Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 25.08.2004, Az.: 1 A 270/02

Amtszulage; Beförderung; Besoldung; Fürsorgepflicht; Niedersächsische Besoldungsordnungen A und B; Prognose; Prognoseentscheidung; Rektor; Schülerzahl; Strukturreform

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
25.08.2004
Aktenzeichen
1 A 270/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50723
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Zu den Voraussetzungen einer Ernennung oder der Gewährung einer Amtszulage bei Abhängigkeit der Zuordnung des Amtes von der Schülerzahl einer Schule (Ziffer 6 der Vorbemerkungen zu den Niedersächsischen Besoldungsordnungen A und B).

2. Die Regelung in Ziffer 6 der Vorbemerkungen zu den Niedersächsischen Besoldungsordnungen A und B ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Tatbestand:

1

Der Kläger, der bis zum 31. Juli 2004 Rektor einer Orientierungsstufe war, hat bisher seine Beförderung in das Amt eines Rektors der Besoldungsgruppe A 14 mit Amtszulage nach Fußnote 5 BBesO mit Beginn des Schuljahres 2001/2002 begehrt. Nunmehr begehrt er die Feststellung, dass der die Beförderung ablehnende Bescheid der Beklagten rechtswidrig war.

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Der am 10. Februar 1953 geborene Kläger war bis zum 31. Juli 2004 Rektor der selbständigen schulformunabhängigen Orientierungsstufe B. und ihm war eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 14 zugewiesen.

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Nachdem im September 2000 die Orientierungsstufe B. erstmals eine Schülerzahl von 185 aufwies, beantragte der Kläger mit Schreiben vom 15. November 2000, ihm möglichst rückwirkend ab September 2000 die Gewährung einer Besoldung nach der Besoldungsgruppe A 14 mit der entsprechenden Amtszulage.

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Mit Schreiben vom 16. Januar 2001 teilte ihm die Beklagte daraufhin mit, dass nach Ziffer 6 der Vorbemerkungen zu den Niedersächsischen Besoldungsordnungen A und B eine Beförderung bzw. eine beförderungsgleiche Maßnahme aufgrund gestiegener Schülerzahlen erst vorgenommen werden dürfe, wenn die maßgebliche Schülerzahl bereits ein Jahr vorgelegen habe und mit hinlänglicher Sicherheit davon ausgegangen werden könne, dass sie mindestens drei weitere Jahre erreicht werde. Eine entsprechende höherwertige Planstelle sei im Herbst 2000 von ihr angefordert worden. In Anbetracht der gegenwärtigen Strukturdebatte über die Schulform Orientierungsstufe bleibe allerdings abzuwarten, ob eine derartige Planstelle zur Verfügung gestellt werde.

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Nachdem die Schülerzahlenprognose im November 2001 ergeben hatte, dass die Orientierungsstufe Suhlendorf voraussichtlich bis zum Schuljahr 2004/2005 über 180 Schüler haben werde, fragte die Beklagte beim Niedersächsischen Kultusministerium an, ob im Hinblick auf die beabsichtigte Schulstrukturreform noch Beförderungen im Bereich der selbständigen Orientierungsstufen erfolgen könnten. Mit Erlass vom 7. Januar 2002 untersagte daraufhin das Niedersächsische Kultusministerium im Hinblick darauf, dass im März 2002 ein Gesetzentwurf eingebracht werden solle, wonach die Orientierungsstufen voraussichtlich bis zum 31. Juli 2004 auslaufen würden, Beförderungen oder Höherstufungen im Bereich der Orientierungsstufen.

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Mit Bescheid vom 1. Februar 2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass seinem Antrag auf Beförderung in ein Amt der Besoldungsgruppe A 14 mit Amtszulage nach Fußnote 5 BBesO im Hinblick auf die geplante Schulstrukturreform und im Hinblick auf den Erlass des Niedersächsischen Kultusministeriums vom 7. Januar 2002 nicht entsprochen werden könne.

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Der Kläger legte dagegen Widerspruch ein und führte im Wesentlichen an: Nach der bisherigen Rechtslage sei aufgrund der prognostizierten Schülerzahlen eine Einweisung in die Planstelle der Besoldungsgruppe A 14 mit Amtszulage nach Fußnote 5 BBesO gerechtfertigt und erforderlich. Allein der Umstand, dass eine Strukturreform beabsichtigt sei, könne diese für ihn günstige Rechtsposition noch nicht beseitigen. Dies sei auch nicht im Erlasswege möglich. Die Ablehnung verletze die ihm gegenüber bestehende Fürsorgepflicht.

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Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. August 2002 (zugestellt am 28.8.2002) zurück. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die gemäß Ziffer 6 der Vorbemerkungen zu den Niedersächsischen Besoldungsordnungen A und B erforderlichen Voraussetzungen für eine Beförderung nicht vorlägen. Durch das Gesetz zur Weiterentwicklung des Schulwesens vom 25. Juni 2002 werde die Orientierungsstufe als eigenständige Schulform abgeschafft. Zwar könne sie nach § 184 NSchG noch längstens bis zum 31. Juli 2008 fortgeführt und in ihre 5. Schuljahrgänge letztmalig zum Schuljahr 2006/2007 noch Schüler und Schülerinnen aufgenommen werden. Es sei aber davon auszugehen, dass das tatsächliche Auslaufen der Orientierungsstufen schneller erfolgen werde und damit der Prognosezeitraum nicht mehr zum Tragen komme.

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Am 27. September 2002 hat der Kläger Klage erhoben.

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Während des Klageverfahrens wurde der Kläger mit Verfügung der Beklagten vom 15. Juli 2004 mit Wirkung vom 1. August 2004 in das Amt eines Realschulrektors als Leiter des Realschulzweiges an der Kooperativen Gesamtschule C. versetzt und er wurde gleichzeitig in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 13 mit Amtszulage nach Fußnote 2 NBesO eingewiesen.

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Zur Begründung seiner aufrechterhaltenen Klage wiederholt er im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Vorverfahren. Ergänzend trägt er vor, dass der Umstand, dass die Orientierungsstufe als selbständige Schulform längerfristig nicht habe weitergeführt werden sollen, es im Zeitpunkt der Prognoseentscheidung nicht gerechtfertigt habe, die nach den Besoldungsgesetzen und Besoldungsordnungen vorgesehene Einstufung seiner Tätigkeit in die Besoldungsgruppe A 14 mit Amtszulage nicht vorzunehmen und ihn nicht zu befördern. Dies verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, zumal eine Fortführung der Orientierungsstufen bis zum 31. Juli 2008 rechtlich möglich gewesen sei.

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Der Kläger beantragt,

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festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 1. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2002 rechtswidrig gewesen ist.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihre Ausführungen aus dem angefochtenen Bescheid und dem Widerspruchsbescheid. Ergänzend weist sie darauf hin, dass es keinen Anspruch auf Beförderung gebe. Im Hinblick auf die Schulstrukturreform habe nicht mehr die hinlängliche Sicherheit bestanden, dass die Schülerzahl mindestens weitere drei Jahre über 180 liegen werde. Vielmehr sei zu erwarten gewesen, dass die Orientierungsstufen bereits zum 31. Juli 2004 auslaufen würden, zumindestens im Landkreis D..

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig.

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Sie ist zwar mit dem bisherigen Klageantrag unzulässig geworden. Denn nachdem der Kläger mit Wirkung ab 1. August 2004 in das Amt eines Realschulrektors als Leiter des Realschulzweiges an der Kooperativen Gesamtschule C. versetzt und gleichzeitig in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 13 mit Amtszulage nach Fußnote 2 NBesO eingewiesen wurde, ist die Übertragung des Amtes eines Rektors an einer Orientierungsstufe mit der Besoldungsgruppe A 14 mit Amtszulage nach der Fußnote 5 BBesO nicht mehr möglich. Der Kläger kann die Klage aber wie nunmehr beantragt als Fortsetzungsfeststellungsklage fortführen, weil er ernsthaft beabsichtigt, im Falle eines Prozesserfolges von der Beklagten Schadensersatz zu fordern. Der Kläger muss sich nicht darauf verweisen lassen, unmittelbar auf Leistung von Schadensersatz zu klagen. Da der Prozess sich zur Zeit der Erfüllbarkeit des Besoldungsanspruchs als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage entwickelt hat, hat der Kläger, nachdem ohne sein Zutun die Voraussetzungen einer Erfüllung weggefallen sind, ein berechtigtes Interesse daran, dass im anhängigen Verfahren geklärt wird, ob die von ihm beantragte Verpflichtung der Beklagten bestanden hat oder zu Recht abgelehnt worden ist (in diesem Sinne auch OVG Lüneburg, Urteil vom 26.2.1991 - 2 A 37/86 -, ZBR 1992, 213).

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Die Klage ist aber nicht begründet.

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Der die Einstufung des Klägers nach Besoldungsgruppe A 14 mit Amtszulage nach Fußnote 5 BBesO ablehnende Bescheid der Beklagten vom 1. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2002 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hatte keinen Anspruch auf Einrichtung und Übertragung des entsprechenden besoldungsrechtlichen Amtes.

22

Nach der Bundesbesoldungsordnung war das Amt eines Rektors einer selbständigen schulformunabhängigen Orientierungsstufe mit mehr als 180 bis zu 360 Schülern grundsätzlich der Besoldungsgruppe A 14 mit Amtszulage nach Fußnote 5 i.V.m. mit Anlage IX BBesO zuzuordnen. Maßgebend für die Schülerzahl war diejenige aus der amtlichen Schulstatistik. Nach Ziffer 6 der Vorbemerkungen zu den Niedersächsischen Besoldungsordnungen A und B (Anlage 1 zum NBesG) war und ist die entsprechende Ernennung und die Gewährung einer Amtszulage sowie die Einweisung in eine entsprechend höhere Planstelle zwar zulässig, aber nur dann, wenn die für die Einstufung maßgebliche Schülerzahl bereits ein Jahr vorgelegen hat und mit hinlänglicher Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass sie mindestens drei weitere Jahre erreicht wird. Diese Voraussetzungen hat die Beklagte rechtsfehlerfrei verneint.

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Die maßgebliche Schülerzahl lag zwar zu Beginn des Schuljahres 2001/2002 bereits ein Jahr lang vor. Die reine Schülerzahlenprognose für die nächsten drei Jahre bei unverändertem Bestehen der Orientierungsstufen ergab auch, dass die maßgebende Schülerzahl - wenn auch knapp - ebenfalls überschritten sein würde. Die Beklagte durfte hier aber neben der reinen Schülerzahl für die Prognose ebenfalls berücksichtigen, dass für Niedersachsen die Abschaffung der Orientierungsstufe durch das Gesetz zur Weiterentwicklung des Schulwesens vom 5. Juni 2002 (NGVBl S. 312) verbindlich entschieden worden war. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut von Ziffer 6 der Vorbemerkungen, insbesondere aus den Worten „hinlängliche Sicherheit“ und „mindestens drei Jahre“. Zwar bestand für die Schulträger nach der Neufassung des § 184 NSchG die Möglichkeit, die Orientierungsstufen bis längstens 31. Juli 2008 fortzuführen. Es ist aber nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte in dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Prognoseentscheidung maßgebenden Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheides davon ausgegangen ist, dass hier für den Bereich des Landkreises D. sowie im Übrigen für das gesamte Land Niedersachsen abzusehen war, dass die Orientierungsstufen von den Schulträgern bereits zum 31. Juli 2004 abgeschafft werden würden - mit der Folge, dass die prognostizierte Schülerzahl bereits mit Ablauf des Schuljahr 2003/2004 auf Null sinken würde. Diese Entwicklung zeichnete sich im Übrigen auch bereits im Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheides vom 1. Februar 2002 so deutlich ab, dass die Beklagte von einer hinlänglichen Sicherheit des Bestandes der Schülerzahlen für mindestens drei weitere Jahre ab Beginn des Schuljahres 2001/2002 nicht mehr auszugehen brauchte. Diese Prognose hat sich, worauf es allerdings nicht ankommt, im Nachhinein auch bestätigt.

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Die Regelung in Ziffer 6 der Vorbemerkungen zu den Niedersächsischen Besoldungsordnungen A und B, wonach trotz höherwertiger Tätigkeit wegen gestiegener Schülerzahlen eine Beförderung erst dann ausgesprochen werden soll, wenn eine Prognose ergibt, dass die höhere Schülerzahl mit hinlänglicher Sicherheit für mindestens weitere drei Jahre erreicht wird, ist rechtlich nicht zu beanstanden und verstößt insbesondere nicht gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Hierzu ist auszuführen: Aus § 19 Abs. 2 BBesG ergibt sich, dass ein Anspruch auf Besoldung aus einem höherbewerteten Amt nicht schon allein daraus folgt, dass die in einem gesetzlich festgelegten Bewertungsmaßstab bestimmte Voraussetzung erfüllt wird, insbesondere die in der Besoldungsordnung festgelegte Schülerzahl einer Schule erreicht ist. Darin kommt zum Ausdruck, dass der Besoldungsgesetzgeber den für statusbezogene Entscheidungen zuständigen Dienstherrn nicht bindet, vielmehr ihm auch in den Fällen, in denen einem Amt gesetzlich eine Funktion zugeordnet ist, den bei Beförderungen und ähnlichen Maßnahmen bestehenden Spielraum belässt. So gilt insbesondere der Grundsatz des § 14 Abs. 5 NBG, dass ein Rechtsanspruch auf eine Beförderung oder eine ihr gleichgestellte Maßnahme (§ 14 Abs. 1 Satz 2 NBG) nicht besteht. Der damit anerkannte Spielraum ist zwar nicht unbeschränkt. Es ist in der Rechtsprechung aber anerkannt, dass es nicht fürsorgepflichtwidrig und den Beamten zuzumuten ist, für eine gewisse Zeit überwertige Funktionen wahrzunehmen, ohne eine entsprechende Alimentation zu erhalten. Eine die Fürsorgepflicht und den Gleichheitssatz verletzende Handhabung kann grundsätzlich erst dann angenommen werden, wenn die funktionsgerechte Besoldung länger als 5 Jahre unterbleibt (in diesem Sinne wohl auch OVG Lüneburg, Urteil vom 26.2.1991, aaO). Einen derartigen, zu langen Prognose- oder Wartezeitraum sieht Ziffer 6 der Vorbemerkungen zu den Niedersächsischen Besoldungsordnungen A und B aber nicht vor. Die Regelung steht vielmehr im Einklang mit der Rechtsprechung und den beamtenrechtlichen Grundsätzen.