Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 26.03.2014, Az.: L 3 U 190/12
Haushaltshilfe als Leistung für Unfallopfer aus den MItteln der gesetzlichen Unfallversicherung; Anspruch auf Gewährung von Haushaltshilfe in der gesetzlichen Unfallversicherung; Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und ergänzende Leistungen; Gewährung von Haushaltshilfe als sonstige Leistung; Ermessen des Unfallversicherungsträgers
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 26.03.2014
- Aktenzeichen
- L 3 U 190/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2014, 15540
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2014:0326.L3U190.12.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Braunschweig - 22.08.2012 - AZ: S 16 U 177/11
Rechtsgrundlagen
- § 38 SGB V
- § 7 SGB VII
- § 39 SGB VII
- § 569a Nr. 4 und Nr. 5 RVO
- § 54 Abs. 1 SGB IX
- § 26 Abs. 1 SGB VII
- § 26 Abs. 5 S. 1 SGB VII
- § 39 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII
- § 42 SGB VII
Fundstellen
- ASR 2014, 148-149
- NZS 2014, 472
Redaktioneller Leitsatz
1. Die Gewährung von Haushaltshilfe als "sonstige Leistung" i.S.d. § 39 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII erfordert keine Bedarfslage wie im Falle des § 54 Abs. 1 SGB IX namentlich zur Betreuung minderjähriger Kinder.
2. Bei Art, Umfang und Durchführung der Haushaltshilfe steht dem Unfallversicherungsträger Ermessen zu.
3. Diesbezüglich kann auch eigene finanzielle Leistungsfähigkeit des Versicherten - als Eigenbeitrag - mit berücksichtigt werden.
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 22. August 2012 und der Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. November 2011 aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, über den Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Haushaltshilfe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.
Die Beklagte hat die Kosten des Klägers aus beiden Rechtszügen zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Haushaltshilfe.
Der 1971 geborene Kläger erlitt am 13. Januar 1988 einen schweren Verkehrsunfall, den die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: BG) mit Bescheid vom 6. März 1996 als Arbeitsunfall anerkannte. Als Folgen des Versicherungsfalls wurden festgestellt: Bruch der Stirnhöhlenvorderwand und des Siebbeines sowie Schädeleinbruch an der rechten Stirnseite mit ausgeräumten Einblutungen in die Hirnhaut und Hirnsubstanzdefekt; kleiner verbliebener Defekt in der Schädelkalotte an der rechten Stirnaußenseite; nachfolgendes mittelgradiges hirnorganisches Psychosyndrom mit Wesensveränderung, Verminderung der Konzentrationsfähigkeit und Belastbarkeit, erhöhter Reizbarkeit sowie Beeinträchtigung des Frischegedächtnisses; linksseitige, hauptsächlich armbetonte inkomplette Halbseitenlähmung mit erheblicher funktioneller Beeinträchtigung insbesondere der Arm- und Handbeweglichkeit links; knöchern verheilter Trümmerbruch des rechten Oberarmes mit Gelenkbeteiligung; Kapselverdickung und erhebliche Bewegungseinschränkung im Ellenbogengelenk; Schiefnasenbildung nach links nach Nasenbeinbruch mit Behinderung der rechtsseitigen Nasenatmung; vermindertes Riechvermögen. Ab August 1994 wird ihm hierfür eine Verletztenrente iHv 90 vH der Vollrente gewährt.
Der Kläger bezieht gegenwärtig eine weitere Verletztenrente iHv 15 vH von der Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution (wegen eines Arbeitsunfalls vom 10. Juli 2006), eine solche iHv 10 vH von der Berufsgenossenschaft Energie, Textil, Elektromedienerzeugnisse (wegen eines Arbeitsunfalls vom 21. Februar 2011) sowie eine Erwerbsminderungsrente der Deutschen Rentenversicherung. Er ist ledig und lebt allein in der oberen (teilweise behindertengerecht ausgestatteten) Etage eines in seinem Eigentum stehenden Zweifamilien-Wohnhauses, dessen untere Etage von seinen Eltern bewohnt wird.
Im April 2009 beantragte der Kläger bei der BG die Gewährung von Leistungen der häuslichen Pflege wegen Hilfebedarfs bei der Ernährung, Körperpflege, Mobilität und der hauswirtschaftlichen Versorgung. Die BG holte hierzu ein Gutachten der E. (Pflegefachkraft F.) vom 20. Juli 2009 ein, das zu dem Ergebnis kam, der Kläger bedürfe Hilfe beim Spülen, Aufräumen und Reinigen der Wohnung, Waschen der Kleidung und beim Bettbeziehen sowie beim Kochen. Der zeitliche Bedarf betrage durchschnittlich täglich 57 Minuten. Darüber hinaus bestehe ein Grundpflegebedarf iHv durchschnittlich täglich drei Minuten und ein Betreuungsbedarf von durchschnittlich täglich 30 Minuten. Die erforderlichen Hilfsmaßnahmen übernehme derzeit die Mutter des Klägers (geboren 1938), der sie hiervon aber entlasten wolle.
Mit Bescheid vom 31. Juli 2009 bzw Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2009 lehnte die BG einen Anspruch auf Pflegeleistungen und auf Haushaltshilfe ab. Im hiergegen gerichteten Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Braunschweig gab die Beklagte am 18. April 2011 ein Teilanerkenntnis ab, worin sie die genannten Bescheide aufhob und sich verpflichtete, über die Gewährung von Leistungen zur Haushaltshilfe, insbesondere unter Berücksichtigung von § 39 Abs 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII), neu zu entscheiden.
Mit Bescheid vom 25. Mai 2011 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Haushaltshilfe erneut ab. Maßgeblich für die Erbringung der Haushaltshilfe sei ua, dass dem Versicherten wegen einer angezeigten Leistung zur medizinischen Rehabilitation bzw zur Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft die Weiterführung des Haushalts nicht möglich sei; derartige Leistungen würden jedoch nicht erbracht. Abzüglich der Zeit für die Zubereitung der Mahlzeiten, die der Kläger mit seinen Eltern zusammen einnehme, bestehe ein Aufwand für die Haushaltsführung iHv ca drei Stunden und neun Minuten wöchentlich; dessen Bewältigung sei dem Kläger auch mit seinen unfallbedingten Einschränkungen möglich. Im Widerspruchsbescheid vom 16. November 2011 führte die Beklagte ergänzend an, der Kläger verfüge über ein monatliches Nettoeinkommen von 3.541 Euro. Nicht zuletzt unter Berücksichtigung dieses hohen Einkommens könne eine besondere Härte iSv § 39 Abs 2 SGB VII nicht erkannt werden.
Gegen diese ihm am 21. November 2011 zugegangene Entscheidung hat der Kläger mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2011 Klage erhoben, die am 21. Dezember 2011 beim SG Braunschweig eingegangen ist. Eine Haushaltshilfe sei zur Erreichung und zur Sicherstellung des Erfolgs der Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erforderlich. Die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft umfasse auch die Hilfe zum selbstständigen Leben bei Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer Wohnung, die den besonderen Bedürfnissen der behinderten Menschen entspreche. Im Pflegegutachten sei unstreitig ein Pflegebedarf von 6,5 Stunden pro Woche angenommen worden. Die Mutter des Klägers sei aufgrund ihres Alters nicht mehr in der Lage, entsprechende Haushaltstätigkeiten ohne Weiteres vorzunehmen; sie sei inzwischen pflegebedürftig entsprechend der Pflegestufe I.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22. August 2012 abgewiesen. Im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens habe die Beklagte zutreffend berücksichtigt, dass die vom Gesetzgeber in § 42 SGB VII iVm § 54 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) aufgestellten Voraussetzungen auch im vorliegenden Fall zumindest teilweise vorliegen müssten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass Haushaltshilfe grundsätzlich gerade deshalb gewährt werden solle, um die Teilnahme an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, am Leben in der Gemeinschaft oder der medizinischen Rehabilitation (vgl § 54 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB IX) zu ermöglichen. Ein solcher Fall liege hier aber nicht vor, insbesondere weil der Kläger einer Arbeitstätigkeit oder auch sonstigen Maßnahmen im og Sinne, die eine längere Abwesenheit von zu Hause erforderten, nicht nachgehe. Auch die weiteren Erwägungen der Beklagten, warum die Leistung nicht zu erbringen sei, seien sachgemäß, zumal nur der Hilfebedarf zu berücksichtigen sei, der für "echte" hauswirtschaftliche Tätigkeiten anfalle. Eine besondere Härte iS des § 39 Abs 2 SGB VII liege schließlich nicht vor, weil dem Kläger ein überdurchschnittlich gutes Einkommen zur Verfügung stehe und auch angesichts angegebener Ausgaben iHv über 3.600 Euro zumutbar sei, durch Umschichtungen bzw Einsparungen bei anderen Ausgaben entsprechende Mittel zu beschaffen.
Gegen das ihm am 27. August 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 20. September 2012 Berufung eingelegt, die am 21. September 2012 beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingegangen ist. Zur Begründung rügt er, dass ein Hilfebedarf abgelehnt worden sei, obwohl dieser im Gutachten der Firma G. bejaht worden sei. Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts gehe er auch Tätigkeiten nach, die eine längere Abwesenheit von zu Hause erforderten, nämlich einer ehrenamtlichen Tätigkeit und einer geringfügigen Bürotätigkeit. Außerdem pflege er soziale Kontakte, was aufgrund der nicht geeigneten Haushaltsversorgung jedoch stark eingeschränkt sei. Schließlich liege auch eine Härte vor, weil seine Mutter nicht mehr in der Lage sei, in ausreichendem Umfang Hilfeleistungen zu erbringen und seinen monatlichen Einnahmen iHv 3.969,75 Euro entsprechende Ausgaben iHv 4.305,07 Euro gegenüberstünden.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 22. August 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. November 2011 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verpflichten, über seinen Antrag auf Gewährung einer Haushaltshilfe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf die Gründe ihrer Bescheide und des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig und begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.
Die als Anfechtungs- und Bescheidungsklage (§§ 54 Abs 4, 131 Abs 2 S 1 und Abs 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide vom 25. Mai 2011 bzw vom 16. November 2011 sind rechtswidrig; anders als die Beklagte entschieden hat, steht dem Kläger dem Grunde nach ein Anspruch auf Haushaltshilfe zu.
1. Gem § 214 Abs 1 S 1 SGB VII sind auch für den vorliegenden Versicherungsfall aus dem Jahr 1988 bereits die Vorschriften des 1. Abschnitts des 3. Kapitels dieses 1997 in Kraft getretenen Gesetzes anzuwenden. Allgemeine gesetzliche Grundlage des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs auf Haushaltshilfe ist deshalb zunächst § 26 Abs 1 SGB VII, wonach Versicherte nach Maßgabe der folgenden Vorschriften und unter Beachtung des SGB IX Anspruch auf (ua) Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und auf ergänzende Leistungen haben. Aus dem Zusammenhang der §§ 26, 39 ff SGB VII und des § 55 SGB IX (Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft) ergibt sich, dass Versicherte die diesbezüglichen Leistungen beanspruchen können, die erforderlich sind, um nach Möglichkeit diejenigen unfallbedingten Defizite zu beheben, die mit den gesetzlich vorgesehenen Rehabilitationszielen ausgeglichen werden sollen. Dabei ergibt sich aus § 26 Abs 5 S 1 SGB VII, dass die Unfallversicherungsträger zur Deckung eines festgestellten, aufgrund gesetzlicher Vorschriften zu behebenden Bedarfs verpflichtet sind und ihnen nur in Hinblick auf Art, Umfang und Durchführung der Rehabilitationsmaßnahmen ein Ermessen zusteht.
2. Wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, kann der Kläger die gewünschte Haushaltshilfe aber nicht auf der Grundlage des § 42 SGB VII iVm § 54 Abs 1 SGB IX beanspruchen. Denn danach wird Haushaltshilfe bei Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nur gewährt, wenn die Weiterführung des Haushalts wegen der Ausführung einer derartigen Leistung nicht möglich ist und außerdem im Haushalt ein Kind lebt, das bei Beginn der Haushaltshilfe das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder das behindert und auf Hilfe angewiesen ist. Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers nicht gegeben.
3. Der Kläger hat jedoch gemäß § 39 Abs 1 Nr 2 SGB VII einen Anspruch auf Haushaltshilfe.
a) Nach dieser Vorschrift umfassen die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und die ergänzenden Leistungen auch sonstige Leistungen zur Erreichung und zur Sicherstellung des Erfolges der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe. Dabei beinhalten die "sonstigen Leistungen" - iS eines Auffangtatbestands (Dahm in: Lauterbach, Unfallversicherung - SGB VII, Stand: Juni 2013, § 39 Rn 14) - alle Leistungen, die über spezialgesetzlich vorgesehene Leistungen hinaus erforderlich sind, um die gesetzlichen Rehabilitationsziele zu erreichen. Hierzu war bereits zu der Vorgängervorschrift in § 569a Nr 5 Reichsversicherungsordnung (RVO) anerkannt, dass auch die Gewährung von Haushaltshilfe zu den sonstigen Leistungen gehören kann (Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 25. Mai 2000 - L 5 U 18/99 - juris; Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, Rdschr VB 134/76: Haushaltspflege bei alleinstehenden Verletzten, die wegen der Verletzungsfolgen ihren Haushalt nicht allein versorgen können). Dabei bestand auch Einigkeit darüber, dass Haushaltshilfe unabhängig vom Vorliegen der speziellen Voraussetzungen der Haushaltshilfe bei Durchführung der Heilbehandlung oder Berufshilfe (§ 569a Nr 4 RVO) zu gewähren ist (Rdschr VB 134/76 aaO.; Benz in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 44 Rn 50).
Für § 39 Abs 1 Nr 2 SGB VII im Verhältnis zu § 42 SGB VII bzw § 54 SGB IX kann nichts anderes gelten. Denn in der 1997 in Kraft getretenen ursprünglichen Fassung der Vorschrift war die Haushaltshilfe sogar noch ausdrücklich aufgeführt und auch durch die Einführung der allgemeiner formulierten heutigen Fassung im Rahmen der Einführung des SGB IX (mit Gesetz vom 19. Juni 2001 - BGBl I 1046) sollte sich an der dortigen Anerkennung der Haushaltshilfe als "sonstige Leistung" nichts ändern (vgl hierzu BT-Drs 14/5074 S 121). Dies gilt auch schon deshalb, weil die Unfallversicherungsträger gem § 26 Abs 2 Nr 3 SGB VII "mit allen geeigneten Mitteln Hilfen zur Bewältigung der Anforderungen des täglichen Lebens sowie zur Führung eines möglichst selbstständigen Lebens" bereitzustellen haben. Aus alledem folgt, dass Leistungen der Haushaltshilfe gem § 39 Abs 1 Nr 2 SGB VII - entgegen der Auffassung des SG - unabhängig davon beansprucht werden können, ob die Voraussetzungen des § 42 SGB VII iVm § 54 SGB IX zumindest teilweise vorliegen. § 39 Abs 1 Nr 2 SGB VII stellt vielmehr eine selbstständige Anspruchsgrundlage der Haushaltshilfe dar, wobei offen bleiben kann, ob es sich hierbei um eine Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft oder um eine ergänzende Leistung handelt (vgl hierzu Benz in: Hauck/Noftz, SGB VII, Stand: August 2013, § 26 Rn 33a).
b) Auch die konkreten Voraussetzungen des § 39 Abs 1 Nr 2 SGB VII sind im Fall des Klägers erfüllt. Der Kläger ist aufgrund der Verletzungsfolgen seines Arbeitsunfalls vom 13. Oktober 1988 nicht in der Lage, seinen Haushalt im notwendigen Umfang allein zu führen. Hierzu hat die Pflegefachkraft F. im Gutachten der Firma G. nachvollziehbar dargelegt, dass er wegen des unfallbedingten mittelgradigen hirnorganischen Psychosyndroms, einer linksseitigen armbetonten inkompletten Halbseitenlähmung und einer Bewegungseinschränkung des rechten Ellenbogens hilfebedürftig ist. Die beeinträchtigte körperliche Mobilität mit Sturzgefahr, das beeinträchtigte Problembewältigungsverhalten und die depressive Stimmung mit deutlichem Selbstversorgungsdefizit bei der Haushaltsführung führen zu einem Bedarf an hauswirtschaftlicher Versorgung von durchschnittlich täglich 57 Minuten (6,5 Stunden wöchentlich). Hiervon entfallen 5 Minuten auf das Aufräumen der Wohnung bzw das Spülen, 12,9 Minuten auf das Reinigen der Wohnung und 8,6 Minuten auf Waschen und Pflege von Wäsche und Kleidung; 30 Minuten entfallen auf das Zubereiten der Mahlzeiten.
Auf welche sachliche Grundlage die Beklagte ihre hiervon abweichende Einschätzung im Bescheid vom 25. Mai 2011 stützt, der Haushaltsaufwand von (abzüglich der Mahlzeitenzubereitung) gut drei Stunden pro Woche sei vom Kläger weitgehend eigenständig zu bewältigen, ist nicht ersichtlich. Auf die Hilfe seiner 1938 geborenen Mutter kann der Kläger spätestens seit Juli 2011 nicht mehr verwiesen werden, nachdem diese pflegebedürftig geworden ist.
Die demnach erforderliche Hilfe bei der Haushaltsführung steht auch im Zusammenhang mit Leistungen zur Teilhabe. Hierunter sind jedenfalls die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu verstehen (Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-2700 § 39 Nr 1). Die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft beinhaltet aber nicht nur die Beteiligung an gemeinschaftlichen oder kulturellen Veranstaltungen. Vielmehr sieht § 55 Abs 2 SGB IX insoweit besondere Hilfen vor, die die behinderten Menschen in die Lage versetzen, sich selbstbestimmt zu verständigen, zu wohnen und andere Beeinträchtigungen auszugleichen, um ein selbstständiges Leben in der Gesellschaft führen zu können (BSG aaO.). Insbesondere § 55 Abs 2 Nr 5 SGB IX umfasst Hilfen bei der Beschaffung, dem Umbau, der Ausstattung und der Erhaltung einer Wohnung, die den besonderen Bedürfnissen der behinderten Menschen entspricht.
Wenn die Beklagte die beantragte Leistung in Hinblick darauf abgelehnt hat, dass die Weiterführung des Haushalts im Fall des Klägers nicht wegen der aktuellen Erbringung einer Teilnahmemaßnahme erschwert wird, verkennt sie, dass sonstige Leistungen gem § 39 Abs 1 Nr 2 SGB VII nicht nur zur Erreichung des Erfolgs zur Leistungen der Teilhabe gewährt werden können, sondern auch zu dessen Sicherstellung. Die sonstigen Leistungen sind deshalb nicht nur während der Dauer der Rehabilitationsleistungen zu erbringen, sondern erforderlichenfalls auch im Anschluss daran (Krasney in: SGB VII-Komm, Stand: Februar 2014, § 39 Rn 10; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand: Januar 2014, § 39 SGB VII Rn 9.3). Dienen aber - wie dargelegt - Hilfen bei der Beschaffung oder der Erhaltung einer (behindertengerechten) Wohnung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, dient es auch der Sicherstellung des Erfolgs dieser Maßnahmen, den Versicherten erforderlichenfalls bei der Instand- und Sauberhaltung der Wohnung und dabei zu unterstützen, in seiner Wohnung selbstständig leben zu können. Nur diese Sichtweise entspricht dem in § 26 Abs 2 Nr 3 SGB VII vorgegebenen Rehabilitationsziel der gesetzlichen Unfallversicherung, den Verletzten bei der Bewältigung der Anforderungen des täglichen Lebens zu helfen.
c) Angesichts der festgestellten unfallbedingten Bedarfssituation und des Vorliegens der Voraussetzungen von § 39 Abs 1 Nr 2 SGB VII ist die Beklagte verpflichtet, dem Kläger Leistungen zur Behebung der festgestellten hauswirtschaftlichen Defizite zu gewähren. Lediglich Art, Umfang und Durchführung der Maßnahmen im Einzelnen stehen gem § 26 Abs 5 S 1 SGB VII in ihrem Ermessen. Die Beklagte könnte dem Kläger deshalb zB eine Haushaltshilfe als Sachleistung verschaffen (vgl § 26 Abs 4 S 2 SGB VII). In entsprechender Anwendung des § 54 Abs 1 S 2 SGB IX kann die Beklagte unter Heranziehung von § 38 Abs 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) auch die Kosten einer selbstbeschafften Haushaltshilfe erstatten oder im Rahmen eines Persönlichen Budgets (§ 17 Abs 2 SGB IX) berücksichtigen. In Abgrenzung zu §§ 42 SGB VII, 54 SGB IX beinhaltet der Ermessensspielraum bei Leistungen nach § 39 Abs 1 SGB VII aber auch die Möglichkeit, nur einen Teil der erforderlichen Kosten zu übernehmen oder bloße Zuschüsse zu gewähren (Senatsurteil vom 30. Oktober 2013 - L 3 U 276/10; Krasney aaO., Rn 10; Streubel in: LPK-SGB VII, 4. Aufl, § 39 Rn 11). Dies kommt etwa dann in Betracht, wenn es dem Verletzten aufgrund seiner Einkommens- oder Vermögensverhältnisse zuzumuten ist, einen Teil der erforderlichen Kosten selbst zu tragen.
4. Auf dieser Grundlage hat die Beklagte den Kläger erneut zu bescheiden. Dabei hat sie von ihrer grundsätzlichen Leistungsverpflichtung zur Gewährung von Haushaltshilfe auszugehen, und zwar - entsprechend dem von ihr eingeholten Pflegegutachten - in Hinblick auf die Verrichtungen Spülen, Aufräumen der Wohnung, Reinigen der Wohnung, Waschen der Kleidung und Bettbeziehen. In Hinblick auf die von der Pflegefachkraft F. angenommene Notwendigkeit der Hilfe beim Kochen wird sie zu überprüfen haben, inwieweit dieser Bedarf weiterhin dadurch gedeckt wird, dass der Kläger die Mahlzeiten mit seinen Eltern einnimmt bzw ob diese Möglichkeit infolge der inzwischen eingetretenen Pflegebedürftigkeit der Mutter des Klägers weggefallen ist. Nach dieser Bestimmung des objektiv notwendigen Hilfeaufwands hat die Beklagte eine Ermessensentscheidung über Art und Umfang der Haushaltshilfe zu treffen. Dabei kann sie zu Lasten des Klägers berücksichtigen, dass dieser über erhebliche Netto-Einkünfte verfügt, die ihn nach seiner in der mündlichen Verhandlung vom 26. März 2014 vorgelegten Auflistung zu den "Ausgaben 2014" gegenwärtig in die Lage versetzen, monatlich 500 Euro für eine Hauswirtschaftshilfe aufzubringen. Die Beklagte kann in diesem Zusammenhang auch die gesamte finanzielle Leistungsfähigkeit des Klägers prüfen - darunter auch die Schlüssigkeit und Angemessenheit wenig substantiierter Posten wie "Lebensunterhalt 930,00 Euro" - und von ihm Belege über die behaupteten Ausgaben verlangen. Ergibt die Prüfung der Beklagten, dass dem Kläger die finanzielle Abdeckung des Hilfebedarfs ganz oder teilweise selbst möglich ist, kann sie sich auf Zuschüsse oder ähnliche Teilleistungen beschränken. Der Umfang der erbrachten Leistung darf jedoch nicht so gravierend geschmälert werden, dass eine nennenswerte Hilfe nicht mehr gewährt und die dem Grunde nach bestehende Pflicht zur Erbringung von Leistungen damit im Ergebnis umgangen wird.
5. Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die angeführte Einkommenssituation einen daneben bestehenden Anspruch zum Ausgleich besonderer Härten (§ 39 Abs 2 SGB VII) ausschließt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), sind nicht ersichtlich.