Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 13.03.2013, Az.: L 1 KR 131/11

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
13.03.2013
Aktenzeichen
L 1 KR 131/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 64252
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 14.02.2011 - AZ: S 52 KR 239/07

Tenor:

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert wird auf 3.372,16 € festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist eine Gemeinnützige Stiftung des Privatrechts für Diabetestherapie.

Gemäß § 2 Abs. 2 ihrer Satzung ist Zweck der Stiftung die Verbesserung der gesundheitlichen und sozialen Situation für Diabetiker. Die Klägerin betreibt zur Erfüllung dieser Zwecke eine Fachklinik für Diabetes- und Stoffwechselkrankheiten in Bad M. im N.. Diese ist gemäß § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zur vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten zugelassen.

Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. O. verordnete dem am 28. Februar 1982 geborenen Versicherten der Beklagten P., Q., am 12. September 2006 Krankenhausbehandlung in der Fachklinik Bad M.. Auf der Verordnung war als Diagnose „Diabetes mellitus Typ I mit aktuell Stoffwechselentgleisung“ aufgeführt.

Der Versicherte wurde in der Zeit vom 21. September 2006 bis 13. Oktober 2006 in der Fachklinik für Diabetes- und Stoffwechselkrankheiten der Klägerin behandelt. Die Klägerin stellte der Beklagten am 18. Oktober 2006 einen Betrag in Höhe von 3.372,16 € (DRG K 60 E - Diabetes mellitus, Alter über 10 Jahre, ohne äußerst schwere oder schwere CC, ohne multiple Komplikationen oder Ketoazidose) in Rechnung, die die Beklagte zunächst auch beglich. Die Beklagte holte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Thüringen vom 16. Januar 2007 ein und verrechnete den gesamten Rechnungsbetrag mit zwei unstreitigen Forderungen der Klägerin. Am 29. März 2007 holte eine Beklagte eine ergänzende Stellungnahme des MDK vom 31. August 2007 ein.

Am 13. November 2007 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben. Sie hat vorgetragen, dass angesichts der akuten Stoffwechselentgleisung bei stark schwankenden Blutzuckerwerten der stationäre Krankenhausaufenthalt des im Dreischichtbetrieb tätigen Versicherten, der dabei für die Bedienung von Maschinen verantwortlich war, zwingend notwendig gewesen sei. Nach Umstellung der Insulintherapie mit Glättung der Blutzuckerprofile und insbesondere der Hypoglykämiefrequenz sei ein Plan für die Nachtschicht ausgearbeitet worden, wobei eine Anpassung der Insulininjektionen, insbesondere der Reduktion der nächtlichen Basalinsulindosis und der Nahrungsaufnahme an den geänderten Tagesablauf, durchgeführt worden sei. Die stationäre Krankenhausbehandlung sei erforderlich gewesen.

Die Beklagte hat im Klageverfahren u.a. vorgetragen, dass eine vollstationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten  medizinisch nicht notwendig gewesen sei. Die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V hätten nicht vorgelegen.  Die Krankenhausbehandlung hätte durch eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme vermieden werden können.

Das SG hat nach Durchführung eines Erörterungstermins am 11. November 2010 die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 14. Februar 2011 (in der Fassung des Beschlusses vom 31. März 2011) verurteilt, an die Klägerin 3.372,16 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 2 % über dem Basiszinssatz aus 1.434,18 € für den Zeitraum vom 5. April 2007 bis zum 24. April 2007 und aus 3.372,16 € ab dem 25. April 2007 zu zahlen. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass die Klage als Leistungsklage zulässig sei. Die Klägerin sei als Trägerin der Fachklinik aktiv legitimiert. Der Krankenhausträger könne den Vergütungsanspruch geltend machen. Hieran ändere die privatrechtliche Natur der Klägerin nichts. Die Klage sei begründet. Die Klägerin habe Anspruch auf Vergütung der vollstationären Behandlung des Versicherten. Der Anspruch der Klägerin auf vollstationäre Zahlung sei nicht durch wirksame Aufrechnung der Beklagten mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch aus den Behandlungsfällen Pauer und Hager analog §§ 387 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erloschen.  Streitgegenständlich sei die Frage, ob die Beklagte berechtigt gewesen sei, nachträglich mit einem Rückzahlungsanspruch gegen eine spätere Forderung aufzurechnen. Zwar bestehe Gegenseitigkeit und Gleichartigkeit der Forderungen. Die Beklagte sei jedoch nicht Gläubigerin einer voll wirksamen und fälligen Gegenforderung. Es bestehe keine öffentlich-rechtliche Erstattungsforderung. Die Leistung der Beklagten für die Behandlung des Versicherten sei mit Rechtsgrund erfolgt. Die Voraussetzungen des Sicherstellungsvertrages gemäß § 112 SGB V iVm § 109 Abs. 4 SGB V hätten vorgelegen. Es habe ein Anspruch des Versicherten gemäß § 39 SGB V auf Erbringung einer stationären Behandlung bestanden. Diese habe vorausgesetzt, dass eine Krankenhausbehandlung stattgefunden habe und diese auch notwendig gewesen sei. Es habe hier eine stationäre Krankenhausbehandlung und keine medizinische Rehabilitation stattgefunden. Die Klägerin sei nicht als Rehabilitationseinrichtung, sondern als Krankenhaus zugelassen. Bei dem Versicherten habe im streitigen Zeitraum eine behandlungsbedürftige Krankheit im Sinne des § 27 SGB V vorgelegen. Unstreitig sei auch nach den sozialmedizinischen Stellungnahmen des MDK der Blutzucker des Versicherten wegen Schwankungen einzustellen gewesen, unabhängig davon, ob man von einer Stoffwechselstabilisierung oder Stoffwechseleinstellung spreche. Die vollstationäre Krankenhausbehandlung sei auch erforderlich gewesen. Das Behandlungsziel habe nicht durch ambulante Behandlung oder medizinische Rehabilitation erreicht werden können. Unstreitig sei, dass überhaupt eine stationäre Behandlungsbedürftigkeit vorgelegen habe. Im Falle des Versicherten habe zunächst die Stoffwechselentgleisung akut stationär behandelt werden müssen, ehe im Anschluss daran eine Stabilisierung und ein Aufbau auf dem Behandlungserfolg im Rahmen einer Rehabilitation hätte erfolgen können. Eine akut stationäre Behandlungsbedürftigkeit bestehe bei Stoffwechselentgleisungen im Rahmen von Diabetes mellitus-Erkankungen auch nicht erst, wenn die Schwelle zum hypoglykämischen Schock erreicht sei. Das zeigten auch die „Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme für Patienten mit Diabetes mellitus Typ II (Empfehlungen des Gemeinsamen Bundesausschusses - GemBA - zur Aktualisierung von Anlage 1 der 12. Verordnung zur Änderung der Risiko-Struktur-Ausgleichsverordnung vom 15. August 2005 - BGBl 2009, Teil 1 Nr. 35). Hiernach sei die Einweisung in ein Krankenhaus zur stationären Behandlung auch indiziert bei bedrohlichen Stoffwechselstörungen und schweren speziellen Stoffwechselentgleisungen. Ausweislich der Patientenakte und  des Vortrags des Chefarztes der Klägerin in der nichtöffentlichen Sitzung vom 11. November 2010 seien engmaschig Blutzuckerprofile erstellt worden. Ausweislich der Patientenakte haben diese Blutzuckermessungen über den Tag verteilt stattgefunden. Die Protokolle zeigten weiter, dass bis zuletzt starke Schwankungen vorhanden gewesen seien und sowohl Unter- als auch Überzuckerungen aufgetreten seien. Zur Überzeugung der Kammer sei es nicht Aufgabe einer Rehabilitationseinrichtung in diesem Umfang zunächst überhaupt einen stabilen Stoffwechsel herzustellen. Hierfür spreche auch, dass im Rahmen der akut stationären Behandlung des Versicherten eine Umstellung auf ein anderes Medikament erfolgt sei. Dies sei Aufgabe von akut stationären Krankenhäusern und  nicht Aufgabe von Rehabilitationseinrichtungen, die in erster Linie darauf eingerichtet seien, den Gesundheitszustand eines Patienten nach einem ärztlichen Behandlungsplan vorwiegend durch Anwendung von Heilmitteln zu verbessern und den Patienten bei der Entwicklung eigener Abwehr- und Heilungskräfte zu helfen. Wegen der Blutzuckerschwankungen sei die akut stationäre Behandlung für den gesamten Behandlungszeitraum erforderlich gewesen. Das Gericht halte den Sachverhalt nach Maßgabe des Urteils des Großen Senats für abschließend ermittelt. Es sei nicht ersichtlich, welche weiteren Erkenntnisse ein medizinisches  Sachverständigengutachten nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hätte hervorbringen können.

Gegen den am 18. Februar 2011 zugestellten Gerichtsbescheid in  der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 31. März 2011 hat die Beklagte am 16. März 2011 Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen erhoben. Sie hat vorgetragen, dass der Versicherte stationär behandlungsbedürftig gewesen sei, allerdings sei für die Diagnostik-, Behandlungs- und Schulungsmöglichkeit eine spezialisierte Rehabilitationsklinik ausreichend. Dies sei vom SG nicht ausreichend berücksichtigt worden. Darüber hinaus habe  das SG kein Sachverständigengutachten eingeholt, wodurch der Gesundheitszustand des Versicherten im Aufnahmezeitpunkt hätte beurteilt werden können. Die Aufnahme habe 9 Tage nach der Einweisung stattgefunden. Am Aufnahmetag hätten sich keine Auffälligkeiten gezeigt. Außer einer Neuropathie hätten keine weiteren Erkrankungen festgestellt werden können. Eine Behandlung in einer Schwerpunktpraxis habe  nicht stattgefunden. Das SG habe  zudem die Empfehlungen des GemBA für die Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme für Patienten mit Diabetes mellitus Typ II und  nicht für Diabetes mellitus Typ I herangezogen. Danach könne eine Einweisung in ein Krankenhaus erfolgen, müsse jedoch nicht. Die DMP-Verträge führten nicht dazu, dass die Prüfpflicht des Krankenhausarztes, ob die medizinische Notwendigkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung bestehe, aufgehoben würde. Für den Patienten wäre eine Rehabilitationsmaßnahme indiziert gewesen. Auch im Lande Niedersachsen würden sich zugelassene Rehabilitationseinrichtungen befinden.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 14. Februar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die stationäre Krankenhausbehandlung sei medizinisch notwendig gewesen. Auch der MDK habe festgestellt, dass der Blutzucker des Versicherten wegen erheblicher Schwankungen einzustellen gewesen sei. Es sei nicht um Stoffwechselstabilisierung gegangen, sondern um Stoffwechseleinstellung. Dies sei zwischen den Beteiligten unstreitig. Aufgrund des Umstandes, dass die stark schwankenden Blutzuckerspiegel unstreitig seien, könne es sich insoweit nur um eine rechtliche Wertung handeln, welche Behandlung notwendig sei. Bei bedrohlichen Stoffwechselstörungen und schweren speziellen Stoffwechselentgleisungen sei die Einweisung in ein Krankenhaus notwendig. Es sei nicht darum gegangen, den Stoffwechsel zu stabilisieren, um Folgeerkrankungen zu vermeiden, sondern darum, den Blutzuckerspiegel auf ein verträgliches Maß einzustellen und die Blutzuckerschwankungen zu verhindern, um damit Gefahren wie Schock, Koma usw. zu verhindern. Es komme nicht darauf an, was eine Rehabilitationsklinik tatsächlich zu leisten imstande sei. Natürlich könne diese, wenn sie ständig Ärzte bereit halte und die Ausstattung eines Krankenhauses aufweise, ähnlich einem Krankenhaus behandeln. Dies führe aber nicht dazu, dass eine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit in der Reha-Klinik behandelt werden könnte. Die Frage der Abgrenzung von Rehabilitation und Krankenhausbehandlung sei nach den Regelungen des SGB V zu treffen und nicht danach, was unter dem „Deckmantel“ einer Rehabilitationseinrichtung tatsächlich leistbar sei. Die Krankenhausbehandlung sei auch für den gesamten Behandlungszeitraum erforderlich gewesen. Bei dem Versicherten hätte sich erst am 12. Oktober 2006 ein normales Blutzuckerprofil gezeigt, wobei der postbrandiale Blutzuckerwert nach dem Frühstück noch einen zu hohen Anstieg aufgewiesen hätte. Eine Durchführung der Simulation einer Nachtschicht sei nicht vor dem 7. Oktober  möglich gewesen, da sich erst dann zum ersten Mal ein normales Blutzuckertagesprofil gezeigt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird  auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, der den Versicherten P. betreffenden Patientenakte der Klägerin und der Gerichtsakte Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und  sind  Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung geworden.

Entscheidungsgründe

Die gemäß §§ 143 ff. SGG form- und fristgerecht erhobene Berufung der Beklagten ist zulässig.

Sie ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung von 3.372,16 € nebst Zinsen verlangen.

Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG, denn bei der auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse handelt es sich um ein Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. z.B. BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 19 Nr. 4). Ein Vorverfahren ist nicht durchzuführen und die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten.

Die Klägerin ist als Trägerin der Fachklinik aktiv legitimiert. Das Krankenhaus kann den Vergütungsanspruch geltend machen (BSG, Urteil vom 20. November 2008 - B 4 3 KN 4/08 R). Die Krankenhausträger sind unabhängig von ihrer Rechtsform (hier: Stiftung des Privatrechts) in das Leistungssystem der GKV eingebunden (vgl. § 108a SGB V). Die Klägerin hat auch ihren Antrag beziffert und damit den Anforderungen des BSG hinreichend Rechnung getragen (BSGE 83, 254, 263 [BSG 28.01.1999 - B 3 KR 4/98 R] = SozR 3-2500 § 37 Nr. 1; BSGE 92, 300 [BSG 13.05.2004 - B 3 KR 18/03 R]).

Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung des streitigen Betrages in Höhe von 3372,16 € verlangen. Die Forderung der Klägerin ist nicht durch eine wirksame Aufrechnung der Beklagten erloschen. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. den Pflegesatzvereinbarungen der Beteiligten und den zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und der Krankenhausgesellschaft geschlossenen Sicherstellungsvertrag nach § 112 Abs. 2 SGB V.

Eine Kostenzusage der Beklagten hat im vorliegenden Fall nicht vorgelegen.

Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht aber - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten. Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser i.S. des § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert in aller Regel mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenbehandlung. Demgemäß müssen bei Versicherten bei der Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sowie Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vorliegen.

Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung der streitigen Behandlungskosten, denn die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit des Versicherten war in dem streitigen Zeitraum gegeben.

Nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme durch Prüfung des Krankenhauses erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung erreicht werden kann. Die Krankenhausbehandlung umfasst im Rahmen des Versorgungsauftrages des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung, Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung (§ 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V).

Die Entscheidung darüber, ob dem Versicherten ein Anspruch auf stationäre Krankenhausbehandlung als Sachleistung zusteht und ob die stationäre Behandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist, obliegt nicht dem Krankenhaus, sondern der Krankenkasse, gegen die sich der Anspruch richtet (Beschluss des Großen Senats (GS) des BSG vom 29. September 2007 - GS 1/06 Rdnrn. 28 ff.). Wird der Patient ohne vorherige Konsultation der Krankenkasse stationär aufgenommen, entscheidet diese über den Behandlungsanspruch indirekt, in dem sie -erforderlichenfalls nach Einschaltung des MDK-, eine in der Regel befristete Kostenzusage (Kostenübernahmeerklärung) erteilt.

Die Krankenkasse hat für ihre Entscheidung die Erforderlichkeit der stationären Behandlung eigenständig und ohne Bindung an die Beurteilung des zuständigen Krankenhausarztes zu prüfen.

Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen war im vorliegenden Fall die stationäre Behandlung des Versicherten in einem Krankenhaus medizinisch notwendig. Die Leistung hätte nicht in vergleichbarer Weise durch eine Rehabilitationseinrichtung erbracht werden können.

Nach dem Beschluss des GS des BSG vom 25. September 2007 - GS 1/06 richtet sich die Beurteilung, ob  einem Versicherten vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, allein nach medizinischen Erfordernissen. Reicht nach den Krankheitsbefunden eine ambulante Therapie aus, so hat die Krankenkasse die Kosten eines Krankenhausaufenthaltes auch dann nicht zu tragen, wenn der Versicherte aus anderen, nicht mit der Behandlung zusammenhängenden Gründen eine spezielle Unterbringung oder Betreuung benötigt. Die Entscheidung des Krankenhausarztes ist darauf zu überprüfen, ob nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung und dem damals verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des Krankenhausarztes eine Krankenhausbehandlung erforderlich war. Ob die Behandlung nur stationär in einem Krankenhaus durchgeführt werden kann, ist anhand der besonderen, einem Krankenhaus zu Gebote stehenden Mitteln zu überprüfen. Es ist auf eine Gesamtbetrachtung abzustellen (BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr. 2 Rdnr. 16 m.w.N.; BSGE 94, 161 = SozR 4-2500 § 39 Nr. 4 Rdnr. 14). Als spezifische Mittel eines Krankenhauses gelten eine apparative Mindestausstattung, geschultes Pflegepersonal und jederzeit präsente oder rufbereite Ärzte (BSGE 94, 161 = SozR 4-2500 § 39 Nr. 4 Rdnr. 14). Die ärztlichen und pflegerischen Hilfeleistungen stellen die wesentlichen Leistungsbestandteile der Krankenhausbehandlung dar (vgl. Brandts, Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: Juli 2009, § 39 Rdnr. 45 m.w.N.).

Demgegenüber stehen gemäß § 107 SGB V Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen zwar auch unter ständiger ärztlicher Verantwortung; Behandlungen werden nach einem ärztlichen Behandlungsplan durchgeführt. Diese sind jedoch unter Mitwirkung von besonders geschultem Personal darauf eingerichtet, den Gesundheitszustand des Patienten vorwiegend durch Anwendung von Heilmitteln, einschließlich Krankengymnastik, Bewegungstherapie, Sprachtherapie oder Arbeits- und Beschäftigungstherapie, anderen geeignete Hilfen sowie geistigen und seelischen Einwirkungen zu verbessern und dem Patienten bei der Entwicklung eigener Abwehr- und Heilungskräfte zu helfen. Nichtärztliche Leistungen stehen hier gleichwertig neben den ärztlichen. Die Unterscheidung vom Krankenhaus ist im Wesentlichen nach der Art der zu behandelnden Erkrankungen, den Behandlungsmethoden sowie der damit im Zusammenhang stehenden Organisation der Einrichtung und der typischen Behandlungsdauer zu treffen (BSG SozR 3-2500 § 107 Nr. 1 Seite 6; BSGE 94, 139 = SozR 4-2500 § 112 Nr. 4 Rdnrn. 12, 18; Brandts, a.a.O., Rdnrn. 6, 65). Die stationäre Reha-Maßnahme nach § 40 Abs. 2 SGB V zielt nicht in erster Linie  darauf ab, eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern oder im Anschluss an Krankenhausbehandlungen den  dabei erzielten Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen (§ 107 Abs. 2 Nr. 1b, 2 SGB V). Sie dient auch zur Abwendung und Minderung von drohender Behinderung oder Pflegebedürftigkeit sowie zum Ausgleich von deren Folgen (§§ 11 Abs. 2, 107 Abs. 2 Nr. 1b SGB V). Die Auswahl zwischen den unterschiedlichen stationären Maßnahmen erfolgt nach der Zielsetzung, dem Einsatz der Mittel und den Kriterien des § 12 SGB V. Eine Unterscheidung kann im Wesentlichen nur nach der Art der Einrichtung, der Behandlungsmethode und dem Hauptziel der Behandlung getroffen werden (Brandts, a.a.O. Rdnr. 65). Gestaltet sich die Abgrenzung im Einzelfall schwierig, spricht nicht gegen eine Krankenhausbehandlung, dass diese auch rehabilitative Elemente beinhaltet (BSG, Urteil vom 20. Januar 2005 - B 3 KR 9/03 R).

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien war die stationäre Behandlung des Versicherten im Krankenhaus in dem streitigen Zeitraum erforderlich.

Bei dem Versicherten bestanden im Zeitpunkt der Aufnahme in das Krankenhaus am 21. September 2006 ein Typ I Diabetes, entgleist und Hypoglykämie.  Der Versicherte, der nicht nur bei seinem einweisenden Hausarzt, sondern auch in der diabetologischen Schwerpunktpraxis Böhme behandelt wurde (vgl. Patientenakte - Vorbefundliste), wurde wegen einer akuten Stoffwechselentgleisung in die Fachklinik der Klägerin eingewiesen. Ferner bestand eine Neuropathie. Die stark schwankenden Blutzuckerwerte wurden dabei mit Werten zwischen 1,8 und 14,1 mmol angegeben. Kurz vor der Aufnahme haben bei dem Kläger eine Hypoglykämie mit 2,9 mmol sowie eine Hyperglykämie am 21. September 2006 mit 15,1  mmol bestanden. Innerhalb der ersten 24 Stunden traten Blutzuckerschwankungen zwischen 3,7 und 15,1 mmol auf. Der HbA1c-Wert lag mit 6,6 % niedrig, was für das häufige Vorkommen von Hypoglykämien spricht. In der ersten Woche des Aufenthaltes im Krankenhaus der Klägerin schwankten die Blutzuckerwerte ausweislich der Patientenakte  weiterhin zwischen 2,4 und 18,1 mmol. Eine akute stationäre Behandlungsbedürftigkeit besteht bei Stoffwechselentgleisungen im Rahmen der Diabetes-Erkrankung nicht erst, wenn ein hypoglykämischer Schock erreicht wird, ein diabetisches Koma eintritt oder eine Ketoazidose vorliegt. Es haben in den Folgetagen engmaschige Blutzuckerkontrollen über den Tag verteilt stattgefunden. Bis zuletzt sind starke Schwankungen aufgetreten. Nach der Simulation einer Nachtschicht trat bei dem Versicherten am 10. Oktober 2006 eine Hypoglykämie mit 3,1mmol/l auf. Am folgenden Tag spritze der Versicherte ausweislich der Patientenakte mit einem falschen KE(Kohlenhydrateinheit)-Faktor. Erst  am 12. Oktober hat sich nach Auskunft der behandelnden Ärzte ein vollständiges normnahes Blutzuckerprofil gezeigt. Während der Zeit der stationären Behandlung ist der Versicherte auf ein anderes Medikament umgestellt worden. Ferner wurden  eine Sonographie des Abdomens und ein EKG durchgeführt. Bei klinischem Verdacht auf das Vorliegen einer Zöliakie wurde der entsprechende Antikörper bestimmt (Transglutaminase Endomysium Antikörper).

Auch nach den Einlassungen der Beklagten war der Versicherte Nowak stationär behandlungsbedürftig. Dies hat die Beklagte sowohl im erstinstanzlichen Verfahren ausgeführt als auch in ihrer Berufungsbegründung vom 16. März 2011. Die Dauer der stationären Behandlungsbedürftigkeit ist zu keiner Zeit beanstandet worden. In der Stellungnahme der Beklagten vom 19. Juli 2011 heißt es wörtlich, dass die festgestellten Blutzuckerschwankungen die Notwendigkeit einer medizinischen Behandlung in einem stationären Umfeld beweisen würden. Nach dem Gutachten des MDK vom 31. August 2007 wäre hier eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme erforderlich gewesen. Aus dem MDK Gutachten vom 7. Januar 2010 ergibt sich, dass offensichtlich eine ambulante Blutzuckereinstellung nicht ausreichend möglich sei. Bei fehlender Compliance des Versicherten habe eine ambulante Einstellung der Stoffwechsellage nicht erreicht werden können. Die Notwendigkeit einer stationären Maßnahme sei daher prinzipiell nachvollziehbar.

Die Beklagte hat mithin eingeräumt, dass eine stationäre Behandlung des Versicherten medizinisch notwendig war. Dementsprechend musste die Frage, ob der Versicherte   stationär behandlungsbedürftig war, nicht durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens geklärt werden - wie es das SG auch zutreffend ausgeführt hat.

Der Behandlungsablauf  zur Diagnostik und bei  akut stark schwankenden Blutzuckerprofilen sowie zur Umstellung auf ein neues Medikament in einem Krankenhaus zeigt, dass es sich hier  um Krankenhausbehandlung  gehandelt hat und es nicht um die Verbesserung und Stabilisierung eines bereits erreichten Zustandes durch Anwendung von Heilmitteln  im Rahmen einer Reha-Behandlung im Sinne von § 107 Abs 2 Nr. 2 SGB V ging. Nach der S 3 Leitlinie  Typ I Diabetes von September 2011 ist eine Indikation zur stationären Krankenhausbehandlung eine Abklärung nach wiederholten schweren Hypoglykämien sowie zur Einleitung einer intensivierten Insulintherapie zur Verbesserung der Blutglykoseeinstellung.

Soweit die Beklagte vorträgt, dass die hier beschriebene Behandlung auch in einer Reha-Einrichtung möglich ist, ist darauf hinzuweisen, dass es durchaus möglich sein kann, dass typische Krankenhausbehandlungen in spezialisierten Rehabilitationskliniken mit einem ständig anwesenden Arzt möglich sind. Im vorliegenden Fall  ging es  jedoch zunächst um die Behandlung der Krankheit selbst, und nicht um die Sicherung und Festigung  des Behandlungserfolges und des Gesundheitszustandes  im Anschluss an die Krankenhausbehandlung, um die Erwerbsfähigkeit zu halten und Folgekrankheiten zu mindern. Bei dem Versicherten stand nicht nur eine Optimierung, sondern eine Therapieumstellung auf andere Medikamente im Vordergrund. Damit hat es sich nach der rechtlichen Abgrenzung um eine stationäre Krankenhausbehandlung gehandelt (vgl. auch Urteil des erkennenden Senates vom 9. Mai 2012 - L 1 KR 241/10).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG iVm §§ 154 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Der Streitwert war gemäß §§ 52, 63 Gerichtskostengesetz (GKG) festzusetzen.

Es hat kein gesetzlicher Grund vorgelegen, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG).