Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 06.06.2017, Az.: S 26 AY 10/17 ER
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 06.06.2017
- Aktenzeichen
- S 26 AY 10/17 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2017, 25480
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
- 1.
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung für den Zeitraum 20.03.2017 bis 31.07.2017 Leistungen gemäß §§ 3 ff. AsylbLG ohne Einschränkungen nach § 1 a AsylbLG zu gewähren.
- 2.
Der Antragsgegner hat den Antragstellern ihre notwendigen Kosten zu erstatten.
- 3.
Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe ohne Verpflichtung zur Entrichtung von Raten bewilligt und Rechtsanwalt I. aus Lüneburg beigeordnet.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren über die Rechtmäßigkeit einer Leistungseinschränkung nach § 1 a Abs. 4 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Die Antragsteller sind sudanesische Staatsangehörige. Die am 24.02.1990 geborene Antragstellerin reiste mit ihren am 22.01.2007, 18.11.2010 bzw. 23.05.2012 geborenen Kindern, den Antragstellern zu 3.) - 5.), am 06.04.2014 erstmals in die Bundesrepublik Deutschland ein; ihr Ehemann bzw. Vater, der am 01.01.1989 geborene Antragsteller zu 2.), folgte ihnen am 18.05.2014. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stellte mit Bescheiden vom 05.09.2014 fest, dass ihnen kein Asylrecht in der Bundesrepublik Deutschland zusteht, und ordnete die Abschiebung nach Italien an, da sie bereits in Italien ein Asylverfahren durchgeführt hätten und dort subsidiärer Schutz zuerkannt worden sei. Mit Zustimmung der italienischen Behörden erfolgte am 27.03.2015 die Überstellung der Antragsteller nach Italien. Am 13.07.2016 reisten die Antragsteller erneut ins Bundesgebiet ein und stellten einen Asylfolgeantrag, über den bislang nicht entschieden ist. Ein weiteres Überstellungsverfahren wurde nach einer Mitteilung des BAMF vom 17.08.2016 von den italienischen Behörden abgelehnt, weil die Antragsteller zu 1.) und 2.) in Italien den Flüchtlingsstatus erhalten hätten und die Anwendung des Dubliner Übereinkommens nicht möglich sei. Der Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland wird seit dem fortlaufend geduldet. Die Antragsteller wohnen im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners in einer von der Samtgemeinde Ilmenau bereitgestellten Unterkunft; der Antragsteller zu 2.) lebt seit Januar 2017 von den übrigen Familienmitgliedern räumlich getrennt. Seit 13.07.2016 erhalten sie Leistungen nach dem AsylbLG; diese wurden mit Bescheid des Antragsgegners vom 20.07.2016 für den Zeitraum 13.07.2016 bis 31.12.2016 festgesetzt und beliefen sich nach einem Änderungsbescheid vom 25. August 2016 ab 01.08.2016 auf 1.217,38 EUR monatlich. Mit Änderungsbescheiden vom 30.09.2016, 27.10.2016 und 24.11.2016 wurden ihnen ab 21.09.2016 nur noch eingeschränkte Leistungen gemäß § 1 a Abs. 4 AsylbLG gewährt mit der Begründung, die Familie habe bereits von einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union internationalen Schutz erhalten, welcher fortbestehe; es bestehe daher nur noch Anspruch auf Leistungen zur Deckung des Bedarfes an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege. Nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 18.01.2017) haben die Antragsteller vor dem Sozialgericht (SG) Lüneburg Klage erhoben (Aktenzeichen S 26 AY 4/17), über welche noch nicht entschieden ist. Für die Zeiträume 01.01.2017 bis 31.03.2017 sowie 01.04.2017 bis 30.09.2017 bewilligte der Antragsgegner ihnen mit Bescheiden vom 20.12.2016, 16.02.2017 und 31.03.2017 weiterhin nur eingeschränkte Leistungen nach § 1 a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG; diese belaufen sich für die Antragsteller zu 1.) und 2.) auf jeweils 151,11 EUR, für die Antragsteller zu 3.) und 4.) auf 109,83 EUR und für den Antragsteller zu 5.) auf 92,22 EUR monatlich (ohne Unterkunftsbedarf). Über hiergegen eingelegte Widersprüche ist noch nicht entschieden. Am 20.03.2017 haben die Antragsteller mit dem Ziel einer höheren Leistungsgewährung bei dem Sozialgericht (SG) Lüneburg einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Sie hätten Italien verlassen, weil sie vom italienischen Staat keinerlei Unterstützung erhalten hätten. Das Existenzminimum sei dort nicht gesichert gewesen. Die Ernährung habe von Tag zu Tag sichergestellt werden müssen; medizinische Versorgung und eine gesicherte Unterkunft hätten nicht existiert. Der Antragsgegner tritt dem Antrag entgegen und beantragt dessen Ablehnung. Den Antragstellern sei in Italien, einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, subsidiärer Schutz gewährt worden, der weiterhin Bestand habe. Nach dem klaren Wortlaut des § 1 a Abs. 4 i. V. m. § 1 a Abs. 2 AsylbLG habe dies zur Folge, dass nur noch Leistungen zur Deckung ihres Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege zu gewähren seien. Die Ausreisepflicht bleibe trotz des Asylfolgeantrages bestehen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte des Antragsgegners sowie auf die Gerichtsakte des Verfahrens S 26 AY 4/17 verwiesen. II. Der zulässige Antrag ist begründet. 1. Rechtsgrundlage für den einstweiligen Rechtsschutz ist vorliegend § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Bei verständiger Auslegung ihres Antrags (§ 123 SGG) beanspruchen die Antragsteller nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gemäß § 86b Abs. 1 SGG, sondern den Erlass einer Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 SGG. Ziel ihres Antrags ist die vorläufige Erbringung von höheren, nicht gemäß § 1 a Abs. 4 i.V.m. § 1a Abs. 2 AsylbLG eingeschränkten Leistungen durch den Antragsgegner; diese sind ihnen für den hier streitigen Zeitraum ab Antragseingang beim SG bislang nicht bewilligt worden. Dementsprechend kann eine höhere Leistungsgewährung nicht durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage, sondern nur durch Erlass einer Regelungsanordnung erreicht werden. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag einer einstweiligen Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn zur Abwendung wesentlicher Nachteile eine solche Regelung notwendig erscheint. Dies ist der Fall, wenn ohne den vorläufigen Rechtsschutz den Betroffenen eine erhebliche, über Randbereich hinausgehende Verletzung in ihren Rechten droht, die durch die Entscheidung der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 12.05.2 2005 - Az.: 1 BvR 569/05 m.w.N.). Die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anordnungsanspruchs - die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist - sowie eines Anordnungsgrundes - die Eilbedürftigkeit für eine Entscheidung durch einstweiligen Rechtsschutz - sind glaubhaft zu machen, § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Zivilprozessordnung (ZPO). 2. Die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft dargelegt. Sie gehören, da sie sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und über Duldungen verfügen, zum Kreis der Leistungsberechtigten gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG, die Anspruch auf Grundleistungen nach §§ 3 ff. AsylbLG haben. Es ist bereits fraglich, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Leistungseinschränkung nach § 1 a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG vorliegend erfüllt sind. Nach dieser Vorschrift erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nummer 1 oder 5 AsylbLG, denen von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem am Verteilmechanismus teilnehmenden Drittstaat internationaler Schutz oder aus anderen Gründen ein Aufenthaltsrecht gewährt worden ist, nur Leistungen zur Deckung ihres Bedarfes an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege, sofern der internationale Schutz oder das aus anderen Gründen gewährte Aufenthaltsrecht fortbesteht. Die Antragsteller verfügen über Duldungen, die nach Auskunft des Antragsgegners bis 29.06.2017 gültig sind; ihre Leistungsberechtigung ergibt sich daher nicht -wie die Leistungseinschränkung § 1 a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG voraussetzt - aus § 1 Abs. 1 Nummer 1 oder 5 AsylbLG, sondern aus § 1 Abs. 1 Nummer 4 AsylbLG. Nach Aktenlage ist den Antragstellern aber in Italien, das als Mitgliedsstaat der Europäischen Union am Verteilmechanismus teilnimmt, subsidiärer Schutz zuerkannt worden; neben den Bescheiden des BAMF vom 19.06.2014 ergibt sich dies für die Antragsteller zu 1. und 2. auch unmittelbar aus Schreiben der italienischen Behörden vom 16.08.2016, welche sich in den beigezogenen Leistungsakten des Antragsgegners befinden. Anhaltspunkte dafür, dass diese Angaben unzutreffend sind, bestehen jedenfalls im Rahmen dieses einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht; auch die Antragsteller sind dem nicht ernstlich entgegen getreten. Das SG hat allerdings erhebliche Zweifel, ob die Regelung § 1 a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG einer verfassungsrechtlichen Überprüfung in der Hauptsache standhalten wird. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach Art 100 Grundgesetz (GG) scheidet in diesem Verfahren aus, weil im einstweiligen Rechtsschutz keine endgültige Entscheidung ergeht. Bestehen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Vorschrift, kann dies aufgrund einer Interessenabwägung eine Aussetzung der Vollziehung bzw. die Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigen (Keller in Meyer-Ladewig, SGG 12. Aufl., § 86 b Rn. 12f m.w.N.). Da zudem aufgrund der Komplexität der Sach- und Rechtslage eine abschließende Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht möglich erscheint, ist den Antragstellern einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren. 2.1. Nach Artikel 1 Abs. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar. Abgeleitet aus der Menschenwürde Artikel 1 Abs. 1 GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip (Artikel 20 Abs. 1 GG) ergibt sich der Anspruch eines jeden Menschen auf Sicherung seines Existenzminimums (vgl. dazu BVerfG Urteil vom 09.02.2010, Az.: 1 BvL 1/09 u.a.; Urteil vom 18.07.2012, Az.: 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11). Das Grundrecht steht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu; es umfasst sowohl die physische Existenz des Menschen als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Nach der Rechtsprechung des BVerfG (a.a.O.) muss die menschenwürdige Existenz einschließlich des sogenannten soziokulturellen Existenzminimums ab Beginn des Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland realisiert werden. Auch eine kurze Aufenthaltsdauer oder -perspektive rechtfertigt es nicht, den Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum auf die Sicherung der physischen Existenz zu beschränken; migrationspolitische Erwägungen können eine geringere Bemessung der Leistungen an Asylbewerber und Flüchtlinge nicht rechtfertigen. Die gesetzliche Regelung § 1 a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG widerspricht offensichtlich der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2012, indem Leistungsberechtigten lediglich Mittel für Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege gewährt werden, während nicht nur Bedarfe für Kleidung und Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts, sondern auch die Bedarfe zur Aufrechterhaltung eines Mindestmaßes an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben bei einer Einschränkung von Leistungen nach dieser Vorschrift völlig unberücksichtigt bleiben. Zwar steht dem Gesetzgeber bei der Bestimmung des Umfangs der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums ein Gestaltungsspielraum zu und ist dieser im Bereich des sog. soziokulturellem Existenzminimums, wo es um Art und Umfang der Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben geht, weiter als bei der Sicherung der physischen Existenzminimums (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010, Az.: 1 BvL 1/09 u.a.). Doch können - wie das BVerfG ausdrücklich und unmissverständlich klargestellt hat - allein die kurze Aufenthaltsdauer oder Aufenthaltsperspektive in Deutschland es nicht rechtfertigen, den Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums auf die Sicherung des physischen Existenzminimums zu beschränken (Urteil vom 18.07.2012, Az.: 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11) oder gar - was die gesetzliche Regelung § 1a Abs. 4 AsylbLG bewirkt - das soziokulturelle Existenzminimum vollkommen unberücksichtigt zu lassen. 2.2. Weiterhin bestehen erhebliche Zweifel, ob bei Leistungseinschränkungen nach § 1a Abs. 4 AsylbLG das physische Existenzminimum noch gewährleistet ist. Problematisch erscheint bereits der Ansatz, dass Bedarfe an Kleidung und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts überhaupt nicht mehr berücksichtigt werden, wodurch im Ergebnis eine Leistungsabsenkung auf ein "reduziertes physisches Existenzminimum" bewirkt wird (so auch Oppermann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 1a AsylbLG 2. Überarbeitung, Rn. 151). Zudem bleiben die nach dieser Vorschrift zu gewährenden Leistungen auch der Höhe nach deutlich hinter den Beträgen zurück, die nach dem Regelbedarfsermittlungsgesetz (RBEG) für hilfebedürftige Personen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz als regelbedarfsrelevant bzw. notwendig angesehen werden. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 18.07.2012 (Az.: 1 BVL 10/10, 1 BVL 2/11) bereits die Höhe der nach § 3 AsylbLG a.F. zu gewährenden und seit 1993 unverändert gebliebenen Geldleistungen, die sich für einen Haushaltsvorstand auf zuletzt 224,97 EUR beliefen, als evident unzureichend erachtet. Demgegenüber beläuft sich der bei einer Leistungseinschränkung an Leistungsberechtigte nach Regelbedarfsstufe (RBS) 1 zu zahlende Betrag auf nur noch 151,11 EUR monatlich. Allein die Höhe dieses, den Antragstellern zu 1. und 2. nach ihrer Trennung jeweils zustehenden Betrages von täglich umgerechnet 5,04 EUR (bzw. 3,54 EUR für die Antragsteller zu 3. und 4. und 2,98 EUR für den Antragsteller zu 5.) lässt erhebliche Zweifel aufkommen, ob damit ohne die Inanspruchnahme von "Armentafeln" die Ernährung in Deutschland noch sichergestellt ist (zweifelnd auch: Oppermann, Leistungseinschränkungen und Sanktionen als Mittel zur Bewältigung der Flüchtlingswelle, in: ZESAR 2017, 55, 60; s.a. Voigt, Asylbewerberleistungsgesetz: Feindliche Übernahme durch das Ausländerrecht, in: info also 2016, 99). Hingegen erscheint es geradezu ausgeschlossen, dass unter Berücksichtigung weiterer existenzieller Bedarfe ein menschenwürdiges Leben möglich ist. Insbesondere erscheint es fraglich, ob die Leistungen für besondere Bedarfssituationen wie zB im Falle einer Schwangerschaft ausreichend bemessen sind. Bestehen damit im Ergebnis schon deswegen erhebliche Zweifel daran, ob die Leistungen das zu gewährleistende Existenzminimum noch sicherstellen, ist bei einer Interessen- und Folgenabwägung die Regelungsanordnung zu erlassen. 2.3. Zudem lässt sich - jedenfalls im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes - nicht feststellen, ob für Leistungsberechtigte gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG, bei denen die Voraussetzungen für eine Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 4 AsylbLG vorliegen, ein abweichender, geringerer Bedarf überhaupt besteht als bei hilfebedürftigen Menschen in anderen Sicherungssystemen und in welchem Umfang dies Einschränkungen zulässt, ohne dass das grundrechtlich geschützte Existenzminimum unterschritten wird. Eine Differenzierung nach dem Aufenthaltsstatus wäre nur dann möglich, wenn der Bedarf an existenznotwendigen Leistungen von dem anderer Bedürftiger signifikant abweicht und dies folgerichtig in einem inhaltlich transparenten Verfahren anhand des tatsächlichen Bedarfs gerade dieser Gruppe belegt werden kann (BVerfG, Urteil vom 18.07.2012, Az.: 1 BVL 10/10, 1 BVL 2/11 - Leitsatz 3). Schon da - jedenfalls zzt.- derartige Ermittlungen nicht erkennbar sind, die die Festsetzung niedrigerer Leistungen in diesem Umfang und unter völliger Außerachtlassung des soziokulturellen Existenzminimums sowie weiterer Bedarfe rechtfertigen könnten, sind erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel nicht von der Hand zu weisen. 2.4. Das SG verkennt nicht, dass das BVerfG die Vorschrift § 1a Nr. 2 AsylbLG in seiner damaligen Fassung nicht für verfassungswidrig erklärt hat; nach (durchaus umstrittener) Rechtsprechung war die Vorschrift unter Berücksichtigung des Urteils vom 18. Juli 2012 (Az.: 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11) weiter anzuwenden (s. dazu LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 18.02.2014, Az.: L 8 AY 70/13 B ER sowie vom 20. März 2013, Az.: L 8 AY 59/12 B ER - Rn. 24-28 m.w.N.; a.A., nach der eine Leistungsabsenkung unter das Niveau der Leistungen nach § 3 AsylbLG nicht in Betracht kommt: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. Dezember 2013 - L 15 AY 23/13 B ER und LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. April 2013 - L 20 AY 153/12 B ER - Rn. 33 ff). Begründet wurde dies damit, dass verhaltensbedingte Leistungskürzungen im Fürsorgerecht wie z.B. in den §§ 31 ff. Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bzw. §§ 26, 41 Abs. 4 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) grundsätzlich zulässig sind. Die Verfassung gebiete nicht die Gewährung von bedarfsunabhängigen, voraussetzungslosen Sozialleistungen (vgl. BVerfG vom 7. Juli 2010 - 1 BvR 2556/09 - Rn. 13). Bei der Neuregelung § 1a Abs. 4 AsylbLG handelt es sich jedoch um keine Leistungseinschränkung aufgrund individuellen Fehlverhaltens. Vielmehr liegt der Grund für die Leistungseinschränkung darin, dass in einem anderen Staat subsidiärer Schutz bereits zuerkannt worden war. Die betroffenen Leistungsberechtigten sind aber - anders als dies bei § 1a AsylbLG a.F. noch angenommen wurde - nicht oder jedenfalls nicht ohne weiteres in der Lage, die Leistungseinschränkung zu beseitigen, da eine Rückkehrmöglichkeit in den Staat, wo ihnen entsprechender Schutz gewährt worden war, vielfach nicht besteht. Dies gilt auch für Konstellationen der vorliegenden Art, bei denen Abschiebungen in der Regel oder in bestimmten Fällen nicht durchgeführt werden können. Zwar ist davon auszugehen, dass trotz fortbestehender Defizite anerkannte Flüchtlinge in Italien staatliche Hilfen in Anspruch nehmen können und eine Überstellung nicht gegen Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verstößt (Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. September 2016, Aktenzeichen 13 A 2448/15.A - ; VG Lüneburg, Urteil vom 13. Dezember 2016, Aktenzeichen 8 A 175/16 - ). Jedoch liegen bei den Antragstellern individuelle, besondere Gründe vor, die eine Zuordnung zur Gruppe der besonders verletzlichen Personen erfordern und eine Überstellung nach Italien als menschenrechtswidrig erscheinen lassen. Zur Gruppe dieser besonders verletzlichen Personen gehören nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) insbesondere auch Familien mit Neugeborenen und Kleinkindern, mithin auch die Antragsteller. Der EGMR führt in seiner "Tarakhel"-Entscheidung aus, dass insbesondere minderjährige Asylbewerber eines besonderen Schutzes bedürften, weil sie besondere Bedürfnisse hätten und extrem verwundbar seien. Das gelte auch, wenn die Kinder von ihren Eltern begleitet würden. Die Aufnahmeeinrichtungen für minderjährige Asylbewerber müssten an ihr Alter angepasst sein, um sicherzustellen, dass keine Situation von Anspannung und Angst mit besonders traumatisierenden Wirkungen für die Psyche der Kinder entstehe. Eine Überstellung nach Italien verstoße nur dann nicht gegen Art. 3 EMRK, wenn die italienischen Behörden eine individuelle Garantieerklärung abgeben, wonach die Betroffenen eine Unterkunft erhalten und ihre elementaren Bedürfnisse abgedeckt sind (EGMR, Urt. v. 04.11.2014, Aktenzeichen 29217/12 - Tarakhel./. Schweiz -, ). Anhaltspunkte für eine maßgebliche Verbesserung dieser Situation für besonders Schutzbedürftige in Italien bestehen zzt. nicht (vgl. nur VG Stade, Urteil vom 28.09.2016, Aktenzeichen 1 A 1454/14 - ; VG Lüneburg a.a.O.) Eine danach notwendige konkrete Zusicherung der italienischen Behörden hat der Antragsgegner nicht vorgelegt. Die Zusicherung ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil sich nach seiner Auffassung die Republik Italien an seine rechtlichen Verpflichtungen hält und die Antragsteller in Italien als Flüchtlinge anerkannt sind. Vielmehr sind die vom EGMR dargelegten Grundsätze auch auf Personen anzuwenden, die wie die Antragsteller mit einem Schutzstatus (Flüchtlingsanerkennung oder subsidiärer Schutzstatus) nach Italien rücküberstellt oder abgeschoben werden sollen (VG Stade, Urt. v. 12.10.2016 - 5 A 350/15 -; VG Braunschweig, Urt. v. 20.09.2016 - 5 A 378/15 -, unter Hinweis auf VG Hannover, Urt. v. 08.06.2016 - 4 A 6042/15 -). Die fehlende Garantieerklärung steht einer zwangsweisen Rückführung ebenso entgegen wie eine Ausreise nach Italien derzeit nicht zuzumuten sein wird. Die Antragsteller haben es damit nicht selbst in der Hand, die vorgenommene Leistungseinschränkung durch zumutbare Mitwirkungshandlungen zu beseitigen. Vor diesem Hintergrund erscheint es erst recht fraglich, ob bei von Leistungsberechtigten nicht zu beseitigenden Leistungseinschränkungen der verfassungsrechtliche Anspruch auf Sicherung einer menschenwürdigen Existenz (Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG) noch gewährleistet ist. 3. Es besteht auch ein Anordnungsgrund, da ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung das Existenzminimum nicht sichergestellt erscheint; einem Leistungsberechtigten kann unter dem Aspekt der Menschenwürde (Art. 1 Grundgesetz) regelmäßig nicht zugemutet werden, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, wenn - wie vorliegend - ein Anspruch auf existenzsichernde Leistungen glaubhaft dargelegt ist. Die Leistungen sind aufgrund der Rechtsnatur des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nur vorläufig für einen Übergangszeitraum - vorliegend orientiert am aktuellen Bewilligungszeitraum - zuzusprechen. 4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § § 183, 193 SGG. 5. Die Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung des Rechtsanwalts folgen aus dem § 73 a SGG i. V. m. § 114 ff. ZPO. Die Antragsteller sind aus persönlichen und wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage, die Kosten der Rechtverfolgung ganz oder teilweise selbst aufzubringen. Die Rechtsverfolgung bietet zudem aus den vorstehenden Gründen hinreichende Aussicht auf Erfolg.