Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.01.1998, Az.: VIII 52/97

Sonderabschreibungen für die Anschaffungskosten oder Herstellungskosten von Handelsschiffen; Sonderabschreibungen für Anzahlungen auf Anschaffungskosten und für Teilherstellungskosten von Handelsschiffen; Eintragung des Schiffes in einem inländischen Seeschiffsregister als Voraussetzung der Sonderabschreibungen für Anzahlungen auf Anschaffungskosten und für Teilherstellungskosten von Handelsschiffen; Internationaler Wettbewerb in der Seeschiffahrt

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
13.01.1998
Aktenzeichen
VIII 52/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 20189
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1998:0113.VIII52.97.0A

Verfahrensgegenstand

Gewinnfeststellung 1994

Der VIII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 13. Januar 1998,
an der mitgewirkt haben:
1. Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
2. Richter am Finanzgericht ...
3. Richterin am Finanzgericht ...
4. ehrenamtlicher Richter ... Geschäftsführer
5. ehrenamtliche Richterin ... Sparkassenangestellte
fürRecht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Gewährung von Sonderabschreibungen für Anzahlungen auf Anschaffungskosten für ein Schiff gemäß § 82 f EStDV.

2

Die Klägerin, die Partenreederei MS "D.", wurde mit Reedereivertrag vom 26. Januar 1993 von dem Kapitän ... G. und der T. Steuerberatungsgesellschaft mbH gegründet. Gegenstand der Partenreederei war der Erwerb und Betrieb der MS "D.". In den Jahren 1994 und 1995 trat der Gesellschaft eine Vielzahl weiterer Mitreeder bei. Zum Korrespondentreeder wurde mit Vertrag vom 26.01.1993 der Kapitän ... J. bestellt. Dieser schloß mit Zustimmung der T. Steuerberatungsgesellschaft mbH im Mai 1994 für die Klägerin mit einer chinesischen Firma einen Vertrag über den Bau eines Containerschiffes ab. Der Kaufpreis von 14.270.000 US $ war vereinbarungsgemäß in mehreren Teilbeträgen zu entrichten. Das Schiff wurde auf der M.-Werft in F./China gebaut und am 29. September 1995 an die Klägerin ausgeliefert.

3

Am Tage der Übergabe (Freitag, den 29.09.1995) wurde das Schiff zunächst im Seeschiffsregister des Amtsgerichts H. eingetragen. Noch am selben Tage übertrug die Klägerin das Eigentum an dem Schiff auf die T. M. Co. LtD. in N./Zypern. Die Übertragung des Eigentums erfolgte durch eine sog. Bill of Sale mit einem Kaufpreis von 1 US $. Gleichzeitig wurde ein Treuhandvertrag zwischen der T. M. Co. LtD. und der Klägerin des Inhalts geschlossen, daß die entsprechenden Shares an dieser Limited der Klägerin zustehen. Wegen des Verkaufs in das Ausland wurde die Eintragung im Seeschiffsregister am 02.10.1995 (Montag) vom Amtsgericht H. wieder gelöscht.

4

In der im Dezember 1995 eingereichten Erklärung zur Feststellung der Einkünfte für 1994 machte die Klägerin u.a. Sonderabschreibungen gemäß § 82 f EStDV in Höhe von 1.958.400 DM für die in 1994 geleisteten Anzahlungen in Höhe von 4.896.000 DM auf die Anschaffungskosten des Schiffes geltend.

5

Das beklagte Finanzamt - FA - versagte die beantragten Sonderabschreibungen.

6

Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruch die vorliegende Klage. Die Klägerin trägt vor, daß das Schiff den Namen "D." trage und dieser Name sich auch seit der Indienststellung des Schiffes nicht geändert habe. Da sie unstreitig einen Handelsschiffneubau in ungebrauchtem Zustand vom Hersteller erworben habe und dieses Schiff in das inländische Seeschiffsregister beim zuständigen Amtsgericht eingetragen worden sei, seien sämtliche Tatbestandsmerkmale erfüllt, die § 82 f EStDV an eine Gewährung von Sonderabschreibungen stelle.

7

Die achtjährige Behaltefrist sei ebenfalls erfüllt. Es spiele keine Rolle, daß formelle Eigentümerin die Firma T. M. Co. LtD. in N./Zypern sei, weil diese Gesellschaft keinen eigenen Willen entwickeln könne. Die tatsächliche Geschäftsleitung erfolge durch den Korrenspondentreeder, den Kapitän ... J.. Die formelle Eigentümerin sei Kraft Treuhandvertrages von der Herrschaft über das Treugut ausgeschlossen und jederzeit zur Herausgabe des Treuguts verpflichtet. Es sei im übrigen bei der durchgeführten Ausflaggung des Schiffes durch Verbringung unter eine fremde Flagge branchenüblich, vor Ort eine Limited zwischenzuschalten.

8

Das FA mache es sich zu einfach, wenn es meine, daß ein Verkauf im schuldrechtlichen Sinne stattgefunden habe. Dies sei bei einem symbolischen Preis von 1 US $ nicht nachzuvollziehen. Das FA habe weiterübersehen, daß zur Eigentumsübertragung mit Rufgabe des Volleigentums ein Memorandum of Agreement (Kaufvertrag) erforderlich sei. Ein Kaufvertrag sei jedoch nicht geschlossen worden. Bei einer Bill of Sale handele es sich lediglich um die reine Besitzurkunde, die ausschließlich dem Zweck diene, der vor Ort ansässigen Limited das formale Eigentum zuübertragen, während das wirtschaftliche Eigentum gemäß § 39 AO bei der inländischen Reederei verbleibe.

9

Wenn das FA im Einspruchsbescheid ausführe, daß die vorgenommene Auslegung des Gesetzes sachgerecht sei, weil die Steuervergünstigung u.a. dazu dienen solle, deutschen Seeleuten die Arbeitsplätze zu erhalten, so sei diese Auffassung im Gesetz nicht verankert und finde dort auch nicht ansatzweise eine Stütze. Dieser Rechtsgedanke gelte vielmehr erst ab dem 01.01.1996 infolge der Änderung des Gesetzes mit einem zwingenden Betrieb unter deutscher Flagge für die Dauer von mindestens 4 Jahren.

10

Die Klägerin beantragt,

die Sonderabschreibungen gemäß § 82 f EStDV in Höhe von 1.958.400 DM auf die in 1994 geleisteten Anzahlungen zu gewähren.

11

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

12

Es verweist auf seinen Einspruchsbescheid. Zu dem Hinweis der Klägerin auf eine erst ab dem 01.01.1996 geltende Gesetzesänderung, die einen Betrieb des Schiffes unter deutscher Flagge für die Dauer von mindestens 4 Jahren vorsehe, führt es ergänzend aus, daß der für die Gewährung der Sonderabschreibungen einschlägige § 82 f Abs. 1 EStDV in seinem Wortlaut seit Jahren unverändert sei.

13

Das FA hat den angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid nach Klageerhebung geändert. Die Klägerin hat den geänderten Bescheid gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens erklärt.

14

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird ergänzend auf die im Einspruchs- und Klageverfahren gewechselten Schriftsätze sowie die Steuerakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

15

Die Klage ist unbegründet.

16

Nach § 82 f Abs. 1 Satz 1 EStDV können Steuerpflichtige, die den Gewinn nach § 5 des Gesetzes ermitteln, bei Handelsschiffen, die in einem inländischen Seeschiffsregister eingetragen sind, im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung und in den vier folgenden Wirtschaftsjahren Sonderabschreibungen bis zu insgesamt 40 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten vornehmen. Nach § 82 f Abs. 3 Satz 1 EStDV ist die Inanspruchnahme der Sonderabschreibungen nur unter der Bedingung zulässig, daß die Handelsschiffe innerhalb eines Zeitraums von acht Jahren nach ihrer Anschaffung oder Herstellung nicht veräußert werden. Gemäß § 82 f Abs. 4 EStDV können die Abschreibungen nach Abs. 1 bereits für Anzahlungen auf Anschaffungskosten und für Teilherstellungskosten in Anspruch genommen werden.

17

Schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen ergibt sich, daß die Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen nach § 82 f EStDV auch für Anzahlungen auf Anschaffungs- und Teilherstellungskosten die Eintragung des Schiffes in einem inländischen Seeschiffsregister voraussetzt. Denn § 82 f Abs. 4 EStDV gilt "für Abschreibungen nach Abs. 1".

18

Voraussetzung für die Inanspruchnahme für Sonderabschreibungen für Anzahlungen ist daher nach § 82 f Abs. 1 EStDV, daß das Schiff in einem inländischen Seeschiffsregister eingetragen ist und nicht - wie im Streitfall von Freitag, den 29. September bis Montag den 2. Oktober 1995 für vier Tage - eingetragen gewesen ist.

19

Diese Auffassung entspricht schließlich auch dem Sinn und Zweck des § 82 f EStDV, § 82 f EStDV beruht auf der Ermächtigungsnorm des § 51 Abs. 1 Nr. 2 w EStG, die durch Gesetz vom 16.11.1964 (BGBl I 64, 885) in das EStG eingefügt wurde. Die durch § 82 f EStDV gewährte Vergünstigung, die sich nach Auffassung der Bundesregierung seit ihrer Einführung als wichtige Finanzierungshilfe bewährt haben soll, soll den besonderen Belangen, der dem internationalen Wettbewerb besonders ausgesetzten Seeschiffahrt Rechnung tragen (Bundestags-Drucksache 10/336, 27).

20

Will § 82 f EStDV aber den besonderen Belangen der dem internationalen Wettbewerb ausgesetzten Seeschiffahrt Rechnung tragen, dann kann davon bei einer Eintragung eines Schiffes in einem inländischen Seeschiffsregister für vier Tage keine Rede sein. Ein Schiff, das - wie im Streitfall - in China gebaut wird, noch am Tage der Auslieferung und Eintragung in einem inländischen Seeschiffsregister einer ausländischen Gesellschaft - hier der T. M. Ltd. in N./Zypern - übertragen wird, um das Schiff im ausländischen Register zu registrieren (vgl. Bl. 2 der Steuerakten) und deshalb wieder im inländischen Seeschiffsregister gelöscht wird, kann den besonderen Belangen der dem internationalen Wettbewerb ausgesetzten (deutschen) Seeschiffahrt nicht Rechnung tragen.

21

Wenn § 82 f Abs. 3 EStDV das Eigentum an dem steuerbegünstigt angeschafften oder hergestellten Schiff längerfristig - 8 Jahre - an den Steuerpflichtigen binden will, der die Steuervergünstigung in Anspruch genommen hat, um auf diese Weise zu verhindern, daß schiffahrtsfremde Personen die Vergünstigung in Anspruch nehmen, nur um ihre Steuerlast zu mindern (vgl. BFH-Urteil vom 19. Januar 1977 I R 89/74, BStBl II 1977, 517 unter Hinweis auf Killius in Rädler-Raupach, Handbuch der steuerbegünstigten Kapitalanlagen, 248; Bundestags-Drucksache IV 2.400 vom 19. Juni 1964 Seite 74 und Bundesrats-Drucksache 4/70 vom 17. Dezember 1969 Seite 7), dann kann auch eine derart kurzfristige Eintragung in einem inländischen Seeschiffsregister nicht ausreichen.

22

Nach Wortlaut, Sinn und Zweck des § 82 f EStDV waren daher die Sonderabschreibungen für die Anzahlungen zu versagen.

23

Es kann danach dahin gestellt bleiben, ob in der Eintragung des Schiffes in einem inländischen Seeschiffsregister für vier Tage ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 AO) vorliegt.

24

Dahingestellt bleiben kann danach auch, ob die Klägerin das Schiff innerhalb eines Zeitraums von acht Jahren nach seiner Anschaffung oder Herstellung veräußert hat und damit die Sonderabschreibungen auch deshalb zu versagen sind, weil das Veräußerungsverbot des § 82 f Abs. 3 EStDV nicht eingehalten wurde.

25

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

26

Eine Zulassung der Revision kam nicht in Betracht, da die Rechtssache nach Auffassung des Senats keine grundsätzliche Bedeutung hat.