese wurden dementsprechend in den Folgejahren angegeben und berechnet.
In den Jahren 2006 und 2007 konnte eine weitere Überprüfung nicht stattfinden, da der Geschäftsführer der Beklagten nicht vor Ort war.
Im Jahr 2007 wurde von der Beklagten ein Gerät für das ganze Jahr und ein weiteres Gerät für einen begrenzten Zeitraum gemeldet.
Aus der Meldung für das Jahr 2008 ergibt sich ein abgabepflichtiges Gerät.
Am 13.02.2008 suchte der Außendienstmitarbeiter der Klägerin, Herr W.... W...., die Geschäftsräume der Beklagten auf, um den Bestand der Fotokopiergeräte festzuhalten. Herrn W. wurde lediglich der Zugang zum Eingangsbereich gewährt, nicht jedoch zu den hinteren Räumen. Der Geschäftsführer der Beklagten begründete die Verweigerung des Zutritts mit Geheimhaltungsinteressen.
Mit Schreiben vom 18.02.2008 wurde die Beklagte abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert (AS 4). Auf dieses Schreiben antwortete die Beklagte am 22.02.2008 (AS 6) und teilte mit, dass unangekündigten Besuchern unter dem Gesichtspunkt des Kundendatenschutzes kein Zutritt zu den (hinteren) Produktionsräumen gewährt werden könne, aber jederzeit ein Besuchstermin vereinbart werden könne, bei dem die Räumlichkeiten betreten werden könnten.
Nach einer weiteren erfolglosen Aufforderung stellte die Klägerin mit Schriftsatz vom 05.03.2008 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Sie ist der Ansicht, dass ihr gemäß der neuen Regelung des § 54g UrhG ein Zutrittsrecht zustehe. Ein Verfügungsgrund sei gegeben, da die Klägerin darauf angewiesen sei, die Anzahl der Geräte zeitnah zu kontrollieren, da andernfalls Veränderungen im Bestand zu befürchten seien. Bei den Kontrollbesuchen in der Vergangenheit sei schließlich festgestellt worden, dass sich der Bestand der abgabepflichtigen Geräte verändert habe, ohne dass darüber Mitteilung von der Beklagten gemacht wurde. Die Neuregelung in § 54g UrhG sei erfolgt, um der Klägerin bei der Verfolgung ihrer Vergütungsansprüche effektiven Rechtsschutz zu gewähren. Schließlich seien die Auskünfte oft unrichtig bzw. unvollständig, so dass ohne Möglichkeit der unangekündigten Überprüfung die Gefahr bestehe, dass die Klägerin ihre Vergütungsansprüche nicht durchsetzen kann.
Die Klägerin beantragt:
- I.
Der Beklagten wird geboten, der Klägerin bzw. deren Vertretern zu den üblichen Betriebs- und Geschäftszeiten den Zutritt zu ihren Geschäftsräumen Am Hafen ..., zum Zwecke der Kontrolle und Erfassung der von der Beklagten im Sinne von § 54c Abs. 1 UrhG bereitgehaltenen Vervielfältigungsgeräte ohne Einschränkung zu gestatten.
- II.
Für jeden Fall des Verstoßes gegen die Verpflichtung gemäß obigem Antrag unter Ziffer I wird der Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu 250 000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die an ihrem Geschäftsführer zu vollziehen ist, angedroht.
Die Beklagte beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, sie verfüge nur über ein Gerät, mit dem Ablichtungen gefertigt werden können. In den Produktionsräumen befänden sich vier digitale Drucksysteme zur Erledigung von Druckaufträgen (vgl. Fotos Anlage 1 zum Sitzungsprotokoll vom 16.04.2008). Diese Drucksysteme seien zur Reproduktion nicht geeignet. Ein unangekündigter Zutritt zu den Produktionsräumen könne der Klägerin aus Geheimhaltungsgründen nicht gewährt werden. Die Beklagte habe sich gegenüber ihren Kunden, die Druckaufträge erteilen, zur Geheimhaltung verpflichtet (AG 1). Dieser Geheimhaltungsverpflichtung könne die Beklagte nicht nachkommen, wenn einem Vertreter der Klägerin unangekündigt Zutritt gewährt werden würde, da dieser von dem Inhalt der Druckaufträge und von den Auftraggebern Kenntnis erhalten könne.
Wegen der Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.04.2008 (Bl. 21-23 d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zurückzuweisen, da kein Verfügungsgrund besteht (I) und ein Verfügungsanspruch (II) nicht gegeben ist.
I.
Zwar bestehen Im vorliegenden Fall keine Zweifel daran, dass die Klägerin innerhalb eines kurzen Zeitraumes nach Kenntniserlangung von der Verweigerung des Zutrittes den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zeitnah gestellt hat, nämlich binnen 2 Wochen (Kenntnis seit 22./23.02.2008). Insoweit scheitert der Verfügungsantrag nicht daran, dass der Antrag nicht zeitnah nach Kenntniserlangung gestellt worden ist.
1. Es liegt jedoch kein Verfügungsgrund im Sinne des § 935 ZPO vor. Ein Verfügungsgrund ist gegeben, wenn die Besorgnis besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte bzw. die einstweilige Verfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen notwendig erscheint, §§ 935, 940 ZPO. Das Vorliegen eines Verfügungsgrundes ist aufgrund objektiver Betrachtungsweise zu beurteilen. Die schutzwürdigen Interessen beider Seiten sind im Rahmen des gerichtlichen Beurteilungsspielraumes gegeneinander abzuwägen (Zöller, ZPO-Kommentar, 25. Aufl., § 940 Rdnr. 4).
a) Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall ein Verfügungsgrund zu verneinen. Ausgangspunkt ist, dass das Zutrittsrecht, welches der Klägerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gewährt werden soll, lediglich dazu dient, feststellen zu können, ob und in welcher Höhe der Klägerin Vergütungsansprüche zustehen. Das bedeutet, dass es um die Sicherstellung des Vergütungsanspruchs der Klägerin gemäß § 54c UrhG geht. Es geht hingegen nicht darum, dass die Realisierung des Vergütungsanspruchs durch die Weigerung gänzlich gefährdet ist. Denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Beklagte ihrer Zahlungsverpflichtung vollständig entziehen will. Entsprechend den gesetzlichen Vorschriften ist die Beklagte grundsätzlich verpflichtet, gegenüber der Klägerin Auskunft über die abgabepflichtigen Geräte gemäß § 54f UrhG zu erteilen (§ 54f neugefasst mit Wirkung zum 01.01.2008 durch Gesetz vom 26.10.2007, Bundesgesetzblatt I Seite 2513).
Auch für den Fall, dass falsche Angaben gemacht werden in der Auskunft, ist der Vergütungsanspruch grundsätzlich nicht gefährdet. Denn es besteht die Möglichkeit, den doppelten Vergütungssatz zu berechnen, wenn die Auskunft unvollständig bzw. unrichtig ist, § 54f Abs. 3 UrhG.
b) Der Gesichtspunkt der Beweisvereitelung führt hier nicht zur Annahme eines Verfügungsgrundes. Denn es ist nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass die abgabepflichtigen Geräte bei angekündigten Besuchen auf Dauer beiseite geschafft werden, um das Entstehen von Vergütungsansprüchen gänzlich zu vereiteln. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass die Geräte Grundlage der Existenz sind und daher diese Geräte nicht einfach durch andere - nichtabgabepflichtige Geräte - ersetzt werden können. Zum anderen handelt es sich um große und schwere Geräte, die nicht einfach und schnell beiseite geschafft werden können. Im übrigen könnte diesem befürchteten Beiseiteschaffen dadurch begegnet werden, dass mehrere angekündigte Besuche in einem bestimmten Zeitraum erfolgen. Das Beiseiteschaffen, soweit es denn erfolgen sollte, würde dann letztlich zu erheblichen Umsatzeinbußen führen, weil die Geräte nicht genutzt werden könnten.
Die Interessenlage und Ausgangssituation ist nicht vergleichbar mit dem Besichtigungsanspruch gem. § 809 BGB bei vermeintlichen Schutzrechtsverletzungen (dazu BGH GRUR 2002,1046 [BGH 02.05.2002 - I ZR 45/01]-Faxkarte). Denn dort geht es darum, bei Verdacht einer Schutzrechtsverletzung dem Schutzrechtsinhaber die Möglichkeit zu geben, die behauptete Schutzrechtsverletzung nachzuweisen und somit sein Schutzrecht zu verteidigen. Für diese Fälle wird, insbesondere vor dem Hintergrund der Umsetzung der Regelung des Art. 7 der Enforcement-Richtlinie (Richtlinie Nr. 2004/48/EG) diskutiert ob und unter welchen Voraussetzungen eine Besichtigungsverfügung ergehen kann (vgl. zu dem aktuellen Diskussionstand: Matthias Eck/Jan Dombrowski "Rechtsschutz gegen Besichtigungsverfügungen im Patentrecht in GRUR 2008, 387-393). Diese verfahrensrechtliche Regelung in Art 7 der Richtlinie des in Art. 6 der Richtlinie verankerten Anspruchs auf Vorlage von Beweismitteln bezieht sich nur auf Beweismittel zur Begründung der Ansprüche, die sich auf die Verletzung von Rechten am geistigen Eigentum beziehen.
c) Das Vorliegen eines Verfügungsgrundes ergibt sich auch nicht aus der analogen Anwendung des § 12 Abs. 2 UWG. Zwar wird in Literatur und Praxis weitgehend die entsprechende Anwendung des § 12 Abs. 2 UWG befürwortet (vgl. Wandtke Bullinger, Urheberrecht, 2. Aufl., Vor§ 97 ff., Rndr. 94; OLG Köln, GRUR 2001, 424, 425 [OLG Köln 12.01.2001 - 6 U 98/00]). Die analoge Anwendung des § 12 Abs. 2 UWG gilt jedoch nur bei Unterlassungsansprüchen wegen der Verletzung der im Urhebergesetz geschützten Rechte. Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um einen Unterlassungsanspruch, sondern um eine Regelung, die der Vorbereitung der Geltendmachung des Vergütungsanspruchs dient. Bei der bloßen Durchsetzung von Vergütungsansprüchen fehlt meistens die erforderliche Dringlichkeit (vgl. Dreyer Schulze, UrhG, 2. Aufl., § 16 UrhWG Rdnr. 24). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der einstweilige Rechtsschutz für die Fälle vorbehalten bleiben soll, in denen ohne die einstweilige Regelung die Gewährung von Rechtsschutz grundsätzlich gefährdet ist. Davon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen die bloße und nicht näher begründete Befürchtung besteht, dass ein Vergütungsanspruch unter Umständen nicht vollständig geltend gemacht werden könnte. Wenn allein diese Befürchtung ausreichen würde, um einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren, würde das bedeuten, dass in vielen Fällen, wo die Feststellung der Zahlungsansprüche erschwert ist, einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren wäre. Das hätte jedoch zur Folge, dass der einstweiliger Rechtsschutz im Verhältnis zum Hauptsacheverfahren nicht die Ausnahme wäre, sondern in diesen Fällen regelmäßig vorgeschaltet werden könnte. Dieses entspricht nicht dem Sipn und Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes. Die anderweitige Betrachtung bei Unterlassungsansprüchen gemäß § 97 UrhG ist wegen der Natur des Anspruchs durchaus gerechtfertigt.
d) Aus dem Wortlaut des § 54g UrhG ergibt sich nicht, dass der Anspruch im einstweiligen Verfügungsverfahren durchgesetzt werden kann. Es ist dort nicht ausdrücklich geregelt, wie und in welcher Verfahrensart das Zutrittsrecht durchgesetzt werden kann. Soweit in der Begründung der neuen Regelung in der Bundestagsdrucksache am Ende ausgeführt wird: "Wird der Kontrollbesuch verwehrt, ist der Rechtsweg zu beschreiten", folgt daraus nicht, dass dieses Zutrittsrecht im Wege des einstweiligen Rechtsschutz geltend gemacht werden kann. Wenn dieses dem Willen des Gesetzgebers entsprochen hätte, hätte es nahegelegen, die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes in den Gesetzestext mit aufzunehmen, wie das an anderer Stelle im Urheberrecht der Fall ist, namentlich in § 101a Abs. 3 UrhG. Gemäß § 101a UrhG (eingeführt durch das ProduktpiraterieG vom 7.5.1990- BGBL. I S. 422) kann die Verpflichtung zur Auskunftserteilung in den Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung im Wege der einstweiligen Verfügung nach den Vorschriften der ZPO angeordnet werden. Hier hat der Gesetzgeber ausdrücklich auf die Möglichkeit der Durchsetzung im einstweiligen Rechtsschutz hingewiesen. Dies wurde auch in dem jetzt verabschiedeten Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums (BTDS 16/883) so vom Gesetzgeber gehandhabt (vgl. etwa § 101, Abs. 7 UrhG n.F.).
Der Umstand, dass dieses bei der in Frage stehenden Regelung nicht der Fall ist, ist zumindest ein Indiz dafür, dass die Durchsetzung des Zutrittsrechts im Wege der einstweiligen Verfügung nicht dem Willen des Gesetzgebers entspricht.
2. Die Kammer hat auch Bedenken hinsichtlich des Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses. Die Beklagte hat der Klägerin den Zutritt im Falle eines vereinbarten Besuchs angeboten. Infolgedessen hätte die Klägerin die Möglichkeit, binnen eines relativ kurzen Zeitraumes Zutritt zu den Räumen zu bekommen. Damit hätte sie die Möglichkeit, die Richtigkeit der Angaben zu überprüfen.
II.
Es fehlt vorliegend auch an einem Verfügungsanspruch. Gemäß § 54g UrhG (neu gefasst durch das Gesetz vom 26.10.2007 mit Wirkung vom 1.1.2008- Reform des Urheberrechts im 2. Korb) besteht grundsätzlich das Recht auf einen Kontrollbesuch. Dieses Besuchsrecht ist jedoch nur unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gewährt. Die Geltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, in der es u.a. heißt: "Soweit dies für die Bemessung der vom Betreiber nach § 54c geschuldeten Vergütung erforderlich ist, kann der Urheber verlangen ...."
Durch die Formulierung "soweit erforderlich" ist deutlich gemacht, dass die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden muss. Das ergibt sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Der BGH hatte in einem Urteil vom 13.11.2003 ( GRUR 2004, 420, 421 [BGH 13.11.2003 - I ZR 187/01]) entschieden, dass einer Verwertungsgesellschaft kein Recht zustehe, gegen den Willen des Geschäftsinhabers die Geschäftsräume eines Kopierladens zu betreten und die bereitgehaltenen Fotokopiergeräte zu erfassen oder zu kontrollieren ( BGH GRUR 2004, 420 [BGH 13.11.2003 - I ZR 187/01]-421 - Kontrollbesuch, 1. Leitsatz). Zur Begründung hat der BGH darauf verwiesen, dass den Verwertungsgesellschaften mit dem Auskunftsrecht und der Möglichkeit, die Richtigkeit der Auskunft an Eides statt versichern zu lassen (§ 259 Abs. 2 BGB) genug Möglichkeiten zustünden, ihre Vergütungsansprüche durchzusetzen.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich in einer Entscheidung vom 15.05.2000 ( NJW-RR 2000, 1589 [BVerfG 15.05.2000 - 1 BvQ 8/00]) ebenfalls mit der Frage der Duldung von Kontrollmaßnahmen nach dem Urheberrechtsgesetz auseinandergesetzt und hat diesbezüglich festgestellt, dass bei Zulassung derartiger Kontrollmaßnahmen die damit verbundene Beeinträchtigung der Betreiber und deren Geschäftsbetriebe, insbesondere das Eindringen in ihre durch Art. 13 Abs. 1 GG geschützten Räume zu berücksichtigen seien. Aus der Gesetzesbegründung in der Bundestagsdrucksache (16/1828) ergibt sich, dass mit dieser Regelung - entgegen der o.g. Entscheidung des BGH (Kontrollbesuch) - ein Recht zum Kontrollbesuch für die Verwertungsgesellschaften besteht.
Nach der Gesetzesbegründung soll das Kontrollbesuchsrecht die Durchsetzung des Anspruchs beschleunigen und erleichtern (Gesetzesbegründung Bundestagsdrucksache 16/1828 Seite 31). Mit der Formulierung "soweit ... erforderlich" hat der Gesetzgeber einer verfassungsmäßigen Auslegung des Kontrollbesuchsrechts Rechnung getragen.
Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss vom 16.11.2007 (1 BvR 2818/07 ) bereits mit der neuen Vorschrift des § 54g UrhG befasst und unter Bezugnahme auf seine frühere Rechtsprechung ( Bundesverfassungsgericht NJW 1971, 2299) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Kontrollbesuchsrecht vor den Fachgerichten durchgesetzt werden muss und diese unter Beachtung des Grundrechts aus Art. 13 GG und der Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts zu Besichtigungsansprüchen entscheiden müssen wobei folgende Voraussetzungen zu beachten seien:
- a)
Eine besondere gesetzliche Vorschrift muss zum Betreten der Räume ermächtigen;
- b)
Das Betreten der Räume, die Vornahme der Besichtigung und Prüfung müssen einem erlaubtem Zweck dienen und für dessen Erreichung erforderlich sein;
- c)
Das Gesetz muss dem Zweck des Betretens, den Gegenstand und den Umfang der zugelassenen Besichtigung und Prüfung deutlich erkennen lassen;
- d)
Das Betreten der Räume und die Vornahme der Besichtigung und Prüfung ist nur in den Zeiten statthaft, zu denen die Räume normalerweise für die jeweilige geschäftliche oder betriebliche Nutzung zur Verfügung stehen.
Die Klägerin will im Ergebnis das- Kriterium der Erforderlichkeit faktisch streichen. Da generell falsche Angaben vorkämen und sie nur durch die überraschende Besichtigung effektiv kontrollieren könne, sei die Kontrolle immer gerechtfertigt. Dies wird aber den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht gerecht. Es ist im Einzelfall ein Ausgleich zwischen dem Kontrollanspruch des Berechtigten und dem Recht des Kontrollierten aus Art. 13, Abs. 1 GG zu erzielen (BverfG 1 BvR 2818/07).
Im vorliegenden Fall ist ein unkontrolliertes - im Wege des einstweiligen Verfügung durchgesetztes - Betreten der Räume nicht erforderlich. Denn die Beklagte hat in ihrem Schriftsatz vom 02.04.2008 mitgeteilt, dass sich in den Produktionsräumen lediglich vier digitale Drucksysteme zur Erledigung von Druckaufträgen befinden. In der mündlichen Verhandlung hat sie Fotografien eingereicht, auf denen die Druckmaschinen zu sehen sind.
Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung nicht in Abrede gestellt, dass es sich bei den auf den Fotos zu sehenden Druckmaschinen um nichtabgabepflichtige Geräte handelt. Die Angaben der Beklagten in den letzten Jahren über abgabepflichtige Geräte lassen zwar den Schluss zu, dass die Meldungen über abgabepflichtige Geräte nicht immer rechtzeitig und vollständig erfolgt sind. Sie sind jedoch nicht ausreichend, um anzunehmen, dass die nunmehr gemachten Angaben über die Geräte in den Produktionsräumen unrichtig sind und es daher zwingend eines Kontrollbesuchs bedarf.
Schließlich hat die Klägerin aufgrund der nunmehr erteilten Auskunft die Möglichkeit, sich die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft von dem Geschäftsführer der Beklagten an Eides statt versichern zu lassen, § 259 Abs. 2 BGB.
Weiter kann sie nach der Rechtsprechung ggf. auch Einsicht in Bücher durchsetzen.
Ferner kann die Richtigkeit der Angaben der Beklagten bei einem vereinbarten Besuchstermin, wie von der Beklagten angeboten, überprüft werden.
Nach Auffassung der Kammer ist es auch unter Wahrung der Geheimhaltungspflichten, die die Beklagte gegenüber ihren Auftraggebern hat, möglich, einem Vertreter der Klägerin Zutritt zu den Räumen zu gewähren. Durch Vorkehrung bestimmter Maßnahmen wie z.B. Abdecken oder Umdrehen von Unterlagen und Beiseiteräumen, kann das Geheimhaltungsinteresse ausreichend gewahrt werden.
III)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert war entsprechend dem Interesse der Klägerin an der Durchführung eines Kontrollbesuchs festzusetzen, §§ 3 ZPO, 53 GKG.