Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 25.08.2004, Az.: 1 A 257/03

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
25.08.2004
Aktenzeichen
1 A 257/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 43310
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGLUENE:2004:0825.1A257.03.0A

In der Verwaltungsrechtssache

...

Streitgegenstand: Regress,

hat das Verwaltungsgericht Lüneburg - 1. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 25. August 2004 durch ...

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

    Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

    Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Inanspruchnahme im Wege des Regresses gemäß § 86 Abs. 1 NBG.

2

Er steht als Kriminaloberkommissar in Diensten des Landes Niedersachsen. Im Jahre 1996 beauftragte die Staatsanwaltschaft Verden das KK-OK Gelle, in dem auch der Kläger seinerzeit tätig war, Ermittlungen in zwei Verfahren gegen ein Ehepaar wegen des Verdachtes des Menschenhandels zu führen. Die Sachbearbeitung wurde dem Kläger übertragen. Am 30. September 1996 fanden umfangreiche Durchsuchungsmaßnahmen in einem von den Eheleuten geführten Bordellbetrieb und in ihrem Privathaus statt, in deren Verlauf u. a. ein Geldbetrag in einer Gesamthöhe von 22.189,50 DM (entspricht 11.243,05 EUR) sichergestellt wurde.

3

Der Kläger nahm die Geldbeträge und Asservate in Verwahrung, ohne dass in der Folgezeit hinreichend sicher festgestellt werden konnte, was er nach dem 30. September 1996 mit dem in Verwahrung genommenen Geld gemacht hat. Nach seinen Angaben verwahrte er das sichergestellte Bargeld zunächst in einem Karton in seinem verschlossenen Schrank und deponierte es nach einiger Zeit in einem braunen DIN A 4- oder DIN A 5-Umschlag im Wertfach eines Stahlblechschrankes, der sich damals im Zimmer eines Kollegen befand. Das KK-OK verfügte über insgesamt drei Stahlblechschränke. Zwei der Schränke befanden sich stets im Asservatenraum. Ein weiterer Stahlblechschrank, der über einen gesondert zu verschließendes Wertfach zur Aufbewahrung von Betäubungsmitteln verfügt, befand sich bis Ende 1996 im Zimmer des Kollegen des Klägers, der das sog. "BtM-Nachweisbuch" führte und die Schlüssel zu dem Stahlschrank verwahrte. Ende 1996 wurde auch dieser Schrank in den Asservatenraum verlegt, die Schlüssel behielt hingegen der Kollege des Klägers. Die Beamten des KK-OK nutzten den Stahlschrank regelmäßig, so dass ihnen auch der Aufbewahrungsort der Schlüssel bekannt war. In dem Wertfach des Stahlblechschrankes wurden wahrscheinlich auch Teile von Asservaten aus einem anderen Ermittlungsverfahren gegen einen Anaboliker-Großhändler aus Bayern aufbewahrt.

4

Am 12. Mai 1998 legte der Kläger die Ermittlungsakten im Verfahren gegen die Eheleute der Staatsanwaltschaft Verden vor, ohne im Abschlussbericht auf das sichergestellte Geld oder sonstige Asservate zu verweisen. Erst am Tag der Hauptverhandlung gegen die Eheleute am 11. März 1999 wurde das Fehlen des Geldes bemerkt. Das Geld war nicht bei der Regierungskasse eingezahlt worden und tauchte in der Folgezeit auch nicht wieder auf.

5

In dem daraufhin gegen den Kläger geführten Strafverfahren wurde er mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichtes Celle vom 12. März 2001 - 20 Ds 171 Js 9603/99 - vom Vorwurf der Unterschlagung aus tatsächlichen Gründen mangels Beweisen freigesprochen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme blieb ungeklärt, aufweiche Weise das im Ermittlungsverfahren gegen die Eheleute beschlagnahmte Bargeld aus den Räumlichkeiten des KK-OK verschwunden war.

6

Nach Abschluss des Strafverfahrens erging unter dem 12. Februar 2003 wegen des Vorwurfes der schuldhaften Verletzung von Dienstpflichten eine Disziplinarverfügung der Beklagten, in der gegen den Kläger eine Gehaltskürzung in Höhe von 1/20 der Dienstbezüge auf die Dauer von zwölf Monaten verhängt wurde. Der Kläger legte hiergegen Beschwerde ein. Zur Begründung trug er u. a. vor, es sei nicht unüblich gewesen, Geld in einem Briefumschlag im Stahlschrank auch über einen längeren Zeitraum zu verwahren. Zudem habe er sich seinerzeit in einer extremen Belastungssituation befunden, die er zum Teil durch erheblichen Alkoholkonsum zu kompensieren versucht habe. Außerdem sei er überlastet gewesen und habe mehrfach ohne Erfolg um Unterstützung gebeten.

7

Mit Verfügung vom 13. Januar 2003 machte die Beklagte nach vorheriger Anhörung gegen den Kläger gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 NBG einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 11.243,05 EUR geltend. Der Kläger habe durch seine Vorgehensweise zumindest grob fahrlässig und damit schuldhaft gegen seine in § 63 Satz 3 NBG manifestierten Beamtenpflichten verstoßen. Nach dem Runderlass des Innenministeriums vom 26. September 1997 und ihrer Verfügung vom 7. Januar 1998 werde gefordert, dass der Sachbearbeiter Verwahrstücke zur Vermeidung von Verwechslungen mit einem Aufkleber oder Anhänger mit präzisierenden Daten versehen müsse. Der Kläger habe den nicht unerheblichen Geldbetrag in einem braunen Umschlag im Stahlblechschrank hinterlegt, ohne ihn so zu kennzeichnen, dass der Inhalt offensichtlich gewesen sei. Auch in der Folgezeit habe er trotz mehrfacher Hinweise nichts unternommen, um das sichergestellte Geld bei einer Gerichtskasse einzuzahlen. Der Kläger habe aufgrund seiner Ausbildung und seiner Erfahrung die Pflichtwidrigkeit auch bei geringster Überlegung erkennen können. Durch sein unsachgemäßes Verhalten sei dem Land Niedersachsen ein Schaden in Höhe von 11.243,05 EUR entstanden, da sich das Vermögen des Landes um diesen Betrag vermindert habe. Dieser Schaden sei auch kausal durch die Pflichtverletzung des Klägers verursacht worden, da der Schaden nicht entstanden wäre, wenn der Kläger das sichergestellte Geld erlassgemäß bei der Gerichtskasse eingezahlt hätte. Die Festsetzung disziplinarrechtlicher Maßnahmen stehe der Geltendmachung des Schadensersatzanspruches nicht entgegen.

8

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Die Festsetzung möglicher disziplinarrechtlicher Maßnahmen stehe der Geltendmachung des Schadensersatzanspruches tatsächlich entgegen. Seine Beschwerde gegen die Disziplinarverfügung vom 12. Februar 2003 richte sich u. a. im Kern gegen die festgestellte Schuldform. Insofern sei in dem noch nicht abgeschlossenen Disziplinarverfahren weiterhin die Möglichkeit gegeben, dass abschließend hinsichtlich der Schuldfrage ein anderes Ergebnis stehe werde. Dies würde hinsichtlich der Haftungsfrage zwangsläufig zu einem anderen Ergebnis führen.

9

Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2003 - zugestellt am 4. Juli 2003 - wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Leistungsbescheid vom 13. Januar 2003 zurück.

10

Daraufhin hat der Kläger am 1. August 2003 Klage erhoben.

11

Im Laufe des Klageverfahrens hat das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport mit Bescheid vom 16. April 2004 die Beschwerde des Klägers gegen die Disziplinarverfügung der Beklagten vom 12. Februar 2003 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Kläger am 22. Juni 2004 die Entscheidung der Disziplinarkammer des erkennenden Gerichtes beantragt -10 A 5/04 -, die bisher noch nicht ergangen ist.

12

Zur Begründung seiner Klage wiederholt der Kläger sein bisheriges Vorbringen und verweist darauf, dass er nicht grob fahrlässig gehandelt habe.

13

Der Kläger beantragt,

den Leistungsbescheid der Beklagten vom 13. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2003 aufzuheben.

14

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

15

und vertieft ihrerseits die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie der ebenfalls beigezogenen Strafakten 20 Ds 171 Js 9603/99 - 98/00 der Staatsanwaltschaft Gelle verwiesen.

Entscheidungsgründe

17

Die Klage ist unbegründet.

18

Der Leistungsbescheid der Beklagten vom 13. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

19

Rechtsgrundlage für die Schadensersatzforderung der Beklagten ist § 86 Abs. 1 Satz 1 NBG. Hiernach hat ein Beamter seinem Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat, den Schaden zu ersetzen, der durch eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzung des Beamten entstanden ist. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben (dazu 1.). Die Schadensersatzpflicht ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des mitwirkenden Verschuldens des Dienstherrn oder der Fürsorgepflicht beschränkt (dazu 2.) Und schließlich ist die Verjährung noch nicht eingetreten (dazu 3.).

20

1. Die Voraussetzungen des § 86 Abs. 1 Satz 1 NBG liegen vor.

21

a) Der Kläger hat seine ihm als Beamten obliegenden Pflichten objektiv-rechtswidrig verletzt.

22

Die Verletzung einer Dienstpflicht ist hiernach gegeben, wenn der Beamte gegen die ihm gemäß §§ 61 ff. NBG obliegenden Pflichten verstößt. Dies gilt namentlich bei Verstößen gegen die nach § 63 Satz 3 NBG bestehende Pflicht, Gesetze, Rechtsverordnungen, Verwaltungsvorschriften sowie klare und eindeutige Anordnungen eines Vorgesetzten zu beachten. Aus dem Gesamtstatus des Beamten ergibt sich ferner die Pflicht, den Dienstherrn unmittelbar oder mittelbar schädigende Handlungen zu unterlassen. Insbesondere besteht demnach die Dienstpflicht, bei der Amtsführung das Vermögen des Dienstherrn und Dritter vor Schäden zu bewahren. Die Pflichtverletzung kann in einem Tun oder Unterlassen bestehen. Durch Tun werden beispielsweise Pflichten verletzt, wenn der Beamte Vorschriften unrichtig anwendet. Eine Pflichtverletzung durch Unterlassen liegt vor, wenn der Beamte ihm anvertrautes Gut des Dienstherrn nicht bestimmungsgemäß behandelt (vgl. dazu Kümmel, Beamtenrecht, Kommentar, Stand: Juni 2004, § 86 NBG Rdnr. 14 und 15 m. w. N.; zum wortgleichen Bundesrecht siehe: Plog/Wiedow/Lemhöfer/ Bayer, BBG, Kommentar, Stand: Juni 2004, § 78 BBG Rdnr. 17 ff. m. w. N.).

23

Dem Kläger kann zwar nicht nachgewiesen werden, dass er die sichergestellten Geldbeträge unterschlagen hat, da er im Strafverfahren aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden ist. Vorliegend hat der Kläger aber die ihm gemäß § 63 Satz 3 NBG obliegende Verpflichtung, von seinen Vorgesetzten erlassene Anordnungen auszuführen und die allgemeinen Richtlinien zu befolgen, verletzt und zwar zum einen dadurch, dass er entgegen dem Runderlass des MI zur Behandlung von Verwahrstücken vom 28. Juni 1973 (Nds. MBI. 1973 S. 1076) - im Folgenden: Runderlass - den Umschlag mit den Geldbeträgen zur Vermeidung von Verwechslungen nicht mit einem Aufkleber oder Anhänger mit präzisierenden Daten versehen hat (Nr. 3.3 des Runderlasses) und zum anderen dadurch, dass er gegen Nr. 4 und Nr. 5.1 des Runderlasses verstoßen hat: Verwahrstücke dürfen nach Nr. 4 Satz 1 des Runderlasses nicht länger in den Verwahrstellen der Polizei verbleiben, als zur Durchführung der Ermittlungen unbedingt notwendig ist. Und schließlich bestimmt Nr. 5.1 des Runderlasses, dass Geld "unverzüglich" der endgültigen Verwahrstelle gegen Quittung zu übergeben oder auf das Konto der endgültigen Verwahrstelle zu überweisen ist. Auch gegen diese Pflichten hat der Kläger dadurch verstoßen, dass er den nicht unerheblichen sichergestellten Geldbetrag über lange Zeit - trotz Hinweisen von Kollegen - in dem Stahlblechschrank seiner Polizeidienststelle hat liegen lassen und nicht unverzüglich an die Staatsanwaltschaft abgegeben hat. Endgültige Verwahrstelle sind nach Nr. 2.2.1 des Runderlasses in Strafverfahren die Staatsanwaltschaften oder die Amtsgerichte. Die Verwahrstellen der Polizei sind nach Nr. 2.1 Runderlass nur für die vorübergehende Verwahrung bis zur Weitergabe an die endgültige Verwahrstelle zuständig. Aber auch zum Zeitpunkt der Abgabe der Strafsache an die Staatsanwaltschaft am 12. Mai 1998 hat er das sichergestellte Geld entgegen der Vorgabe in Nr. 4 Satz 2 des Runderlasses als letztmöglichem Zeitpunkt der Weitergabe nicht der Staatsanwaltschaft übergeben. Und schließlich ist der Kläger auch seiner Verpflichtung aus Nr. 3.1 und 3.2 des Runderlasses nicht nachgekommen, wonach Verwahrstücke einzeln nach Anzahl und Art in fünffacher Niederschrift nachzuweisen und die einzelnen Ausfertigungen der Niederschriften an verschiedene Stellen zu verteilen sind. Diese Verhaltensweisen des Klägers stellen insgesamt eine Verletzung von Kernpflichten dar und sind somit pflichtwidrig.

24

Zwischen diesen Dienstpflichtverletzungen und der dienstlichen Tätigkeit des Klägers besteht des Weiteren der erforderliche innere Zusammenhang. Die Dienstpflichtverletzungen sind mangels Rechtfertigungsgründen auch rechtswidrig.

25

b) Der Kläger hat auch grob fahrlässig und damit schuldhaft gehandelt.

26

Das Verschulden muss sich/auf die Pflichtverletzung beziehen, d. h. der Beamte muss vorsätzlich oder grob fahrlässig die betreffende Dienstpflicht verletzt haben. Dass sich das Verschulden auch auf die Folgen der Pflichtverletzung, den eingetretenen Schaden, erstreckt, ist hingegen grundsätzlich nicht erforderlich. Steht - wie hier - fest, dass der Beamte objektiv eine Dienstpflicht verletzt hat, so trifft ihn nach dem auch im Beamtenrecht heranzuziehenden Rechtsgedanken des § 280 BGB (bis 2001: § 282 BGB a. F.) die materielle Beweislast dafür, dass er die Dienstpflichtverletzung ohne für die Haftung ausreichendes Verschulden begangen hat (st. Rspr. des BVerwG, s. Plog u. a., a. a. O., § 78 BBG Rdnr. 22 a m. w. N.).

27

Dem Kläger kann zwar kein Vorsatz unterstellt werden, da nicht hinreichend sicher davon ausgegangen werden kann, dass er bewusst und gewollt die oben aufgezeigten Tatbestände verwirklicht hat, die die Pflichtverletzungen darstellen, und er sich darüber hinaus der Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens bewusst war. Auch eine vorsätzliche Unterschlagung der sichergestellten Geldbeträge konnte ihm nicht nachgewiesen werden. Er hat aber zumindest grob fahrlässig gehandelt. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Beamte bei der Amtsausübung die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, also nicht beachtet, was im konkreten Fall bei verständiger Würdigung jedem eingeleuchtet haben müsste. Grobe Fahrlässigkeit bedeutet also, dass der Beamte schon die einfachsten, ganz naheliegenden Überlegungen nicht angestellt hat (Kümmel, a. a. 0., § 86 NBG Rdnr. 21; Plog u. a., a. a. O., § 78 BBG Rdnr. 25 m. w. N.). Der Kläger hätte auf Grund seiner Ausbildung und seiner Erfahrung als Kriminaloberkommissar die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens auch bei geringster Überlegung erkennen können und müssen. Bei jedem polizeilichen Sachbearbeiter muss vorausgesetzt werden, dass er über den Umgang mit Asservaten geschult ist und die einschlägigen Bestimmungen kennt, zumal dann, wenn es sich hierbei - wie für den Kläger - um häufig vorkommende Routineangelegenheiten handelt. Der Kläger ist zudem nach den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen über die Behandlung von Verwahrstücken regelmäßig belehrt worden, was er durch Abzeichnung mit seinem Namenskürzel u. a. am 4. August 1996, 7. Juli 1997 sowie 8. September 1998 und damit zu Zeitpunkten, als er für die Verwahrung der sichergestellten Geldbeträge zuständig war, bestätigt hat. Im Übrigen ist er von KHM ... daran erinnert worden, dass "noch Gelder aus dem Verfahren ..." bei der Gerichtskasse Celle einzuzahlen seien (Bd. I Bl. 43 der StA-Akten 171 Js 9603/99).

28

c) Infolge dieser schuldhaft begangenen Pflichtverletzungen des Klägers hat das Land Niedersachsen als Dienstherr auch einen Schaden erlitten. Art und Umfang des vom Beamten zu leistenden Schadensersatzes bestimmen sich nach §§ 249 ff. BGB. Sinn und Zweck ist die Wiederherstellung des vor dem Schadensereignis bestehenden Zustandes, gerichtet auf die Zahlung des zum Schadensausgleich erforderlichen Geldbetrages, hier in Höhe von 11.243,05 EUR. Zwischen dem die Dienstpflicht verletzenden Verhaltens des Klägers und den vermögensrechtlichen Nachteilen des Dienstherrn besteht auch der erforderliche ursächliche Zusammenhang. Bei pflichtgemäßem Verhalten des Klägers wäre der Vermögensschaden mit der erforderlichen Sicherheit nicht eingetreten.

29

2. Der Schadensersatzanspruch ist nicht unter dem Gesichtspunkt des mitwirkenden Verschuldens des Dienstherrn oder der diesem dem Beamten gegenüber obliegenden Fürsorgepflicht beschränkt.

30

a) Zwar ist der Rechtsgedanke des § 254 BGB, wonach ein Mitverschulden des Geschädigten hinsichtlich der Entstehung oder der unterlassenen Abwendung oder Minderung des Schadens den Ersatzanspruch mindern kann, auch im öffentlichen Recht an sich grundsätzlich heranzuziehen. Im vorliegenden Fall greift diese Einschränkung jedoch nicht. Hinsichtlich der Haftung des Beamten bedarf es der Abgrenzung gegenüber der gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer für den Schaden verantwortlicher Beamter nach § 86 Abs. 1 Satz 2 NBG. Angesichts dieser ausdrücklichen gesetzlichen Regelung ist dem in Anspruch genommenen Beamten die Berufung auf den Rechtsgedanken des § 254 BGB mit der Begründung, bei der Entstehung des Schadens hätten schuldhafte Pflichtverletzungen anderer Beamter mitgewirkt, grundsätzlich verwehrt. Denn die Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung würde ihren Zweck verfehlen, wenn der in Anspruch genommene Beamte jeweils auf das zur Mithaftung führende Verschulden anderer Beamter dem Dienstherrn als dessen Mitverschulden entgegenhalten könnte. Voraussetzung der Haftungsminderung ist dabei stets, dass die dem Dienstherrn als Mitverschulden zuzurechnende Pflichtverletzung den im Einzelfall eingetretenen Schaden adäquat mitverursacht hat. Die materielle Beweislast für ein mitwirkendes Verschulden des Dienstherrn trägt der ersatzpflichtige Beamte (Plog u. a., a. a. O., § 78 BBG Rdnr. 49 m. w. N.).

31

Nach diesen Grundsätzen kann ein dem Dienstherrn zuzurechnendes Mitverschulden von Vorgesetzten des Klägers nicht festgestellt werden. Der Kläger hat nach seinen Angaben bei seinem Vorgesetzten - die dieser aber im Übrigen bestritten hat - zwar eine Arbeitsüberlastung angezeigt. Hieraus kann aber nicht der Schluss auf ein adäquat kausales Mitverschulden des Dienstherrn gezogen werden. Denn für den Kläger wäre es trotz dieser vorgetragenen Arbeitsüberlastung und der angeblich "extremen" Belastungssituation ein Leichtes gewesen, den nicht unerheblichen Geldbetrag unverzüglich bei der Staatsanwaltschaft oder dem Amtsgericht als endgültiger Verwahrstelle abzuliefern oder auf deren Konto zu überweisen. Zudem hätte auch ohne Weiteres und insbesondere trotz der vorgetragenen Arbeitsüberlastung und allgemeinen Belastungssituation die Möglichkeit bestanden, insoweit entweder selbst einen Kollegen zu beauftragen oder dies seinem Vorgesetzten zu überlassen. Dass es nach den Angaben des Klägers in seiner Dienststelle üblich gewesen sei, auch größere Geldbeträge in der von ihm gehandhabten Vorgehensweise über längere Zeit auf der Dienststelle zu verwahren, begründet - wenn überhaupt - lediglich ein Mitverschulden von Kollegen des Klägers und kann ihn nicht entlasten.

32

b) Der Kläger kann auch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn der speziellen gesetzlichen Regelung der Beamtenhaftung nicht mit Erfolg entgegenhalten. Der Dienstherr ist vielmehr auch unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht grundsätzlich nicht gehindert, seinen Schadensersatzanspruch nach Maßgabe der in § 86 NBG getroffenen Regelung gegen den Beamten geltend zu machen und durchzusetzen. Etwas anderes gilt u. U. nur in Fällen eines besonders hohen Schadens, dessen voller Ersatz die Lebenshaltung des Beamten in unerträglicherweise beinträchtigen würde (Plog u. a., a. a. O., § 78 Rdnr. 50 m. w. N.). Die Beklagte hat dem Kläger im Leistungsbescheid vom 13. Januar 2003 angeboten, einen Antrag auf Ratenzahlung zu stellen. Einen derartigen Antrag hat der Kläger bisher nicht gestellt. Er selbst hat im Übrigen auch nicht dargelegt, dass die sofortige Einziehung des gesamten Betrages für ihn mit erheblichen Härten verbunden wäre.

33

3. Die Schadensersatzforderung ist auch nicht verjährt.

34

Gemäß § 86 Abs. 2 Satz 1 NBG verjähren Ansprüche nach § 86 Abs. 1 NBG in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Dienstherr von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in zehn Jahren von der Begehung der Handlung an. Der zum Ersatz verpflichtete Beamte muss sich nach allgemeinen Grundsätzen ausdrücklich auf die Einrede der Verjährung berufen (Kümmel, a. a. O., § 86 Rdnr. 40).

35

Im vorliegenden Fall hat der Kläger bisher weder die Einrede der Verjährung erhoben noch ist die dreijährige Verjährungsfrist oder die absolute Zehn-Jahres-Frist abgelaufen. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt zu laufen, wenn das zuständige Organ des Dienstherrn auf Grund der ihm bekannten Tatsachen den Anspruch gegen eine bestimmte Person mit hinreichender Aussicht auf Erfolg geltend machen kann. Erforderlich ist positive Kenntnis dieser beiden Umstände, bloßes Kennenmüssen genügt nicht (Plog u. a., a. a. O., § 78 Rdnr. 53 a; Kümmel, a. a. O., § 86 Rdnr. 41). Zwar wurden bereits mit Verfügung vom 30. April 1999 gegen den Kläger disziplinäre Vorermittlungen eingeleitet. Die Beklagte, auf deren Kenntnis es ankommt, hatte den in § 86 Abs. 2 Satz 1 NBG vorausgesetzten Wissensstand jedoch erst nach Abschluss des strafgerichtlichen Verfahrens durch das Urteil des Amtsgerichts Celle vom 12. März 2001. Erst mit Abschluss dieses Strafverfahrens hatte sie die erforderliche Kenntnis über den Hergang der Schädigung und wusste, dass der Sachverhalt erhebliche Anhaltspunkte für eine Ersatzpflicht gerade des Klägers bietet. Mithin begann die Drei-Jahres-Frist erst mit Kenntnis des Strafurteils vom 12. März 2001 durch die Beklagte. Mit Erlass des Leistungsbescheides vom 13. Januar 2003 ist gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 VwVfG eine Hemmung der Verjährung eingetreten.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

37

Gründe, die Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO zuzulassen, sind nicht gegeben.