Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.05.1987, Az.: 5 Sa 87/87

Urlaubsabgeltungsanspruch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
27.05.1987
Aktenzeichen
5 Sa 87/87
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1987, 10700
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1987:0527.5SA87.87.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Osnabrück - 02.12.1986 - AZ: 3 Ca 1139/86
nachfolgend
BAG - 20.04.1989 - AZ: 8 AZR 621/87

Verfahrensgegenstand

Urlaubsabgeltung

Prozessführer

...

Prozessgegner

...

In dem Rechtsstreit
hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht und
der ehrenamtlichen Richter
von aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. Mai 1987
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung wird das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 2. Dezember 1986 - 3 Ca 1139/86 - geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.808,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den Nettobetrag seit dem 25. Juli 1986 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte den Urlaub der Klägerin für das Jahr 1986 abzugelten hat. Die Klägerin, geboren am 10. November 1926, stand vom 26. April 1968 bis zum 24. Juni 1986 zu der Beklagten in einem Arbeitsverhältnis. Ihr Bruttostundenlohn betrug zuletzt 13,60 DM, die wöchentliche Arbeitszeit 38,5 Stunden. Auf das Arbeitsverhältnis fanden die Tarifverträge für die Arbeitnehmer in der Metallindustrie im Bereich Osnabrück - Emsland Anwendung.

2

Seit dem 11. Februar 1986 bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Auf ihren Antrag vom 18. März 1986 ist ihr durch Bescheid der Landesversicherungsanstalt Hannover vom 13. Juni 1986 (Fotokopie Bl. 16 d.A.) ab 1. März 1986 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bewilligt worden.

3

Für das Jahr 1986 ist der Klägerin Urlaub nicht gewährt worden. Eine Urlaubsabgeltung lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 3. Juli 1986 ab. Das Schreiben (Fotokopie Bl. 4 d.A.) lautet wie folgt:

Urlaubsanspruch 1986

Sehr geehrte Frau

nach der neueren Rechtsprechung des BAG erhält ein Mitarbeiter beim Ausscheiden wegen der Bewilligung einer RVO-Rente seinen Urlaub nur noch, wenn er in der Lage ist, diesen Urlaub auch anzutreten. Dazu wird in der Regel Arbeitsfähigkeit vorausgesetzt.

Da Sie nach unseren Unterlagen seit dem 11.02.1986 bis zu Ihrem Ausscheiden ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt waren, konnte der Urlaub 1986 nicht gewährt werden.

Eine Abgeltung sehen die gesetzlichen Bestimmungen nicht vor.

Wir bedauern, Ihnen keine günstigere Auskunft geben zu können und verbleiben

mit freundlichen Grüßen

4

Die Klägerin, der auch ein Zusatzurlaub für Schwerbehinderte zugestanden hat, begehrt die Abgeltung des ihr im Jahr 1986 erwachsenen Urlaubsanspruchs für 35 Tage. Sie beruft sich auf § 11 Nr. 3 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer in der Metallindustrie im Bereich Osnabrück/Emsland vom 9. Januar 1985 (MTV), wonach Arbeitnehmer, die während eines Urlaubsjahres wegen Erreichens der Altersgrenze oder wegen Invalidität aus dem Erwerbsleben ausscheiden, den vollen Urlaub erhalten. Die Klägerin hat beantragt,

5

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.808,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit dem 25. Juli 1986 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat beantragt,

7

die Klage abzuweisen.

8

Sie meint, ein Abgeltungsanspruch sei nicht gegeben, da die Klägerin seit dem 11. Februar 1986 ihre Arbeitsfähigkeit nicht wiedererlangt habe.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und den Streitwert auf 3.808,00 DM festgesetzt.

10

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, § 11 Nr. 3 MTV gewähre der Klägerin keinen selbständigen Anspruch auf Abgeltung des vollen Jahresurlaubs. Aus dem Wortlaut dieser Tarifnorm und im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen des § 11 MTV ergebe sich, daß die Arbeitnehmer, die im laufenden Urlaubsjahr aufgrund des Erreichens der Altersgrenze oder wegen Invalidität ausschieden, den vollen Jahresurlaub erhalten sollten im Gegensatz zu den Arbeitnehmern, die aus anderen Gründen im Laufe des Urlaubsjahres ausschieden und nur den anteiligen Urlaub erhielten. Danach treffe § 11 Nr. 3 MTV lediglich eine Aussage über die Höhe, nicht aber über den Grund des Abgeltungsanspruchs.

11

Nach § 11 Nr. 3 und 4 MTV in Verbindung mit § 7 Abs. 4 BUrlG sei Voraussetzung für den Abgeltungsanspruch der Klägerin, daß ihr der Urlaub, unabhängig von dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, noch tatsächlich hätte gewährt werden können. An dieser Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs fehle es zumindest bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung, da die Klägerin seit dem 11. Februar 1986 durchgehend arbeitsunfähig gewesen sei. Deswegen habe auch der Urlaubsabgeltungsanspruch, der nicht lediglich einen Zahlungsanspruch, sondern das Surrogat des Urlaubsanspruchs darstelle, nicht erfüllt werden können. Die Klägerin habe auch nicht dargelegt, daß sie trotz der Bewilligung der Erwerbsunfähigkeitsrente inzwischen ihre Arbeitsfähigkeit wiedererlangt habe und daß deswegen der Abgeltungsanspruch erfüllbar geworden wäre.

12

Gegen dieses Urteil, das ihr am 18. Dezember 1986 zugestellt worden ist, hat die Klägerin mit einem am 19. Januar 1987, einem Montag, beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz ihrer Prozeßbevollmächtigten Berufung eingelegt, die sie mit einem am 18. Februar 1987 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz ihrer Prozeßbevollmächtigten begründet hat.

13

Die Klägerin meint, der Urlaubsabgeltungsanspruch setze nach der Bestimmung des § 11 MTV lediglich das Bestehen eines Urlaubsanspruchs und dessen Nichterfüllung wegen Vertragsbeendigung voraus, ohne daß es darauf ankomme, aus welchen Gründen der Urlaubsanspruch bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unerfüllt geblieben sei. Das folge vor allem aus § 11 Nr. 4 MTV für den Fall der Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Müsse nämlich ein Arbeitnehmer wegen Invalidität - eine solche setze eine vollständige oder zumindest teilweise eingeschränkte Arbeitsfähigkeit voraus - aus dem Erwerbsleben ausscheiden, sei es widersinnig, ihm einen Anspruch auf den vollen Jahresurlaub einzuräumen, obwohl die Möglichkeit, diesen auch während der Kündigungsfrist zu nehmen, nicht gegeben und eine Abgeltung nicht möglich sei, weil eine langandauernde Arbeitsunfähigkeit zur Invalidität des Arbeitnehmers und damit zu seinem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben geführt habe. Der tarifvertragliche Begriff "Invalidität" differenziere nicht, ob einer solchen eine langandauernde Arbeitsunfähigkeit mit völliger Leistungseinschränkung oder nur eine teilweise Leistungseinschränkung aufgrund von körperlichen oder geistigen Gebrechen zugrunde liegt.

14

Die Klägerin sei aufgrund der bei ihr rückwirkend ab 1. März 1986 bestehenden Invalidität (Erwerbsunfähigkeit) aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Es sei daher nicht zu berücksichtigen, ob die Erfüllung des Urlaubsanspruchs durch tatsächliche Freistellung von der Arbeitspflicht bis zum Zeitpunkt der Beendigung überhaupt noch möglich oder dauernd unmöglich gewesen wäre, zumal die Bestimmung des § 11 MTV eine derartige Differenzierung nicht zulasse.

15

Im übrigen sei die Klägerin, da es sich bei ihrer Tätigkeit nur um wiederkehrende einfache Schreibarbeiten gehandelt habe, durchaus in der Lage gewesen, ihre frühere Tätigkeit als Programmsteuerin auszuüben, so daß der Urlaubsabgeltungsanspruch auch erfüllbar gewesen wäre. Ab November 1986 habe die Klägerin nicht mehr eine Erwerbsunfähigkeitsrente, sondern vorgezogenes Altersruhegeld bezogen. Spätestens ab November 1986 habe die Klägerin ihre vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringen können, so daß die Erfüllbarkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs gegeben sei. Zur Darstellung weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin wird auf die Berufungsbegründung vom 17. Februar 1987 (Bl. 46 f.d.A.) Bezug genommen.

16

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 2. Dezember 1986 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.808,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den Nettobetrag seit dem 25. Juli 1986 zu zahlen.

17

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

18

Sie weist darauf hin, daß das Arbeitsgericht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gefolgt seit, und verteidigt das angefochtene Urteil als der Rechtslage entsprechend. Sie bestreitet die Behauptung der Klägerin, sie sei trotz Vorliegens von Erwerbsunfähigkeit in der Lage gewesen, ihre geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

19

Zur Darstellung der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf die Berufungserwiderung nebst Anlagen (Bl. 54-65 d.A.) und auf den Schriftsatz vom 6. Mai 1987 nebst Anlagen (Bl. 70-74 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

20

Die aufgrund der Höhe des Wertes des Beschwerdegegenstandes statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist damit zulässig.

21

Die Berufung ist auch begründet. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit der Parteien unzutreffend entschieden. Der Klägerin steht der eingeklagte Urlaubsabgeltungsanspruch, dessen Höhe nicht mehr streitig ist, zu. Das folgt aus § 7 Abs. 4 BUrlG in Verbindung mit § 11 Nr. 3 und Nr. 7 MTV. Nach § 7 Abs. 4 BUrlG ist der Urlaub abzugelten, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Entgegen dieser eindeutigen Bestimmung hat das Arbeitsgericht der Klägerin den Urlaubsabgeltungsanspruch nicht zugesprochen, weil es, insoweit dem Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 14.05.1986 - 8 AZR 604/84 - AP Nr. 26 zu § 7 BUrlG Abgeltung) folgend, die Meinung vertritt, die Erfüllbarkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs setze voraus, daß der Arbeitnehmer bei Fortdauer des Arbeitsverhältnisses eine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung hätte erbringen können, was bei der Klägerin jedenfalls bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung am 2. Dezember 1986 nicht der Fall gewesen sei. In der Tat meint das Bundesarbeitsgericht a.a.O., der Urlaubsabgeltungsanspruch entstehe als Surrogat des Urlaubsanspruchs mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unabhängig von einer etwaigen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit sei er jedoch nicht erfüllbar. Im Fall des § 7 Abs. 4 BUrlG komme es darauf an, ob die Arbeitspflicht, bestünde das Arbeitsverhältnis fort, noch suspendiert werden könnte. Sei dies nicht der Fall, wäre der Urlaubsanspruch, der ein Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber von den nach dem Arbeitsverhältnis entstehenden Arbeitspflichten sei, nicht erfüllbar. Das gleiche gelte für den Urlaubsabgeltungsanspruch als Surrogat des Urlaubsanspruchs.

22

Aus seiner Ansicht, daß es sich bei dem Urlaubsabgeltungsanspruch um das Surrogat des Urlaubsabgeltungsanspruchs handele, folgert das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 07.11.1985 - 6 AZR 202/83 -), daß auch der Urlaubsabgeltungsanspruch nur bis spätestens zum Ende des Übertragungszeitraums besteht. Erlangt ein erkrankter Arbeitnehmer vor diesem Zeitpunkt seine Arbeitsfähigkeit zurück, so daß ihm bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis Urlaub hätte erteilt werden können, ist nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts der Urlaubsabgeltungsanspruch erfüllbar. Folgt man dieser Auffassung, so ist das angefochtene Urteil schon deswegen problematisch, weil nicht feststeht, ob die Klägerin nach dessen Verkündung weiterhin arbeitsunfähig krank war. Indessen kann der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts, die vom Standpunkt der Rechtssicherheit zu einem befremdlichen Ergebnis führt (Birk Anm. zu BAG AP Nr. 21 zu § 7 BUrlG Abgeltung), nicht gefolgt werden. Die Folgerungen, die das Bundesarbeitsgericht aus dem Satz herleitet, der Urlaubsabgeltungsanspruch sei ein Surrogat des Urlaubsanspruchs, stellen eine völlige Umstürzung des Inhalts des Surrogatsbegriffs dar, die die Kammer bei Zugrundelegung der ihr zu Gebote stehenden rechtswissenschaftlichen Kriterien nicht nachvollziehen kann, zumal das Bundesarbeitsgericht seine Herleitungen nicht begründet hat. Wie das Bundesarbeitsgericht entschieden hat (Urteil vom 31.10.1986 - 8 AZR 244/84 - NZA 1987, 389 f), wird der Arbeitgeber gemäß § 275 Abs. 1 BGB von der Pflicht zur Gewährung des Urlaubs frei, wenn er einem Arbeitnehmer seinen Urlaub nicht gewähren kann, weil dieser während des Urlaubsjahres und gegebenenfalls während des Übertragungszeitraumes arbeitsunfähig erkrankt war. Es handelt sich um einen gesetzlich geregelten Fall der vom Schuldner nicht zu vertretenden Unmöglichkeit. § 281 BGB enthält für diesen Fall eine Surrogationsregelung, indem dort bestimmt ist (Abs. 1), daß dann, wenn der Schuldner ... infolge des Umstandes, welcher die Leistung unmöglich macht, für den geschuldeten Gegenstand einen Ersatz oder einen Ersatzanspruch erlangt, der Gläubiger Herausgabe des als Ersatz Empfangenen oder Abtretung des Ersatzanspruchs verlangen könne. Diese Bestimmung spiegelt die in allen Vorschriften, welche die dingliche oder schuldrechtliche Surrogation betreffen, enthaltene Idee wider, daß der ursprünglich dinglich oder schuldrechtlich Berechtigte nicht leer ausgehen soll, wenn ein anderer Gegenstand an die Stelle des Gegenstandes getreten ist, an dem die ursprüngliche Berechtigung bestand. Die Funktion der die Surrogation betreffenden Vorschriften besteht also darin, die Rechtsposition eines dinglich oder schuldrechtlich Berechtigten zu stärken und - wenn auch in modifizierter Form - aufrechtzuerhalten, wenn an die Stelle des Gegenstandes, an dem die ursprüngliche Berechtigung bestand, ein Ersatz (stellvertretendes commodum) oder eben ein "Surrogat" getreten ist. Das Bundesarbeitsgericht benutzt jedoch den Begriff des Surrogats gerade im entgegengesetzten Sinne, indem es einen selbstverständlich erfüllbaren Anspruch (Krafft Anm. zu BAG Nr. 18 zu § 7 BUrlG Abgeltung; Birk a.a.O.) während der Dauer der Erkrankung eines Arbeitnehmers für nicht erfüllbar erklärt und so die Position des ursprünglich Berechtigten nicht stärkt, sondern vernichtet. Dazu bedient es sich der "weitgehend frei schwebenden dogmatischen Annahme" (Birk a.a.O.), der Abgeltungsanspruch unterliege hinsichtlich seiner Erfüllbarkeit den gleichen Regeln wie der ursprüngliche Urlaubsanspruch. Die Surrogatsregelungen zielen jedoch in die Gegenrichtung. Eine Surrogation findet gerade deswegen statt, um eine - wenn auch modifizierte - Erfüllung auch in den Fällen noch zu ermöglichen, in denen die Erfüllung in der ursprünglichen Form nicht mehr möglich ist.

23

Ursprünglich hatte das Bundesarbeitsgericht den Begriff des Surrogats im Zusammenhang mit dem Urlaubsabgeltungsanspruch denn auch in einem anderen Sinn gebraucht (BAG AP Nr. 4 zu § 13 BUrlG Unabdingbarkeit). Es hatte - systemkonform - den Urlaubsabgeltungsanspruch als Surrogat für den während des Arbeitsverhältnisses nicht erfüllten Urlaubsanspruch bezeichnet und entschieden, daß er hinsichtlich seiner Tarifbeständigkeit ebenso zu behandeln sei wie der Urlaubsanspruch, so daß "eine tarifliche Regelung, die bei jeder fristlosen Entlassung aus Verschulden des Arbeitnehmers den Anspruch auf Abgeltung auch des gesetzlichen Mindesturlaubs ausschließt, seit dem Inkrafttreten des Heimarbeitsgesetzes vom 29. Oktober 1974 nicht mehr zulässig" sei. Systemkonform ist diese Entscheidung insofern, als das Bundesarbeitsgericht der Funktion der Surrogation Rechnung trägt und dem durch § 13 Abs. 1 BUrlG besonders geschützten Arbeitnehmer seine Rechtsposition erhält.

24

Aus dem Begriff des Surrogats läßt sich daher die vom Bundesarbeitsgericht gezogene Folgerung nicht ableiten. Die Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht (Artikel 20 Abs. 3 Grundgesetz) gebietet es, § 7 Abs. 4 BUrlG in dem vom Gesetzgeber eindeutig formulierten Sinn anzuwenden. Nur so kann im übrigen auch das paradoxe Ergebnis vermieden werden, daß ein aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidender Arbeitnehmer, der bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig krank war, rechtzeitig vor dem Ende des Urlaubsjahres jedoch wieder gesundet, die Erfüllung des Urlaubsabgeltungsanspruchs verlangen kann, während ein Arbeitnehmer, der bis zu seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gearbeitet, den Urlaub aber aus betrieblichen Gründen nicht gewährt erhalten hat, keine Urlaubsabgeltung beanspruchen kann, wenn er bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses und bis zum Ende des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraumes arbeitsunfähig krank ist.

25

Nach allem steht der Klägerin der eingeklagte Anspruch, dessen Höhe nicht mehr streitig ist, zu, so daß das angefochtene Urteil aufzuheben und der Klage stattzugeben ist.

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

27

Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen worden.

28

Gegen dieses Urteil findet, wie sich aus der Urteilsformel ergibt, die Revision statt.