Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 18.02.2014, Az.: L 8 AY 70/13 B ER

Anspruch auf Asylbewerberleistungen; Rechtmäßigkeit einer Leistungskürzung nach § 1a Nr. 2 AsylbLG; Anordnung aufschiebender Wirkung im Eilrechtsverfahren

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
18.02.2014
Aktenzeichen
L 8 AY 70/13 B ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 14843
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2014:0218.L8AY70.13B.ER.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Lüneburg - 17.07.2013 - AZ: S 26 AY 13/13 ER

Redaktioneller Leitsatz

1. Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Leistungsabsenkungen z.B. um den Barbetrag zur Deckung des täglichen Lebens wie auch Leistungskürzungen in Höhe von Leistungen des soziokulturellen Existenzminimums im Asylbewerberleistungsrecht.

2. Die Rechtmäßigkeit dieser Leistungsabsenkungen nach § 1a Nr. 2 AsylbLG ist angesichts der Vergleichbarkeit mit gesetzlichen Möglichkeiten von Leistungskürzungen im Grundsicherungsrecht, die an Mitwirkungshandlungen anknüpfen (§ 31 SGB II, §§ 26, 41 Abs. 4 SGB XII), anzunehmen. Insoweit haben die Beteiligten, hier die Asylbewerber, es selbst in der Hand, durch ihr Verhalten Leistungskürzungen zu beenden.

3. Das kann im Einzelfall jedoch nicht allein von der fehlenden ausländerrechtlichen Mitwirkung des Asylbewerbers abhängig gemacht werden.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 17. Juli 2013 aufgehoben.

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 15. August 2013 (- S 26 AY 14/13 -) gegen den Bescheid der Gemeinde Flotwedel vom 19. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Juli 2013 wird angeordnet.

Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers für den ersten und zweiten Rechtszug zu erstatten.

Gründe

I.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Antragsteller) und der Antragsgegner und Beschwerdegegner (im Folgenden: Antragsgegner) streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die Rechtmäßigkeit einer Leistungskürzung nach § 1a Nr. 2 AsylbLG.

Der 1990 geborene Antragsteller lebt gemeinsam mit seiner Ehefrau und ihren 2012 und im August 2013 geborenen Kindern in einer Mietwohnung in C ... Er stammt aus dem Libanon und reiste 2012 nach Deutschland ein. Sein Asylverfahren verlief erfolglos. Er verfügt aufgrund fehlender Heimreisepapiere über eine Duldung.

Der Antragsteller bezieht Leistungen nach dem AsylbLG, die u.a. mit Bescheid vom 10. April 2013 für die Zeit "ab 01.01.2013" bewilligt wurden. Auf den Antragsteller entfiel hierbei entsprechend der Übergangsregelung des BVerfG vom 18. Juli 2012 zu den Grundleistungen nach § 3 AsylbLG (- 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 -) ein monatlicher Betrag in Höhe von 498,65 EUR (318,00 EUR zzgl. Koten für Unterkunft und Heizung von 180,65 EUR).

Am 8. Mai 2013 hörte die vom Antragsgegner herangezogene Samtgemeinde Flotwedel den Antragsteller und seine Ehefrau zu einer beabsichtigten Leistungskürzung nach § 1a Nr. 2 AsylbLG ab dem 1. Juli 2013 an. Entgegen ihrer schriftlichen Versicherung aus Anfang März 2013 hätten sie sich weder einen Familienregisterauszug, ihre Geburtsurkunden bzw. ID-Card noch ihren Führerschein aus dem Libanon zuschicken lassen. Zudem hätten sie bei einem Besuch der libanesischen Botschaft im November 2012 keine Reisedokumente zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland beantragt, sondern nur einen Pass. Aufgrund dieses Verhaltens hätten sie die Ausreisehindernisse selbst zu vertreten.

Mit Bescheid vom 19. Juni 2013 bewilligte die Samtgemeinde Flotwedel der Familie des Antragstellers wiederum Leistungen nach dem AsylbLG, wobei sie (allein) die dem Antragsteller bislang gewährten Grundleistungen gemäß § 1a Nr. 2 AsylbLG um den vollständigen Barbetrag nach § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG in Höhe von 123,00 Euro kürzte. Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller am 26. Juni 2013 Widerspruch.

Mit dem am 3. Juli 2013 beim Sozialgericht (SG) Lüneburg eingegangenen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wendet sich der Antragsteller gegen die Leistungskürzung nach § 1a Nr. 2 AsylbLG ab dem 1. Juli 2013.

Im Laufe des gerichtlichen Verfahrens hat der Antragsgegner den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 19. Juni 2013 mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2013 zurückgewiesen und gemäß § 86b Abs. 2 Nr. 5 SGG die sofortige Vollziehung der Maßnahme angeordnet. Gegen diese Entscheidung hat der Antragsteller beim SG Lüneburg am 15. August 2013 Klage erhoben (- S 26 AY 14/13 -), über die noch nicht entschieden ist.

Zuvor hat das SG den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch Beschluss vom 17. Juli 2013 mit der Begründung zurückgewiesen, dass § 1a Nr. 2 AsylbLG auch nach der Entscheidung des BVerfG vom 18. Juli 2013 anzuwenden sei und die behördliche Entscheidung aufgrund des Umstands, dass es allein beim Antragsteller liege, der von ihm geforderten Mitwirkung durch Vorlage von Heimreisedokumenten bzw. durch Mitwirkung an deren Beschaffung nachzukommen und dadurch wieder ungekürzte Leistungen zu erhalten, rechtmäßig sei.

Gegen die den Beteiligten am 19. Juli 2013 zugestellte Entscheidung des SG richtet sich die am 19. August 2013 erhobene Beschwerde des Antragstellers.

Der Antragsteller macht geltend, dass das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug des Bescheides vom 19. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2013 hinter dem Interesse des Antragstellers an einer ungekürzten Leistungsbewilligung nach § 3 AsylbLG zurückstehen müsse. Wegen der Entscheidung des BVerfG vom 18. Juli 2012 zu den Grundleistungen nach § 3 AsylbLG sei § 1a AsylbLG verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass unabweisbar geboten i.S.d. § 1a AsylbLG alle Leistungen seien, die das Leistungsniveau für ein menschenwürdiges Existenzminimum nicht unterschreiten. Da die hier gekürzten Leistungen nach § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG aber zu dem grundrechtlich verbürgten Anspruch auf Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums gehörten (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG), sei die verfügte Leistungskürzung rechtswidrig.

Der Antragsgegner hält den Beschluss des SG für rechtmäßig und beruft sich zur Anwendbarkeit des § 1a AsylbLG auf die Rechtsprechung des Senats vom 20. März 2013 (L 8 AY 59/12 B ER). Die Höhe der Kürzung nach § 1a AsylbLG (Streichung des Barbetrags nach § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG) sei gerechtfertigt, weil der Antragsteller jederzeit durch eine hinreichende Mitwirkung im ausländerrechtlichen Verfahren eine ungekürzte Leistungsgewährung nach § 3 AsylbLG herbeiführen könne. Im Übrigen sei dem Antragsteller unbenommen, einzelne Bedarfe zu benennen, die dann ggf. nach § 6 Abs. 1 AsylbLG als sonstige Leistungen gewährt würden.

II.

Die gemäß §§ 172, 173 SGG zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des SG vom 17. Juli 2013 ist begründet. Das SG hat den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu Unrecht abgelehnt.

Gemäß § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen anordnen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben. Die Vorschrift umfasst auch diejenigen Fälle, in denen die Verwaltung wie hier gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG die sofortige Vollziehung angeordnet hat (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 86b Rn. 5 m.w.N.). Nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung in denjenigen Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten ist und die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, die sofortige Vollziehung mit schriftlicher Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung anordnet. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung stellt eine Ausnahme vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs nach § 86a Abs. 1 SGG dar. Sie setzt ein besonderes öffentliches Interesse voraus, das über jenes Interesse hinausgeht, welches den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. September 1995 - 2 BvR 1179/95 - Juris Rn. 42 m.w.N.). Ein besonderes öffentliches Interesse an der Vollziehung rechtswidriger Verwaltungsakte besteht in aller Regel nicht (vgl. Keller, aaO., § 86b Rn. 12 f.).

Nach diesen Maßgaben war die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 15. August 2013 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 19. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Juli 2013 gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG anzuordnen, weil die angegriffene Entscheidung, die eine Aufhebung des Bescheids vom 10. April 2013 beinhaltet, nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht und an dem Vollzug einer solchen Entscheidung kein besonderes öffentliches Interesse besteht.

Da der Bescheid vom 10. April 2013 mit der Bewilligung von Leistungen "mit Wirkung vom 01.01.2013 für die Zukunft" nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ein zukunftsoffener Dauerverwaltungsakt ist, richtet sich die Rechtmäßigkeit der (Teil-)Aufhebung einer solchen Verfügung durch den angegriffenen Bescheid vom 19. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Juli 2013 nach den allgemeinen Regeln der § 9 Abs. 3 AsylbLG i.V.m. §§ 45 ff. SGB X, hier nach § 9 Abs. 3 AsylbLG i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.

Eine wesentliche Änderung in diesem Sinne ist nach Auffassung des Antragsgegners die Weigerung des Antragstellers im ausländerrechtlichen Verfahren mitzuwirken. Deshalb seien so der Antragsgegner die Leistungen für den als Inhaber einer Duldung gemäß § 1 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG leistungsberechtigten Antragsteller ab Juli 2013 gemäß § 1a Nr. 2 AsylbLG zu kürzen.

Ob hier die Voraussetzungen einer Leistungskürzung nach § 1a Nr. 2 AsylbLG vorliegen lässt der Senat offen. Jedenfalls entspricht der angegriffene Bescheid vom 19. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Juli 2013 nicht den gesetzlichen Vorgaben aus § 1a Nr. 2 AsylbLG. Nach dieser Norm erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 AsylbLG und ihre Familienangehörigen nach § 1 Abs. 1 Nr. 6, bei denen aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können (Nr. 2), Leistungen nach diesem Gesetz nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist.

Der Senat hält an seiner Rechtsauffassung fest, dass § 1a Nr. 2 AsylbLG nicht verfassungswidrig und auch unter Berücksichtigung des Urteils des BVerfG vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - weiter anzuwenden ist (Beschluss vom 20. März 2013 - L 8 AY 59/12 B ER - juris Rn. 24-28 m.w.N.; ebenso: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Juli 2013 - L 23 AY 10/13 B ER, juris Rn. 21 ff.; Hess. LSG, Beschluss vom 9. Dezember 2013 - L 4 AY 17/13 B ER - juris Rn. 29 ff.; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 2. September 2013 - L 8 AY 5/13 B ER - juris Rn. 31 ff.; LSG Hamburg, Beschluss vom 29. August 2013 - L 4 AY 5/13 B ER, L 4 AY 6/13 B PKH - juris Rn. 6; a.A. im Sinne einer verfassungskonformen Auslegung des § 1a Nr. 2 AsylbLG, nach der eine Leistungsabsenkung unter das Niveau der Leistungen nach § 3 AsylbLG nicht in Betracht kommt: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. Dezember 2013 - L 15 AY 23/13 B ER, L 15 AY 24/13 B PKH - juris Rn. 4; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. April 2013 - L 20 AY 153/12 B ER - juris Rn. 33 ff.; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27. März 2013 - L 3 AY 2/13 B ER - juris). Verhaltensbedingte Leistungskürzungen wie z.B. in den §§ 31 ff. SGB II, §§ 26, 41 Abs. 4 SGB XII sind im Fürsorgerecht und auch im AsylbLG grundsätzlich zulässig. Die Verfassung gebietet nicht die Gewährung von bedarfsunabhängigen, voraussetzungslosen Sozialleistungen (vgl. BVerfG vom 7. Juli 2010 - 1 BvR 2556/09 - juris Rn. 13 zur Einkommensanrechnung).

Zu dem Umfang einer Leistungsbewilligung nach dem AsylbLG hat der Senat ausgeführt, dass sich der notwendige Bedarf der leistungsberechtigten Person der Höhe nach grundsätzlich an den Leistungen nach § 3 AsylbLG entsprechend der Übergangsregelung des BVerfG vom 18. Juli 2012 (- 1 BvL 10/11, 1 BvL 2/11 - juris Rn. 98 ff.) orientiert. Eine Kürzung dieser Leistungen nach § 1a AsylbLG stellt demgegenüber die Ausnahme dar und ist vom Senat zuletzt um die Werte aus den Abteilungen 9 und 11 der jeweiligen Regelbedarfsstufen nach § 1a Nr. 2 AsylbLG grundsätzlich als zulässig erachtet worden (Beschluss vom 20. März 2013 - L 8 AY 59/12 B ER - juris Rn. 20, 30).

Allerdings bedarf es nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1a AsylbLG in der Rechtsfolge stets einer Prüfung aller relevanten Umstände des Einzelfalls, welche Leistungen "im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten" sind. Eine Leistungskürzung nach § 1a AsylbLG setzt damit voraus, dass die zuständige Leistungsbehörde im konkreten Einzelfall den Sachverhalt ermittelt und in diese Einzelfallprüfung mit einbezieht, ob die gewährte Leistung zu kürzen ist, auf welche Art und Weise (Geld- oder Sachleistung) sie zu erbringen ist und in welchem Umfang und für welche Dauer. Eine Anspruchseinschränkung anhand von Pauschalen (z.B. prozentuale Abschläge) verbietet sich von vornherein (vgl. Oppermann in jurisPK-SGB XII, 1. Auflage, § 1a AsylbLG Rn. 76). Bei dieser Einzelfallprüfung sind allein die konkreten Bedarfe der leistungsberechtigten Person an existenzsichernden Leistungen maßgeblich, nicht jedoch die Art und Schwere der Verstöße im ausländerrechtlichen Verfahren, weil diese keinen Einfluss auf die im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar gebotenen Leistungen haben. Die Pflicht zu einer umfassenden Sachverhaltsermittlung trifft - wie auch bei der Ermittlung des notwendigen Bedarfs an Sachleistungen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG (vgl. BT-Drucks. 12/4451, S. 8; vgl. auch BT-Drucks. 16/9018, S. 6) - in erster Linie und vorrangig die zuständige Leistungsbehörde. Sie hat die zur Beantwortung der Frage erforderlichen Tatsachen zu ermitteln, ob und inwieweit von dem regelmäßigen Leistungsniveau nach § 3 AsylbLG durch eine Kürzung nach § 1a AsylbLG abgewichen werden kann.

Unterbleibt eine solche Prüfung durch die zuständige Leistungsbehörde oder beruht sie auf abstrakt-generellen Erwägungen ohne Bezug auf den konkreten Einzelfall, sind die Gerichte - jedenfalls in Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes - nicht gehalten, die erforderliche Sachverhaltsermittlung zur Höhe der Leistungskürzung nach § 1a AsylbLG nachzuholen. Gleiches gilt in denjenigen Fällen, in denen eine Leistungskürzung nach § 1a AsylbLG vorwiegend auf sachfremde Erwägungen, etwa unter Berücksichtigung des Verhaltens der leistungsberechtigten Person im ausländerrechtlichen Verfahren, gestützt wird. Die Behörde kann der Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts auch nicht etwa dadurch genügen, dass sie eine Leistungskürzung ohne Einzelfallprüfung verfügt und (nur) für tatsächlich von den Betroffenen dargelegte Bedarfe i.S.d. § 3 AsylbLG gesondert Leistungen erbringt. Damit ginge eine Verlagerung der (objektiven) Beweislast auf den Betroffenen einher, die im Gesetz nicht angelegt ist.

Die unterbliebene oder mangelhafte behördliche Sachverhaltsermittlung hat in diesen Fällen auch wegen des Regel-Ausnahme-Verhältnisses der Leistungsgewährung nach § 3 AsylbLG und der Kürzung nach § 1a AsylbLG zur Folge, dass der zuständige Leistungsträger - jedenfalls in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes - zu verpflichten ist, existenzsichernde Leistungen nach § 3 AsylbLG in ungekürzter Höhe zu erbringen. Ob dies bei unterbliebener oder mangelhafter behördlicher Sachverhaltsermittlung auch in gerichtlichen Hauptsacheverfahren gilt, lässt der Senat offen.

Nach diesen Maßgaben entspricht die verfügte Leistungskürzung nach § 1a AsylbLG, die Streichung des Barbetrags nach § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG, nicht ansatzweise der nach dem Gesetz gebotenen Ermittlung der im Einzelfall unabweisbar gebotenen Leistungen. Womöglich hat der Antragsgegner wegen der bis August 2013 bestehenden Schwangerschaft der Ehefrau des Antragstellers von einer Leistungskürzung ihr und den Kindern gegenüber abgesehen. Gleichwohl hat er die Umstände des Einzelfalls (z.B. dezentrale Unterbringung in einer Wohnung, im eigenen Namen abgeschlossene Energieversorgungsverträge, ggf. bestehende Ratenzahlungsverpflichtungen, Versorgung eines Kleinkindes, Schwangerschaft der Ehefrau des Antragstellers etc.) bei der gegenüber dem Antragsteller verfügten Leistungskürzung nicht berücksichtigt. Die Kürzung beruht vielmehr auf der sachfremden Erwägung, dass es der Antragsteller durch eine hinreichende Mitwirkung im ausländerrechtlichen Verfahren selbst in der Hand habe, die Voraussetzungen für die Gewährung ungekürzter Leistungen nach § 3 AsylbLG zu erfüllen. Diese bei jedem Leistungsfall nach § 1a Nr. 2 AsylbLG einschlägige Argumentation hat keinen sachlichen Zusammenhang mit der im Einzelfall erforderlichen Ermittlung des tatsächlichen Bedarfs an unabweisbar gebotenen Leistungen nach § 1a AsylbLG und kann diese nicht ersetzen. Letzteres gilt auch für den - pauschalen - Einwand des Antragsgegners, der Antragsteller könne bei Bedarf sonstige Leistungen nach § 6 Abs. 1 AsylbLG beantragen, weil es - ungeachtet des Verhältnisses der Anspruchsgrundlagen nach § 3 AsylbLG und § 6 Abs. 1 AsylbLG zueinander - vornehmlich Aufgabe der Behörde ist, den Bedarf an unabweisbar gebotenen Leistungen nach § 1a AsylbLG zu ermitteln.

Mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 15. August 2013 gegen den Bescheid vom 19. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Juli 2013 sind dem Antragsteller - dies entspricht inhaltlich seinem Antrag im gerichtlichen Eilverfahren - die mit dem Bescheid vom 10. April 2013 bewilligten Leistungen nach § 3 AsylbLG weiterhin zu erbringen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).