Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.01.1998, Az.: VII 633/96 Ki
Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, das das 16. Lebensjahr aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat, wenn das Kind für einen Beruf ausgebildet wird; Qualifizierung eines Auslandsaufenthaltes, der als Vorbereitung auf ein späteres Studium dient, als eigenständige Berufsausbildung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 13.01.1998
- Aktenzeichen
- VII 633/96 Ki
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 18606
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1998:0113.VII633.96KI.0A
Rechtsgrundlagen
- § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG
- § 63 Abs. 1 S. 1 EStG
- § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 a EStG
- § 2 Abs. 2 Nr. 1 BKGG
Verfahrensgegenstand
Kindergeld
In dem Rechtsstreit
hat der VII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 13. Januar 1998,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richterin ...
ehrenamtlicher Richter ...
fürRecht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Februar bis 31. Juli 1996 Kindergeld für seine Tochter D. zusteht.
Die Tochter D. des Klägers ist am ... 1976 geboren und hat im Mai 1995 die Abiturprüfung bestanden. Sie hatte geplant, von August 1995 bis Ende Juli 1996 ein Freiwilliges Soziales Jahr ... zu absolvieren. Auf der Grundlage dieser Planung hat der Beklagte dem Kläger für seine Tochter Kindergeld bis einschließlich Juli 1996 bewilligt.
Im August 1995 hat D. das Soziale Jahr begonnen, jedoch nicht entsprechend ihrem Plan im Juli 1996, sondern bereits im Januar 1996 diese Zeit beendet. Von Februar bis Ende Juli 1996 hat sich D. als Au-pair-Mädchen in London aufgehalten. Während dieser Zeit in London hat D. Sprachunterricht genommen, und zwar sechs Stunden pro Woche.
Im Herbst 1996 hat die Tochter des Klägers das Studium der Humanbiologie aufgenommen.
Nachdem der Beklagte Kenntnis davon erhalten hat, daß D. das Freiwillige Soziale Jahr abgekürzt hat und als Au-pair-Mädchen in London beschäftigt war, hat er für die Zeit von Februar bis Juli 1996 die Kindergeldbewilligung aufgehoben und das gezahlte Kindergeld in Höhe von 2.100 DM (6 × 350 DM) zurückgefordert.
Hiergegen wendet sich der Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren.
Zur Begründung trägt er vor, die Au-pair-Zeit in England sei als Berufsausbildung anzuerkennen. Denn seine Tochter habe im Herbst 1996 das Studium der Humanbiologie aufgenommen. Humanbiologische Texte würden vorwiegend in Englisch veröffentlicht. Allein das Schulenglisch reiche nicht aus, um diese Texte in angemessener Zeit zu übersetzen. Vielmehr sei für das Studium der Humanbiologie und das Lesen der englischsprachigen Texte erforderlich, über das Schulenglisch hinaus, Sprachkenntnisse in Englisch zu besitzen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten ... in Gestalt der Einspruchsentscheidung ... aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte meint, eine Au-pair-Zeit sei keine Ausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG. Für das Studium der Humanbiologie seien im Ausland erworbene Sprachkenntnisse nicht erforderlich. Wegen des weitergehenden Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die beigezogene Kindergeldakte des Beklagten unter der ... Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Zu Recht hat das beklagte Arbeitsamt die Kindergeldbewilligung für die Monate Februar bis Juli 1996 aufgehoben und vom Kläger das gezahlte Kindergeld zurückgefordert. Dem Kläger steht für den Zeitraum von Februar bis Juli 1996 kein Kindergeld zu. Dies ergibt sich aus § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 EStG in Verbindung mit § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG.
Nach diesen Vorschriften besteht ein Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, das das 16. Lebensjahr aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat, wenn das Kind für einen Beruf ausgebildet wird.
Die Voraussetzungen dieser Vorschriften liegen nicht vor. Die Tochter D. würde während ihres Au-pair-Aufenthaltes in London nicht für einen Beruf ausgebildet.
Für das von der Tochter des Klägers aufgenommene Studium der Humanbiologie ist das Erlernen bzw. Vertiefen der englischen Sprache vor Ort in einer englischen Familie und in einer entsprechenden Schule eine sinnvolle Ergänzung bzw. Vorbereitung für das Studium der Humanbiologie. Doch allein dieser Zusammenhang zwischen Auslandsaufenthalt und späterer Berufsausbildung genügt nicht im Sinne der o.g. Vorschrift, um den Auslandsaufenthalt insgesamt als Berufsausbildung zu qualifizieren.
Zwar gehört grundsätzlich zur Berufsausbildung jede Maßnahme, die dazu dient, Fähigkeiten zu fördern und zu erlangen, die die Ausübung des zukünftigen Berufs ermöglichen bzw. erleichtern. Dieser allgemeine Grundsatz erfährt jedoch dann eine Ausnahme, wenn für die Ausbildung eine Ausbildungsordnung besteht. In diesem Fall gehören nur diejenigen Maßnahmen zur Ausbildung, die in der entsprechenden Ordnung zur Aufnahme der Berufsausbildung bzw. zur Abschlußqualifikation vorgesehen sind. Darüber hinaus besteht keine Möglichkeit, andere Betätigungen als Zeiten der Berufsausbildung anzuerkennen.
Diese Rechtsgrundsätze entsprechen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zu § 2 Abs. 2 Nr. 1 Bundeskindergeldgesetz und werden von der Literatur auch bei Auslegung des § 2 Abs. 2 Nr. 1 Bundeskindergeldgesetz akzeptiert (Schieckel-Brandmüller, Kommentar zum Bundeskindergeldgesetz,§ 2 Rdz. 12, S. 26/27 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts).
Der Senat schließt sich dieser Rechtsansicht auch für die Auslegung der inhaltsgleichen Vorschrift des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG an und sieht in dieser Differenzierung den geeigneten Weg einer Abgrenzung zwischen mit Kindergeld geförderter Ausbildung und einer nicht entsprechend geförderten Vertiefung von allgemeinem Wissen.
Da für die Aufnahme bzw. den Abschluß des Studiums der Humanbiologie ein Auslandsaufenthalt mit Sprachunterricht nicht erforderlich ist und auch spezielle Englischkenntnisse bzw. -befähigungen in der Ausbildungsordnung nicht verlangt werden, mußte bereits nach diesen Grundsätzen die Klage abgewiesen werden.
Der Senat mußte aus diesem Grunde nicht entscheiden, ob jede Regelung in einer Ausbildungsordnung steuerlich zu akzeptieren ist oder ob insoweit eine weitere Prüfungspflicht besteht.
Darüber hinaus hat der Senat erhebliche Bedenken, ob ein auf sechs Stunden pro Woche beschränkter Sprachunterricht genügt, um den gesamten Au-pair-Aufenthalt als Ausbildungszeit zu qualifizieren. Zu dieser Frage, insbesondere aber zu dem Problemkreis, in welchem Umfang Sprachunterricht besucht werden muß, um die gesamte Zeit des Auslandsaufenthaltes als Sprachunterrichtszeit anzuerkennen, mußte der Senat ... nicht Stellung nehmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.