Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.01.1998, Az.: VIII (V) 500/96
Unterhaltsaufwendungen an Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft als außergewöhnliche Belastung; Anforderungen an die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 13.01.1998
- Aktenzeichen
- VIII (V) 500/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 18605
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1998:0113.VIII.V500.96.0A
Rechtsgrundlage
- § 33 Abs. 2 EStG
Fundstelle
- IWB 1999, 565
Verfahrensgegenstand
Einkommensteuer 1994
Amtlicher Leitsatz
Unterhaltsaufwendungen an Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft als außergewöhnliche Belastung.
Der VIII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 13. Januar 1998,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter ... am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richterin am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ...
ehrenamtliche Richterin ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 6. Novem ber 1995 und des Einspruchsbescheides vom 4. September 1996 wird die Einkommensteuer auf 7.034,00 DM herabgesetzt.
Der Beklagte trägt die Kosten.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit leistet
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin Aufwendungen für den Unterhalt ihres Verlobten, mit dem sie zusammenlebte, als außergewöhnliche Belastung geltend machen kann.
Die Klägerin erzielte als Hebamme Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Seit 1992 war die Klägerin mit ..., ... den sie im Mai 1995 geheiratet hat, verlobt. Herr ... ist Äthiopier und studierte in der Bundesrepublik. Da er keine Berufschancen sah, entschloß er sich, an der Fachhochschule ... ein Zusatzstudium zum Wirtschaftsingenieur zu absolvieren. Die dazu erforderliche Aufenthaltsgenehmigung setzte voraus, daß sein Unterhalt durch Dritte sichergestellt war. Aus diesem Grunde verpflichtete sich die Klägerin mit notarieller Urkunde vom 14. März 1994 -UR-Nr.: ... des Notars ..., den Lebensunterhalt von Herrn sicherzustellen. Tatsächlich finanzierte die Klägerin den gesamten Lebensunterhalt von Herrn ... einschließlich ... der ... Fahrten ... zur Fachhochschule ... .
Mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte die Klägerin die Unterhaltsleistungen an Herrn ... als außergewöhnliche Belastung geltend. Mit Einkommensteuerbescheid vom 6. November 1995 berücksichtigte der Beklagte die Unterhaltsleistungen nicht, weil die Zahlungen bzw. die Bedürftigkeit der unterstützten Person nicht ausreichend nachgewiesen sei. Im Verlaufe des Einspruchsverfahrens wies die Klägerin die Fahrtkosten nach und trug vor, daß die Kosten für den Lebensunterhalt von Herrn ... pauschal berechnet werden müßten, da sie gemeinsamvon ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gelebt hätten. Mit Einspruchsbescheid vom 4. Dezember 1996 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück. Das Finanzamt legte im einzelnen dar, daß die Aufwendungen der Klägerin für Herrn ... nicht zwangsläufig enstanden seien. Für die Klägerin habe keine sittliche Verpflichtung zur Unterhaltsgewährung bestanden, da die Bedürftigkeit ihres Verlobten nichtgemeinschaftsbedingt gewesen sei und keine besonderen Umstände vorlägen, die die Unterhaltsgewährung bei Würdigung der gesamten Umstände als unausweislich erscheinen ließen.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Die Klägerin ist der Auffassung, daß sie aus tatsächlichen und sittlichen Gründen zwangsläufig für den Unterhalt ihres Verlobten habe aufkommen müssen. Sie habe nur die Wahl gehabt, entweder den Lebensunterhalt ihres Verlobten zu bestreiten oder aber auf die Lebensgemeinschaft mit Herrn ... zu verzichten. Bei dieser Sachlage müßten aber die Unterhaltsaufwendungen gemäß § 33 Abs. 2 EStG als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.
Die Klägerin beantragt,
die Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastung in Höhe von 7.200,00 DM zu berücksichtigen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Finanzamt hält im wesentlichen an seiner Rechtsauffassung fest.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichts- und Steuerakten (Steuernummer: ...).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Nach § 33 a Abs. 1 EStG setzt der Abzug von Aufwendungen für den Unterhalt und eine etwaige Berufsausbildung voraus, daß die Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig im Sinne von § 33 Abs. 2 EStG enstanden sind. Nach § 33 Abs. 2 EStG sind Aufwendungen dann zwangsläufig, wenn sich der Steuerpflichtige ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründennicht entziehen kann. Unterhaltsleistungen an den Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft sind als außergewöhnliche Belastung dann aufgrund einer sittlichen Verpflichtung zu berücksichtigen, wenn die Bedürftigkeit des Partners gemeinschaftsbedingt ist und besondere Umstände vorliegen, die die Unterhaltsgewährung bei Würdigung der gesamten Umstände als unausweislich erscheinen lassen (Urteil des BFH vom 21. September 1993, III R 15/93, BStBl II 1994, 236 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung des Senats vorliegend erfüllt, denn wegen der beabsichtigten Lebensgemeinschaft war es dem Lebenspartner der Klägerin nicht möglich, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. Der Senat geht davon aus, daß Herr zwar in seiner Heimat in Äthiopien seinen Lebensunterhalt selbst hätte sicherstellen können. Dies hätte aber schon wegen der räumlichen Entfernung das Ende der Lebensgemeinschaft mit der Klägerin bedeutet. Die Klägerin kann nicht, wie vom Finanzamt in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden ist, darauf verwiesen werden, daß sie ebenfalls nach Äthiopien hätte gehen und dort mit ihrem jetzigen Ehemann zusammenleben können. Es macht nach Auffassung des Senats auch keinen Unterschied, ob der Lebenspartner, dessen Lebensunterhalt im Ausland sichergestellt werden kann, aus Gründen des Zusammenlebens in die Bundesrepublik einreist (vgl. Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 17. Oktober 1996, II 17/94, EFG 1997, 233) oder die Bundesrepublik nicht verläßt. Hätte es sich bei dem Lebenspartner der Klägerin um einen Deutschen gehandelt, so wären die Unterstützungsleistungen, wie auch das Finanzamt einräumt, als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen gewesen, denn in diesem Fall wären etwa bestehende Ansprüche auf Arbeitslosenhilfe oder Sozialhilfe entfallen, weil die Einkommensverhältnisse der Lebenspartnerin berücksichtigt worden wären. Danach waren die Unterhaltsleistungen der Klägerin an ihren Lebenspartner, die im Streitjahr zur Überzeugung des Senats mindestens 7.200,00 DM betragen haben, als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 a Abs. 1 EStG zu berücksichtigen. Die Einkommensteuer war wie folgt zu berechnen:
zu versteuerndes Einkommen lt. Einkommensteuerbescheid | 43.541,00 DM |
---|---|
./. außergewöhnliche Belastung | 7.200,00 DM |
zu versteuerndes Einkommen lt. Urteil | 36.341,00 DM |
Steuer lt. Grundtabelle | 7.034,00 DM |
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 152 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zugelassen worden.