Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 30.10.2013, Az.: 9 U 79/13

Rechte des Treuhänders bei Veräußerung ihm nicht bekannter GmbH-Anteile des Insolvenzschuldners

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
30.10.2013
Aktenzeichen
9 U 79/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 56442
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2013:1030.9U79.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 10.04.2013

Fundstellen

  • DStR 2014, 12
  • GmbHR 2014, 423-424
  • NZG 2014, 349
  • NZI 2014, 314-315
  • ZInsO 2014, 623-624
  • ZVI 2014, 180-181

Amtlicher Leitsatz

Verschweigt ein Anteilsinhaber dem Treuhänder im eigenen Verbraucherinsolvenzverfahren die Innehabung von GmbH-Anteilen, so kann der Treuhänder die Veräußerung derselben genehmigen und so den Kaufpreis beanspruchen, auch wenn die Anteile zwischenzeitlich wertlos geworden sind.

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 10. April 2013 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger, Treuhänder im Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen der Ehefrau des Beklagten, begehrt Zahlung eines Teilbetrags in Höhe von 5.001 € aus dem Kaufpreis für den Erwerb von Geschäftsanteilen. Dem liegt ein vor dem Notar M. in U. abgeschlossener Kauf- und Übertragungsvertrag vom 5. Juni 2009 (Anlage K 3, Bl. 7 ff. d. A.) zugrunde, den (u. a.) die Insolvenzschuldnerin - ohne Mitwirkung des Klägers, dem die gesellschaftliche Beteiligung bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens verschwiegen worden war - und der Beklagte abgeschlossen hatten. Mit weiterem Vertrag vom 11. Juni 2009 (Anlage B 1, Bl. 34 f. d. A.), also noch vor dem Datum, an dem die Übertragung des Geschäftsanteils wirksam und die Kaufpreiszahlung fällig werden sollte (nämlich dem 15. Juni 2009), vereinbarten die Insolvenzschuldnerin und der Beklagte die "rückwirkende Aufhebung" des Vertrages vom 5. Juni 2009.

Der Kläger hat am 24. August 2012 die Genehmigung des Kauf- und Abtretungsvertrages vom 5. Juni 2009 erklärt und macht mit der Klage einen erstrangigen Teilbetrag aus dem Kaufpreis geltend. Er meint, zu dem Aufhebungsvertrag vom 11. Juni 2009 sei die Insolvenzschuldnerin nicht berechtigt gewesen, weil darin die nach § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO unwirksame Verfügung über den bereits von der Insolvenzmasse erfassten Kaufpreisanspruch liege.

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Der in der Vereinbarung vom 5. Juni 2009 enthaltene Kaufvertrag sei als solcher wirksam. Nur die in derselben Vertragsurkunde aufschiebend bedingt vereinbarte Übertragung des Geschäftsanteils, zu der die Insolvenzschuldnerin wegen § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht berechtigt gewesen sei, sei schwebend unwirksam gewesen, diese sei aber von dem kaufvertraglichen Grundgeschäft unabhängig (Abstraktionsgrundsatz).

Wegen des weiteren Sachverhalts und der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Gegen diese richtet sich die Berufung des Beklagten, der geltend macht, mit der vom Senat in der Beschwerdeentscheidung vom 19. Februar 2013 (9 W 21/13, Bl. 64 f. d. A.) geäußerten Ansicht sei davon auszugehen, dass der Vertrag vom 5. Juni 2009 insgesamt gemäß § 139 BGB nichtig sei, da vorliegend Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäft als Teile eines einheitlichen Rechtsgeschäfts zu verstehen seien. Zumindest sei der Kauf- und Übertragungsvertrag wirksam wieder aufgehoben worden.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung erweist sich als unbegründet.

Das Landgericht hat aus zutreffenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen, denen sich der Senat nunmehr anschließt und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst verwiesen wird, den Beklagten zur Zahlung verurteilt.

1. Der in der notariellen Vereinbarung vom 5. Juni 2009 enthaltene Kaufvertrag (der der beabsichtigten Anteilsübertragung, dem Erfüllungsgeschäft, als Verpflichtungsgeschäft zugrunde lag) ist, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, wirksam.

Eine Unwirksamkeit des Kaufvertrags ergibt sich insbesondere nicht aus § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO; die in dem Beschluss vom 19. Februar 2013 zum Ausdruck gebrachte Auffassung hält der Senat, wie in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist, nicht aufrecht. Diese Bestimmung betrifft nur Verfügungen, also Rechtsgeschäfte, durch die die Masse geschmälert wird. Verpflichtungsgeschäfte sind von dieser Regelung nach wohl allgemeiner Auffassung nicht betroffen (vgl. neben den vom Landgericht unter Nr. I 2 der Entscheidungsgründe zitierten Fundstellen auch: App in: FK-InsO, 6. Aufl., § 81, Rn. 1; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 81, Rn. 2 a. E., je m. w. N.).

Ebenso wie ein Verkäufer wirksam einen Kaufvertrag über eine ihm in Wahrheit nicht gehörende Sache schließen (wenn auch im Zweifel nicht erfüllen) kann, konnte die Insolvenzschuldnerin mit dem Beklagten den Anteilskaufvertrag wirksam eingehen (wenn auch ohne Mitwirken des Klägers nicht erfüllen).

Dem steht nicht entgegen, dass sich ein ein solches Verpflichtungsgeschäft schließender Insolvenzschuldner unter Umständen schadensersatzpflichtig machen kann, denn ein etwaiger Ersatzanspruch belastet jedenfalls die Masse schon deswegen nicht, weil er - als nach der Insolvenzverfahrenseröffnung begründet - keine Insolvenzforderung darstellt (§ 38 InsO). Dass der Insolvenzschuldner keinen wirksamen Anspruch gegenüber der Insolvenzmasse begründen kann, ist nicht anders als im Falle eines mangels Eigentümerstellung nichtberechtigten Veräußerers, der den wahren Eigentümer ebenfalls nicht verpflichten kann, und zwar weder hinsichtlich eines Erfüllungs- noch eines Schadenersatzanspruchs.

2. Weiter trifft die Auffassung des Landgerichts zu, wonach - wie regelmäßig - auch im vorliegenden Fall das Verpflichtungsgeschäft (der Kaufvertrag) und das beabsichtigte Verfügungsgeschäft (die Anteilsübertragung) nicht im Sinne des § 139 BGB als einheitliches Rechtsgeschäft miteinander verknüpft und deshalb beide nach § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO unwirksam sind. Auf die eingehenden Ausführungen unter Nr. 4 b (1) der angefochtenen Entscheidung wird verwiesen. Insbesondere führt der Umstand, dass (wie bei gesellschaftlichen Anteilsübertragungen üblich) Kaufvertrag und Anteilsübertragung in einer gemeinsamen Urkunde geregelt worden sind, nicht zu einer dem Abstraktionsgrundsatz zuwiderlaufenden Verbindung beider Geschäfte zu einem einheitlichen Vertrag im Sinne des § 139 BGB. Für eine derartige nur ganz ausnahmsweise anzunehmende Verknüpfung fehlt es an konkreten Anhaltspunkten; die Fixierung in einer einheitlichen Urkunde dient regelmäßig vielmehr der Minimierung von Vertragskosten.

3. Ebenso wenig steht die Regelung des § 91 InsO einer Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts entgegen, denn auch diese soll lediglich die Begründung von Rechten an den "Gegenständen der Insolvenzmasse" verhindern. Durch das Verpflichtungsgeschäft werden aber weder dingliche Rechte berührt noch die der Disposition des Insolvenzschuldners entzogene Masse belastet.

4. Der am 11. Juni 2009 geschlossene Aufhebungsvertrag ist dagegen nach § 81 InsO unwirksam, denn damit sollte auch über den seitens des Beklagten für die Geschäftsanteile geschuldeten Kaufpreisanspruch verfügt werden. Dieser Anspruch war aber sogleich mit seiner Begründung in die Masse gefallen (§ 35 InsO, sog. "Neuerwerb").

5. Es sind, wie in der mündlichen Verhandlung weiter erörtert worden ist, auch keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass das Vorgehen des Klägers (Geltendmachung des Kaufpreisanspruches und Genehmigung der Übertragung der Geschäftsanteile, um den Kaufvertrag seinerseits erfüllen zu können) treuwidrig, weil rechtsmissbräuchlich sein könnte. Der Umstand, dass der Kläger bereits seit dem Jahre 2011 von dem Kauf- und Übertragungsvertrag gewusst haben soll, bevor er ihn im August 2012 genehmigt habe, oder die zwischenzeitliche Stellung eines Insolvenzantrags über das Vermögen der Gesellschaft, deren Anteile veräußert werden sollten (vgl. Schriftsatz des Beklagten vom 21. Januar 2013, dort S. 3 f., Bl. 32 f. d. A.), sind nicht geeignet, einen Treuwidrigkeitsvorwurf gegen den Kläger zu begründen.

Ein Zeitablauf von (nur) 1 1/2 Jahren legt entgegen der Auffassung des Beklagten eine (weit vor Verjährung etwaiger Ansprüche liegende) Verwirkung nicht nahe. Im Übrigen hat der Beklagte zu dem für die Annahme einer Verwirkung erforderlichen Umstandsmoment (Dispositionen im Vertrauen darauf, der Kläger werde Ansprüche nicht mehr geltend machen) nichts vorgetragen.

Dass die Gesellschaft und die Anteile an ihr infolge Stellung eines Insolvenzantrags mittlerweile nahezu wertlos sein könnten, ist ersichtlich nicht dem Kläger vorzuwerfen. Dass und warum dieser hierfür verantwortlich sein soll, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Im Gegenteil war der Beklagte selbst Geschäftsführer dieser - dem Kläger zudem offenbar lange verschwiegenen - Gesellschaft und hatte damit deren wirtschaftliche Geschicke in der Hand.

Im Übrigen sind es gerade die Insolvenzschuldnerin und der Beklagte als ihr Ehemann gewesen, die ihrerseits unter Umgehung des Klägers als Treuhänder im Insolvenzverfahren versucht hatten, Vermögenswerte der Insolvenzmasse, nämlich die Geschäftsanteile, deren Existenz die Schuldnerin dem Kläger verschwiegen hatte, beiseite zu schaffen, auch wenn von diesem Versuch sodann - aus nicht mitgeteilten Gründen - wieder Abstand genommen werden sollte. Dass der Kläger den Beklagten an dessen eigenem ursprünglichem Vorhaben festhalten will, ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden. Vorwürfe treffen im Hinblick auf das zugrunde liegende Geschehen allenfalls den Beklagten und die mit ihm zusammenwirkende Insolvenzschuldnerin.

Im Übrigen stand der Beklagte nicht schutzlos da und hätte (trotz seines kollusiven Verhaltens, wegen dessen ihm ein Recht zum Widerruf des Kaufvertrags nach § 178 BGB nicht zustand) von der Möglichkeit des § 177 Abs. 2 BGB Gebrauch machen und den Kläger zur Erklärung über die Genehmigung des Anteilsübertragungsvertrags auffordern können.

6. Die Kostenentscheidung folgt § 97 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 ZPO) liegen nicht vor.