Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.01.1998, Az.: VI 381/97 V
Entstehung der KapESt bei Dividenden im Rahmen einer Betriebsaufspaltung; Antrag auf Aussetzung der Vollziehung eines Verspätungszuschlags; Voraussetzungen der Festsetzung eines Verspätungszuschlags; Fiktion des Zuflußzeitpunktes bei fehlender Festlegung des Auszahlungstages
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 26.01.1998
- Aktenzeichen
- VI 381/97 V
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 18609
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1998:0126.VI381.97V.0A
Rechtsgrundlagen
- § 69 Abs. 3 S. 1 FGO
- § 152 Abs. 1 S. 1 FGO
- § 44 Abs. 2 S. 2 EStG
Verfahrensgegenstand
Zur Entstehung der KapESt bei Dividenden im Rahmen einer Betriebsaufspaltung
Antrag auf Aussetzung der Vollziehung Verspätungszuschlag
In dem Rechtsstreit
hat der VI. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
durch
den Richter am Finanzgericht ... als Berichterstatter
am 26. Januar 1998beschlossen:
Tenor:
Der Bescheid über die Festsetzung des Verspätungszuschlages vom 29. Februar 1996 wird in Höhe von 5.000 DM ab dem 28. April 1997 bis zum rechtskräftigen Abschluß des Hauptsacheverfahrens von der Vollziehung ausgesetzt.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Verspätungszuschlages.
Die Antragstellerin (Ast.) ist eine in der Rechtsform einer GmbH gegründet Kapitalgesellschaft, die ihr Unternehmen als Betriebsgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung führt.
Am 19. Februar 1996 stellte die Gesellschafterversammlung den Jahresabschluß fest. Zugleich beschlossen sie eine "Vorabausschüttung" in Höhe von 560.000 DM. Eine dementsprechende Kapitalertragsteueranmeldung reichte die Ast. mit der Körperschaftsteuererklärung 1994 am 23. Februar 1996 beim Antragsgegner (Ag.) ein. Als Anmeldezeitraum bezeichnete die Ast. den Dezember 1994.
Mit Bescheid vom 29. Februar 1996 setzte der Ag. wegen nicht fristgerechter Abgabe der Kapitalertragsteueranmeldung einen Verspätungszuschlag von 5.000 DM fest. Den hiergegen erhobenen Einspruch, der mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung verbunden war, wies der Ag. durch Bescheid vom 24. Februar 1997 zurück, gegen den die Ast. Klage (Az.: VI 171/97) erhob. Zudem lehnte der Ag. eine Aussetzung des angefochtenen Bescheides ab.
Mit ihrem bei Gericht gestellten Antrag begehrt die Ast. die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheides über die Festsetzung eines Verspätungszuschlages.
Zur Begründung trägt sie vor, die Ast. sei tatsächlich nicht in der Lage gewesen, die Kapitalertragsteueranmeldung im Januar 1995 abzugeben. Die Anmeldung beruhe auf dem Ausschüttungsbeschluß vom Februar 1996. Als Anmeldezeitraum sei der Dezember 1994 nur deshalb angegeben worden, da die ausgeschütteten Kapitalerträge bereits im Jahresabschluß des Besitzunternehmens für 1994 zu erfassen gewesen seien. Eine Ausschüttung sei trotz der buchmäßigen Erfassung erst nach der Beschlußfassung erfolgt.
Die Ast. beantragt,
den Bescheid über die Festsetzung des Verspätungszuschlages vom 29. Februar 1996 in Höhe von 5.000 DM von der Vollziehung auszusetzen.
Der Ag. beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Ag. ist der Auffassung, ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestünden nicht. Gemäß § 44 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) flössen Gewinnanteile, deren Ausschüttung von einer Körperschaft beschlossen werde, den Gläubiger der Kapitalerträge an dem Tag zu, der im Beschluß als Tag der Auszahlung bestimmt werde. Dies gelte auch für eine Vorabausschüttung.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 2 EStG entstehe die Kapitalertragsteuer in dem Zeitpunkt, in dem die Kapitalerträge dem Gläubiger zuflössen. Die Steuer sei bis zum 10. des folgenden Monats abzuführen.
Entgegen des Vortrages der Ast. habe sie die Ausschüttung bereits vor dem 31. Dezember 1994 ausgezahlt. Dies ergebe sich aus folgendem:
a) Summe der Teilbeträge des vEK per 31.12.1994 ./. Vorausschüttung für 1994 | 496.134 DM |
---|---|
+ Minderung der Körperschaftsteuer (aufgrund der Ausschüttung 1994) | 151.217 DM |
= verfügbares Kapital per 31.12.1994: | 647.351 DM |
./. Kapital lt. HB per 31.12.1994 - aufgerundet auf volle DM | 87.351 DM |
Differenz = ausgeschütteter Betrag | 560.000 DM. |
Zum ausgewiesenen Handelsbilanzkapital in Höhe von 87.351 DM sei anzumerken, daß aus diesem Betrag eine Ausschüttung von 420.000 DM an die Gesellschafter (560.000 DM ./. 140.000 DM Kapitalertragsteuer) nicht möglich sei.
b) Gewinnvortrag per 31.12.1993 lt. Handelsbilanz | 346.091,42 DM | |
---|---|---|
./. Ausschüttung für 1994 | ./. | 560.000,- DM |
= "Gewinnvortrag" per 31.12.1994 lt. HB | ./. | 231.908,58 DM. |
Die Möglichkeit einer rein buchmäßigen Gutschrift zugunsten der Gesellschafterkonten mit später erfolgter Auszahlung im Jahre 1996 scheide im Streitfall aus.
Nach alledem sei die Ausschüttung vor dem 31. Dezember 1994 erfolgt, so daß der Verspätungszuschlag zu Recht festgesetzt worden sei.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter erklärt.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag ist begründet.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sind zu bejahen, wenn bei der summarischen Prüfung dieses Bescheides anhand des aktenkundigen Sachverhaltes neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. November 1992 IX B 69/92, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1993, 263).
Derartige Zweifel liegen im Streitfall vor.
Gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgemäß nachkommt, kann gemäß § 152 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen vor, hat die Behörde ein Ermessen, ob und in welcher Höhe sie den Zuschlag festsetzen will.
Es bestehen jedoch bereits ernstliche Zweifel an der verspäteten Abgabe einer Steuererklärung. Die Anmeldung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer ist jeweils bis zum 10. des folgenden Monats nach Entstehung der Kapitalertragsteuer dem Finanzamt nach amtlich vorgeschrieben Vordruck einzureichen, §§ 45 Abs. 1 Satz 1, 44 Abs. 1 Satz 1, 2, 5 EStG. Die Anmeldung ist eine Steuerklärung und steht einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich.
Entgegen der Ansicht des Ag. ist die Kapitalertragsteuer nicht bereits im Januar 1995 entstanden, sondern erst nach der Beschlußfassungüber die Gewinnausschüttung am 19. Februar 1996. Ansprüche auf Gewinne aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften sind im allgemeinen erst dann zu aktivieren, wenn ein Gewinnverwendungsbeschluß der Kapitalgesellschaft vorliegt und hierdurch ein verfügbarer Rechtsanspruch auf einen Gewinnanteil in bestimmter Höhe entstanden ist (BFH-Urteil vom 8. März 1989 X R 9/86, BStBl II 1989, 714). Abweichend hiervon ist ein Dividendenanspruch bereits vor seiner rechtlichen Entstehung zu aktivieren, wenn er wirtschaftlich hinreichend konkretisiert, also wirtschaftlich entstanden ist. Ein derartiger Anspruch ist im allgemeinen bereits zum Schluß des Wirtschaftsjahres zu berücksichtigen, auf das sich die Gewinnausschüttung bezieht. Hieraus resultiert die in der Bilanz der Ast. berücksichtigte Dividendenausschüttung.
Der Senat braucht hierbei die Frage, ob die Gewinnausschüttung aufgrund eines Vorabausschüttungsbeschlusses oder eines Gewinnverwendungsbeschlusses erfolgt ist, nicht zu entscheiden, da die rechtliche Einordnung keine Auswirkung auf die Entstehung des Dividendenanspruches hat. Ebensowenig bedarf es der Entscheidung darüber, ob eine Ausschüttung in Höhe von 560.000 DM beschlossen werden konnte, obwohl das Jahresergebnis lediglich etwa 301.000 DM betragen hat. Schließlich kann es für den Streitfall auch dahingestellt bleiben, ob die unmittelbare Verrechnung der Dividendenverbindlichkeit mit dem Gewinnvortrag erfolgten durfte oder lediglich als Verbindlichkeit in der Bilanz auf den 31. Dezember 1994 zu passivieren war, da aus einer fehlerhaften bilanziellen Behandlung nicht auf einen tatsächlichen Abfluß im Sinne des § 44 Abs. 1 EStG geschlossen werden kann.
Der Abfluß und damit der Zufluß der Kapitalerträge beim Gläubiger kann - unabhängig von der bilanziellen Behandlung im Rahmen der Betriebsaufspaltung - regelmäßig erst im Zeitpunkt der rechtlichen Entstehung des Dividendenanspruchs, also mit Fassung des Beschlusses über die Gewinnverwendung erfolgen, da erst zu diesem Zeitpunkt die genaue Höhe des Anspruches feststeht. Dies wird letztlich auch durch die Fiktion des Zuflußzeitpunktes bei fehlender Festlegung des Auszahlungstages bestätigt, § 44 Abs. 2 Satz 2 EStG. Der Gesetzgeber geht für diesen Fall davon aus, daß die Kapitalerträge am Tag nach der Beschlußfassung zufließen.
Demzufolge fehlt es an einer verspäteten Abgabe der Steuererklärung, so daß die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Verspätungszuschlages nicht vorlagen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.