Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.02.1987, Az.: 13 Sa 1721/86
Übergegangene rückständige Versorgungsansprüche der Versorgungsempfänger im Konkursverfahren; Behandlung als Masseschuld oder als Konkursforderung
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 03.02.1987
- Aktenzeichen
- 13 Sa 1721/86
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1987, 10690
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1987:0203.13SA1721.86.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 26.08.1986 - AZ: 3 Ca 263/86
- nachfolgend
- LAG Hannover - 03.02.1987 - AZ: 13 Sa 1721/86
- BAG - 06.09.1988 - AZ: 3 AZR 141/87
Rechtsgrundlagen
- § 7 Abs. 1 BetrAVG
- § 9 Abs. 2 BetrAVG
- § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst.d KO
- § 59 Abs. 2 KO
- § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO
Fundstellen
- DB 1987, 894
- ZIP 1987, 1137-1138
Verfahrensgegenstand
Forderung
Amtlicher Leitsatz
Auf den Pensions-Sicherungs-Verein gemäß § 9 Abs 2 BetrAVGübergegangene rückständige Ansprüche auf Versorgungsleistung aus betrieblicher Altersversorgung bleiben Masseschulden, § 59 Abs 1 Nr 3d KO.
Die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen hat
auf die mündliche Verhandlung vom 3.2.1987
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenkötter und
die ehrenamtlichen Richter Meyerhoff und Brenner
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 26.8.1986, 3 Ca 263/86, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist gesetzlicher Träger der Insolvenzsicherung nach dem Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, der Beklagte ist Konkursverwalter der Firma ... Über das Vermögen der Gemeinschuldnerin wurde am 19.10.1983 das Konkursverfahren eröffnet. Der Kläger zahlte an Versorgungsempfänger der Gemeinschuldnerin aufgrund einer insolvenzgeschützten Altersversorgung 3.328,80 DM. Hierbei handelte es sich um rückständige Versorgungsleistungen aus einem Zeitraum von 6 Monaten vor Konkurseröffnung.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger, gestützt auf § 9 Abs. 2 des Gesetzes zur betrieblichen Altersversorgung, von dem Beklagten die Zahlung von 3.328,80 DM. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die rückständigen Versorgungsansprüche der Versorgungsempfänger seien als Masseschuld gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 3 d KO auf ihn übergegangen und von dem Beklagten als Masseschuld zu befriedigen.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 3.328,80 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 3.7.1986 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Ansicht vertreten, durch den Forderungsübergang hätten die Ansprüche ihre Rechtsnatur als Masseschuld verloren und seien lediglich als Konkursforderung nach § 61 Abs. 1 Ziffer 6 der Konkursordnung zu befriedigen.
Das Arbeitsgericht hat den Beklagten verurteilt, an den Kläger 3.328,80 DM nebst 4 % Zinsen seit 3.7.1986 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat es dem Beklagten auferlegt und den Wert des Streitgegenstandes auf 3.328,80 DM festgesetzt.
Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, durch den Forderungsübergang hätten die Ansprüche auf rückständige Versorgungsleistung ihren Charakter als Masseschuld nicht verloren. Ein Umkehrschluß aus § 59 Abs. 2 KO ergebe vielmehr, daß durch einen Forderungsübergang der Masseschuldcharakter nicht verloren gehe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird Bezug genommen auf die Entscheidungsgründe.
Das Urteil des Arbeitsgerichts ist dem Beklagten am 10.9.1986 zugestellt worden. Die Berufung des Beklagten ist am 6.10.1986, die Berufungsbgründung am 3.11.1986 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.
Der Beklagte vertritt die Auffassung, nach § 9 Abs. 2 des Gesetzes zur betrieblichen Alterversorgung sei nur der Anspruch auf Versorgungsleistung auf den Kläger übergegangen, nicht die konkursrechtliche Qualität des Anspruchs. Der Kläger sei im Konkursfall ebenso wie die Bundesanstalt für Arbeit, sofern sie Konkursausfallgeld zahle, Auffangträger. Aus § 59 Abs. 2 KO sei deshalb zu folgern, daß auch die auf den Kläger übergegangenen Ansprüche nicht als Masseschuldansprüche übergehen, sondern als Konkursforderungen. Wegen der gleichen Ausgangslage bei Konkursausfallgeldzahlung durch das Arbeitsamt und Übernahme von Versorgunsleistungen durch den Kläger sei § 59 Abs. 2 KO analog anzuwenden.
Der Beklagte beantragt,
in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, durch den Forderungsübergang verliere die Forderung nicht ihren Charakter als Masseforderung. Eine analoge Anwendung des § 59 Abs. 2 KO auf rückständige Versorgungsleistungen komme nicht in Betracht, bei der Neufassung des § 59 Abs. 2 KO im Jahre 1984 habe der Gesetzgeber den übergegangenen Versorgungsansprüchen gerade nicht das Masseschuldprivileg genommen. Da die Masseschuldqualität eine Eigenschaft der Forderung sei, die mit dieser untrennbar verbunden sei, bedürfe es auch keiner besonderen Vorschrift, die bei Forderungsübergang den Übergang als Masseschuld bestimme. § 59 Abs. 2 KO enthalte gerade eine Ausnahmevorschrift.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 3.11.1986 (Bl. 36 ff.d.A.) und auf den Beklagtenschriftsatz vom 27.1.1987 (Bl. 70 ff.d.A.) sowie auf die Berufungserwiderung vom 4.12.1986 (Bl. 40 ff.d.A.).
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig (§§ 518, 519 ZPO, 64, 66 ArbGG). Die Berufung ist nicht begründet. Zutreffend ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, daß die übergegangenen Versorgungsansprüche von dem Beklagten als Masseschuld zu befriedigen sind.
Der Kläger war nach § 7 Abs. 1 des Gesetzes zur betrieblichen Altersversorgung verpflichtet, rückständige Versorgungsleistungen der letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung zu befriedigen (BGH AP Nr. 5 zu § 7 BetrAVG). Nach § 9 Abs. 2 des Gesetzes zur betrieblichen Altersversorgung sind deshalb die Ansprüche der Versorgungsempfänger auf Versorgungsleistung auf den Kläger übergegangen.
Ansprüche der Versorgungsempfänger auf rückständige Leistungen bis zu 6 Monaten vor Konkurseröffnung sind gemäß § 59 Abs. 1 Ziffer 3 d KO Masseschulden. Die Ansprüche sind auch nach Forderungsübergang auf den Kläger als Masseschulden zu befriedigen. Diese Auffassung entspricht der herrschen Meinung (Kuhn-Uhlenbruck, Konkursordnung, 10. Auflg. § 59, Rdnr. 15 r und y; Blomeyer-Otto, Gesetz zur betrieblichen Altersversorgung, § 9, Rdnr. 48; Heubeck-Höhne, Kommentar zum Betriebsrentengesetz, 2. Auflg., § 9, Rdnr. 10). Der herrschen Meinung ist zu folgen.
Nach § 401 Abs. 2 BGB geht mit einer Forderung für den Fall des Konkurses auch das damit verbundene Vorzugsrecht auf den neuen Gläubiger über. Diese Vorschrift ordnet den Übergang der Vorzugsrechte aus §§ 61, 62 KO ausdrücklich an. Sie erfaßt nicht den Masseschuldcharakter. Einer ausdrücklichen Vorschrift, die den Übergang des Masseschuldcharakters auf den neuen Gläubiger bestimmt, bedarf es nicht. Wenn das Gesetz Forderungen als Masseschulden bestimmt, so befreit es sie damit von Beschränkungen des Konkursverfahrens. Masseschulden müssen nicht als Konkursforderungen zur Konkurstabelle angemeldet werden und können während des Konkursverfahrens gegen den Konkursverwalter eingeklagt werden und auch vollstreckt werden, die einzige Beschränkung ergibt sich aus der möglichen Einrede der Masseunzulänglichkeit nach § 60 KO. Wenn aber Masseschulden durch das Konkursverfahren nicht in ihrer Durchsetzbarkeit beschränkt sind, kann auch durch einen Forderungsübergang eine konkursrechtliche Beschränkung, etwa die Einordnung als Konkursforderung, nicht eintreten. Hierzu bedarf es einer besonderen Vorschrift, die aber gerade für übergegangene Versorgungsansprüche fehlt.
Eine dem § 59 Abs. 2 KO entsprechende Vorschrift fehlt.
Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt auch eine analoge Anwendung von § 59 Abs. 2 KO nicht in Betracht. § 59 Abs. 2 KO bestimmt z.B., daß die wegen eines Konkursausfallgeldantrages auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangenen Ansprüche ihren Masseschuldcharakter verlieren und als Konkursforderungen nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO zu befriedigen sind. Diese Vorschrift ist als Ausnahmevorschrift nicht analogiefähig für andere gesetzliche Forderungsübergänge.
Eine Analogie kommt auch deshalb nicht in Betracht, weil § 59 Abs. 2 Forderungsübergänge im Zusammenhang mit sozialversicherungsrechtlichen Leistungen betrifft. Die dort geregelte Insolvenzsicherung wird von öffentlich-rechtlichen Institutionen getragen. Der Kläger dagegen ist ein privatrechtlicher Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, der gemäß § 10 Gesetz zur betrieblichen Altersversorgung aus Arbeitgeberbeiträgen die Insolvenzleistungen erbringen muß. Diese unterschiedlichen Ausgestaltungsformen stehen einer analogen Anwendung des § 59 Abs. 2 KO entgegen, eine Belastung des Klägers durch den Verlust der Masseschuldeigenschaft kommt deshalb nur aufgrund einer besonderen gesetzlichen Regelung in Betracht.
Wenn die Ansprüche auf Versorgungsleistung auf den Kläger übergehen als Masseschulden, haben sie damit Vorrang vor Sozialplanansprüchen und sonstigen Arbeitnehmeransprüchen nach § 61 Abs. 1 Ziffer 1 KO. Dies mag dem Grundgedanken der Insolvenzsicherung nach dem Gesetz zur betrieblichen Altersversorgung widersprechen, kann aber ebenfalls keiner Analogie zu § 59 Abs. 2 KO begründen. Die hier angesprochene Problematik des Überganges der Versorgungsansprüche als Masseschulden ist seit langem bekannt, trotzdem hat der Gesetzgeber bei der letzten Änderung des § 59 Abs. 2 KO durch Gesetz vom 8.3.1984 eine Ausdehnung des § 59 Abs. 2 KO auf den Übergang von Versorgungsansprüchen nicht vorgenommen. Schließlich enthält die Konkursordnung ein differenziertes System von Masseschulden, Konkursforderungen mit und ohne Vorrecht, es handelt es erkennbar um eine abschließende gesetzliche Regelung, in die nicht ohne weiteres durch Analogie eingegriffen werden kann.
Wenn aber eine Analogie zu § 59 Abs. 2 KO ausscheidet, sind die Versorgungsansprüche als Masseschulden auf den Kläger übergegangen und von dem Beklagten als Masseschulden zu berichtigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG verbleibt es bei der Streitwertentscheidung des Arbeitsgerichts.
Gemäß § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG war die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
Meyerhoff
Brenner