Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 18.03.2014, Az.: L 9 AS 969/12

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
18.03.2014
Aktenzeichen
L 9 AS 969/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 17339
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2014:0318.L9AS969.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Braunschweig - 18.05.2012 - AZ: S 22 AS 4656/10

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 18. Mai 2012 und der Bescheid des Beklagten vom 9. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 2010 aufgehoben.

Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung gegen ein Urteil des Sozialgerichts (SG) C. vom 18. Mai 2012 (Bl. 61 d.A.). Das SG hat seine Klage gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der ARGE C. - das ist die Rechtsvorgängerin des Beklagten, einer gemeinsamen Einrichtung der Stadt C. und der Bundesagentur für Arbeit (BA) nach § 44b Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) - abgewiesen. Streitig sind in der Zeit von Januar bis September 2009 gewährte Leistungen in Höhe von 1.368,- Euro.

Der 1982 geborene Kläger beantragte am 27. November 2008 bei der ARGE J. (künftig auch insoweit: Beklagter) die Bewilligung laufender Leistungen nach dem SGB II. Die Miete für die von dem Kläger zu diesem Zeitpunkt bewohnte 2-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 46,36 qm betrug bis zum 31. Dezember 2008 monatlich 203,98 Euro, zzgl. 78,84 Euro Betriebskostenvorauszahlungen und 51,- Euro Vorauszahlungen für Heizung und Warmwasser (Mietvertrag vom 26. Februar 2007 = Bl. 13 der von dem Beklagten beigezogenen Leistungsakte (LA)). Zum 1. Januar 2009 stieg die Grundmiete auf 236,44 Euro (vgl. Schreiben der Vermieterin vom 16. Oktober 2008 = Bl. 10 d.A.). Die Frage nach dem Bezug von Wohngeld verneinte der Kläger (Bl. 20 LA). Der Kläger gab eine geringfügige Beschäftigung bei der K. GbR J. mit einem monatlichen Einkommen von 165,- Euro an (Arbeitsvertrag vom 15. November 2008 = Bl. 22 d.A.). Das Arbeitsverhältnis ist Seitens der K. GbR mit Schreiben vom 18. Dezember 2008 zum 31. Dezember 2008 gekündigt worden (Bl. 48 LA).

Am 10. Dezember 2008 beantragte der Kläger bei der Stadt C. Leistungen nach dem Wohngeldgesetz (WoGG). Die Stadt C. (Fachbereich Soziales und Gesundheit) bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 14. Januar 2009 Wohngeld iHv 33,- Euro für den Monat Dezember 2008 (Wohngeldbescheid Nr. 1 = Bl. 116 d.A.) und mit weiterem Bescheid vom 14. Januar 2009 Wohngeld iHv jeweils 152,- Euro für die Monate Januar bis Oktober 2009 (Wohngeldbescheid Nr. 2 = Bl. 120 d.A.). Mit dem Wohngeldbescheid Nr. 3 vom 23. April 2009 bewilligte die Stadt C. dem Kläger einmalig 100,- Euro (Bl. 124 d.A.).

Die BA bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 16. Dezember 2008 Arbeitslosengeld I (Alg) für die Zeit vom 16. November 2008 bis 15. November 2009 (Bl. 70 LA). Der tägliche Leistungsbetrag lag bei 18,22 Euro.

Mit Bescheid vom 12. Januar 2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 31. Mai 2009 (Bl. 59 LA = Bl. 298 LA). Im Dezember betrug die Höhe der Leistungen 79,59 Euro (Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU)). Dem lag ein Bedarf von 351, Euro für die Regelleistung und 327,19 Euro für KdU zugrunde. Davon abgesetzt wurden ein bereinigtes Erwerbseinkommen iHv 52,- Euro sowie Alg iHv 546,60 Euro. Für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis 31. Mai 2009 ergab sich ein Anspruch iHv 194,05 Euro monatlich. Bei dem Bedarf wurden hier die infolge der Mieterhöhung um 32,46 Euro gestiegenen KdU berücksichtigt; über Erwerbseinkommen verfügte der Kläger nach der Kündigung zum 31. Dezember 2008 nicht mehr, Alg wurde weiter iHv 546,60 Euro berücksichtigt und um 30,- Euro reduziert in Ansatz gebracht.

Am 17. April 2009 stellte der Kläger einen Antrag auf Weiterbewilligung von Leistungen (Bl. 66 LA). Den Bezug von Wohngeld verneinte er (Bl. 68 LA). Mit Bescheid vom 28. April 2009 bewilligte der Beklagte laufende Leistungen für die Zeit vom 1. Juni 2009 bis 31. Oktober 2009 iHv 194,05 Euro monatlich (Bl. 77 LA = Bl. 305 LA). Mit Änderungsbescheid vom 7. Juni 2009 wurden dem Kläger für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis 31. Oktober 2009 der Erhöhung des Regelsatzes wegen monatlich 202,05 Euro bewilligt (Bl. 310 LA). Die Anrechnung des Alg blieb unverändert; weiteres Einkommen hatte der Kläger auch in diesem Zeitraum nicht.

Mit E-Mail vom 1. September 2009 erkundigte sich die Stadt C. bei dem Beklagten nach einem Leistungsbezug des Klägers (Bl. 80 LA). In diesem Zusammenhang erhielt der Beklagte Kenntnis von dem Wohngeldbezug des Klägers seit 1. Dezember 2008.

Mit Schreiben vom 1. September 2009 informierte der Beklagte den Kläger, dass die Leistungen für die Zeit ab 1. Oktober 2009 vorläufig eingestellt werden (Bl. 86 LA). Die Stadt C. habe mitgeteilt, dass der Kläger zum 1. Oktober 2009 mit seiner Freundin in die Wohnung L. zusammenziehen wolle. Die Stadt J. zahlte für Oktober 2009 kein Wohngeld mehr aus (vgl. E-Mail an den Beklagten vom 21. Januar 2010 = Bl. 239 LA).

Mit Wohngeldbescheid Nr. 4 vom 21. Dezember 2009 forderte die Stadt J. von dem Kläger insgesamt 1.368,- Euro für die Zeit vom 1. Januar bis 30. September 2009 zurück (Bl. 246 LA = Bl. 287 LA = Bl. 129 d.A.). Dem Kläger sei für diese Zeit Wohngeld iHv monatlich 152,- Euro bewilligt worden. Dieser Bescheid sei ab dem 1. Januar 2009 unwirksam geworden, weil der Kläger ab dem 1. Dezember 2008 Leistungen nach dem SGB II erhalten habe, bei deren Berechnung auch Mietkosten berücksichtigt worden seien. Der Bewilligungsbescheid werde daher gemäß § 28 Abs. 3 WoGG unwirksam. Der überzahlte Betrag iHv 9 x 152,- Euro = 1.368,- Euro sei zu erstatten. Mit Wohngeldbescheid Nr. 5, ebenfalls vom 21. Dezember 2009, forderte die Stadt C. für den Monat Dezember 2008 bewilligtes Wohngeld iHv 33, Euro zurück (Bl. 240 LA = Bl. 126 d.A.). Schließlich nahm die Stadt C. mit einem dritten Bescheid vom 21. Dezember 2009 (Wohngeldbescheid Nr. 6 = Bl. 132 d.A.) den Wohngeldbescheid Nr. 3 vom 23. April 2009 (Bl. 124 d.A.) zurück und forderte die Erstattung der insoweit geleisteten 100,- Euro von dem Kläger. Die gegen diese Bescheide vor dem Verwaltungsgericht (VG) J. erhobene Klage (Az.: 3 A 23/10) hat der Kläger in einem Termin vor dem VG am 6. Mai 2010 zurückgenommen (Sitzungsniederschrift unter Bl. 273 LA).

Mit Bescheid vom 27. April 2010 hob der Beklagte die dem Kläger für Dezember 2008 bewilligten Leistungen iHv 33,- Euro auf und forderte die Erstattung dieses Betrages (Bl. 261 LA). Dieser Bescheid ist von dem Kläger nicht angegriffen worden.

Nach Anhörung mit Schreiben vom 28. April 2010 (Bl. 265 LA) forderte der Beklagte mit Bescheid vom 9. Juli 2010 von dem Kläger Leistungen iHv monatlich 152,- Euro, insgesamt 1.368,- Euro, zurück (Bl. 280 LA = Bl. 5 d.A.). Für die Zeit von Januar bis September 2009 habe der Kläger monatlich Wohngeld iHv 152,- Euro erhalten. Es sei so zu einer Überzahlung gekommen. Hiergegen erhob der Kläger am 30. Juli 2010 Widerspruch (Bl. 284 LA = Bl. 290 LA). Er habe bei der Antragstellung angegeben, dass er parallel Wohngeld beantragt habe. Darüber hinaus müsse er das zuviel erhaltene Wohngeld bereits an die Stadt C. zurückzahlen, da er die entsprechende Klage vor dem VG C. zurückgenommen habe. Er könne nur einmal auf Rückzahlung in Anspruch genommen werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. August 2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück (Bl. 315 LA). Die Bewilligungsentscheidung vom 12. Januar 2009 sowie die Bewilligungsentscheidung vom 28. April 2009 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 7. Juni 2009 würden für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis 30. September 2009 teilweise iHv insgesamt 1.368, Euro aufgehoben. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) lägen vor. Der Bezug von Wohngeld sei zum Bewilligungszeitpunkt nicht bekannt gewesen. Der Kläger habe die Änderungen in seinen Verhältnissen zumindest grob fahrlässig nicht bzw. nicht rechtzeitig angezeigt (Hinweis auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X). Nach dem im SGB II vorherrschenden Bedarfsdeckungsprinzip mindere das dem Kläger zugeflossene Wohngeld seinen Bedarf in den Monaten Januar bis September 2009. Auf Vertrauen iSv § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X könne sich der Kläger nicht berufen, da er habe erkennen müssen, dass ihm bereits mit Bescheid vom 14. Januar 2009 Wohngeld bewilligt worden sei und er nicht davon ausgehen konnte, dass dies ohne Folgen auf seinen Leistungsanspruch nach dem SGB II bleiben werde. Bei der Ausübung des Ermessens, ob und in welchem Umfang die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld II (Alg II) zurückgenommen werden könne, hätten die Interessen der Allgemeinheit überwogen.

Hiergegen hat der Kläger am 20. September 2010 vor dem SG C. Klage erhoben. Er sei durch die Wohngeldleistungen seitens der Stadt J. ungerechtfertigt bereichert gewesen. Dies habe er im Verhältnis zur Stadt C. zu regulieren gehabt. Der Beklagte könne diesen rechtswidrigen Zustand nicht dadurch ausnutzen, seine eigenen Leistungen zu kürzen.

Nach Durchführung eines Erörterungstermins am 5. Oktober 2011 sowie einer mündlichen Verhandlung am 18. Mai 2012 hat das SG mit Urteil vom selben Tag die Klage abgewiesen (Bl. 53 d.A.). Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid sei rechtmäßig. Insbesondere stehe der Rückforderung nicht entgegen, dass der Kläger bestandskräftig gegenüber der Stadt C. zu einer entsprechenden Rückzahlung verpflichtet sei. Bei den Wohngeldzahlungen in den Monaten Januar bis September 2009 habe es sich um Einkommen iSv § 11 Abs. 1 SGB II gehandelt. Die Leistungen seien nicht schon bei Erhalt mit einer Rückzahlungsverpflichtung des Klägers behaftet gewesen. Zwar sei der Wohngeldbescheid ab Beginn des Leistungsbezugs kraft Gesetzes unwirksam gewesen. Dennoch habe keine sofortige Rückzahlungsverpflichtung bestanden. Der Rückzahlungsanspruch sei vielmehr erst mit der Geltendmachung durch den Erstattungsbescheid entstanden. Ob ein solcher ergehen werde, sei im Moment des Wohngeldzuflusses noch nicht absehbar gewesen. Insoweit unterscheide sich der vorliegende Fall von privatrechtlichen Ansprüchen, die kraft Gesetzes entstehen und keines weiteren Akts bedürften, um in der Welt zu sein. Erstattungsansprüche entstünden dagegen erst mit der Geltendmachung durch VA. Einer Erstattung gegenüber dem Beklagten stehe auch nicht entgegen, dass der Kläger den gleichen Betrag bereits an die Stadt J. zurückzuzahlen habe. Es handele sich hier um verschiedene Rechtsbeziehungen. Nach Ansicht des SG hätte die Stadt C. das Wohngeld nicht von dem Kläger zurückfordern dürfen. Das Wohngeld hätte von dem Beklagten erstattet werden müssen und der Beklagte hätte sich dann an den Kläger wenden können. Im Übrigen habe sich der Kläger das Problem selbst zuzuschreiben, weil er den Leistungsträgern den Bezug von Leistungen des jeweils anderen verschwiegen habe.

Gegen das ihm am 19. Juli 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20. August 2012, einem Montag, Berufung eingelegt. Zur Begründung bezieht er sich auf sein bisheriges Vorbringen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 18. Mai 2012 und den Bescheid des Beklagten vom 9. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. August 2010 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des SG für zutreffend. Bei dem Wohngeld habe es sich um bereite Mittel gehandelt, die der Kläger zur Bedarfsdeckung habe einsetzen können. Mit Blick auf einen Hinweis des Senats hat der Beklagte ausgeführt, dass der Kläger beide Leistungen hätte behalten können, wenn das Wohngeld nicht als Einkommen angesehen werde und die Stadt C. von einer Geltendmachung des Erstattungsanspruchs abgesehen hätte (Schriftsatz vom 24. Oktober 2013 = Bl. 110 d.A.).

Nachdem der Senat zunächst beabsichtigt hatte, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, hat die damals zuständige Berichterstatterin am 14. August 2013 einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts durchgeführt (Sitzungsniederschrift unter Bl. 103 d.A.). Den im Termin geschlossenen (Widerrufs)Vergleich hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 29. August 2013 widerrufen (Bl. 107 d.A.).

In einem Hinweis vom 2. Oktober 2013 hat der Senat deutlich gemacht, dass er die Rechtsauffassung des SG nicht teile und der Berufung gute Aussicht auf Erfolg einräume (Verfügung unter Bl. 108 d.A.). Die Stadt C. hat dem Berichterstatter in einem am 17. März 2014 geführten Telefonat bestätigt, dass der Kläger die Erstattungsforderung hinsichtlich des Wohngeldes vollständig beglichen habe (Vermerk unter Bl. 136 d.A.).

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und den weiteren Inhalt der Verfahrensakte sowie die von dem Beklagten beigezogene Leistungsakte verwiesen. Diese Unterlagen haben dem Senat vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Das Urteil des SG Braunschweig vom 18. Mai 2012 erweist sich als rechtswidrig. Der angefochtene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 9. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. August 2010 ist rechtswidrig und aufzuheben.

1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 9. Juli 2010 (Bl. 280 LA = Bl. 5 d.A.) in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 16. August 2010 (Bl. 315 LA) gefunden hat (§ 95 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Mit diesem Bescheid ist zum einen ein Verwaltungsakt (VA) über die (der Höhe und dem Bewilligungszeitraum nach teilweisen) Aufhebung der dem Kläger mit Bescheiden vom 12. Januar 2009 (Bewilligungszeitraum 1. Dezember 2008 bis 31. Mai 2009, Bl. 59 LA = Bl. 298 LA) und vom 28. April 2009 (Bewilligungszeitraum 1. Juni bis 31. Oktober 2009, Bl. 77 LA = Bl. 305 LA, für Juli bis Oktober in der Fassung des Änderungsbescheids vom 7. Juni 2009 = Bl. 310 LA) bewilligten laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II verlautbart worden. Zum anderen enthält der Bescheid einen VA über die Erstattung von zu Unrecht bezogenen Leistungen iHv insgesamt 1.368,- Euro. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid betrifft die dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar bis 30. September 2009 bewilligten Leistungen. Nicht gegenständlich ist der - bestandskräftige - Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 27. April 2010 (Bl. 261 LA), der die Leistungen für den Monat Dezember 2008 betrifft.

2. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 9. Juli 2010 ist rechtswidrig und deshalb vom Senat aufzuheben. Ihm mangelt es an einer Rechtsgrundlage. Die Leistungsbewilligungen durch die Bescheide vom 12. Januar 2009 und 28. April 2009 waren - auch soweit der Kläger in den Monaten Januar bis September 2009 Leistungen von der Stadt C. bezogen hat - weder von Anfang an teilweise rechtswidrig noch sind sie infolge einer Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse teilweise rechtswidrig geworden.

a) Der Bescheid vom 12. Januar 2009, mit dem der Beklagte dem Kläger laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 31. Mai 2009 bewilligte, war nicht von Anfang an rechtswidrig (hierzu aa) und ist auch nicht nach seinem Erlass rechtswidrig geworden (hierzu bb).

aa) Eine Rücknahme des Bescheids vom 12. Januar 2009 nach § 45 SGB X kommt mangels anfänglicher Rechtswidrigkeit nicht in Betracht. Rechtswidrig ist ein VA, der im Widerspruch zum formellen oder materiellen Recht steht (Mutschler, WzS 2009, 193, 194). Für die Abgrenzung zu einer Aufhebung nach § 48 SGB X infolge einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse kommt es auf die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Erlasses des aufzuhebenden VA an (BSG, Urt. v. 10. September 2013 - B 4 AS 89/12 R, juris Rn. 18; Urt. v. 29. November 2012 - B 14 AS 6/12 R, BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr. 12 = juris, jeweils Rn. 17; Urt. v. 29. November 2012 - B 14 AS 196/11 R, SozR 4-1300 § 33 Nr. 2 = juris, jeweils Rn. 13; Urt. v. 21. Juni 2011 - B 4 AS 21/10 R, BSGE 108, 258 = SozR 4-4200 § 11 Nr. 39 = juris, jeweils Rn. 16; Urt. v. 24. Februar 2011 - B 4 AS 45/09 R, SozR 4-4200 § 11 Nr. 36 = juris, jeweils Rn. 15; Urt. v. 16. Dezember 2008 - B 4 AS 48/07 R, FEVS 60, 546, 548 = juris Rn. 15). Erlassen ist ein VA mit seiner Bekanntgabe (§ 37 Abs. 1 Satz 1 SGB X), das war vorliegend am 15. Januar 2009 der Fall (§ 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X: dritter Tag nach Aufgabe zur Post).

Am 15. Januar 2009 war der Bewilligungsbescheid unter keinem denkbaren Aspekt rechtswidrig. Der 1982 geborene Kläger erfüllte die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen nach dem SGB II: Er hatte das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II), war erwerbsfähig iSv § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II iVm § 8 SGB II und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Stadt C., also in Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Er war auch in der in dem Bescheid des Beklagten vom 12. Januar 2009 festgestellten Höhe hilfebedürftig iSv § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II iVm § 9 Abs. 1 SGB II. Der Bescheid der Stadt C. vom 14. Januar 2009 (Bl. 120 d.A.), mit dem Wohngeld für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Oktober 2009 bewilligt worden ist, war am 15. Januar 2009 noch nicht bekannt gegeben. Von einer Bekanntgabe kann erst für den 17. Januar 2009 ausgegangen werden (vgl. § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Der Wohngeldbescheid konnte also, unabhängig von § 28 Abs. 3 WoGG, mangels Wirksamkeit noch keinen Einfluss auf die Rechtslage haben.

bb) Der Bescheid vom 12. Januar 2009 konnte auch nicht nach § 48 Abs. 1 SGB X aufgehoben werden. Zwar handelt es sich um einen Leistungsbescheid, mit dem laufende Leistungen nach dem SGB II bewilligt worden sind, also um einen Dauer-VA (vgl. BSG, Urt. v. 17. Dezember 2009 - B 4 AS 30/09 R, SozR 4-4200 § 31 Nr. 3 = juris, jeweils Rn. 14; vgl. auch Urt. v. 18. Januar 2011 - B 4 AS 90/10 R, NDV-RD 2011, 75, 76 = juris Rn. 14). Es fehlt aber an einer wesentlichen Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die zu seiner Rechtswidrigkeit nach Erlass geführt hat. Ob eine wesentliche Änderung vorliegt, ist anhand eines Vergleichs der Sach- und Rechtslage bei Erlass des VA mit der im Zeitpunkt der Überprüfung zu ermitteln (vgl. Schütze, in: v. Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rn. 4; vgl. auch BSG, Urt. v. 7. Juli 2005 - B 3 P 8/04 R, BSGE 95, 57 Rn. 11 = SozR 4-1300 § 48 Nr. 6 Rn. 12 = juris Rn. 19). Tatsächliche Verhältnisse haben sich geändert, wenn im Hinblick auf die für den Erlass des VA entscheidungserheblichen tatsächlichen Umstände ein anderer Sachverhalt vorliegt (Schütze, aaO. Rn. 8); eine Änderung in den rechtlichen Verhältnissen ist eingetreten, wenn die Rechtsgrundlage des VA geändert worden ist und der Änderung Geltung auch für den VA zukommen soll (Schütze, aaO. Rn. 10). Weder stellt die Bescheidung seines bei der Stadt C. gestellten Antrags auf Bewilligung von Leistungen nach dem WoGG eine solche Änderung dar (hierzu (1)) noch führte die Zahlung der Leistungen nach dem WoGG zu einer wesentlichen Änderung (hierzu (2)).

(1) Der Bescheid der Stadt C. vom 14. Januar 2009 (Bl. 120 d.A.) ist zu keinem Zeitpunkt wirksam gewesen. Zwar gilt er aufgrund der Fiktion in § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X dem Kläger als am 17. Januar 2009 bekannt gegeben, seiner Wirksamkeit steht aber § 28 Abs. 3 WoGG entgegen. Nach § 28 Abs. 3 Satz 1 WoGG wird ein (Wohngeld)Bewilligungsbescheid von dem Zeitpunkt an unwirksam, ab dem ein zu berücksichtigendes Haushaltsmitglied nach den §§ 7 und 8 Abs. 1 WoGG vom Wohngeld ausgeschlossen ist. Der Kläger war mit der Bekanntgabe des Bescheids vom 12. Januar 2009 (am 15. Januar 2009, s.o.) Empfänger von Alg II und damit vom Wohngeld ausgeschlossen (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 WoGG) und zuvor während des bei dem Beklagten seit dem 27. November 2008 laufenden Bewilligungsverfahrens nach § 8 Abs. 1 Satz 1 WoGG (Dauer des Verwaltungsverfahrens). Eine Rückausnahme nach § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 WoGG liegt nicht vor, weil durch die Leistungen nach dem WoGG die Hilfebedürftigkeit des Klägers nicht beseitigt worden wäre: Der Alg II-Anspruch lag bei monatlich 194,05 Euro bis 30. Juni 2009 und ab 1. Juli 2009 bei 202,05 Euro; demgegenüber betrug der Anspruch auf Wohngeld 152,- Euro im Monat. Dass der Wohngeldbescheid zu keinem Zeitpunkt wirksam werden konnte, steht einer Anwendung von § 28 Abs. 3 WoGG nicht entgegen. Der Fall des Nicht-Wirksam-Werdens steht dem Unwirksam-Werden gleich.

Ein nicht wirksam gewordener Bescheid stellt keine wesentliche Änderung iSv § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X dar. Weder berührt er die allgemeinen rechtlichen Rahmenbedingungen für den Anspruch des Klägers auf Leistungen nach dem SGB II (es gibt anders als im umgekehrten Fall keinen allg. Ausschlusstatbestand wie in § 7 WoGG) noch den maßgeblichen Lebenssachverhalt.

(2) Aus der Unwirksamkeit des Wohngeldbescheids vom 14. Januar 2009 folgt auch, dass das Wohngeld für Januar bis September 2009 ohne VA zu Unrecht (Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 WoGG und § 8 Abs. 1 Satz 1 WoGG) erbracht worden ist und damit von Anfang an mit einem Anspruch des Wohngeldleistungsträgers auf Erstattung (§ 50 Abs. 2 SGB X) behaftet war. Eine Berücksichtigung dieser Zahlungen als Einkommen (§ 11 Abs. 1 SGB II) auf den Bedarf des Klägers kommt damit unabhängig vom faktischen Zufluss nicht in Betracht.

Anders als von dem Beklagten und dem SG angenommen, ist vorliegend eine Aufhebung der Bewilligungsentscheidung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II iVm § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X nicht möglich. Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines VA mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der VA mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II iVm § 330 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ist dabei mit Wirkung vom Zeitpunkt der Veränderung der Verhältnisse der VA aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des VA Einkommen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt hat. Solches Einkommen hat der Kläger - abgesehen vom Alg, dessen Bezug dem Beklagten bekannt gewesen war und das bei der Festsetzung der Leistungshöhe Berücksichtigung gefunden hat - nicht erzielt, insbesondere stellt das von der Stadt C. gezahlte Wohngeld kein Einkommen in diesem Sinne dar.

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I 2954) sind als Einkommen zu berücksichtigen: Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Dabei ist Einkommen nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und - in Abgrenzung hierzu - Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte (BSG, Urt. v. 17. Juni 2010 - B 14 AS 46/09 R, BSGE 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr. 30 = juris, jeweils Rn. 15; Urt. v. 30. September 2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr. 15 = juris, jeweils Rn. 18). Das BSG hat ergänzend ausgeführt, dass im Anwendungsbereich von § 11 Abs. 1 SGB II nach Sinn und Zweck der Vorschrift eine lediglich vorübergehend zur Verfügung stehende Leistung nicht als Einkommen qualifiziert werden könne; als Einkommen seien nur solche Einnahmen anzusehen, die eine Veränderung des Vermögensstandes bewirkten. Der Zuwachs müsse dem Leistungsberechtigten zur endgültigen Verwendung verbleiben, denn nur dann lasse er dessen Hilfebedürftigkeit dauerhaft entfallen (BSG, Urt. v. 17. Juni 2010 - B 14 AS 46/09 R, BSGE 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr. 30 = juris, jeweils Rn. 16; s.a. Urt. v. 6. Oktober 2011 - B 14 AS 66/11 R, SozR 4-4200 § 11 Nr. 52 = juris, jeweils Rn. 17).

In Fortentwicklung seines Urteils vom 17. Juni 2010 hat der 14. Senat ausgeführt, entscheidend für eine Privilegierung von Zuflüssen sei, dass in dem Zeitpunkt, in dem die Einnahme als Einkommen berücksichtigt werden solle, der Zufluss bereits mit einer (wirksamen) Rückzahlungsverpflichtung belastet sei (BSG, Urt. v. 22. August 2013 - B 14 AS 1/13 R, juris Rn. 24 [für BSGE und SozR 4-4200 § 11 Nr. 64 vorgesehen]; Urt. v. 23. August 2011 - B 14 AS 165/10 R, SozR 4-4200 § 11 Nr. 43 = juris, jeweils Rn. 23). Das war im Verfahren B 14 AS 165/10 R nicht der Fall, weil zwar das Stammrecht auf Alg entfallen gewesen, die Auszahlung des Alg aber noch auf der Grundlage eines wirksamen Bewilligungsbescheids erfolgt sei. Die fehlende Übereinstimmung des Bezuges mit dem materiellen Recht könne dem Leistungsberechtigten gegenüber nicht vor der Aufhebung des Bescheids geltend gemacht werden. Spiegelbildlich dazu könne er sich auf eine Rückzahlungsverpflichtung, die der Berücksichtigung als Einkommen durch den Grundsicherungsträger entgegenstehen könnte, erst berufen, wenn die Bindungswirkung der Bewilligungsentscheidung aufgehoben worden sei (BSG, aaO. Rn. 24). Maßgeblich ist danach, dass die Rückzahlungsverpflichtung bereits im Moment des Zuflusses besteht. Deshalb war auch in dem Verfahren B 14 AS 1/13 R die vereinnahmte Umsatzsteuer Einkommen iSv § 11 Abs. 1 SGB II: Der Steueranspruch der Finanzverwaltung entsteht nicht mit der Vereinnahmung des Zuflusses, sondern erst mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung erbracht bzw. das Entgelt vereinnahmt worden ist (BSG, aaO. Rn. 25).

Vorliegend bestand die Rückzahlungsverpflichtung bereits im Moment des Zuflusses. Wie bereits ausgeführt worden ist, erfolgte die Leistung der Stadt C. in jedem Monat ohne VA (der Bewilligungsbescheid vom 14. Januar 2009 ist - wie ebenfalls schon dargelegt wurde - nie wirksam geworden), also ohne Rechtsgrund. Der Kläger war demnach bereits im Moment des Zuflusses der jeweils 152,- Euro zu deren Erstattung nach § 50 Abs. 2 SGB X verpflichtet (hierzu unten) und durfte sich nicht sicher sein, dass er die Leistungen zur Bedarfsdeckung einsetzen kann. Anders als in den erwähnten vom BSG entschiedenen Fällen geht es vorliegend auch nicht darum, dass der Leistungsberechtigte höhere Leistungen für einen im Moment der gerichtlichen Entscheidung in der Vergangenheit liegenden Zeitraum begehrt. Im Streit ist keine nachträgliche Erhöhung der vom Jobcenter festgesetzten Leistungen, sondern die Frage nach der Möglichkeit einer Anpassung (vermeintlich) zu hoch bewilligter Leistungen. Infolge der Erstattung der von der Stadt C. bezogenen Leistungen nach dem WoGG hat der Kläger letztlich nur die Leistungen erhalten, die ihm von Gesetzes wegen im Moment der Bewilligung des Alg II zugestanden haben. Einer Korrektur bedarf es insoweit nicht. Gedacht werden könnte allerdings daran, dass es der Leistungen nach dem SGB II in Höhe des zunächst erhaltenen Wohngelds nicht bedurfte, weil das Wohngeld dem Kläger im jeweiligen Bedarfsmonat zur Verfügung stand und er es zur Bedarfsdeckung einsetzen konnte. Seine Situation lässt insoweit - abgesehen davon, dass er keine höheren Leistungen begehrt, sondern eine Erstattungspflicht abwenden möchte - keinen Unterschied zum Alg-Bezug in dem Verfahren B 14 AS 165/10 R erkennen. Es ist letztlich einzig der Besonderheit des Wohngeldrechts und hier der Rechtsfolge von § 28 Abs. 3 WoGG geschuldet, dass es keiner Aufhebung des (vorliegend maßgeblichen) Wohngeldbescheids Nr. 2 vom 14. Januar 2009 bedurfte.

Anders als von dem SG in seinem Urteil angenommen, kommt es vorliegend nicht darauf an, dass die Stadt C. erst im Dezember 2009, also beinahe ein Jahr nach der Bewilligung von Wohngeld und Alg II, einen Erstattungsbescheid erlassen hat. Für das Entstehen des Erstattungsanspruchs nach § 50 SGB X kommt es - in der Variante des ersten Absatzes der des zweiten - auf die Geltendmachung des Anspruchs durch Erstattungsbescheid nicht an. Der Anspruch auf Erstattung entsteht kraft Gesetzes als unmittelbare Folge einer aufhebenden Entscheidung, eines Eintritts der Unwirksamkeit einer Bewilligung oder eines Fehlens der Wirksamkeit einer Bewilligung oder einer sonstigen Leistungserbringung ohne VA (so ausdrücklich für das allg. Verwaltungsrecht Kopp/Schenke, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 49a Rn. 9; Sachs, in: Stelken/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 49a Rn. 26; im sozialrechtlichen Schrifttum vorausgesetzt bei Dörr/Francke, Sozialverwaltungsrecht, 3. Aufl. 2012, Kap. 8 Rn. 27; Schütze, in: v. Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 50 Rn. 30; Steinwedel, in: Kasseler Kommentar, § 50 SGB X - Stand 79. EL September 2013 - Rn. 45). Der Erstattungsbescheid (zu diesem § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X) dient lediglich der Geltendmachung und ggf. der Durchsetzung des Anspruchs. Die Durchführung eines entsprechenden Verwaltungsverfahrens und dessen bescheidmäßiger Abschluss lassen sich daher durchaus mit der auch vom SG herangezogenen Situation bürgerlich-rechtlicher Ansprüche vergleichen: Diese existieren unabhängig davon, ob sie in einem Erkenntnisverfahren von einem Gericht tituliert werden.

Der Einwand des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 24. Oktober 2013 (Widerruf des Vergleichs vom 14. August 2013 = Bl. 110 d.A.) ist hypothetisch, denn die Stadt J. hat das zu Unrecht gezahlte Wohngeld mittels Erstattungsbescheid(en) zurückgefordert und der Kläger hat die 1.368,- Euro zurückgezahlt. Der Gedanke, dass die Stadt C. sich "ihr Geld" nicht zurückholen könnte, wäre dem Senat nicht gekommen.

b) Der Bescheid vom 28. April 2009 (in der Fassung des Änderungsbescheids vom 7. Juni 2009) konnte von dem Beklagten ebenfalls nicht aufgehoben werden. Hier wäre allenfalls eine Rücknahme nach § 45 Abs. 1 SGB X wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit in Betracht gekommen, weil der Kläger zum Zeitpunkt seines Erlasses bereits Wohngeld auf der Grundlage des Bescheids der Stadt C. vom 14. Januar 2009 bezogen hat (hierzu bereits lit. a). Das war indes, wie bereits dargelegt worden ist, ohne Einfluss auf den Leistungsanspruch nach dem SGB II, weil es sich bei dem Wohngeld nicht um Einkommen iSv § 11 Abs. 1 SGB II gehandelt hat (s. ebenfalls lit. a). Die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen lagen auch hier unverändert vor (s. bereits lit. a) aa), das Einkommen und Vermögen der Freundin spielte erst ab Oktober 2009 eine Rolle).

c) Der mit dem Bescheid vom 9. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. August 2010 verlautbarte VA über die Aufhebung der Leistungsbewilligungen für die Zeiträume 1. Januar bis 31. Mai 2009 und 1. Juni bis 30. September 2009 ist daher aufgrund seiner Rechtswidrigkeit aufzuheben.

3. Eine Erstattung von Leistungen nach § 50 Abs. 1 SGB X kommt bei dieser Sach- und Rechtslage nicht in Betracht. Der mit dem Bescheid vom 9. Juli 2010 verlautbarte VA (vgl. § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X) über die Erstattung von insgesamt 1.368,- Euro ist deshalb in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. August 2010 (vgl. § 95 SGG) rechtswidrig und aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG. Da der Kläger mit seiner Berufung Erfolg hat und auf seine Klage die angefochtene Entscheidung des Beklagten und das Urteil des SG Braunschweig aufgehoben werden, hat der Beklagte ihm seine notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, da es klärungsbedürftig ist, ob eine Berücksichtigung von tatsächlich zugeflossenem Wohngeld als Einkommen ausgeschlossen ist, wenn der Zufluss dem Jobcenter unbekannt ist und der das Wohngeld bewilligende Wohngeldbescheid unwirksam ist (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).