Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 25.08.2004, Az.: 1 A 113/03
Adäquanztheorie; Beamter; Beweis; Beweislast; Dienstunfall; Erwerbsfähigkeit; Gutachten; Kausalität; Kausalitätslehre; Unfallausgleich; Ursachenzusammenhang
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 25.08.2004
- Aktenzeichen
- 1 A 113/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 50874
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 35 BeamtVG
Tatbestand:
Die Klägerin erstrebt nach einem Dienstunfall die Gewährung von Unfallausgleich in Höhe der Beschädigten-Grundrente nach § 31 BeamtVG.
Sie war am 8. Juli 1997 im Finanzamt die Treppe hinuntergestürzt und hatte sich dabei eine Schulterluxation mit Labrumabriss zugezogen. Dieser Unfall wurde durch Bescheid vom 30. August 1998 als Dienstunfall anerkannt. Die Erwerbsminderung der Klägerin wurde auf 30 % festgesetzt, so dass ein Unfallausgleich gem. §§ 30, 31, 35 BeamtVG gewährt wurde. Durch Schreiben vom 22. Dez. 2000 und durch Bescheid vom 7. Febr. 2001 entzog die Beklagte jedoch mit Wirkung vom 31. Dez. 2000 diesen Unfallausgleich wieder mit der Begründung, eine amtsärztliche Nachuntersuchung vom 19. Dez. 2000 habe nur noch einen MdE-Grad von 5 % ergeben.
Dagegen wandte sich die Klägerin mit ihrem Widerspruch vom 5. März 2001, der mit Schreiben vom 8. März 2003 näher begründet wurde. Während des Vorverfahrens wurde sie mit Ablauf des 30. Juni 2002 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt.
Durch Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2003 - zugestellt am 10. Mai 2003 - wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen und ausgeführt, aufgrund der amtsärztlichen Nachuntersuchung vom 19. Dezember 2000 sei der Grad der MdE neu - mit nur noch 5 % - festgestellt worden, was mit Blick auf § 35 BeamtVG einen Anspruch auf Zahlung eines Unfallausgleichs nicht mehr rechtfertige.
Zur Begründung ihrer am 2. Juni 2003 erhobenen Klage trägt die Klägerin vor, die Rückstufung der MdE von 30 % auf 5 % sei ungerechtfertigt. Sie habe immer noch Beschwerden, die auf den Dienstunfall zurückzuführen seien. Es sei widersprüchlich, sie wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen, ihre MdE jedoch nur mit 5 % einzuschätzen. Die amtsärztliche Nachuntersuchung gehe an den Tatsachen vorbei und sei nicht nachvollziehbar. Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 7. Febr. 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2003 zu verpflichten, die Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin auf mindestens 30 % festzusetzen und an die Klägerin einen Unfallausgleich iSd §§ 31, 35 BeamtVG in Höhe der Beschädigten-Grundrente nach § 31 Bundesversorgungsgesetz ab dem 1. Jan. 2001 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der Klägerin stehe ab 1. Jan. 2001 kein Unfallausgleich mehr zu, da amtsärztlich zutreffend festgestellt sei, dass die MdE nur noch 5 % betrage. Ihr Verhalten sei keineswegs widersprüchlich, da die Dienstuntauglichkeit nichts mit den Gründen zu tun habe, die der Amtsarzt im Gutachten vom 19. Dez. 2000 festgestellt habe.
Durch Beschluss der Kammer vom 9. Febr. 2004 wurde Beweis über die Bewegungseinschränkungen der Klägerin erhoben, u.zw. durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. med. D. E. in F.. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf das Orthopäd. Gutachten vom 21. März 2004 nebst ergänzender gutachterlicher Stellungnahme vom 10. Mai 2004 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet und daher abzuweisen.
Gemäß § 35 BeamtVG erhalten Beamte, die infolge eines Dienstunfalles in ihrer Erwerbsfähigkeit länger als 6 Monate wesentlich beschränkt sind, für die Dauer der auf den Dienstunfall zurückgehenden Minderung der Erwerbsfähigkeit einen Unfallausgleich in Höhe der Grundrente nach § 31 Abs. 1-4 des Bundesversorgungsgesetzes. Voraussetzung ist hierbei eine wesentliche Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mind. 25 %, die kausal auf den Dienstunfall zurückzuführen ist.
Die hier auf den Dienstunfall vom 8. Juli 1997 zurückgehende Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin wurde auf der Grundlage der amtsärztlichen Nachuntersuchung vom 19. Dezember 2000 mit 5 %, aufgrund des Sachverständigengutachtens vom 21. März 2004 schließlich mit 10 % eingeschätzt und festgestellt. Der gerichtlich beauftragte Gutachter hat an dieser Einschätzung (S. 9 des Gutachtens) trotz Gegenvorstellungen der Klägerin vom 13. April 2004 auch in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10. Mai 2004 festgehalten. Darauf kann zur Begründung Bezug genommen werden. Im Gutachten heißt es u.a.
„Die angegebenen vielfältigen Beschwerden - nicht nur des rechten Armes - bei der Untersuchung und im Alltag (siehe beiliegende Kopie) gehen weit über eine Erkrankung der rechten Schulter hinaus. Sie sind unfallfremd, teilweise aufgrund von Verschleißveränderungen der Halswirbelsäule, erklärbar.
Weitere objektivierbare Befunde am rechten Arm liegen nicht vor. Insbesondere bestehen keine Bewegungseinschränkungen von Ellenbogen- , Hand- und Fingergelenken. Es sind auch keine Zeichen eines Mindergebrauchs des rechten Armes erkennbar.“
Das Gutachten ist in sich schlüssig und nachvollziehbar. Der Gutachter ist auf Veranlassung und Vorschlag der Klägerin (Bl. 33 GA) herangezogen und beauftragt worden. Sein Gutachten ist von der Klägerin nicht substantiiert angegriffen worden. Die Beanstandung, die Klägerin sei nicht vom Prof. persönlich, sondern von dessen „Assistentin“ untersucht worden, was zuvor abgeklärt worden war (Bl. 46 GA), greift nicht durch und vermag die gutachterlichen Feststellungen und Einschätzungen nicht in Frage zu stellen.
Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 25. August 2004 die Auffassung vertreten hat, die im Gutachten vom 14. Mai 2002 von Dr. G. festgestellten psychischen Beeinträchtigungen (Persönlichkeitsstörung aufgrund von Ablehnung und Mobbing durch Vorgesetzte bei erhöhtem Erwartungsdruck) hingen kausal mit jenen zusammen, die im Gutachten von Prof. Dr. med. v.T. beschrieben worden seien, und gingen ihrerseits auch auf den Dienstunfall vom 8. Juli 1997 zurück, ist Folgendes festzustellen: Nach allgemeinem Schadensrecht und der dort herrschenden Adäquanztheorie wird zwar ein Zurechnungszusammenhang nicht durch ein Fehlverhalten Dritter unterbrochen (vgl. BGH, NJW 2000, 947; BAG, DB 1968, 1996), jedoch kann nach der das beamtenrechtliche Dienstunfallrecht beherrschenden (eigenen) Kausalitätslehre ein Ursachenzusammenhang nur (eingeschränkt) zu solchen Krankheitsauslösern und -bedingungen hergestellt werden, die den eingetretenen Schaden entscheidend bzw. wesentlich geprägt haben (vgl. Fleig, ZBR 1993, 142 ff./ 145 m.w.N.; Schnellenbach, NJW-Schriften 40, 5. Auflage, Rdn. 614 m.w.N.). Hierfür trägt im Übrigen der Beamte die Beweislast (BVerwGE 11, 229; NVwZ 1996, 183/184; Schnellenbach, a.a.O., Rdn. 677). Dass nun die hier festgestellten Beschwerden der Klägerin bei natürlicher Betrachtungsweise entscheidend bzw. wesentlich durch das von der Klägerin beschriebene Verhalten Dritter geprägt sein könnten, ist nicht feststellbar. Sie dürften eher, wenn sie medizinisch überhaupt kausal waren, eine untergeordnete und damit dienstunfallrechtlich - mangels Wesentlichkeit - keine Bedeutung haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.