Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.01.1998, Az.: III 120/92

Kapitalquotenverändernde Kapitalerhöhung bei einer GmbH zugunsten eines Angehörigen; Erstreben eigener geschäftlicher Vorteile durch den Schenkenden; Übernahme eines neu ausgegebenen GmbH-Anteils zum Nennwert ; Voraussetzungen für das Vorliegen einer objektiven Bereicherung; Entfallen des subjektiven Merkmals der Freigebigkeit trotz Vorliegens der Kenntnis des Zuwendenden

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
21.01.1998
Aktenzeichen
III 120/92
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 18607
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1998:0121.III120.92.0A

Fundstellen

  • GmbH-StB 1998, 186 (Volltext mit amtl. LS)
  • GmbHR 1998, 656-658 (Volltext mit amtl. LS)
  • NWB DokSt 1999, 987

Verfahrensgegenstand

Schenkungsteuer

Amtlicher Leitsatz

Eine kapitalquotenverändernde Kapitalerhöhung bei einer GmbH zugunsten eines Angehörigen gegen ein zu geringes Aufgeld unterliegt der Schenkungsteuer auch dann, wenn der Zuwendende mit der Zuwendung eigene geschäftliche Vorteile anstrebt (Abgrenzung zu BFH-Urteil vom 29. Oktober 1997 II R 60/94 DStR 1197 S. 2018).

Der III. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
ohne mündliche Verhandlung
in der Sitzung vom 21. Januar 1998
fürRecht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Übernahme eines neu ausgegebenen GmbH-Anteils zum Nennwert schenkungsteuerpflichtig ist.

2

Der Kl. war zusammen mit seinem Vater J.S. Gesellschafter der ... GmbH - im folgenden: GmbH -. Er war in der GmbH vom 1. Februar 1985 bis 31. Januar 1987 als leitender Angestellter und seit dem 1. Februar 1987 als Prokurist tätig; ab 2. Juli 1987 war der Kl. neben seinem Vater zum weiteren Geschäftsführer der GmbH bestellt. Bis zum 1. Juli 1987 waren am Stammkapital der GmbH von 100.000 DM der Kl. zu 10 v.H. und J. S. zu 90 v.H. beteiligt. Der gemeine wert der Anteile war zum 31. Dezember 1986 mit 1.081 DM je 100 DM Stammkapital ermittelt worden. Durch Vertrag vom 2. Juli 1987 wurde das Stammkapital der GmbH um 60.000 DM auf 160.000 DM erhöht, wobei der Kl. einen zusätzlichen Stammkapitalanteil von 79.000 DM und J.S. von zusätzlich 1.000 DM übernahm; diese Einlagen erfolgten in Höhe des Nennwerts durch Barzahlung. Danach waren der Kl. zu 49,44 v.H. und J.S. zu 50,56 v.H. an der GmbH beteiligt.

3

Das beklagte Finanzamt - FA - beurteilte die Kapitalerhöhung wegen der vom Kl. lediglich in Höhe des Nennwerts zu erbringenden Einlage als freigebige Zuwendung und setzte gegen den Kl. durch Bescheid vom 15. Oktober 1991 Schenkungsteuer von 22.246 DM fest. Es legte hierbei einen steuerpflichtigen Erwerb von 317.600 DM zugrunde. Das FA errechnete hierbei einen Wert der Schenkung von 366.645 DM und berücksichtigte ferner eine Vorschenkung von 21.000 DM. Der Bescheid erging hinsichtlich des zugrunde gelegten Werts der GmbH-Anteile zum Stichtag und der Höhe, des übertragenen Anteils gemäß § 165 Abgabenordnung - AO - vorläufig. Den gegen den Schenkungsteuerbescheid erhobenen Einspruch wies das FA durch Bescheid vom 25. Februar 1992 als unbegründet zurück; der Bescheid erging hinsichtlich des Werts der GmbH-Anteile und der Höhe des Anteils weiterhin gemäß § 165 Abgabenordnung - AO - vorläufig.

4

Mit der hiergegen erhobenen Klage macht der Kl. geltend:

5

Die fragliche Kapitalerhöhung sei nicht als freigebige Zuwendung zu beurteilen. Sein Vater habe nicht den Willen gehabt, ihn - den Kl. - zu bereichern. Für die Kapitalerhöhung seien ausschließlich wirtschaftliche und unternehmerische Gründe maßgebend gewesen. Für die Übernahme der Geschäftsführung durch ihn - den Kl. - sei es erforderlich gewesen, ihn im stärkeren Maße kapitalmäßig in das Unternehmen einzubinden. Die Notwendigkeit zur Kapitalerhöhung habe sich auch aufgrund der auf seinen Vorstellungen beruhenden Expansions- und Investitionsvorhaben ergeben und ferner einem Wunsch der Hausbanken entsprochen. Zwischen ihm und seinem Vater seien, nachdem es in früherer Zeit zu Querelen gekommen sei, keine persönlichen und familiären Bindungen mehr vorhanden.

6

Der Kl. beantragt,

den Schenkungsteuerbescheid vom 15. Oktober 1991 und den Einspruchsbescheid vom 25. Februar 1992 aufzuheben.

7

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Es tritt dem Klage vorbringen entgegen und erwidert: Die Kapitalerhöhung habe wegen des weit über dem Nennwert liegenden höheren gemeinen Werts der Stammkapitalanteile zu einer Bereicherung des Kl. auf Kosten seines Vaters geführt. Diese Bereicherung sei gewollt gewesen.

9

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze und die beim FA geführten Schenkungsteuervorgänge (Steuer-Nr. ...) Bezug genommen.

10

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung vor dem Senat verzichtet.

Entscheidungsgründe

11

Die Klage ist unbegründet. Das FA hat den Kl. hinsichtlich des von ihm zum Nennwert erworbenen GmbH-Anteils zu Recht zur Schenkungsteuer herangezogen.

12

1.

Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 Erbschaftsteuergesetz - ErbStG - gilt als Schenkung jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Der schenkungsteuerliche Begriff der freiwilligen Zuwendung geht über den der Schenkung i.S.d. bürgerlichen Rechts hinaus. Der objektive Tatbestand der freigebigen Zuwendung setzt voraus, daß die Leistung zu einer Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führt; sie muß (objektiv) unentgeltlich sein. Der subjektive Tatbestand des §7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG fordert, daß der Zuwendende in dem Bewußtsein handelt, die Zuwendung unentgeltlich oder teilunentgeltlich vorzunehmen. Zur Verwirklichung dieses subjektiven Tatbestands ist es erforderlich und ausreichend, wenn der Zuwendende etwas unentgeltlich zuwenden will. Ein auf die Bereicherung des Empfängers gerichteter Wille im Sinne einer Bereicherungsabsicht ist nicht erforderlich. Der "Wille zur Unentgeltlichkeit" ist dann gegeben, wenn der Zuwendende in dem Bewußtsein handelt, zu der Vermögenshingabe weder rechtlich verpflichtet zu sein, noch dafür eine mit seiner Leistung in einem synallagmatischen, konditionalen oder kausalen Zusammenhang stehende (gleichwertige) Gegenleistung zu erhalten. Für die zutreffende - ggf. irrtumsausschließende - Vorstellung des Zuwendenden von dem Begriff der (Un-)entgeltlichkeit genügt es, wenn er dessen rechtlichsozialen Bedeutungsgehalt "nach Laienart" zutreffend erfaßt; eine exakte juristische Subsumtion ist nicht erforderlich (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 29. Oktober 1997 II R 60/94, DStR 1997 S. 2018 m.w.N.).

13

Eine gemischte Schenkung liegt vor, wenn beim Erwerb unter Lebenden die Verkehrswerte von Leistung und Gegenleistung nicht deckungsgleich sind und auf seifen dessen, der den Mehrwert zuwendet, insoweit der Wille zur Unentgeltlichkeit besteht. Auf die Kenntnis des genauen Ausmaßes des Wertunterschieds kommt es hierbei nicht an. Vielmehr ist bei einem auffallend groben Mißverhältnis zwischen den bei verständiger und den Umständen nach vertretbarer Beurteilung zugrunde zu legenden werten von Leistung und Gegenleistung im Einklang mit der Lebenserfahrung zunächst davon auszugehen, daß die Vertragsparteien dieses Mißverhältnis erkannt haben. Die Kenntnis des Zuwendenden hinsichtlich der Umstände, aus denen sich die objektive Bereicherung des Zuwendungsempfängers ergibt, ist mithin regelmäßig prima facie zu unterstellen (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1997, a.a.O., m.w.N.).

14

In Anwendung der vorstehenden Rechtsgrundsätze liegt im Streitfall eine objektive Bereicherung des Kl. insoweit vor, als er im Rahmen der Kapitalerhöhung Stammkapitalanteile gegen eine Einlage lediglich in Hohe des Nennwerts erworben hat. Unter Zugrundelegung der für die Ermittlung eines Mißverhältnisses der einzelnen Leistungen maßgeblichen, nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen zu ermittelnden Wertverhältnisse (BFH-Urteil vom 25. September 1953 III 229/52 U, BStBl III 1953 S. 308) ist im Streitfall bezüglich der zum Nennwert erfolgten Einlage im Vergleich zu deren wert ein grobes Ungleichgewicht der beiderseitigen Leistungen festzustellen. Damit ist bei dem Kl. in Hohe der Wertdifferenz zwischen dem Nominalbetrag der Stammkapitalanteile und deren wirklichen wert ein teilentgeltlicher Vermögenszuwachs eingetreten (vgl. z.B. Troll/Gebel, Kommentar zum ErbStG,§ 7 Rz. 119, 464; Klein-Blenkers, DStR 1994 S. 347/350; Hübner, DStR 1997 S. 997 ff.). Anhaltspunkte für eine fehlende objektive Bereicherung hat der Kl. nicht dargetan; derartige Umstände sind auch nach Aktenlage nicht erkennbar.

15

Auch der subjektive Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist im Streitfall gegeben. Die Kenntnis des Vaters des Kl. hinsichtlich derjenigen Umstände, aus denen sich die objektive Bereicherung des Kl. ergibt, ist im Streitfall prima facie zu unterstellen. Es ist nichts dafür ersichtlich oder dargetan, daß der Vater des Kl. bezüglich der hier fraglichen Kapitalerhöhung in der Meinung gehandelt haben könnte, zu der fraglichen Zuwendung rechtlich verpflichtet gewesen zu sein oder für seine Zuwendung eine damit synallagmatisch, konditional oder kausal verknüpfte Gegenleistung zu erhalten. Der Hinweis des Kl. auf frühere Querelen mit seinem Vater und das Nichtvorhandensein persönlicher und familiärer Bindungen beseitigen nicht die Annahme, daß der Vater des Kl. im Bewußtsein des Mehrwerts seiner Leistung gehandelt hat.

16

Der Verwirklichung des subjektiven Tatbestands läßt sich im Streitfall nicht entgegenhalten, daß - wie mit der Klage geltend gemacht - dem Vater des Kl. ein Bereicherungswille fehlte. Denn nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 29. Oktober 1997, a.a.O.; vom 2. März 1994 II R 59/92, BStBl II 1994 S. 366; vom 1. Juli 1992 II R 70/88, BStBl II 1992 S. 921) erfordert der subjektive Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG neben dem erforderlichen - und hier, wie dargelegt, zu bejahenden - willen zur Unentgeltlichkeit nicht auch noch das zusätzliche subjektive Merkmal des willens zur schenkweisen Zuwendung. Dieser Rechtsprechung folgt der Senat.

17

2.

Der BFH hat allerdings mit Urteil vom 29. Oktober 1997 (a.a.O.) für den Bereich geschäftlicher Beziehungen entschieden, daß das subjektive Merkmal der Freigebigkeit trotz Vorliegens der Kenntnis des Zuwendenden hinsichtlich der Umstände, die seine Leistung zu einer objektiv (teil-)unentgeltlichen machen, entfallen kann, soweit der Steuerpflichtige in nachvollziehbarer weise darzutun vermag, daß die Bereicherung des Zuwendungsempfängers der Förderung des Geschäfts des Zuwendenden diente, d.h. objektiv und nahezu ausschließlich auf die Erzielung geschäftlicher Vorteile des Zuwendenden gerichtet war. Auch unter Berücksichtigung dieser neuen BFH-Rechtsprechung sieht der Senat den subjektiven Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als erfüllt an. Denn der Kl. hat nicht dargetan, daß sein Vater die hier fragliche Zuwendung objektiv und nahezu ausschließlich auf die Erzielung eigener geschäftlicher Vorteile ausgerichtet hatte. Vielmehr war die Kapitalerhöhung nach dem Vortrag des Kl. auf den wirtschaftlichen und unternehmerischen Erfolg des Geschäftsbetriebs der GmbH insgesamt - und nicht nur auf die Werterhöhung der bei dem Vater des Kl. verbliebenden Stammkapitalanteile - ausgerichtet. Der Senat ist im übrigen der Auffassung, daß die in dem vorgenannten BFH-Urteil dargelegten Entscheidungsgrundsätze ausschließlich "im Bereich geschäftlicher Beziehungen" und mithin nicht auf Zuwendungen im familiären Bereich - wie hier - angewendet werden können.

18

Selbst wenn jedoch das Vorbringen des Kl. dahingehend gedeutet würde, daß die hier fragliche Kapitalerhöhung objektiv und nahezu ausschließlich auf die Erzielung geschäftlicher Vorteile des Vaters des Kl. - etwa im Blick auf Vorteile für den Geschäftsbetrieb der GmbH und künftige Wertsteigerungen der bei dem Vater des Kl verbliebenen Stanimkapitalanteile - gerichtet sein sollte und persönliche und familiäre Motive aufgrund vorhandener Spannungen insoweit keine Rolle gespielt haben, wäre im Streitfall der subjektive Tatbestand des§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu bejahen. Denn der vom Zuwendenden zur Verfolgung seiner geschäftlichen Interessen erbrachte Aufwand - im Streitfall der Verzicht des Vaters des Kl. auf Übernahme der ausgegebenen zusätzlichen Stammkapitalanteile im ursprünglichen Beteiligungsverhältnis vor Durchführung der Kapitalerhöhung - läßt nach der Systematik des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG den subjektiven Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG grundsätzlich unberührt. Der Senat schließt sich insoweit den von Mößlang (UVR 1998 S. 13) geltend gemachten Einwendungen gegen das vorgenannte BFH-Urteil an. Die Ausrichtung des subjektiven Tatbestands auf das Motiv des Zuwendenden, mit der Zuwendung objektiv und nahezu ausschließlich eigene geschäftliche Vorteile zu erzielen, würde überdies einen bei dem Zuwendenden vorhandenen Bereicherungswillen zum Differenzierungsmerkmal des subjektiven Tatbestands des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erheben. Auf diesen Bereicherungswillen kommt es indes - wie ausgeführt - für den subjektiven Tatbestand dieser Vorschrift nicht an.

19

Anhaltspunkte dafür, daß der hier fraglichen Zuwendung in Geld zu veranschlagende Vorteile des Vaters des Kl. gegenüberstehen (§ 7 Abs. 3 ErbStG), sind weder ersichtlich noch dargetan. Rechtliche Bedenken gegen die Berechnung der im Streitfall festgesetzten Erbschaftsteuer bestehen im übrigen nicht.

20

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

21

Der Senat hat die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Die Rechtssache hat im Hinblick auf die aus dem BFH-Urteil vom 29. Oktober 1997 (a.a.O.) zu ziehenden Folgerungen für verdeckte Zuwendungen im familiären Bereich, die (auch) der Erzielung geschäftlicher Vorteile des Zuwendenden dienen, grundsätzliche Bedeutung.