Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 06.08.1987, Az.: 3 Sa 218/87
Wirksamkeit der Befristung eines Arbeitsverhältnisses ; Zulässigkeit eines befristeten Arbeitsvertrages nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz; Geltendmachung von Ansprüchen nach der Rechtskraft einer Kündigung
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 06.08.1987
- Aktenzeichen
- 3 Sa 218/87
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1987, 10693
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1987:0806.3SA218.87.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Braunschweig - 18.11.1986 - AZ: 4 Ca 522/86
Rechtsgrundlagen
- § 620 BGB
- Art. 1 § 1 BeschFG
- § 134 BGB
- Art. 12 GG
Fundstelle
- DB 1988, 1654-1656 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Feststellung
Prozessführer
...
Prozessgegner
...
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Die Vereinbarung befristeter Arbeitsverhältnisse ist unter dem Gesichtspunkt der Vertragsfreiheit grundsätzlich zulässig. Ein schutzwertes Interesse für eine solche Vertragsgestaltung entfällt nur dann, wenn die Befristung nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist.
- 2.
Die Befristung ist unzulässig, wenn sie als rechtliche Gestaltungsmöglichkeit objektiv funktionswidrig verwendet wird. Dies ist dann anzunehmen, wenn der durch die Kündigungsschutzbestimmungen gewährleistete Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses vereitelt wird und dafür kein sachlicher Grund vorlag. Die befristeten Verträge müssen also ihre sachliche Rechtfertigung so in sich tragen, daß sie die Kündigungsschutzvorschriften nicht beeinträchtigen.
- 3.
Die Zulassung eines befristeten Arbeitsvertrages nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz setzt voraus, dass dieser Arbeitsplatz neu geschaffen wird und nicht etwa ein bestehendes Arbeitsverhältnis lediglich umgestaltet wird.
- 4.
Ansprüche, die von der Wirksamkeit einer Kündigung abhängen, können erst ab Rechtskraft des Kündigungsschutzurteils geltend gemacht werden, weil die eingetretenen rechtsgestaltenden Wirkungen der Kündigungserklärung erst durch das rechtskräftige Kündigungsschutzurteil rückwirkend wieder beseitigt werden.
In dem Rechtsstreit
hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgericht Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 06.08.1987
durch
die Richter Frohner, Lierse und Thormann
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 18. November 1986 - 4 Ca 522/86 - teilweise unter Zurückweisung der Berufung im übrigen abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31.07.1986 hinaus zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 22. August 1985 fortbesteht.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31.07.1986 sowie über eine tatsächliche Weiterbeschäftigung.
wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Durch dieses Urteil vom 18.11.1986 hat die 4. Kammer des Arbeitsgerichts Braunschweig festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31.07.1986 hinaus zu den vereinbarten Bedingungen fortbesteht. Es hat das beklagte Land verurteilt, die Klägerin vertragsgemäß tatsächlich weiterzubeschäftigen. Schließlich hat es dem beklagten Land die Kosten des Rechtsstreits auferlegt sowie den Streitwert auf 7.124,00 DM festgesetzt, wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe wiederum Bezug genommen.
Mit der Berufung verfolgt das beklagte Land sein erstinstanzliches Klagabweisungsbegehren im vollen Umfange nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 16.03.1987 weiter.
Das beklagte Land beantragt nunmehr,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 16.04.1987.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des beklagten Landes ist lediglich teilweise begründet.
Der Klägerin steht ein Anspruch auf tatsächliche Weiterbeschäftigung nicht zu.
Allerdings verbleibt es bei der arbeitsgerichtlichen Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31.07.1986 hinaus zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 22. August 1985 fortbesteht.
I.
Die von den Parteien in § 2 ihres Arbeitsvertrages vom 22.08.1985 (Fotokopien Blatt 26/27 d. A.) vereinbarte Befristung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. Juli 1986 ist unwirksam.
1.
Zwar ist im Grundsatz die Vereinbarung befristeter Arbeitsverhältnisse unter dem Gesichtspunkt der Vertragsfreiheit und gemäß § 620 BGB zulässig (vgl. die Nachweise bei Otto, Die Problematik des befristeten Arbeitsvertrages, in: Der befristete Arbeitsvertrag, Ev. Akademie Hofgeismar Nr. 221/1985). Ein schutzwertes Interesse für eine solche Vertragsgestaltung entfällt nur dann, wenn die Befristung nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Die Befristung ist unzulässig (§ 134 BGB), wenn sie als rechtliche Gestaltungsmöglichkeit objektiv funktionswidrig verwendet wird. Dies ist dann anzunehmen, wenn der durch die Kündigungsschutzbestimmungen gewährleistete Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses vereitelt wird und dafür kein sachlicher Grund vorlag. Die befristeten Verträge müssen also ihre sachliche Rechtfertigung so in sich tragen, daß sie die Kündigungsschutzvorschriften nicht beeinträchtigen (vgl. auch Koch NZA 1985, Seite 345; Hanel Personal 1987, Seite 44). Ein derartiger sachlicher Grund für die Befristungsabrede liegt nicht vor. Bei der Erteilung von Sonderschulturnunterricht handelt es sich um eine unbefristete Aufgabe, deren Beendigung nicht absehbar ist.
Der erforderliche sachliche Grund für die Befristung des Arbeitsverhältnisses der Parteien ist nicht wegen des Beschäftigungsförderungsgesetzes 1985 entbehrlich gewesen. Zwar erlaubt Artikel 1 § 1 BeschFG 1985 in der Zeit vom 01.05.1985 bis zum 01.01.1990 die einmalige Befristung eines Arbeitsvertrages bis zur Dauer von 18 Monaten ohne Vorliegen eines ausreichenden sachlichen Grundes. Indes findet das Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung, weil sie es vertraglich in zulässigerweise abbedungen haben.
Das Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 stellt insoweit kein zwingendes Gesetzesrecht dar, als Arbeitsvertragsparteien nicht gehalten sind, eine Befristung nur nach Maßgabe dieses Gesetzes zu vereinbaren. Vielmehr stellt das Gesetz lediglich einen bestimmten Vertragstypus des befristeten Arbeitsvertrages zur Verfügung, der von den Arbeitsvertragsparteien "angewählt" werden kann, jedoch keineswegs angewählt werden muß. Vielmehr können die Arbeitsvertragsparteien auf die Anwendung dieses Gesetzes sehr wohl verzichten (so jetzt auch BAG, Urteil vom 25.09.1987 - 7 AZR 315/86; vom 24. Februar 1988 - 7 AZR 454/87).
Der Ausschluß der Anwendbarkeit des Beschäftigungsförderungsgesetzes 1985 folgt aus der von den Arbeitsvertragsparteien in § 6 ihres Arbeitsvertrages getroffenen Regelung (vgl. zur Auslegung eines Vertrages: BAG AP Nrn. 32, 33, 36, 38 zu § 133 BGB, AP Nr. 3 zu § 342 BGB Ruhegehalt - Beamtenversorgung = Der Betrieb 1975, Seite 1368 [BAG 10.01.1975 - 3 AZR 70/74]; MK - Mayer-Maly, 2. Auflage § 133 RdNrn. 3 ff.; Palandt-Heinrichs, BGB, 46. Auflage, § 133 Anm. 4). Darin haben die Parteien bestimmt, daß sich ihr Arbeitsverhältnis regele "nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches und dem RdErl.d.Nds. Kultusministers vom 17.05.77" (Nds. MBl. 1977 S. 574) in der jeweiligen Fassung. Damit haben die Parteien zum Inhalt ihres Arbeitsvertrages die "arbeitsrechtlichen Grundsätze" (vgl. § 57 a HRG) hinsichtlich der Befristung eines Arbeitsverhältnisses gemacht, wie sie sich aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes ergeben, die sich letztlich als gesetzesimmanente Rechtsanwendung der §§ 620, 134 BGB bzw. des zum bürgerlichen Recht gehörenden Rechtsinstituts der Gesetzesumgehung darstellen (vgl. Teichmann. Die Gesetzesumgehung, 1962). Diese "arbeitsrechtlichen Grundsätze", die eben gerade das Erfordernis eines sachlichen Grundes für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses umfassen, sind dem Erlaßgeber des Jahres 1977 bekannt gewesen. Der Wille gerade des beklagten Landes, es hierbei zu belassen, sich nicht auf den Wegfall des für eine Befristung notwendigen Sachgrundes nach den Bestimmungen des Beschäftigungsförderungsgesetzes berufen zu wollen, ergibt sich gerade daraus, daß die Parteien ihren Arbeitsvertrag unter Bezugnahme auf die Bestimmungen des BGB sowie des Erlasses vom 17.05.1977 mit dem 22.08.1985 zu einem Zeitpunkt abgeschlossen haben, nach dem das beklagte Land aus dem Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 durch den Gemeinsamen Runderlaß des Nieders. Ministers der Finanzen, der Staatskanzlei und der übrigen Ministerien vom 22.05.1985 (Nds. MBl. 1985 S. 547) sowie durch den Runderlaß des Nieders. Ministers der Finanzen vom 05.08.1985 (Nds. MBl. 1985 S. 732) die ihm angemessen und notwendig erscheinenden Konsequenzen gezogen hatte (vgl. beispielsweise den "Musterarbeitsvertrag für Angestellte, deren arbeitsvertraglich vereinbarte durchschnittliche Arbeitszeit weniger als die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten beträgt (§ 3 Buchst. q BAT) und die an der Arbeitsplatzteilung beteiligt sind - gilt nicht für nebenamtliche und nebenberufliche Lehrkräfte" Nds. MBl. 1985 S. 566), wenn das beklagte Land es alsdann in Kenntnis des Umstandes, daß es "nebenamtliche und nebenberufliche Lehrkräfte an den öffentlichen Schulen" beschäftigt, es hinsichtlich dieses Personenkreises bei den vor Inkrafttreten des Beschäftigungsförderungsgesetzes 1985 bestehenden Regelungen beläßt, kann hieraus nach Auffassung des Berufungsgerichts der sichere Schluß gezogen werden, daß damit die ja lediglich möglichen, nicht zweiseitig zwingenden Vorschriften des Beschäftigungsförderungsgesetzes 1985 gerade nicht haben zur Anwendung gebracht werden sollen.
2.
Selbst eine Anwendung des Beschäftigungsförderungsgesetzes 1985 führt freilich zu keinem anderen Ergebnis (vgl. allgemein zur Problematik dieses Gesetzes und damit zusammenhängender Fragen: Beyer-Kaluza-Nagel Die Mitbestimmung 1985, S. 337; Berscheid DRiZ 1985, S. 377; Blechmann NZA 1987, S. 191; Bobke Der Betriebsrat 1986, S. 181; Bosch/Seifert WSI-Mitteilungen 1984, S. 581; Buschmann Arbeit und Recht 1986, S. 210; Buschmann/Schwegler DB 1986, S. 1355; Däubler Gewerkschaftliche Monatshefte 1986, S. 669; ders., Das Arbeitsrecht 2, 4. Auflage Mai 1986, S. 774 ff.; Düttmann/Hinrichs/Kehrmann/Oberhofer AiB 1985, S. 67; Falkenberg ZTR 1987, S. 19; Frey NZA 1986, S. 513; Friauf NZA 1985, S. 513; Friedhofen/Weber NZA 1985, S. 337; Gaul PersF 1987, S. 3; Gröbing ZTR 1987, S. 49; Hanau NZA 1984, S. 345; ders., RdA 1987, S. 25; Heenen AR-Blattei Beschäftigungsförderung I; Heinze DB 1986, S. 2327; Herschel AuR 1985, S. 265 = AiB 1985, S. 147; von Hoyningen-Huene NJW 1985, S. 1801; Jobs PersF 1986, S. 28; Kempen AuR 1985, S. 374; Kohte DB 1986, S. 397; Lehmann AiB 1985, S. 3; Linne/Voswinkel Der Betriebsrat 1986, S. 194; Lörcher Der Personalrat 1986, S. 32; Löwisch DB 1985, S. 1200; ders., NZA 1985, S. 478; Lorenz/Schwedes DB 1985, S. 1077; Mayer BlStSoz ArbR 1984, S. 321 und 1985, S. 225; Mückenberger KJ 1985, S. 255; ders., NZA 1985, S. 518; Nies AiB 1985, S. 153; Otto NJW 1985, S. 1807; Peiseler NZA 1985, S. 238; ders., Der Personalrat 1985, S. 82; ders., AiB 1986, S. 191; Plander, BB 1984, S. 1879; ders., DB 1984, S. 2091 und 1984, S. 2139; ders., DB 1986, S. 2180; Ritter NZA Beilage Nr. 2/1985, S. 13; Rose/Oberhofer Der Betriebsrat 1985, S. 177; Rose Der Betriebsrat 1986, S. 629; Seifert WSI-Mitteilungen 1985, S. 286; Schanze RdA 1986, S. 30; Schwerdtner NZA 1985, S. 577; Wahsner AiB 1987, S. 68; weiter BB 1985, S. 934; Winterfeld BlStSozArbR 1985, S. 33; dies., Der Arbeitgeber 1984, S. 905; dies., ZfA 1986, S. 157; Zachert AiB 1986, S. 197). Denn eine Befristung ohne sachlichen Grund nach diesem Gesetz setzt in der einzig hier in Betracht kommenden Alternative voraus, daß der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin neu eingestellt wird. Eine solche "Neueinstellung" liegt hier nicht vor. Der Begriff der Neueinstellung im Sinne dieses Gesetzes enthält nämlich nicht nur ein personenbezogenes Merkmal dahingehend, daß zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber über einen Zeitraum von mindestens vier Monaten kein Arbeitsverhältnis bestanden haben darf (vgl. Artikel 1 § 1 Abs. 1 S. 3 BeschFG 1985), sondern darüber hinaus auch ein sachbezogenes Merkmal dahingehend, daß tatsächlich ein neuer Arbeitsplatz geschaffen worden ist (anderer Auffassung beispielsweise LAG Berlin, Urteil vom 22.07.1987 - 12 Sa 35/87; Hanau RdA 1987, S. 25). Daß es sich hierbei um ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal handelt, ist angesichts der insgesamt höchst unerfreulichen Gesetzgebungstechnik nicht weiter erstaunlich. Seine Notwendigkeit ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes sowie seiner systematischen, teleologischen und verfassungskonformen Auslegung.
a)
In der Begründung des Entwurfes der Bundesregierung zu einem Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 (Deutscher Bundestag 10. Wahlperiode, Drucksache 10/2102 vom 11.10.1984) wird es ausdrücklich als Ziel des Gesetzentwurfes bezeichnet, "zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen." Weiter heißt es, im Hinblick auf den befristeten Arbeitsvertrag: "In der Phase konjunktureller Wiederbelebung sollen die Arbeitgeber veranlaßt werden, eine Verbesserung ihrer Auftragslage auch den Arbeitslosen zugute kommen zu lassen, indem sie mit ihnen zumindest befristete Arbeitsverträge abschließen. Es soll verhindert werden, daß die Arbeitgeber eine Stabilisierung der Auftragslage abwarten und zunächst in Überstunden ausweichen ... Die Regelung dient dazu, zusätzliche Beschäftigungschancen zu schaffen. Für eine Übergangszeit ... wird der Abschluß befristeter Arbeitsverträge erleichtert. Dies soll die Arbeitgeber zum Angebot befristeter Arbeitsvertrage an zur Zeit arbeitslose Arbeitnehmer auch in solchen Fällen veranlassen, in denen sie heute Überstunden vereinbaren oder sonstige Maßnahmen treffen, die keine zusätzlichen Arbeitsplätze schaffen ... Ziel des Gesetzentwurfs ist es nicht, den traditionell üblichen unbefristeten Arbeitsvertrag durch einen befristeten Vertrag zu ersetzen. Der unbefristete Arbeitsvertrag mit seinem gesetzlichen Kündigungsschutz ist und bleibt die sozialpolitisch wünschenswerte Regelung. Er hat sich bewährt und entspricht dem Zweck unseres Arbeitsrechts, dem Arbeitnehmer, der zur Bestreitung seines Lebensunterhalts auf die Einkünfte aus dem Arbeitsverhältnis angewiesen ist, einen Dauerarbeitsplatz zu schaffen und ihn im Rahmen des wirtschaftlich Möglichen vor dem Verlust des Arbeitsplatzes zu schützen. Das unbefristete Arbeitsverhältnis dient im allgemeinen auch den Interessen des Arbeitgebers an qualifizierten und erfahrenen Arbeitnehmern und ermöglicht ihm die erforderlichen mittel- und langfristigen Dispositionen." In dem Bericht der Abgeordneten Seehofer, Dressler, Cronenberg (Zusammenstellung des Entwurfs eines Beschäftigungsförderungsgesetzes 1985 mit den Beschlüssen des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuß) Deutscher Bundestag 10. Wahlperiode Drucksache 10/3206, S. 23 ff.) heißt es unter anderem: "Die Fraktionen der CDU/CSU und FDP sehen in diesem Gesetzentwurf insbesondere folgende Vorteile: ... bestehende Arbeitsverhältnisse würden durch den erleichterten Abschluß von befristeten Arbeitsverträgen in Zukunft nicht berührt. Da im übrigen der erleichterte Abschluß von befristeten Arbeitsverträgen nur bis zum 01. Januar 1990 möglich sei, seien auch Befürchtungen nicht begründet, der erleichterte Abschluß befristeter Arbeitsverträge könne zu einer "Spaltung" des Arbeitsmarktes führen, in dem künftige Arbeitsverträge zu einem unangemessenen Anteil als befristete Arbeitsverträge abgeschlossen würden ... Die Fraktionen der CDU/CSU und FDP sind davon überzeugt, daß insbesondere die erleichterte Zulassung befristeter Arbeitsverträge bis zur Dauer von 18 Monaten zu mehr Beschäftigung führen werde. Da die beschäftigungspolitische Wirkung dieser Maßnahme im einzelnen aber von den autonomen Einstellungsentscheidungen der Unternehmen abhänge, lasse sich die genaue Zahl zusätzlicher Arbeitsplätze nicht zuverlässig schätzen. Der Rahmen werde durch die zur Zeit geleisteten zahlreichen Überstunden abgesteckt ... Durch die vorgesehene erleichterte Zulassung befristeter Arbeitsverträge würden Arbeitgeber veranlaßt, bei einer Verbesserung der Auftragslage statt über längere Zeiträume Überstunden oder Sonderschichten zu vereinbaren, Neueinstellungen zumindest aufgrund befristeter Arbeitsverträge vorzunehmen. Nach allen Erfahrungen sehen heute vielfach Arbeitgeber zu Beginn eines konjunkturellen Aufschwunges von Neueinstellungen ab, weil sie das geltende Arbeitsrecht für nicht ausreichend flexibel hielten, um bei einer eventuellen Verschlechterung der Konjunktur personalwirtschaftlich rasch reagieren zu können." (Vgl. zur tatsächlichen Wirksamkeit des geltenden Kündigungsschutzrechts für den Bestandsschutz von Arbeitsverhältnissen: Falke u.a., Kündigungspraxis und Kündigungsschutz in der Bundesrepublik Deutschland, 2 Bände, Bonn 1981; Ellermann-Witt/Rottleuthner/Russig, Kündigungspraxis, Kündigungsschutz und Probleme der Arbeitsgerichtsbarkeit, Opladen 1983; Herrmannsen, Wirtschaftskrise und Kündigungsschutz, Eine empirische Analyse der Kündigungsschutzverfahren am Arbeitsgericht Oldenburg, KJ 1986, S. 187 ff.). Dieser Zusammenhang zwischen der erweiterten Zulassung befristeter Arbeitsverträge auf zusätzlichen Arbeitsplätzen, geschaffen durch Überstundenabbau etc., liegt auch den weiteren Gesetzesmaterialien zugrunde (vgl. den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Deutscher Bundestag 10. Wahlperiode Drucksache 10/3217, vom Deutschen Bundestag angenommen, Stenographische Berichte Deutscher Bundestag 10, Wahlperiode 133, Sitzung, Seite 9893; die Erklärungen des Abgeordneten Seehofer, Stenographische Berichte a.a.O., Seite 9870 B sowie Seite 9871 D und des Bundesministers Dr. Blüm, Stenographische Berichte a.a.O., Seite 9883 C).
b)
Die Regelung in Artikel 1 § 1 Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 stellt insgesamt mehrfach auf das sachbezogene Merkmal des Zurverfügungstehens eines Arbeitsplatzes ab. So ist in Artikel 1 § 1 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 der genannten Vorschrift ausdrücklich von einem "Arbeitsplatz" die Rede. Die dort folgenden Sätze 2 und 3 greifen mit dem Begriff eines "engen sachlichen Zusammenhanges" eine in der Rechtsprechung zu § 2 AngKSchG vom 09.07.1926 sowie § 1 KSchG entwickelte Formulierung auf (LAG Baden-Württemberg AP Nr. 1 zu § 2 AngKSchG; BAG EzA § 1 KSchG neue Fassung Nr. 36; EzA § 1 KSchG Nr. 39; AP Nr. 71 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag), der nicht lediglich eine zeitliche Dimension beinhaltet. Denn die Dauer der Unterbrechung ist immer nur einer der Umstände, die bei der Prüfung eines engen sachlichen Zusammenhanges zwischen zwei Arbeitsverhältnissen zu berücksichtigen sind. Es kommt auch auf die jeweiligen Arbeitsbedingungen und damit auf ein sachbezogenes Merkmal des Arbeitsplatzes an, wenn schließlich Artikel 1 § 1 Absatz 2 Beschäftigungsförderungsgesetz die Dauer, bis zu der ein befristeter Arbeitsvertrag unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 abgeschlossen werden kann, auf zwei Jahre verlängert für den Fall, daß der Arbeitgeber seine Erwerbstätigkeit seit höchstens 6 Monaten aufgenommen hat, so setzt dies für beide Fälle des Absatzes 1 notwendigerweise die Schaffung neuer und damit zusätzlicher Arbeitsplätze voraus. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb von diesem Erfordernis dann Abstand genommen werden soll, wenn das zusätzliche Merkmal des Absatzes 2 - Beginn der Erwerbstätigkeit des Arbeitgebers - nicht gegeben ist.
Der Umstand der Neugründung eines Unternehmens rechtfertigt nach dem Gesetz die Verlängerung der Befristung auf zwei Jahre, führt indes nicht zum Wegfall, kann dies auch gar nicht, des in Absatz 1 über den Begriff der Neueinstellung mit enthaltenen Merkmals eines zusätzlichen Arbeitsplatzes.
c)
Auch Sinn und Zweck des Gesetzes verlangen für die Zulassung eines befristeten Arbeitsvertrages nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz 1985, daß tatsächlich ein neuer Arbeitsplatz geschaffen worden ist (vgl. bereits zu früheren Überlegungen in dieser Richtung: Eich Der Betrieb 1978, S. 1785, 1790; vgl. auch Plander Der Betrieb 1984, S. 2091, 2094 bei Fußnote 44; S. 2139, 2142 bei Fußnote 58). Denn die erleichterte Zulassung befristeter Arbeitsverträge soll ja gerade, wie auch schon die Gesetzesüberschrift ausweist, "zur Beschäftigungsförderung" beitragen. Dies setzt aber die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze voraus, die "ständige Rotation zwischen Arbeitslosigkeit und Arbeit" (Abgeordneter Seehofer, Stenographische Berichte Deutscher Bundestag 10. Wahlperiode 133, Sitzung, S. 8971 D) ist gerade nicht das Ziel des Gesetzes. Dieses besteht auch nicht darin, als Instrument zur "Ausdünnung" der Stammbelegschaften mißbraucht zu werden (vgl. Berscheid a.a.O., S. 381). Soweit empirische Untersuchungen über die Auswirkungen des Beschäftigungsförderungsgesetzes 1985 vorliegen (Beschäftigung und Stellenmarkt, Ergebnisse einer Arbeitsmarktumfrage, Februar 1986, herausgegeben von der Industrie- und Handelskammer Hannover-Hildesheim; Andritzky NZA 1985, S. 385; Rose Der Betriebsrat 1986, S. 629; Buschmann/Schwegler BB 1986, S. 1355; Buschmann Arbeit und Recht 1986, S. 210; ohne Verfasser, AiB 1986, S. 122; Bosch, Arbeitsmarkt, in: Kittner, Gewerkschaftsjahrbuch 1987, April 1987, S. 255 ff., 268 ff; Wahsner, AiB 1987, S. 68; Rudolph, MittAB 1987, S. 288 mit ebenfalls weiteren Hinweisen zur befristeten Beschäftigung; Antwort der Bundesregierung auf die Große Antrage der Abgeordneten Frau Däubler-Gmelin u.a. und der Fraktion der SPD, Deutscher Bundestag 10. Wahlperiode Drucksache 10/6555 vom 24.11.1986), läßt sich nicht feststellen, daß die erleichterte Zulassung befristeter Arbeitsverträge zu einer Erhöhung des Beschäftigungsvolumens insgesamt beigetragen hätte, die Massenarbeitslosigkeit hat sich eher auf einem hohen Niveau stabilisiert, die Zahl der Überstunden hat offenbar nicht abgenommen, darüber hinaus scheint die Zunahme der Zahl an befristeten Arbeitsverhältnissen zu Lasten der Zahl von Arbeitsverhältnissen auf unbestimmte Dauer gegangen zu sein, ist mithin in einer wohl doch nennenswerten Anzahl von Fällen der "traditionell übliche unbefristete Arbeitsvertrag durch einen befristeten Vertrag" ersetzt worden; das Gesetz hat also ein Ziel erreicht, daß der Gesetzgeber nach seinem artikulierten willen gerade nicht hat erreichen wollen. Wenn es aber das erklärte Ziel der erleichterten Zulassung befristeter Arbeitsverträge ist, zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen (vgl. auch Löwisch NZA 1985, S. 478), ist es erforderlich, davon auszugehen, daß der vom Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 erstmalig verwandte Begriff der "Neueinstellung" auch das Merkmal der Schaffung eines zusätzlichen Arbeitsplatzes beinhaltet.
d)
Dieses Ergebnis gebietet auch eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes, weil bei einem anderen Ergebnis das Sozialstaatsprinzip unserer Verfassung (Artikel 20 Absatz 1 Grundgesetz) sowie Artikel 12 Grundgesetz als Gewährleistungsnorm "fairer" Bedingungen der Berufsausübung verletzt sein würden (im Anschluß an Schanze Recht der Arbeit 1986, S. 30 ff.; Mückenberger NZA 1985, S. 518 ff.; Kempen Arbeit und Recht 1985 S. S. 374 ff.). Ein Gesetz, das "zu einem gespaltenen Arbeitsmarkt" führen könnte (vgl. den Bericht über die Anhörung unter anderem von Vertretern der Wissenschaft vor dem Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung in Recht der Arbeit 1985, S. 164), würde gegen die Verfassung verstoßen. Der verfassungsrechtliche Schutz des historisch gewachsenen Dauerarbeitsverhältnisses verbietet eine neue Regelung, die zur partiellen Ersetzung unbefristeter durch befristete Arbeitsverhältnisse in einem erheblichen Umfange führen kann. Angesichts der Aussagen, die sich mit aller gebotenen Vorsicht den bereits genannten empirischen Daten entnehmen lassen, kann eine solche verfassungswidrige Wirkung des Gesetzes nur dann vermieden werden, wenn davon ausgegangen wird, daß die Zulassung befristeter Arbeitsverträge im Beschäftigungsförderungsgesetz 1985, wie es der Gesetzgeber ja auch verlautbart hat, die Schaffung neuer zusätzlicher Arbeitsplätze voraussetzt. Der arbeitsrechtliche Bestandsschutz wird vom Sozialstaatsprinzip der Verfassung nicht nur legitimiert, sondern vielmehr zumindest dem Grunde nach gefordert. Friauf (NZA 1985, S. 513, 514) ist darin zuzustimmen, daß das Sozialstaatsprinzip nicht lediglich einen rechtlich substanzlosen Programmsatz enthält, sondern vielmehr normativ verbindliche Direktiven für das gesamte staatliche Handeln begründet. "Sozialstaat" ist nicht nur eine von der Verwaltung zu behandelnde Aufgabe. Diese Staatszielbestimmung hängt auch nicht von einem relativ kontinuierlichen Wirtschaftswachstum und damit dem Wachstum des Bruttosozialprodukts strukturell ab. Sie ist keine variable Größe, die wie selbstverständlich gegenüber einer vermeintlichen Dominanz des Marktes und den am Markte wirksamen Selbststeuerungs- und Regulierungsmechanismen zurückzutreten habe (vgl. bereits den Begriff des "sozialen Rechtsstaats" im Programm der liberalen Deutschen Demokratischen Partei-DDP-1919). Hierauf gründet das geltende Recht das Dauerarbeitsverhältnis als Regeltatbestand eines Arbeitsverhältnisses, ohne deshalb bei Vorliegen bestimmter, rational nachvollziehbarer Anforderungen (soziale Rechtfertigung im Sinne von § 1 Absatz 2 Kündigungsschutzgesetz; sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses) auf eine notwendige Flexibilität verzichtet zu haben. Würde nun der Tatbestand des befristeten Arbeitsverhältnisses von einem Ausnahmetatbestand zu einem zweiten Regeltatbestand für Arbeitsverhältnisse erhoben werden, ohne daß es für die Befristung eines sachlichen Grundes bedürfte, so würde dies einen zentralen Eingriff in den Bestandsschutz von Arbeitsverhältnissen bedeuten. Hierbei ist zudem ganz wesentlich auf die verfassungsrechtliche Wertentscheidung des Artikels 12 Grundgesetz abzustellen (vgl. auch Häberle Arbeit als Verfassungsproblem, JZ 1984, S. 345). Auch abhängige Arbeit kann als Beruf gewählt werden (Badura Festschrift Herschel 1982, S. 21 ff., 25). "Die Arbeit als" Beruf "hat für alle gleichen Wert und gleiche Würde" (so BVerfGE 7, 377, 397 [BVerfG 11.06.1958 - 1 BvR 596/56]; 50, 290 ff., 59, 231). "Mit der modernen Industriegesellschaft ist der Beruf des Arbeitnehmers entstanden, der regelmäßig kein ausreichendes Vermögen besitzt und damit auf die Verwertung seiner Arbeitskraft angewiesen ist" (so BVerfGE 21, 245, 251 [BVerfG 04.04.1967 - 1 BvR 126/65]; vgl. weiter: Badura Festschrift Berber 1973, S. 11 ff.; Hoffmann-Riem Festschrift Ipsen 1977, S. 385 ff.; Scholz ZfA 1981, S. 265 ff.; Hans-Peter Schneider VVDStRL 43, S. 7 ff.; Zöllner, Arbeitsrecht, 3. Auflage 1983, S. 85; Müller, Gedanken zu Laborem exercens, RdA 1983, S. 65).
Die Zulassung befristeter Arbeitsverhältnisse ohne sachlichen Grund als zweiten Regeltatbestand wäre auch nicht zu vereinbaren mit der Europäischen Sozialcharta (ESC) vom 18. Okt. 1961, der die Bundesrepublik Deutschland beigetreten ist (vgl. Bundesgesetzblatt BGBl. 1964 II, S. 1262). Dabei kann der Streit über die innerstaatliche Verbindlichkeit der ESC dahingestellt bleiben. Jedenfalls verlangt die gebotene völkerrechtsfreundliche Handhabung der eigenen Rechtsordnung die Berücksichtigung des Inhalts der ESC bei der Gesetzesauslegung (vgl. BAG AP Nr. 81 zu Artikel 9 Grundgesetz Arbeitskampf; Arbeitsgericht Oldenburg, Urteil vom 21.08.1987 - 2 Ca 284/87). In Teil II Artikel I der ESC heißt es unter anderem: "Um die wirksame Ausübung des Rechts auf Arbeit zu gewährleisten, verpflichten sich die Vertragsparteien, 1. zwecks Verwirklichung der Vollbeschäftigung die Erreichung und Aufrechterhaltung eines möglichst hohen und stabilen Beschäftigungsstandes zu einer ihrer wichtigsten Zielsetzungen und Aufgaben zu machen; 2. das Recht des Arbeitnehmers wirksam zu schützen, seinen Lebensunterhalt durch eine frei übernommene Tätigkeit zu verdienen ..." (Zur Bedeutung von geltendem Landesverfassungsrecht vgl. Däubler Das Arbeitsrecht 2 a.a.O., S. 59; Kempen Arbeit und Recht 1986, S. 129, 136; Wipfelder Recht der Arbeit 1985, S. 93; Seifert/Hömig, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 2. Auflage, Artikel 142, RdNrn. 1 und 2). Dieses "Recht auf Arbeit" im Sinne der ESC wird bei einer "freien" Zulassung befristeter Arbeitsverträge tangiert.
II.
Der Klägerin steht der im Urteilsverfahren geltend gemachte Anspruch auf tatsächliche Weiterbeschäftigung für die Dauer des Befristungsschutzprozesses nicht zu. Für einen solchen materiell-rechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruch fehlt es nach der derzeitigen Rechtslage an einer Anspruchsgrundlage.
Die Kammer hat bereits in ihrem Urteil vom 7. Februar 1986 (LAGE § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 14 = (teilweise) DB 1986, S. 1126) ausgeführt, daß nach ihrer Auffassung entgegen dem Beschluß des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Februar 1985 (EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9 = DB 1985, S. 2197) zum "arbeitsvertragsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruch" nicht davon ausgegangen werden könne, daß es eine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage für einen solchen Weiterbeschäftigungsanspruch gäbe. Die Kammer hält hieran fest (vgl. auch LAG Berlin, Beschluß vom 06.06.1986 - 9 Ta 6/86; LAG Niedersachsen, Urteil vom 04. Juli 1986 - 4 Sa 196/86; Urteil vom 11. Juli 1986 - 3 Sa 117/85; LAG Köln, Urteil vom 26.09.1986, ZIP 1987, S. 49 ff. = LAGE § 611 BGB, Beschäftigungspflicht Nr. 17 mit Anmerkung Wank; LAG Köln, Urteil vom 10.04.1987, LAGE § 611 BGB, Beschäftigungspflicht Nr. 20; LAG Niedersachsen, Urteil vom 22.05.1987, Der Betriebsrat 1987, S. 779 ff. mit Anmerkung Heilmann = Der Betrieb 1987, S. 2664 = LAGE § 611 BGB, Beschäftigungspflicht Nr. 21; vgl. hierzu weiter: Wank Recht der Arbeit 1987, S. 129, 149 ff.; Falckenberg Der Betrieb 1987, S. 1534; Blanke Arbeit und Recht 1987, S. 257; Grunsky NZA 1987, S. 295; Ramrath Der Betrieb 1987, S. 92; Koffka PersF 1988, S. 10; von Hoyningen-Huene BB 1988, S. 264; Schmitt ZTR 1987, S. 295; Brase/Heilmann Der Betriebsrat 1987, S. 671 ff.). Nach Auffassung der Kammer können Ansprüche, die von der Wirksamkeit einer Kündigung abhängen, erst ab Rechtskraft des Kündigungsschutzurteils geltend gemacht werden, weil die eingetretenen rechtsgestaltenden Wirkungen der Kündigungserklärung erst durch das rechtskräftige Kündigungsschutzurteil rückwirkend wieder beseitigt werden (so jetzt auch Arbeitsgericht Hannover, Urteil vom 20.08.1986 - 10 Ca 216/86; a. A. Künzl DB 1986, S. 1280; vgl. im übrigen: Tomandl Die fehlerhafte Beendigung des Arbeitsvertrages, in: Beendigung des Arbeitsvertrages, Wiener Beiträge zum Arbeits- und Sozialrecht, Band 22, Wien 1986; Starke Rückgängigmachung ausgeübter Gestaltungsrechte, Jur.Diss. Bielefeld 1985; Adomeit, Gestaltungsrechte, Rechtsgeschäfte, Ansprüche, Berlin 1969; Block Die Zurücknahme der Ausübung von Gestaltungsrechten; Jherings Jb. 69, 334 ff.; Bötticher Gestaltungsrechte und Unterwerfung, Berlin 1964; ders., NZfA 1932, 269 ff., 363 ff.; Fenkart Wesen und Ausübung der Gestaltungsrechte in Schweizerischen Privatrecht, Jur. Diss. Bern 1925; Seckel Die Gestaltungsrechte des bürgerlichen Rechts, Festgabe für Richard Koch, Berlin 1903, S. 205 ff., 214). Zum anderen - und völlig unabhängig von der Frage der Qualifikation der Kündigungsschutzklage als Gestaltungsabwehrklage - kann dem Großen Senat nicht gefolgt werden, weil es sich bei dem genannten Beschluß um eine unzulässige Rechtsfortbildung handelt. Dies ist in dem zitierten Urteil vom 07.02.1986 im einzelnen dargelegt worden. Bötticher spricht von einer "unglaubwürdigen Kompromißlösung", die "nach Art eines vorläufigen Rechtsbesitzes zu einer neuen Verfahrensart" verschmilzt, "die zwischen dem normalen Rechtsgang und der einstweiligen Verfügung ans Licht drängt" (Schreiben an den Vorsitzenden der Kammer vom 21.10.1986). Dem Beschluß des Großen Senats zum materiell-rechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruch kann aber - drittens - deshalb nicht gefolgt werden, weil diese Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht in Einklang steht mit der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Lehre zum "Parlamentsvorbehalt" (Urteil der erkennenden Kammer vom 11.07.1986 - 3 Sa 117/85). Danach kommt dem Gesetzgeber bei der Abgrenzung kollidierender Grundrechtssphären eine Wertungsprärogative zu. Rechtsstaatsprinzip und Demokratieprinzip verpflichten den Gesetzgeber, bei Kollisionen im grundrechtsrelevanten Bereich die "wesentlichen" Entscheidungen und damit auch diejenigen zur gegenseitigen Abgrenzung der Berufswahl- und Berufsausübungsfreiheiten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer selbst zu treffen (vgl. auch Kloepfer NJW 1985, S. 2497). Soweit im Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 02.04.1987 - 2 AZR 418/86 - (Seite 32 der Gründe) ausgeführt wird, daß die Rechtsprechung des Berufungsgerichts ihre Kritik "allein" auf die These stütze, die Kündigungsschutzklage sei keine Feststellungs-, sondern eine Gegengestaltungsklage, findet dies in der Rechtsprechung der Kammer keine Grundlage. Bislang jedenfalls ist festzuhalten, daß es an einer vertieften Auseinandersetzung des Bundesarbeitsgerichts insbesondere mit der Frage, inwieweit die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung überschritten worden sind, fehlt (vgl. Reuter, Rechtsfortbildung im Arbeitsrecht, RdA 1985 S. 321, Söllner, Zur Verfassungs- und Gesetzestreue im Arbeitsrecht, RdA 1985 S. 328; Mayer-Maly, Ober die der Rechtswissenschaft und der richterlichen Rechtsfortbildung gezogenen Grenzen, JZ 1986 S. 557; von Hoyningen-Huene, Rechtsfortbildung in Arbeitsrecht als Vorreiter und Vorbild?, in: Richterliche Rechtsfortbildung, Festschrift 600 Jahre Universität Heidelberg, 1986, S. 353 = BB 1986 S. 2133; Hofmann Festschrift Pleyer, 1986, S. 319, 325, 338 f.). Allerdings erweist sich offenbar immer mehr der Beschluß des Großen Senats als eine eingeständige, eine Eigendynamik entwickelnde Rechtsquelle (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.06.1985, DB 1986, S. 1827 = NZA 1986, S. 562, das die Grundsätze des Beschlusses des Großen Senats recht unvermittelt auf den Fall überträgt, der auch hier vorliegt, nämlich daß über die Wirksamkeit einer Befristung des Arbeitsverhältnisses gestritten wird; Urteil vom 28.03.1985 AP Nr. 4 zu § 767 ZPO = SAE 1986 S. 211 mit Anmerkung Weber = DB 1985 S. 2461; Urteil vom 12.09.1985 ZIP 1986 S. 388; Urteil vom 19.12.1985 AP Nr. 17 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht = SAE 1987 S. 17 m. Anmerkung Kraft = DB 1986 S. 1679; Urteil vom 04.09.1986 AP Nr. 22 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht = NZA 1987 S. 376 = DB 1987 S. 1154; Urteil vom 10.03.1987 EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 28 = DB 1987 S. 1045 = AuR 1987 S. 346 mit Bespr. Dütz S. 317), deren Kritik zudem den Anschein des Unerlaubten erhält (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, NZA 1987, S. 535 [LAG Rheinland-Pfalz 12.03.1987 - 5 Sa 1080/86]). Möglicherweise ist alsdann dieser Vorgang als ein Beitrag zu einer "wirklichkeitsbezogenen Rechtsquellenlehre" im Sinne Adomeits zu interpretieren: "Hier, an den Grenzfragen der Rechtsordnung, wird also die Rechtswissenschaft, wenn sie sich nicht in Metaphysik auflösen will, mit Rechtssoziologie identisch, und die Übernahme wirklichkeitswissenschaftlicher Denkweisen ist nicht länger vermeidbar. Dies bedingt die für den Juristen ungewohnte Einstellung, sich mit der Erkenntnis, gewisse Phänomene fungierten tatsächlich als Rechtsquellen, zu begnügen und die Frage nach der Legitimität dieser Funktion als eine illegitime Frage zurückzuweisen." (So Adomeit, Rechtsquellenfragen im Arbeitsrecht, München 1969, S. 41; zum Richterspruch als Rechtsquelle vgl. aber Söllner RdA 1985 S. 328, 331 f.). Die Kammer verbleibt jedenfalls bei ihrer Auffassung, wonach den legitimen Beschäftigungsinteressen von Arbeitnehmern in methodisch einwandfreier weise unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles und ohne, daß es zu einer zeitweiligen Ausgliederung aus dem Betrieb kommt, im Wege der einstweiligen Verfügung Rechnung getragen werden kann (vgl. die zitierten Urteile vom 07.02.1986 sowie vom 22.05.1987 jeweils a.a.O.; vgl. schließlich noch zur, soweit ersichtlich, erstmaligen Erwähnung eines "Rechts auf volle Beschäftigung" den ersten allgemeinen Tarif der Buchdrucker vom 09.05.1873, zitiert bei Blanke u.a., Kollektives Arbeitsrecht, Quellentexte zur Geschichte des Arbeitsrechts in Deutschland, Hamburg 1975, S. 62).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92 ZPO.
Der Kostenstreitwert des Berufungsverfahrens ist der des angefochtenen Urteils, § 69 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz.
Die auf die Frage des Weiterbeschäftigungsanspruches als eines selbständigen Teils des Streitgegenstandes beschränkte Revisionszulassung beruht auf § 72 Arbeitsgerichtsgesetz. Im übrigen liegen Gründe, die Revision zuzulassen, letztlich nicht vor.
Lierse
Thormann