Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 20.03.2013, Az.: L 8 AY 59/12 B ER

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
20.03.2013
Aktenzeichen
L 8 AY 59/12 B ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 41633
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2013:0320.L8AY59.12B.ER.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Stade - 05.04.2012 - AZ: S 33 AY 2/12 ER

Fundstelle

  • info also 2013, 287

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stade vom 5. April 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I. Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Leistungen nach dem AsylbLG streitig. Die Antragsteller stehen im laufenden Leistungsbezug des Antragsgegners und erhalten Leistungen nach dem AsylbLG. Sie wenden sich im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Anwendung des § 1a AsylbLG und begehren die Bewilligung von ungekürzten Leistungen nach § 3 AsylbLG.

Die 1981 geborene Antragstellerin zu 1) ist türkische Staatsangehörige und lebt seit November 1988 in der Bundesrepublik Deutschland. Sie wohnt mit ihren minderjährigen 1998, 2000, 2002 und 2004 in Deutschland geborenen Kindern, den Antragstellern zu 2) - 5), in Tarmstedt. Nach Ablehnung verschiedener, unter Angabe unterschiedlicher Namen und Nationalitäten gestellter Asylanträge der Antragstellerin zu 1) sind die Antragsteller ausreisepflichtig. Ihr Aufenthalt ist nach § 60a AufenthG geduldet. Ein Vollzug der Ausreisepflicht scheitert an der fehlenden Registrierung der Antragsteller zu 2) - 5) bei den türkischen Behörden.

Bereits mit Schreiben vom 27. Oktober 2008 forderte die zuständige Ausländerbehörde die Antragstellerin zu 1) unter Fristsetzung vergeblich auf, die Antragsteller zu 2) - 5) beim Türkischen Generalkonsulat registrieren zu lassen. Nach einer entsprechenden Anhörung mit Schreiben vom 23. Dezember 2008 kürzte der Antragsgegner mit Bescheid vom 25. Februar 2009 die Leistungen der Antragsteller ab dem 1. März 2009 gemäß § 1a AsylbLG um den vollständigen Bekleidungsbetrag. Er verwies die Antragsteller auf die Kleiderkammer. Außerdem halbierte er den monatlichen Barbetrag. Gegen die Entscheidung erhoben die Antragsteller am 13. März 2009 Widerspruch. Nachdem die Antragstellerin zu 1) im April 2009 beim Türkischen Generalkonsulat vorgesprochen hatte, gewährte der Antragsgegner mit Bescheid vom 17. April 2009 ab April 2009 zunächst wieder ungekürzte Leistungen nach § 3 AsylbLG.

Die Ausländerbehörde forderte die Antragstellerin zu 1) mit Schreiben vom 9. Oktober 2009 erneut unter Fristsetzung auf, die für die Nachregistrierung der Antragsteller zu 2) - 5) erforderlichen Unterlagen zu beschaffen und dem Generalkonsulat der Türkei vorzulegen. Darüber hinaus teilte die Ausländerbehörde des Antragsgegners der für die Antragsteller zuständigen Leistungssachbearbeiterin mit, dass die Antragstellerin zu 1) zwar beim Türkischen Generalkonsulat vorgesprochen, aber nicht die erforderlichen Unterlagen für eine Registrierung der Kinder vorgelegt habe. Die Antragstellerin zu 1) sei im April 2009 und August 2009 vom Türkischen Generalkonsulat angeschrieben und um Vorlage der Unterlagen gebeten worden. Auf beide Schreiben habe sie nicht reagiert.

Mit Bescheid vom 23. Oktober 2009 schränkte der Antragsgegner die Leistungen der Antragsteller gemäß § 1a Nr. 2 AsylbLG ab November 2009 nach vorheriger Anhörung erneut ein. Eine Neuberechnung der Leistungen ab 1. Januar 2010 erfolgte aufgrund der Erhöhung des Kindergeldes mit Bescheid vom 18. Januar 2010. Die Antragstellerin zu 1) wurde mit Schreiben der Ausländerbehörde vom 25. Januar 2010 wiederholt unter Fristsetzung zur Mitwirkung aufgefordert. Gegen die Leistungsbewilligung erhoben die Antragsteller sodann am 2. Februar 2010 Widerspruch. Mit Schreiben der Ausländerbehörde vom 4. März 2010 wurde die Antragstellerin zu 1) zudem aufgefordert, einen Nüfus zu beantragen und mitzuteilen, welche Anstrengungen sie unternommen habe, um ihrer Passpflicht nach dem AufenthG nachzukommen.

Mit Bescheid vom 27. Juli 2010 bewilligte der Antragsgegner ab August 2010 nach vorheriger Anhörung weiterhin gekürzte Leistungen im Sinne des § 1a AsylbLG, da nach Auskunft der Ausländerbehörde die erforderlichen Mitwirkungshandlungen nicht erfolgt seien. Gegen die Entscheidung erhoben die Antragsteller am 28. Juli 2010 Widerspruch.

Mit Schreiben vom 14. Februar 2011 kündigte der Antragsgegner eine weitere Absenkung der Leistungen und eine vollständige Kürzung des Barbetrages an, falls die Antragstellerin zu 1) weiterhin ihren Mitwirkungspflichten nicht nachkomme. Der Antragsgegner erließ an demselben Tag einen Bescheid und berücksichtigte ab Januar 2011 höhere Unterkunftskosten. Hiergegen erhoben die Antragsteller am 7. März 2011 Widerspruch. Sie beantragten außerdem eine Überprüfung aller bisherigen Leistungsbescheide hinsichtlich der Höhe der Leistungen. Mit Bescheid vom 28. März 2011 kürzte der Antragsgegner die Leistungen der Antragstellerin zu 1) ab dem 1. April 2011 sodann um den vollständigen Barbetrag. Dagegen erhoben die Antragsteller am 31. März 2011 Widerspruch.

Die Widersprüche wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2011, der beim Bevollmächtigten der Antragsteller am 22. Dezember 2011 einging, zurück. Die Antragsteller seien im Besitz einer Duldung gemäß § 60a AufenthG und würden daher zu den Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG gehören. Die Leistungen seien nach § 1a AsylbLG einzuschränken. Die Antragstellerin zu 1) sei seit dem Jahre 2008 mehrfach durch die Ausländerbehörde aufgefordert worden, ihre Kinder beim Türkischen Generalkonsulat registrieren zu lassen. Es hätte der Antragstellerin zu 1) bewusst sein müssen, dass dafür ein Nüfus notwendig sei. Sie sei daher auch gehalten gewesen, das entsprechende Dokument zu beantragen. Auf ihre Mitwirkungspflichten seien die Antragstellerin zu 1) und ihr Bevollmächtigter hingewiesen worden. Zwar sei die Antragstellerin zu 1) zum Generalkonsulat gefahren, eine Antragstellung auf Ausstellung eines Nüfus sowie die Registrierung der Kinder sei dennoch nicht erfolgt. Es sei der Antragstellerin zu 1) seit längerem bekannt, dass für die Ausstellung eines Nüfus eine Gebühr von 3,- Euro zu entrichten sowie Passbilder vorzulegen seien. Auch die zu ergreifenden Maßnahmen zur Registrierung der Kinder seien der Antragstellerin zu 1) mehrfach mitgeteilt worden. Das Verhalten sei insgesamt ursächlich für die Nichtvollziehbarkeit von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen. Die Höhe der nach § 1a AsylbLG abgesenkten Leistungen sei nicht zu beanstanden. Bei der Einschränkung nach § 1a AsylbLG sei der Pauschalbetrag für Bekleidung weggefallen. Der Bekleidungsbedarf könne über die Kleiderkammer gedeckt werden. Die Unterkunftskosten seien in tatsächlicher Höhe bei der Bedarfsberechnung berücksichtigt worden. Die Kosten für die Warmwasseraufbereitung seien aus den eingeschränkten Leistungen nach § 1a AsylbLG zu zahlen.

Die Antragsteller haben am 23. Januar 2012 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Stade erhoben (Az. S 33 AY 4/12) und gleichzeitig einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Die Antragsteller haben im Wesentlichen vorgetragen, dass die Leistungshöhe nach § 3 AsylbLG verfassungswidrig sei. Eine weitergehende Leistungsminderung über § 1a AsylbLG sei daher nicht möglich. Die Leistungseinschränkung gefährde das Kindeswohl. Im Übrigen sei der Antragstellerin zu 1) bei ihrer Vorsprache im Türkischen Generalkonsulat die Ausstellung von Pässen mit der Begründung verwehrt worden, dass die vorgelegten Vaterschaftsanerkennungen im Widerspruch zu den Geburtsurkunden stünden. Um diesen Widerspruch aufzulösen, müsse sie gemeinsam mit dem Vater der Kinder beim Jugendamt erscheinen. Dies scheitere daran, dass dieser bereits abgeschoben sei und eine Einreisesperre bestehe. Die Vorlage eines Nüfus könne nicht relevant sein. Ein Nüfus gelte gerade nicht als Identitätspapier. Seine Vorlage unterfalle nicht den Mitwirkungspflichten. Die Beschaffung der Pässe komme nicht in Betracht, da die vorauszugehende Registrierung der Kinder unmöglich sei. Der Antragsgegner hat auf ein Telefonat mit dem Generalkonsulat der Türkei im Juni 2010 verwiesen. Der Original-Nüfus (türkische Personalausweis) läge beim Konsulat vor. Für die Ausstellung des Reisepasses wären lediglich noch die Vorlage von aktuellen Passbildern sowie die Zahlung einer Verwaltungsgebühr in Höhe von 3,- Euro erforderlich. Für die Nachregistrierung der Kinder seien eine internationale Geburtsurkunde und eine Vaterschaftsanerkennung notwendig. Da der Vater der Kinder bereits abgeschoben und mit Aliaspersonalien in der Geburtsurkunde eingetragen sei, könne in diesem besonderen Fall die Vaterschaftsanerkennung mit einem Extrablatt (Randvermerk zum Geburtseintrag) und den korrigierten Personalien als Anhang versehen werden. Alternativ käme auch eine Nachregistrierung der Kinder ohne Vaterschaftsanerkennung in Betracht. Hierzu müsste die Antragstellerin zu 1) dieser Verfahrensweise persönlich beim Generalkonsulat der Türkei zustimmen und entsprechend mitwirken. Die Antragstellerin zu 1) sei mehrfach aufgefordert worden, beim Generalkonsulat vorzusprechen und der Verfahrensweise nachzukommen. Die Antragstellerin zu 1) und ihr Bevollmächtigter seien zudem darauf hingewiesen worden, dass eine schriftliche Bestätigung des Türkischen Generalkonsulats vorzulegen sei, falls dieses keinen Pass ausstellen und die Kinder nicht nachregistrieren sollte.

Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit Beschluss vom 5. April 2012 abgelehnt. Die möglicherweise verfassungswidrigen Regelleistungen seien noch geltendes Recht, an das das Gericht wegen Art. 20 Abs. 3 GG gebunden sei. Die Einschränkungen der Leistungen nach § 1a AsylbLG seien ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin zu 1) habe es zu vertreten, dass die bestehende Ausreisepflicht nicht vollzogen werden könne. Der Antragsgegner habe dargelegt, dass es einen gangbaren Weg zur Nachregistrierung der Antragsteller zu 2) - 5) gebe. Die Antragstellerin zu 1) sei von der Ausländerbehörde auch zur Mitwirkung aufgefordert worden. Es überzeuge daher nicht, wenn die Antragstellerin zu 1) sich darauf berufe, alles in ihrer Macht stehende unternommen zu haben und dass die Mitwirkungshandlungen zu keinem Erfolg führen würden.

Gegen den am 5. April 2012 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 7. Mai 2012, einem Montag, Beschwerde eingelegt. Sie halten nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 18. Juli 2012 (Az. 1 BvL 10/10 u.a.) eine Leistungskürzung unter das die Menschenwürde einzig bewahrende soziokulturelle Existenzminimum für rechts- und verfassungswidrig. Sie seien zudem Staatsangehörige eines Signarstaates des Europäischen Fürsorgeabkommens. Nachdem die Antragsteller auch gegen die weiteren Leistungsbescheide Widerspruch erhoben hatten, hat der Antragsgegner sich mit Schreiben vom 19. April 2012 im Hinblick auf das vor dem SG anhängige Klageverfahren bereit erklärt, die Leistungen der Antragsteller auch zukünftig anzupassen, falls das Klageverfahren zu einem für die Antragsteller positiven Ergebnis führen sollte. Die Erhebung weiterer Widersprüche gegen jeden zukünftig zu erlassenen Leistungsbescheid sei daher unnötig.

Nach der Entscheidung des BVerfG vom 18. Juli 2012 (aaO.) hat der Antragsgegner die Leistungsbewilligung rückwirkend ab dem 1. Januar 2011 abgeändert. Mit Bescheid vom 2. Oktober 2012, geändert durch den Bescheid vom 20. Dezember 2012, hat der Antragsgegner den Antragstellern für Januar 2012 insgesamt 887,69 Euro, für die Monate Februar und März 2012 jeweils 901,19 Euro, für April 2012 insgesamt 931,94 Euro, für die Monate Mai bis Juli 2012 jeweils 943,12 Euro, für die Monate August bis Oktober 2012 jeweils 929,62 Euro und für die Monate November und Dezember 2012 jeweils 905,12 Euro bewilligt.

Seit Januar 2013 erhält die Antragstellerin zu 1) aufgrund des Bescheides vom 3. Dezember 2012, geändert durch den Bescheid vom 18. Januar 2013, monatlich 416,34 Euro (304,24 Euro zuzüglich anteiliger Unterkunftskosten in Höhe von 112,10 Euro). Die Leistungen der Antragstellerin zu 2) betragen ab Januar 2013 insgesamt 157,42 Euro, bestehend aus der nach § 1a AsylbLG gekürzten Leistung in Höhe von 235,32 Euro zuzüglich einer Leistung zur Teilhabe am soziokulturellen Leben in Höhe von 3,25 Euro und der anteiligen Unterkunftskosten in Höhe von 112,10 Euro. Die Antragsteller zu 3) - 5) erhalten jeweils 116,36 Euro. Dieser monatliche Betrag setzt sich aus der nach § 1a AsylbLG gekürzten Leistung in Höhe von jeweils 194,26 Euro zuzüglich einer Leistung zur Teilhabe am soziokulturellen Leben in Höhe von 3,25 Euro und anteiligen Unterkunftskosten in Höhe von 112,20 Euro zusammen. Leistungsmindernd hat der Antragsgegner bei den Antragstellern zu 2) - 5) das Kindergeld berücksichtigt. Bei den nach § 1a AsylbLG abgesenkten und vorläufig bewilligten Leistungen hat der Antragsgegner eine Kürzung um die Abteilungen 9 und 11 der jeweiligen Regelbedarfsstufen vorgenommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die Verfahrensakte des SG (Az: S 33 AY 4/12) sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners (6 Bände) ergänzend Bezug genommen.

II. Die gemäß §§ 172, 173 SGG zulässige Beschwerde ist unbegründet. Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber den Antragsgegnern besteht (Anordnungsanspruch) und die Antragstellerin ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Sowohl die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs als auch die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor. Die Antragsteller haben keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Sie sind zwar gemäß § 1 AsylbLG leistungsberechtigt, weil sie sich als türkische Staatsangehörige im Bundesgebiet aufhalten und die Antragstellerin zu 1) in Besitz einer Duldung nach § 60a AufenthG ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG), sie können jedoch im Rahmen des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens keine höheren als die bereits bewilligten Leistungen beanspruchen.

Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG, weil sie die Dauer des Aufenthaltes rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Nach Ablehnung verschiedener, unter Angabe unterschiedlicher Namen und Nationalitäten gestellter Asylanträge der Antragstellerin zu 1) sind die Antragsteller ausreisepflichtig. Ein Vollzug der Ausreisepflicht scheitert an der fehlenden Registrierung der Antragsteller zu 2) - 5) bei den türkischen Behörden. Eine Nachregistrierung der Antragsteller zu 2) - 5) hat die Antragstellerin zu 1) trotz mehrerer Aufforderungen durch die Ausländerbehörde seit dem Jahr 2008 nicht vornehmen lassen. Andere, von der Antragstellerin zu 1) nicht zu beeinflussende Gründe stehen der Aufenthaltsbeendigung seit dem Jahr 2008 nicht entgegen.

Der notwendige Bedarf der Antragsteller richtet sich damit grundsätzlich nach § 3 AsylbLG. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 18. Juli 2012 (aaO.) die Vorschriften über die Höhe der Grundleistungen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und § 3 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 AsylbLG sowie § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 sowie § 3 Abs. 2 Satz 3 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärt. Das BVerfG hat eine sachgerechte Übergangsregelung zur Sicherung existenzieller Bedarfe für geboten gehalten, da Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums garantiere und die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG evident unzureichend seien. Die Grundleistungen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 und § 3 Abs. 2 Satz 3 i.V.m Abs. 1 Satz 4 AsylbLG seien nicht realitätsgerecht und begründbar bemessen. Die Gesetzgebung habe sich 1993 auf eine bloße Kostenschätzung gestützt, ohne die tatsächlichen Bedarfe der Leistungsberechtigten in einem inhaltlich transparenten und sachgerechten Verfahren zu ermitteln. Dies stehe mit den Anforderungen des Grundgesetzes an die Sicherung einer menschenwürdigen Existenz nicht in Einklang. Zudem habe der Gesetzgeber zwar im Jahre 1993 einen Anpassungsmechanismus vorgesehen, der Verordnungsgeber habe diesen aber nie umgesetzt. Bei seinen Vorgaben für die Übergangsregelung hat sich das BVerfG an dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz orientiert und entsprechend die Höhe der Geldbeträge des § 3 AsylbLG bestimmt. Daran sind die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG gebunden. Die Entscheidung des BVerfG hat gemäß § 31 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BVerfGG Gesetzeskraft. Das niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport hat mit Erlass vom 3. August 2012 die Vorgaben des BVerfG in der Entscheidung vom 18. Juli 2012 (Az. 1 BvL 10/10 u.a.) umgesetzt und die Beträge nach § 3 AsylbLG vorläufig neu berechnet. Die Antragsteller haben jedoch keinen Anspruch auf die vollständigen in Ausführung des Urteils des BVerfG bestimmten Leistungen nach § 3 AsylbLG, weil bei ihnen die Voraussetzungen für eine Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG vorliegen. Danach erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 AsylbLG und ihre Familienangehörigen nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG, bei denen aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, Leistungen nach dem AsylbLG nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist.

Die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen können vorliegend allein aus von der Antragstellerin zu 1) zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden. Nach der telefonischen Auskunft des Türkischen Generalkonsulats gegenüber dem Antragsgegner sind für die Ausstellung des Reisepasses der Antragstellerin zu 1) nur noch die Vorlage eines aktuellen Passbildes sowie die Zahlung einer Verwaltungsgebühr in Höhe von 3,- Euro erforderlich. Im Rahmen dessen ist darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin zu 1) gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG verpflichtet ist, an der Beschaffung des Identitätspapiers mitzuwirken, solange sie keinen gültigen Pass oder Passersatz besitzt. Die Nachregistrierung der Antragsteller zu 2) - 5) kann nach Auskunft des Türkischen Generalkonsulates in diesem Fall ohne Vaterschaftsanerkennung erfolgen. Hierzu muss die Antragstellerin zu 1) der Verfahrensweise lediglich persönlich zustimmen und entsprechend mitwirken. Dies ist bisher nicht geschehen. Die Antragstellerin zu 1) ist weder den unter Fristsetzung erfolgten Aufforderungen der Ausländerbehörde noch der des Senats nachgekommen. Die Antragstellerin zu 1) hat auch keine Bescheinigung des Türkischen Generalkonsulates vorgelegt und demzufolge nicht glaubhaft gemacht, dass die Nachregistrierung der Antragsteller zu 2) - 5) nicht an von ihr zu beeinflussenden Gründen scheitert. Vielmehr verweigert die Antragstellerin zu 1) weiterhin ihre Mitwirkung.

Die Vorschrift des § 1a Nr. 2 AsylbLG verstößt nach Auffassung des erkennenden Senats nicht gegen die Verfassung und ist auch unter Berücksichtigung des Urteils des BVerfG vom 18. Juli 2012 (aaO.) weiterhin anzuwenden.

Die Ausführungen des BVerfG (s.o.) betreffen ausschließlich die Höhe der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG. Eine Entscheidung über § 1a AsylbLG hat das BVerfG hingegen nicht getroffen. Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung bleibt § 1a Nr. 2 AsylbLG weiterhin anwendbar, mit der Folge, dass die nach den Vorgaben des BVerfG zu gewährenden Grundleistungen bei Vorliegen der Voraussetzungen abgesenkt werden können. Auch wenn vertreten wird, dass die Frage der Leistungseinschränkung auf das unabweisbar Gebotene angesichts der Entscheidung des BVerfG vom 18. Juli 2012 neu gestellt werden müsse (Oppermann in: jurisPK-SGB XII, § 1a AsylbLG), so führt die Entscheidung des BVerfG nicht dazu, dass der unabweisbar gebotene Bedarf nur der ungekürzte sein kann (so aber Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. Februar 2013 - L 15 AY 2/13 B ER). Die Vorschrift würde andernfalls faktisch abgeschafft (vgl. Beschluss des Thüringer LSG vom 17. Januar 2013 - L 8 AY 1801/12 B ER). Das BVerfG hat sich zudem in seiner Entscheidung nicht dazu geäußert, welche Leistung im Sinne des § 1a AsylbLG unabweisbar geboten ist. Das BVerfG hat die Leistungen nach § 3 AsylbLG nicht in Höhe des durch die Verfassung selbst geschützten Existenzminimums festgesetzt. Vielmehr hat es das Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz lediglich als Maßstab für die Festsetzung der Höhe der Leistungen angewendet, weil andere tauglichen Daten nicht zur Verfügung standen. Es hat die Normen des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes als die einzig verfügbare, durch den Gesetzgeber vorgenommene und angesichts seines Gestaltungsspielraums wertende Bestimmung der Höhe von Leistungen zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums herangezogen. Selbst nach Auffassung des BVerfG ist damit aber nicht gesichert, ob auch die möglicherweise abweichenden Bedarfe derjenigen realitätsgerecht abgebildet werden, auf die das AsylbLG Anwendung findet. Das BVerfG hat sich bei der Übergangsregelung zwar an den §§ 5 bis 8 RBEG orientiert, jedoch keine Aussage dazu getroffen, dass jegliche verhaltensbedingte Leistungskürzungen von vornherein ausgeschlossen sein sollen.

Verhaltensbedingte Leistungskürzungen wie z.B. in den §§ 31 ff SGB II, §§ 26, 41 Abs. 4 SGB XII sind im Fürsorgerecht grundsätzlich zulässig. (Vorübergehende) verhaltensbedingte Kürzungen der Leistungen sind im AsylbLG schon aus Gründen der "Gleichbehandlung" möglich, zumal ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 1a AsylbLG eine Privilegierung von Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG im Vergleich zu deutschen Sozialhilfeempfängern und legal in Deutschland lebenden Ausländern verhindert werden sollte (vgl. BT-Drucks 13/10155, S. 5; Beschluss des Bayerischen LSG vom 24. Januar 2013 - L 8 AY 2/12 B ER). Auch die Feststellung des BVerfG, die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde sei migrationspolitisch nicht zu relativieren und migrationspolitische Erwägungen, Leistungen an Asylbewerber und Flüchtlinge niedrig zu halten, um Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein international vergleichbares hohes Leistungsniveau zu vermeiden, könnten von vornherein ein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum nicht rechtfertigen, beziehen sich ausschließlich auf die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG, die ein menschenwürdiges Existenzminimum garantieren sollen und müssen. Der Senat vermag diesen Ausführungen aber nicht zu entnehmen, dass eine verhaltensbedingte (vorübergehende) Absenkung der Grundleistungen gemäß § 1a Nr. 2 AsylbLG zumindest bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber ausgeschlossen sein soll. Der Einfluss von Pflichtverletzungen des Leistungsberechtigten auf die Leistungsgewährung war nicht Gegenstand der Entscheidung des BVerfG (vgl. Beschluss des Thüringer LSG, aaO.).

Es besteht auch keine Veranlassung, § 1a AsylbLG aus anderen Gründen nicht anzuwenden. Der Senat übersieht dabei nicht, dass im Gegensatz zu den in § 31a SGB II geregelten Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung eine zeitliche Begrenzung der Leistungsabsenkung in § 1a AsylbLG nicht vorgesehen ist. Allerdings hat der von einer Absenkung nach § 1a AsylbLG betroffene Leistungsberechtigte es selbst in der Hand, durch seine unverzügliche Mitwirkungshandlung die Bewilligung der ungekürzten Leistungen nach den Vorgaben des BVerfG herbeizuführen (vgl. Beschluss des Thüringer LSG, aaO.). § 31b Abs. 1 Satz 4 SGB II sieht dagegen nur vor, dass der Leistungsträger bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, die Minderung der Bedarfe nach den §§ 20 und 21 unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles auf sechs Wochen verkürzen kann. Während § 31 SGB II zudem lediglich an eine einmalige, in der Vergangenheit liegende Pflichtverletzung anknüpft, ist die Bewilligung der abgesenkten Leistungen nach § 1a AsylbLG eine Folge des ununterbrochenen, noch andauernden Verhaltens des Leistungsberechtigten (vgl. Beschluss des Thüringer LSG, aaO.). Aufgrund der fehlenden zeitlichen Befristung der Absenkungsmöglichkeit nach § 1a Nr. 2 AsylbLG hält der Senat es jedoch für geboten, dass in regelmäßigen Abständen eine Aufforderung zur Mitwirkung unter Fristsetzung erfolgt.

Es ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner die Leistungen aller Antragsteller abgesenkt hat. § 1a AsylbLG sieht vor, dass sowohl die leistungsberechtigte Person nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 AsylbLG als auch ihre Familienangehörigen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG nur die im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar gebotenen Leistungen erhalten. Den minderjährigen Antragstellern ist die Verhinderung des Vollzuges aufenthaltsbeendender Maßnahmen durch ihre gesetzliche Vertreterin grundsätzlich zurechenbar (vgl. Hohm, Kommentar zum AsylbLG, 3 - § 1a, Rdnr. 134 ff).

Im Gegensatz zu der Auffassung der Antragsteller rechtfertigt die Tatsache, dass die Türkei das Europäische Fürsorgeabkommen unterzeichnet hat, keine andere Entscheidung. Verhaltensbedingte Leistungskürzungen finden sich im gesamten Fürsorgerecht (wie z.B. in den §§ 31 ff SGB II, §§ 26, 41 Abs. 4 SGB XII). § 66 SGB I ermöglicht darüber hinaus eine vollständige Leistungsversagung. Die Unterzeichnung des Europäischen Fürsorgeabkommens durch die Türkei führt dementsprechend nicht dazu, dass ihre Staatsangehörigen trotz fehlender Mitwirkung bedingungslos ungekürzte Leistungen erhalten können. Auch die Verfassung gebietet nicht die Gewährung von bedarfsunabhängigen, voraussetzungslosen Sozialleistungen (vgl. Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 7. Juli 2010 - 1 BvR 2556/09 zur Einkommensanrechnung).

Die Berechnung der konkret bewilligten Leistungen begegnet bei der im Rahmen des Eilverfahrens gebotenen summarischen Prüfung keinen Bedenken. Mit den Bescheiden vom 2. Oktober 2012 und 20. Dezember 2012 hat der Antragsgegner für den hier ab Eingang des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz beim SG zu beurteilenden Zeitraum ab Januar 2012 die Entscheidung des BVerfG zutreffend umgesetzt. Die danach bemessenen Regelbedarfe der Antragsteller hat der Antragsgegner um die Abteilungen 9 und 11 der jeweiligen Regelbedarfsstufen gekürzt. Dabei hat der Antragsgegner die Vorgaben des BVerfG beachtet. Dieses führt in seiner Entscheidung vom 18. Juli 2012 (aaO., Rdnr. 90) aus, dass der unmittelbar verfassungsrechtliche Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums sich auf diejenigen Mittel erstrecke, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind. Er gewährleiste das gesamte Existenzminimum durch eine einheitliche grundrechtliche Garantie, die sowohl die physische Existenz des Menschen, also Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit, als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben umfasst, denn der Mensch als Person existiere notwendig in sozialen Bezügen. Der Antragsgegner hat die Anteile für Freizeit, Unterhaltung, Kultur sowie Beherbergungs- und Gaststättenleistungen bei der Bewilligung herausgerechnet, die übrigen Abteilungen aber ungekürzt gewährt. Die Kürzungen der Leistungen betragen damit insgesamt knapp 15 % bei den Antragstellerinnen zu 1) und 2) sowie knapp 20 % bei den Antragstellern zu 3) - 5). In § 31a SGB II hat der Gesetzgeber dagegen bei einer ersten verhaltensbedingten Pflichtverletzung nach § 31 SGB II bereits eine Absenkung der Leistungen um 30 % des nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs vorgesehen. Im Hinblick auf die minderjährigen Antragsteller zu 2) - 5) erscheint das Vorgehen des Antragsgegners in diesem Fall auch deshalb noch angemessen, weil diese einerseits zusätzlich einen Betrag zur Teilhabe am soziokulturellen Leben in Höhe von monatlich 3,25 Euro erhalten und der Antragsgegner andererseits ergänzend Leistungen z.B. für Schulbedarfe gewährt (vgl. z. B. Bescheid vom 3. Dezember 2012).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Zwar hat der Antragsgegner die Entscheidung des BVerfG vom 18. Juli 2012 (aaO.) im Verlauf des Beschwerdeverfahrens umgesetzt und den Antragstellern höhere Leistungen bewilligt. Es wäre dennoch unbillig, den Antragsgegner in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren mit den außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu belasten. Der Antragsgegner war an die vom Gesetzgeber in verfassungswidriger Weise erlassenen Regelungen bis zur Entscheidung des BVerfG gebunden. Höhere Leistungen nach § 3 AsylbLG hätten bis zur Entscheidung des BVerfG im Wege einer einstweiligen Anordnung ebenfalls nicht zugesprochen werden können, weil die entsprechenden Vorschriften nach wie vor geltendes Recht waren (vgl. den ausführlichen Beschluss des erkennenden Senats vom 17. November 2011 - L 8 AY 80/11 B ER ; LSG NRW, Beschlüsse vom 27. September 2010 - L 20 AY 79/10 B ER und vom 10. Januar 2011 - L 20 AY 178/10 B; BVerfG, Beschluss vom 30. Oktober 2010 - 1 BvR 2037/10, zitiert nach LSG NRW, Beschluss vom 10. Januar 2011 - L 20 AY 178/10 B ER). Prozesskostenhilfe wurde den Antragstellern sowohl für das erstinstanzliche Verfahren als auch für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens bewilligt.

Der Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.